Jants über öas Journaliftengefich. Skuttgarl, 21. Juni. (WTB.) Auf der Tagung des Vereins deut- scher Zeitungsverlsger erklärte der Reichsinnenminister Dr. Jarres, «s unterliege keinem Zweifel, daß das ganz« Presfegesetz neu geregelt werden müffe. Sämtliche Fraktionen des Reichs- lages ständen auf dem Standpunkt, daß die Frage der Rechts- Verhältnisse der S ch r i f t te i t u n g einer grundsätz- lichen Regelung bedürfe. Es gelte jetzt, das Ergebnis der Be- ratungen abzuwarten. Im weiteren Verlauf seiner Ausführung zum Jnurnalistertzcsctz erklärt« Reichsminifter Dr. Jares: Wir werden das Ergebnis der heutigen Beratungen abwarten, um mit den S p i tz e n. organisationen beider Seiten zusammenzutreten, denn nur so kann der Weg gefunden werden zur Aufrechlerhal'tung einer Presse, wie wir sie bisher hatten, die sich eines Hoch- standes erfreut, um den uns die ausländische Presse beneidet. Eine Einigung über das Journalistengesetz sollte gefunden werden. Ge- wiß muß der Verleger seine Bedeutung und in vielen Punkten end- gültigen Einfluß auf die Zeitung behalten. Andererseits muß aber nicht nur das Arbeitsverhältnis des Schriftleiters, sondern auch sein Berufsansehen so gehoben werden, daß wirklich ein traft- und wertvoller Schriftleitertranz dem Verleger zur Seite steht. Wir werden in objektiver Würdigung der beiderseitigen Belange und nach reiflicher Ueberiegnng und Rücksprache mit beiden Teilen dasjenige vorschlagen, ,vas wir im Interesse der deutschen Presse, der Verleger und der Schriftleitung für notwendig halten. » Auf der Köniqsberger Tagung des„Reichsocrbandes der deutschen Presse" referierte Chefrerakteur Bernhard- Berlin über Arbeitsgemeinschaft und Journalistengesetz. Die Redakteurschast fei nach wie vor bereir. alles zu tun. um mir den Verlegern zur Er- reichung der Ziele der Arbeltsgemeinschafit zusammenzuarbeiten! allerdings fei wenig choffnung vorhanden, daß noch etwas Ersprieg- liches aus der Arbeitsgemeinschaft herauskommen werde. Der Redner gab einen gefchästlichen U eberblick über die bisherige Be- Handlung des Journaliftengefetzes seitens der daran beteiligten Mini- sterien und der Verlegerschaft und hofft, daß trotz aller Schwierig- ketten doch schließlich das G e f e tz vom Reichstag oerabschiedet werden wird. Neue Steuergeseye. In den letzten Tagen verlautet«, daß zugleich mit den Gesetzen zur Durchführung des Sachverständigengutachtens ein« Reih« von Steuergesetzentwürfen, vor allem bezüglich der Umsatz- und der Einkommensteuer, dem Reichstag unterbreitet wer- den sollen. Für die Einkommensteuer dürft« nach unserer Kenntnis der Dinge die Meldung stimmen, hinsichtlich der Umsatzsteuer liegen jedoch zur Stunde nennenswerte Reformvorschläge an maßgebender Stell« noch nicht vor. Dort ist man vielmehr der Auffassung, daß die gut funktionierend« Umsatzsteuer die besten Hand- haben zu einer genaueren und schärferen Erfassung der Einkommen- steuer biete. Eine Zerschlagung der Umsatzsteuer gefährde also den Zweck der Einkommensteuerreform. Wo Buchführung vorlieg«, arbeite die Umsatzsteuer glatt. Wo sie nicht existiere, Hab« man Mittel und Weg« zur Sicherung der Erfassung gefunden. In der Landwirtschaft Hobe man durch Richtpreise die Erfassung gesichert, In den kleineren Gewerbebetrieben ohne Buchführung, ohne Angestellt« und dergl.(wie z. B. bei Fleischereien und ähnlichen Geschäften) fehl« es zwar noch an einer exakten Erfassung, aber auch da existierten bereits besonder« Anweisungen, die den Steuerbehörden einen möglichst vollständigen Ucberblick über den Umsatz verschaffen. tzaenisch kehrt zurück. Frankfurt a. ZU, 21. Juni. (Eca.) Nach einer bei der Regie- rurig in Wiesbaden heut« eingetroffenen telephonischen Mitteilung der Interalliierten Rheinkandkommission ist die Zulassung des Regierungs- Präsidenten ho enisch durch die Rheinkandkommission jetzt ausge- sprachen worden. Der Wiesbadener Regierungspräsident wird dieser Tag« von Frankfurt nach Wiesbaden übersiedeln. » Köln , 21. Juni. (Eca.) Das„Kölner Tageblatt" teilt mit, daß der Beauftragte der Rheialandkommission, Tirard, gestern aus Mitteln durch nichts behindern lassen. Staatssekretär Schulz beiont« die Herzlichkeit der Beziehungen zwischen Reich und Volks» bühne, welch letzterer der Staat auch weiterhin regstes Interesse zu- wenden würde. Aehnlich äußerte sich Prof. Kestenberg für das Preußische Kultusministerium. Er schildert« die Gemeinsamkeit der Bestrebungen der vom Kultusministerium geschaffenen Landesbühnen mit den Bühnen der Volksbühnenvereine, Bestrebungen, die dahin zielten, der großen Masse in Stadt und Land in gemeinnützigen Tl?e«ltern Wertvolles zu bieten.— Emil Lind von der Genossen- schaft deutscher Bühnenangehörigen stellte die Gemeinsamkeit der Interessen beider Verbände fest. Darauf erstattete Generalsekretär Nr. N est r i e p k e den Geschäfts. bericht: Die Volksbühnenvereine zählten, wie er ausführte, über eine halbe Million Mitglieder, davon 160 000 allein in Berlin , und hätten pn verschiedenen Orten— Köln, Zwickau , Eisenoch— eigene Theater erbauen können. Dagegen wird bedauert, daß in Dresden und leider in ganz Bayern nicht ein Bolksbühnenverein der Bolksbühnengemeinschastangehöre. Bayern soll jetzt energisch bearbeitet werden, damit auch dort der Volksbühnengedank« Fuß fasse. Besonders solle dem Laienspiel von den Vereinen größere Beachtung gewidmet werden. Einen größeren Raum nahmen die Auseinandersetzung mit dem Bühnenvolksbund«in. Die Reibungen zwischen beiden Verbänden hätten sich vergrößert, trotzdem sei bei gemeinsamen Interessen den Behörden gegenüber eine Zu- sammenarbeit möglich. Gerade in letzter Zeit habe der Bühnen» volksbund ein« rege Tätigkeit entfaltet, die man jedoch nicht über- schätzen dürfe. Es müßte vor allen Dingen Klarheit geschaffen iverden über die Einstellung der beiden Verbände zueinander. Die Behaup- tung, die Volksbühnen seien parteipolitisch eingestellt, sei falsch. Aller- dings habe die Volksbühne Interesse an der modernen Arbeiterbewe- gung und greife dort, wo«s notwendig sei, in die Kulturpolftik ein. Der Volksbühnenverband würde durch feine Leistungen den Bühnen- volksbund zurückdrängen._ Dorlpn macht Geschäft« in deutscher Literatur. Klara Vi«> big schreibt der„Köln . Ztg.": Vor mehr als zwei Iahren erwarb einer Pariser Verleger das Recht, von meinen Romanen:„Töchter der chekuba" und„Das Rote Meer"«ine französische Ausgabe zu vcr- anstalten Seitdem hörte ich nichts mehr von dieser Angelegenheit, bis mir vor einigen Tagen von mehreren Seiten mitgeteilt wurde, daß die Romane in Paris erschienen seien, und zwar mit einer Bor- red« von_ Dr. D orten! Ich brauche Ihnen nicht zu oer- sichern, daß ich über diesen Mißbrauch, der hier offenbar mit meinem Werk getrieben wird, entrüstet bin. Es ist mir unerfindlich, wie ein Dorten aus meinen Büchern Kapital zu schlagen vermag. Jeden- falls möchte ich an dieser Stelle in aller Oeffcmllchkeit dagegen pro- testieren, daß man mich in irgendeinen Zusammenhang mit Dorten und seinen Bestrebungen bringt. Es ist iraurig genug, daß ich ganz machtlos dagegen bin überhaupt meinen Namen mit dem seinen auch nur einen Augenblick zusammen genannt zu sinden." Erstausführungen der wach«. Soaaabead: Schillertheate»:.Korn. Braut-; Meiropoltbrater:.Maskottchen'.— ZNontag: Oper am Königsplatz:.P o l- n b I u t- Der ehrgeizige IMllerand. Wie auZ Pari? berichtet wird, beabsichtigt der ehemalige DrSstdent der Republik , M ill e r a n d, seine Kandidatur für einen der freien Eitz- in der Akademie auszustellen.—(Für seine Antrittsvorlesung empfehlen wir th« da, Thema.Kleb stalte').■■ Paris nach Koblenz zurückgekehrt sei. Tirard habe Herr rot einen ausführlichen Bericht über das Rheinland übermittelt, den der neue französische Regierungschef zu seiner Aussprache mit Mac- donald angefordert halte. General Degoutt«, der für das neu- besetzte Gebiet die enffprechenden Unterlagen beschafft hätte, sei gleich- zeitig nach Mainz zurückgekehrt. Zur Zusammenkunft Herriots mit Macdonald verlaute aus Kreisen der Rheinlandtommission, daß sie vor allem der Sicherungssrage am Rhein und Ruhr gelte, in der sich die beiden Premiers grundlegend ausspre-'-en wollten. Tirard habe eine Anzahl leitender Beamten des besetzten Gebietes nach Koblenz berufen, um sie über die Richtlinien der neuen Regie- rung zu informieren. Der englische Oberdelegierte der Rheinland - kommissicn sei nach London berufen worden. Freibrief für Raüaubrüüer. Dresden . 21. Juni. (Eigener Drahtbericht.) Dos Dresdener Amtsgericht verhandelte am Sonnabend gegen Ruhestörer der Aus- führung von Tollers„H i n k e m a n n" im Staatlichen Schauspiel- haus. Insgesamt 11 Personen erhielten im April einen Straf- b e f e h l über je 30 M. wegen Ueberttetung des K 360 Ziffer 11 des Reichsstrafgesetzbuches(Berübun-g ruhestörenden Lärms!). Sieben unterwarfen ffich dem Strafbefehl nicht, sondern beantragten richter. liehe Entscheidung. Die Angeklagten wollen sich durch die Auf- führung, insbesondere durch die Kuppel- und Schaubudenszene, b e- leid igt gefühlt haben. Schauspieldirektor Paul Wieck« erklärte als Zeuge, daß er eine Beleidigung nicht zu erkennen vermöge und von den Skandalszenen aufs tiefste erschüttert war. Der Staatsanwalt beantragte, es zum mindesten bei der angesetzten Strafe zu lassen, da der Störungsversuch der Angeklagten an Nötigung grenze. Nach den Reden der Verteidiger, die auf Freispruch plg- dierten, zog sich das Gericht zur Beratung zurück. Nach Verhältnis- mäßig kurzer Beratung wurde das Urteil bekanntgegeben. Mit einer Ausnahme wurden die Angeklagten freigesprochen. In der Begründung des Urteils heißt es: Nach Ueberzeugung des Gerichts liegt eine Beleidigung des Zuhörers durch das Stück vor. In der Schaubudenszene könne das Wort:„das ist deutsche Kultur" nur so aufgefaßt werden, daß der Dichter dem Deutschtum einen Schlag oersetzen will. Di« Angeklagten haben sich also mit Rechr beleidigt gefühlt. Es liegt irrtümlich Notwehr vor. Der An- geklagte Kiehl mußte bestraft werden, weil er auf einem Schlüssel gepfiffen hat. Hätte er dagegen mit dem Mund ge- pfiffen, wäre die Notwehr ebenfalls nicht über- schritten und' dadurch ein Freispruch erzielt worden. Seine Geldstrafe in Hohe von 60 M. wird infolgedessen auf 30 M. ermäßigt. Die bayerische Cisenbahnforüerung. Die Reichsregierung gegen eine Zerschlagung. Unter den vielen bayerischen Presseartikeln, die die bayerischen Eiscnbahnwünsche vertreten, ist ein Aufsatz der„Bayerischen Staatszeitung" vom 6. d. M. bemerkenswert wegen des offiziösen Charakters dieses Blattes. Es wird da behauptet, daß das Sachverständigengutachten mit den bayerischen Wünschen nicht nur vereinbar sei, sondern sie direkt unter- stütze. Zum Beweis dafür beruft sich die„Bayerische Staatszei- hing" aus das private Gutachten der Eisenbahnsachverftöndigen Acworth und Lefevre, das da-von spricht, daß die deutsche Reichsbahn entweder als Ganzes oder in mehreren Gruppen(Systemen) die Form einer Gesellschaft erhalten solle. Dieses private Gutachten fft aber vom Dawes-Äusschuß nicht als wesentlicher Teil in seinen Bericht aufgenommen worden. Die Reichsregierung steht demgegenüber nach wie vor auf dem Siandpilnkt. daß eine selbständige bayerisch« E is e n b a H nges ellscha st nicht in Betracht kommen könne, und zwar aus folgenden Gründen: Sobald Bayern eigene Eisen. bahnen erhält, werden Preußen und alle anderen Länder sofort das gleiche verlangen und damit wäre das End« der Reichs- bahn gekommen und ein Schritt zum Ende des Reiches getan. Außer. dem wäre eine einheitliche Tarifhoheit dann nicht mehr auftecht zu erhalten._ Der Graff -prozeß. Stettin . 21. Juni. (Eig. Drahtbericht.) Der sechst« VerHand. lungstag im Graff -Prozeß begann mit der Vernehmung der Zeugin Dorothea G. Sie ist die Freundin des zu 20 Iahren Zwangsarbeit verurteilten Wachtmeisters G r o b« r t. Zeugin sogt aus, daß sie am Abend der Ermordung Grafts Grobert an Pollmanns Eck«, wo er auf Posten stand, aufgesucht habe. Um 7 Uhr trafen sie sich er» neut bei der Wache in der Wilhelmstraße. Hier blieb sie bis 9 Uhr, dann zog Grabert bis 11 Uhr auf Wache. Van �12 Uhr bis 'Ui Uhr nachts war sie dann mit Grabert ohne Unterbrechung zu- soinmen. Als sie am anderen Tage mit Grobert über den Mord sprach, sagte dieser u. a.: Grass ist immer ein anständiger Mensch gewesen. Auf ihre eidliche Aussage bei der belgischen Vernehmung wurde der Zeugin von einem belgischen Beamten gesagt: Was Sie heute aussagen, werden Sie Sau bereuen. Der Vorsitzende fragt die Zeugin mehrmals sehr«indringlich, ob sie olles mit ihrem Ge» wissen vereinbaren könne, was sie damals über den 22. März an- gegeben habe. Die Zeugin bejaht das. Zeuge Schutzpolizeibeamker Römfeld war am 22. März 1922 Wachthabender im Wachlokal Wilhelmstraße. Der Vorsitzende hält dem Zeugen die belgischen Ermittlungen bezüglich der Mittäter» schast Groberts bei der Ermordnung Grosss vor. Danach soll Gra» bert mn 11 Uhr 55 nachts an der Annastraße gestanden haben, um dem Schmitz aufzulauern. Der Zeuge kann keine genaue Zeitangabe machen. Riebke soll nach der belgischen Darstellung auch im Wach- lokal gesagt haben, daß der Posten on Pollmanns Ecke den im Cos« Höckmann sich aushaltenden Leutnant Reinhordt benachrichti- gen solle, wenn Schmitz an derselben Ecke die letzte Straßenbahn er- wartete. Zeuge hat solch« Aeußerungen nicht gehört. Ueber die Begleitumstände in seiner belgischen Hast und bei den Verneh- mungen macht der Zeuge ähnliche Angaben, wie d-i« früher vernom- menen Zeugen. Zeug« Schupobeamter Mörke war am Tatabend mit Grabert zusammen auf Wache. Er kann jedoch nicht bejahen, ob Grabert von 9 bis 11 Uhr an Pollmanns Ecke mit drei Leuten (den Angeklagten Kaws. Engeler und Schirrst) gesprochen hatte. Am Montag' werden die Zeugenvernehmungen um 10 Uhr sortgesetzt. polnische Arbeiter in Deutschlanü. Wann erfolgt eine Regelung? Warschau , 21. Juni. (Eigener Drahtbericht. Das ländliche Proletariat des heutigen Polens ist ebenso wie vor dem Krieg auf Saisonwanderung angewiesen. Polen will aber nicht, daß diese Saisonwanderung sich nach Deutschland richtet. Man hat deshalb versucht den Strom der ländlichen Wander. arbeiter nach Dänemark und vor allem nach Frankreich lenken. Bon mehreren hunderttausend polnischen Arbeitern, die sich bereits in Frankreich befinden, sind in der Tat ein großer Teil Land. arbeite?: die Anwerbung dieser Arbeiter für Frankreich ist offiziell organisiert. Nebenbei bemerkt, hat die Lage der polnischen Arbeiter in Frankreich zu schweren Klagen Anlaß gegeben, die vor allem die Polnische Sozialdemokratische Partei oertreten hat. Dies« Klagen betrafen Lohn drückerei und Ausbeutung bzw. Verweigerung der Pflege national-kultureller Pez dürsmsse in Sprache, Schule und Kirche. Trotzdem gibt es noch etwa 150 000 polnische Saisonarbeiter in Deukschland. Für einen großen Teil paßt dieser Name allerdings nicht mehr, denn die Mehrzahl war bereits bei Kriegsbeginn in Deutschland und könnt« später nicht mehr zurück. Ein kleiner Teil ist später aus Polen zu- gewandert. Obwohl die polnischen Behörden Pässe für Saisonarbeiter in Deutschland nicht ausstellen und kein« Werbung hierfür dulden, gehen vor allem aus den kongreßpolnischen Grenzgebieten vielfach noch heute Landarbeiter und-arbeiterinnen, jahrzehntelanger Tra, dition folgend, über die„grüne Grenze". In Deutschland werden sie dann von den Werbestellen der Deutschen Arbeiterzentrale ausgenoin, men und mit Legitimationskarten versehen. Dies« Leute wandern in der Regel auch Ende des Jahres wieder ab, obwohl der Rückkehr- zwang seit dem Kriege nicht mehr durchgeführt wird.(Mecklen- bürg machte im vorigen Jahre einen Versuch hierzu, der auf ver- geltungsweiser Ausweisung zahlreicher Reichsdeuffchen aus Polen führte.) Auch sonst hat die Frag« der polnischen Wanderarbeiter in Deutschland zu fortgesetzten Reibungen zwischen Polen und Deutsch. land Anlaß gegeben. Teilweise liegt dag daran, daß Polen jeden Anlaß begierig aufgreift, um als Repressalie Reichsdeutsche oder solche, die in Polen als Reichsdeutsche gelten, auszuweisen. So hat Polen in zahlreiche» Fällen unbeschoitene Reichsdeutsche ab- geschoben, weil polnische Wanderarbeiter in Deutschland wegen krimineller Vergehen ausgewiesen worden waren. In über 70 Fällen hat Polen allein„Repressalien" für beabsichtigte Ausweisunzen von Wanderarbeckern aus Deuffchland vollstreckt. Ais später die Ausweisungen zurückgenommen wurden, hat die polnische Regierung keineswegs daran gedaäst, auch die Repressalien aus. zuHeben. Zum anderen Teil liegt die Ursache deutsch -polnischer Ver. stimmungen wegen der Wanderarbeiter auf deutscher Seite, und zwar nicht bloß in Umständen wie Wohnungsnot, Geldentwertung usw., die in der Rot der Zeit begründet waren, sondern auch m der Haltung ländlicher Arbeitgeber und Behörden, die mit all- j preußischer Schneidigkcit den Herrenstandpunkt markierten, Polen oder wenigstens das polnische Generalkonsulat in Berlin hat in den Iahren 1920 und 1921 wiederholt aus«ine Regelung der Frage der polnischen Wanderarbeiter gedrängt. Es ist aber da- rnals nur zu einer Regelung der Legitimierungsfrage derjenigen polnischen Wanderarbeiter gekommen, die nach Polen zurückkehren wollten. Dagegen hat die deutsche Delegation bei den deuffch-pol- nischen Verhandlungen in Dresden im Sommer vorigen Jahres den Abschluß eines zunächst provisorischen Abkommens in der Wander- arbeiterfrage vorgeschlagen. Von polnischer Seite hat man aber auf diesen Vorschlag nicht geantwortet. Inzwischen sind durch die innerpolitische Entwicklung in Deutsch . land viele Einzeisorderungcn auch der polnischen Wanderarbeiter e r- füllt worden/ Es war« aber gerade jetzt, wo mit der nahenden Erntezeit und der Zuckerkampagne auch die Wandcrarbeiterfrage wieder akut wird, sehr erwünscht, daß durch ein deutsch -polnisches Abkommen die Reibungsflächen beseitigt würden. Wenn Polen auf das deutsche Verhandlungsangebot vom vorigen Sommer zurückkäme, würde es beweisen, daß ihm wirklich an der Wahrnehmung der Interessen seiner Staatsangehörigen in Deutschland und an einer Beseitigung von Konfliktstoff liegt. Wenn erst einmal durch die augenblicklichen dcutsch-polnischen Verhandlungen in Wien die Sta at sa nge h ö r ig k ei t s s r ag e n zwischen' Deuffchland und Polen geklärt sind, märe der Augenblick gegeben, auch mit den Miß- Helligkeiten fei der Wanderarbeiterfrage auszuräumen. Größenwahnfinn. Sinowjew zur Weltlage. ZNoskau. 20. Juni. (OE.) Die dritte Sitzung des hier tagenden 6. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale bracht« den Bericht Smowjews über di« Tätigkeit und Taktik der Exekutive. Hierbei entwarf der Redner folgendes Bild von der Welllage: Die Ereignisse entwickeln sich langsamer, als man erwartet habe. Dennoch sei die Lag« objektiv revolutionär. Die Bilanz der Kam. intern, sagte S., ist nicht schlecht, da Dutzende von Monarchien gestürzt sind, der sechste Teil der Erdoberfläche er» obert, Asien revolutionär beeinflußt, der Kapitalismus gelockert und teils zerrüttet ist und die kommunistischen Parteien gewachsen sind. Während der vierte Weltkongreß die demokratisch-pazisistische Aera voraussagte, was in England, Frankreich . Dänemark ein- getreten sei, prophezeite der fünfte Kongreß das Ende dieser Aera und eine neue der Reaktion und des Faschismus. Die Sachverständigengutachten würden von den Kommunisten be- kämpft. Der französische Linksblock hatte in der Frage der Ruhr- okkupatian sich als linker Flügel der Bourgeoisie erwiesen. Die Labour Party bleibe in England noch für Jahr« ein Regie- rungsfaktor Die Bourgeoisie sei unfähig, allein zu regieren und verbünde sich daher teils mit den Sozialdemokraten, teils mit dem Faschismus. Daher fei Rädels Behauptung falsch, der Faschismus habe die Sozialdemokratie besiegt; beide seien Der- bündcte. Quantitativ sei die Kommunisttsche Internationale jetzt ebenso stark wie die zweit«!!! » ZNoskau, 21. Juni. (OE.) Im weiteren Verlaus seiner Rede legte Sinowjew di«„Taktik der Einheitsfront" dar, sie sei revo- lutionär und keineswegs ein« Evolutionstaktik. Sie habe daher der Agitation und der Mobilisierung der Massen zu dienen. Auch die Losung der„Arbeiter- und Bauernregierung" sei keineswegs als eine Koalition mit Bauernparteien zu verstehen. sondern„die augenblicklich begreiflichste Form der proletarischen Diktatur". Den Gipfel des Opportunismus habe Sachsen mit seiner banalen sozialdemokratischen Komödie dargestellt. Trotz aller Fehler habe die Taktik der Einheitsfront viel Nutzen gebracht: nicht sie, sondern ihre opportunistische Auslegung werde von der Komintern bekämpft. Politisch sei jetzt nicht die deutsche oder die französische, sondern die englische Partei die wichtigste Abteilung der Kommunistischen Internationale; ob- gleich sie kaum 3000 Mitglieder besitze, sei ihr Einfluß groß. Die Aufgabe der Komintern sei nicht gleich, da die englischen Arbeiter noch mit Liebe an Macdonald hingen. Trotzdem sei es die Aufgabe der englischen Kommunisten, Macdonald zu bekämpfen. Eine deutsch « Frage gäbe es in der Komintern nicht mehr, da die allgemeine Linie der KPD. gegenwärtig mit der Linie der Kom- munfftischen Internationale zusammenfalle. Zum Schluß kündet Sinowjew eine Aufrollung der Diskussion der russischen Kam- munfftischen Partei im Kongreß der Komintern an, damit dieser gleichfalls sein Urteil über die ruffisch« Opposition spreche. Sie brauchen Gelü. Moskau . 21. Juni. (Eig. Drahtb.) Im Plenum des Exekutiv- komitees der Kommunistischen Internationale wurde über ein Gesuch der französischen Sektion beraten, der französischen kommunistischen Partei mit Rücksicht auf deren kritische Finanzlage schleunigst«ine Unterstützung aus den Mitteln der International« zu gewähren. Es wurde beschlossen, den französischen Genossen 60 Proz. des erbetenen Betrage� zu bemilliqen. j
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