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Hr. 294 41. Fahrgang

1. Heilage öes vorwärts

Mittwoch, 25. Funi 1924

Krach im Rathaus.

In der Stadtverordnetenversammlung erleblen gestern die bürgerlichen Parteien eine Enttäuschung die sie nicht er- wartet hatten. Schon die Tatsach«, daß die Sozialdemokratie eben- falls eine Sitzung erzwungen hotte, war ihnen sehr wider den Strich. Immerhin hatten sie die chofsnung, daß nach einer halben Stund« der so heiß ersehnte Abbau zur Erledigung kommen würde. Diesmal waren es die K o m m u n i st e n, die ihnen das Geschäft verdarben. Sie stellten fest, daß ein großer Teil der Versammlung die Einladung nicht ordnungsgemäß erhalten habe und daß die Sitzung deswegen nicht stattfinden könne. Diese Aus- legung wurde von bürgerlicher Seite mit dem bei solchen Anlässen üblichen juristischen Scharfsinn abgelehnt. Wir möchten deswegen ausdrücklich darauf aufmerksam machen, daß wir aus unserer Praxis wissen, daß z. B. der deutschnationale Vorsteher der Bezirksoersamm- lung von S ch ö n c b e r g bei der jetzt erfolgten endgültigen Ver- abschiedung der Schöneberger Geschäftsordnung ebenfalls den Stand- punkt vertreten hat, daß die in der Geschäftsordnung vorgefchrie- denen zwei freien Tage vor dem Stattfinden der Sitzung erst mit dem Moment der erfolgten Zustellung beginnen. Die bürgerlichen Parteien im Rathaus werden nicht behaupten wollen, daß der deutschnationale Schöneberger Vorsteher bei dieser chand- habung der Geschäftsordnung sich von Parteirücksichten leiten läßt. Aus der Bezirksoersammlung von C ö p e n i ck sei festgestellt, daß der sozialdemokratische Vorsteher bei Beschließen mehrerer Sitzungen die Aufhebung herbeigeführt hat, weil nachträglich geltend ge- macht wurde, daß die Einladungen zu spät gekommen waren. Daß die Beschlüsse aufgehoben würden, verlangten die rechts- stehenden Parteien. Im Berliner Rathaus aber tobten gestern die rechtsstehenden Parteien wie die Wilden. Der wahre Grund ist natürlich nicht die sittliche Entrüstung über den Vorsteher, sondern die Wut darüber, daß sie ihr Ziel nicht erreicht haben. Sic werden sich noch etwas gedulden müssen, die Herr- schaften! * Für den gestrigen Dienstag standen im Berliner Rathause zwei außerordentliche Sitzungen an: eine von den Bürgerlichen beim Vorstande beantragte nichtöffentliche Sitzung, in der von 6 Uhr ab die Frage des Magistratsabbaues weiter- erörtert und zum Abschluß gebracht werden sollt«, und eine von der Linken beantragte ö s s e n t l i ch e Sitzung, die von f-g Uhr ab der Spezialberatung des Haushaltsplans für 1924 gewidmet sein sollte Seit 5 Uhr gab man sich im Aeltestenausschuß die erdenklichste Müh«, einen Ausweg aus dem so geschaffenen Dilemma zu finden: S Uhr war lang« vorüber, als die Besprechung der Aeliesten endlich zum Abschluß gelangte. Um Hl Uhr erklärte Vorsteher haß die öffentliche Sitzung für eröffnet. Er teilte mit, daß an Stelle des kommunistischen Stadt- verordneten G r y l e w i z Zeitungsspediteur Paul Fischer in die Versammlung eingetreten ist. Ein dringlicher Antrag der Deutsch - nationalen, der Maßnahmen des Magistrats zur Aufhebung der dritten Steuernotvercrdnung und zur Aufwertung der Stadtanlcihcn und Sparkassenguchaben verlangte, stieß bei der Linken auf Wider- spruch und tonnte daher nicht sofort verhandelt werden. Daraus gab der Vorsteher vor Eintritt in die Tagesordnung «ine Erklärung über die von ihm angeordnete Einberufung der beiden Sitzungen ab. Beide ihm zugeleiteten Anträge feien mit niehr als 6l1 Unterschriften versehen gewesen: er sei somit verpflichtet gewesen, zwei Sitzungen einzuberufen. Der Antrag betr. die nicht- öffentliche Sitzung sei am 17., der andere am 19. Juni eingegangen: beide Anträge hätten auch eine bestimmte Tagesordnung vorge- schlagen. Von dem Rechte des Vorstehers, die Tagesordnung zu bestimmen, habe er unter den obwaltenden Umständen keinen Ge- brauch gemacht. Die Bemühungen im Aeltestenausschuß, zu einer Verständigung zwischen den beiden Parteien zu gelangen, hätten kein Ergebnis gehabt: es würden also die beiden Sitzungen abgebalten werden, die nichtösfentliche eine halbe Stunde nach der öffcnt- lichen. Wenn er die nichtöffentliche Sitzung nicht nach 8 42 der Städteordnun« resp. nach 8 44 der Geschäftsordnung(wonach sie beschlußfähig ist, auch wenn nicht die beschlußfähige Anzahl anwesend

sein sollte) einberufen habe, so habe er auch hier sich nach den Gepflogenheiten des Hauses gerichtet. Ueber die Auslegung dieser Paragraphen bestünden in der Versammlung völlig gegensätzliche Meinungen schon seit 1921, und in der bisherigen Praxis sei im Falle eingetretener Beschlußunsähigkeit einer Sitzung die nächste bald mit dem Schutz der 88 43, 44, bald ohne denselben einberufen worden. Im vorliegenden Falle habe es sich zudem nicht um einen Punkt der Tagesordnung, sondern um die Abstimmung über einen Ver- tagungsantrag gehandelt, bei der sich die Beschlußunfähigkeit heraus- stellte.(Lärm rechts.) Er habe die beantragte nichtöffentliche Sitzung, wie er offen und frei erkläre, auch deshalb nicht unter den 8 42 gestellt, weil er von vornherein wußte, daß er, was er auch tat, bei der einen Hälfte des Hauses als nicht objektiv gelten würde: nach seiner Rechtsauffassung und nach den Gepflogenheiten des Hauses habe er zu der gleichen Ueberzeugung kommen miisf-" Es folgte eine erregte G e s ch ä f t s o r d n u n g s d e b a tt e, in deren Verlauf der Lärm und Tumult sich immer mehr steigerte, so daß ein Teil der Auseinandersetzungen in dem allgemeinen Durch- einander verloren ging. Gäbel(Komm.) erklärte, die Einladung zur Dienstagsitzung erst am Sonntag erhalten zu haben, und erhob auf Grund des 8 34 der Geschäftsordnung Einspruch gegen die Abhaltung der Sitzung, da zwischen Einladung und Sitzung nicht zwei freie Tage gelegen hätten. Lüdicke(Dnatl.) richtete an den Vorsteher die Frage, ob er im Ernste der Meinung gewesen sei, daß die Tagesordnung der öffentlichen Sitzung tatsächlich in einer halben Stunde erledigt werden könnte, und beschuldigte ihn, Obstruktion gelrieben zu haben, was stürmischen Widerspruch und Entrüstung aus der Linken hervorrief. Weiter fand Lüdicke es sehr befremdlich, daß man zwar alle Magistratsbeamien abbaue, aber den Abbau des Magistrats mit aller Gewalt verhindern wolle. Schließlich beantragte er Vertagung der öffentlichen Sitzung. Gen. Dr. Weyl trat ihm mit dem Hinweis darauf entgegen, daß der Einspruch Gäbels vorgehe, und beantragte namentliche Ab- stimmung über den Einspruch. Vorsteher Haß stellte fest, daß, wie zu Dienstagfitzungen üblich, die Einladungen in der Nacht zum Sonnabend expediert worden sind. Er ersuchte dann diejenigen Mitglieder, die erst am Sanntag in den Besitz der Einladung gekommen seien, sich zu melden.(Sturm der Entrüstung rechts: wiederholte Rufe: Schiebung!) Es erheben sich unter dem Gelächter der Rechten zahlreiche Mitglieder der Soz. und Komm. Vorsteher haß: Nachdem festgestellt ist. daß nicht durch Versäumnis des Bureaus, sondern der Post mehr als 18 Mitglieder rechtsgültigen Einspruch gegen die Abhaltung der Sitzung erheben, kann die heutig« Sitzung nicht stattfinden.(Leb- hafter Beifall links: Rufe nach rechts: Auf Wiedersehen über- morgen!) Der Geschästsordnungskrakeel ging noch eine Weile fort. Fabian(Dnatl.) sah lediglich die ord- nungsgemäße Absend unq der Einladungen als niaßgebend an. Dörr (Komm.) ist auch erst Sonntag morgen von der Einladung erreicht worden. Gen. Dr. Weinberg wird von der Rechten mit Rufen wie Jetzt kommt der Richtige! Mauschel! Juden raus!" empfangen und vermag nicht, mit feiner Stimm? durch den Lärm zu dringen. v. Eyncrn(D. Vp.) sekundiert Fabian: es komme nur auf die Absendung, nicht auf die Bestellung au, sonst müßte mit Zustellungsurkunde eingeladen werden. Vorsteher haß verwahrte sich gegen die Unterstellung, als hätte etwa das Bursau seine Pflicht nicht getan cd-r als wären durch irgendwelche Einwirkung seinerseits die Einladungen nicht rechtzeitig ergangen. Nachdem der Einspruch van mehr als 18 anwesenden Mitgliedern erhoben sei, könne die Sitzung nicht abgehalten werden. Damit erklärte der Vorsteher um öl? Uhr die öp Sitzung für geschlossen, und die Tribünen wurden geräumt. Ii, der geheimen Sitzung, die gleich nach Abbruch der öffentlichen vom Vorsteher eröffnet wurde, vollzog sich dasselbe Schauspiel. Wieder stellten die Kommunisien fest, daß mehr als 15 Mitglieder des Hauses die Einladung nicht in der gefchäfts- mäßig vorgeschriebenen Frist erhalten hätten, und daß die Sitzung infolgedessen nicht stattfinden könne. Dann folgt das übliche lange Hin und Her, Debatte zur Geschäftsordnung. Unter großem Gelächter

empfiehlt sich Herr Dr. Leidig als besonders objektiver Beurteiler von Gejchgftsordnungsfragcn.. Es hilft nichts, der Vorsteher schließt di e Sitzung.

Aufgeblasen.

M-enn man Ware verkaufen wi'l, muß man die Leute davon verständigen, und um ihnen jedexi Artikel begehrenswert erscheinen zu lassen, bedient man sich der Reklame. Immer muß sie aus Neues siniien, und oft geht sie tatsächlich mit dem Fortschritt Arm in Arm. Die Großstadt ist den richtig«? Tummelplatz, ja nahezu Rummel­platz der Reklame. Und welche Erscheinungsformen sie annimmt das ist für uns von Bsdeutung. Sie schieit uns an. iie zwingt uns in ihren Bann, mir können ihr nicht entweichen. Sie blendet uns durch ihr rotes Licht, wenn wir über den regenfeuchten, schlüpfrigen Asphalt schreiten, sie hämmert uns Vetse ins Gedächtnis, wenn wir auf«inen Unicrarundbahnzug warten, sie drängt sich uns auf, wenn wir nach cineni Ringbahnzug Ausschau halten. Sie macht uns mit een grellsten Faibentceien bekannt. Daher sind die Bewohner einer Millionenstadt farbig ganz anders eingestellt als die Kleinstädter, weil in der Großstadt die in der Reklame verwertete Farbe ans- fällt und aus dem Gesamtbild herausfallend schreit, in der Kleinstadt sie zwar auch ausfallen muß, aber das Gesamrbild nicht grell zcr- reißrn darf. In der Kleinstadt ist sie solide, in der Großstadt extra- vagant. Auch hat die Reklame sich eine ganz eigenartige Formen- spräche zugelegt. So kann beispielsweise durch die bunten Holz- siguren der Reklame ein neuer Kunststil in die Masse dringen, die ihn ja immer und immer wieder ansehen muß, so daß sie ihr Auge auf ihn einstellt und er mithin modern wird. Die N'.'ucrungssüchtigen freunden sich vor allen Dingen mit der Reklame an. Oft verwerten sie' mir erstounlicheni Geschick alte Ideen. So stürzen sie sich gegenwärtig auf das Aufblasespielzeug der Kinder, das man vom Rummel her kennt und das seit Jahrzehnten aus schreienden roten Würsten, grünen Gurken und bemalten Teufeln besteht. Man benutzt diese Vorlagen, nahm ihnen zwar die Gr- läuschmstrumente, ließ dafür jedoch ihre Häute größere Dimensionen annehmen. Der aiifgeblosene Fußball gaukelt jetzt über dem Eingang d«:r Sportwarengeschüste, Riesenkürbisse, leuchtende Gurken und Riesenäpfel schaukeln als dünnhäutige Aufgeblas enheitkri zwischen den Bananen und den Apfelsinen der Straßcnhändler. Mi: Rieseu- buchstaben steht der Name irgendeiner Firma auf einem Luftballon, den Kinder kaufender Mütter als Zugabe erhalten. So stehen alle diese Aufgeblasenheiten mit einemmal in unserer Zeit, und sie passen zu ihr, denn aufgeblasen, hohl, im Schwinden begriffen ist ein? Er- sellschaftsordmuiig, die wohl für sich Reklansc macht und dennoch nur vorübergehend ist und darauf wartet, daß das Neue, Kräftige sie ablöst Ter Nahardt-Prozeh. Die VerhnndlunZen gegen denEhrenobermeister" Karl R a- Hardt und Genossen scheinen sich zu Dauersitzungen Cirs- dehnen z» wollen. Gestern begannen die Verhandlungen bereits um 8 Uhr früh und dauerten bis in die späten Abendstunden. A's Zeuge wurde Ehrencbermeisier Plate aus Hannover , da? frühere Mitglied des einstigen preußischen Herrenhauses und Präsident de? Deutschen Handwerks- und Gcwerbckammertagcs vernommen. Plate ist als Vorsitzender der Handwerkskammer in Hannover auch Vor- sitzender der Wlrtschaftcstells und gehörte zugleich dem Aufsichtsrar der Berliner H-auptstelle für gemcinschastliche Handwar'oviieferungon an. Im Mai 1919 habe die Wirkschefkssttll? in Hannrrcr rund 50 000 M. für das Danzigcr Geschäft bezahlt. Um die Einzplheitcn des Geschäfts habe er sich nicht gekümmert, weil Karl R aHardt volles Vertrauen genossen hätte. B:i den Aufsichtsrats- sitzungen habe er sich ganz aus Eenerahskretär Dr. Mensch per-, losten. Er selbst künne sich nach 5 Jahren nicht mehr aller Einzel- besten entsinnen. Aus die Einwendung der Rechtsanwälte Dt R oett c r, Dr. Thiele und Dr. N a u e n b«: r g mußte der Z-ugk Plate zugeb-n, daß die einzelnen AufsichtSxatsmstgnedcr au? den Gewinnen, die die Hauptstclle erzielt hotte. Tantic:n c n bekommen hätten, so daß daher die Hauptstelle im Laufe der Zeit nicht mehr eine r s> n gemeinnützige Tätigkeit entwickelt hat, sondern daß sie später auch bestrebt war, G e w l n ne zu c r- Ja ikhis« viTW"Tnacrwwnat--ararr 1-r i bt».i

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Die Venus von Syrakus . Von Clara Rahka.

Agaven mit hellgelben hohen Blütenstislen starrten in das tiefe Blau. Ja, das meine ich auch. Weiß man, wer sie ist, so er- fährt man auch, wo sie wohnt," sagte Renzo. Ercolc kreuzte die Arme in tiefem Behagen.Und kennt man die Zofe, so muß man aus jede Art ihr Zünglein ge- Winnen." Sie hat einen Schatz," sagte Renzo seufzend. Einen?" Da steckt der Pferdefuß: ja. einen!" Heute noch? Weißt du das so sicher?" Fast möcht ich's glauben. Doch ich habe mir gedacht: zu ihr geht man zuletzt. Zuerst einmal muß man erkunden, was für eine Luft um die Prinzessin herum ist. Villeicht gibt es einen geraden Weg und andere, wirklich einflußreiche Leute-- und vielleicht es wäre doch möglich, daß sie selbst zu sprechen, zu erbitten wäre." Vichts ist unmöglich," sagte Ercole nochmals entschieden. dennoch: ich glaube, gerade jetzt wird deine Schöne fest ein- gesperrt." Wieso denn? Weißt du mehr als ich?" Renzo blickte ihn gespannt an. Natürlich mehr!" Ercole wiegte sich in listig gedehntem Auskosten seiner Neuigkeit. Na und, und!" Ja und! Sehe ich beute Agnese oder sehe ich sie nicht0 Ich muß morgen fort." Gewiß siehst du sie. Ich nehme dich mit, ganz einfach. Hier vom Fleck. Den Borwand finden wir schon. Und finden wir keinen, nun, du kommst eben mit." Aber das, gerade das will ich nicht, ich will Agnese allein sehen." Renzo packte den lachenden Ercole an der Schulter und schüttelte ihn.Und wenn ich sie gebunden heranschleppen soll: du wirst sie sehen, sprechen, küssen wenn du willst allein, ich schwöre es! Sag, was du weißt." Nun also: sie, die Principessa, ist nicht ganz freiwillig abgereist. Der Alte mit der Talgdrüse soll kurz nach der Prozession in dem bekannten, hellblau ausgeschlagenen Wagen vorgefastrcn sein und deine Venus herauskomplimentiert haben: so wenigstens sagte mir die häutende Natter."

Und der Junge, der Vetter?" Nun, der hatte das Glück, dem Alten zu begegnen, als er davon ritt: das erzählte mir heute früh der kleine Sohn unseres Nachbarn, der im Gestein saß und seine Augen über die Ziegen dahingehen ließ. Wer eine hellblaue Kutsche hat, der ist leicht zu behalten, und ein Rcitersmann wie der Conte Sisto di Branco auch." Ja, wer sagte dir denn?" fuhr Renzo auf. Mein lieber Junge. Sie hat nur' den einen Neffen, die gute alte Marchesa. Nach ihrer Berwandtschoft mußte ich doch sofort fragen. Die hat mir soagr der eisige Diener erklärt. Ich trug ihm seinen Korb. Alles heute früh, als du noch in ein schwarzes Loch starrtest." Es kann auch ein anderer als dieser Neffe gewesen sein." Möglich," meinte Ercole gleichmütig.Jedenfalls war der junge Mann im Hintergrund des Zimmers ganz gewiß er, der einzige ähnlich wie bei deiner Bianca, denn um­sonst kommt keine himmelblaue Kutsche. Und ich weiß auch noch ein wenig mehr." Jetzt legte sich Ercole lang auf die Stufen der kleinen Barockkirche, aus der die beiden bisher nebeneinander gesessen hatten. Renzo packte ihn im Genick. Das bedarf der Ruhe," sagte Ercole. Ruhe, Ruhe!" Renzo stieg das Blut zu Kopfe. Ja, natürlich, denn es will überlegt sein." Was will überlegt sein?" Der Weg, den sie einschlugen zusammen mit den Worten, die ich aus den anderen herauspreßte." Er sah Ren.zo vergnügt blinzelnd an.Es ist nämlich so, daß sie in die Nie- derung des Troinaflussss fuhren, also zum Inneren des Landes hin. Und was bedeutet das?" Ercole richtete sich aus und legte seinen Arm um Ren.zo.Das bedeutet: deine Venus wohnt näher zu uns als zu Taormina , und wenn du klug bist. so fährst du mitsamt deinemleichten" Gepäck, NiccolO und mir, morgen in der Frühe ab. kommst zu Mütterchen Rosina ich sage dir, sie ist eine Seele von einem Weib, kocht die leckerste Minestta weit und breit und schickt noch Gebratenes hinterher, und wenn du erst bei Mutter Rosnia bist und hast Niccolö als Spürhund und mich als Helfer, dann müßte es schon mit dem Teufel zugehen, wenn wir nicht in kurzer Zeit wüßten, wo die hübsche Bianca ihrer Herrin die Salben reibt. Schließlich ist Sizilien ja groß, aber doch nicht so groß, daß man einen alten, häßlichen Principe di San Cataldo nicht htralisfinden würde. Und hier" »Nein, hier erreiche ich nichts mehr," sagte Renzo, Ercole

unterbrechend. Er zog seine Stirne kraus und starrt«- vor sich bin.Es ist schon wahr," Hub �r nachdenklich an,drei können mehr als einer, und wenn wir uns schnell auf den Weg machen, können wir überall von ungefähr fragen, wer am Osterfeste corüberfuhr. So etwas behält man doch. Alle fitzen vor der Tür, alle sprechen über dies und das. Die Kutsche haben sie ganz gewiß gesehen." Nun also! Habe ich wenig gebracht oder viel?" Ercole erhob sich und dehnte seine Glieder. Unten spann die Sonne in leisem Zucken über dem Meere. Er schaute in die Weile, mit seinen ganzen Sinnen der köstlichen Wärme und den starken Farben hingegeben. Mehr als ich hoffte! Und zwei Dinge stehen fest: heute abend« siehst du Agnese und morgen früh geht es fort." Also abgemacht!" Sie schlug« einander kräftig in die Hände. Ercole schlenderte nach Hanse, Renzo bog in den Weg ein, der zum griechisch-römischen Theater führte Einmal noch, ehe er die Heimat verließ, ehe er alle Kräfte dem einen Ziele zuwandte, wollte er dort sitzen und träumen, wollte den Aetna , Meer und Himmel sehen, diesen gemaltigen Hintergrund, vor dem die Griechen, zwischen wenigen Säulen stehend, ihre Spiele den begeisterten und kultivierten Zuhörern schenkten die spätere Arena, in der dann die Römer Gladia- loren mit wilden Tieren kämpfen ließen. Und rings um dieses hoch hinauf getriebene Vorgebirge. diesen grandiosen Sockel des Theaters, wollte er gehen, dort, wo einst die froh Genießenden wanderfen, disputierend, sich erfrischend, ganz wie im Theater zu Palermo , nur daß hier unendliche, weit ausgebreitete Schönheit die Seele öffnete, die man in den Städten in enges Gemäuer einfing. Und während Renzo wanderte, immer höher, bis zur obersten Rampe, zum äußersten Ring, kam seinem Herzen der stolze Gedanke: dort, zwischen den Säulen, dort wo b Griechen standen, sollte auch seine Göttin sieben. Dort und in Neapel vielleicht gar in Rom ! * Zwei Wochen später saßen die drei jungen Leute unter dem Säulengang eines massigen roten Pachthoufes. Vor Zei- ten hatte hier wohl ein großer Herr gewohnt, heute gehörte es irgendeinem Fruchthändler in Palermo , der die ausgedehnten Orangen- und Limonenhaine von Mütterchen. Rosina be- bauen ließ._...,.. (Fortsetzung solgt.)