Nr. 205 ❖ 41. Fahrgang
2. Seilage öes vorwärts
Lrettag, 27.Funi?424
Sozialpolitisch« Reichstagsüebatte.
D«r Reichstag hat gestern, Donnerstag, nach den bereits im„Vorwärts"-Absndblatt gemeldeten Abstimmungen die Anträge auf Aendsrung des Reichsbeamtengefetzes und des Pensions- ergän�ungsgesetzes dem Beamtenausschuß überwiesen. Angenommen wurde gegen Zentrum, Volkspartei und Demokraken ein sozialdcmokrä tischer Antrag, den weiteren Personalabbau solange auszusehen, bis der Gesetzentwurs über eine zweite Aenderurg der Pcrjonalabbauoerordnung vom Reichs- tag verabschiedet ist. Darauf wurde die sozialpolitische Aussprache fortgesetzt. Abg. Frau Teusch(Z.) betont, das Zentrum habe immer mit allem Eifer die Sozialpolitik gefördert in dem Bestreben, einen verständigen Ausgleich zu schaffen zwischen Arbeitgebern und Ar- beitnehmern, Produzenten und Konsumenten. In der Sozialver- sicherung ist mehr Wert auf die Sachleistungen als auf die Geld- leistungen zu legen. Wir verlangen obligatorisch« Familien- Krankenversicherung, vor allem Ausdehnung der Familienwochen- Hilfe. In der Unfall Versicherung darf nicht die schematische Ein- Heitsrente gelten, sondern es müssen Stetgerungsmöglich- leiten gegeben sein. Di« Verwaltung der Sozialversicherung muß vereinfacht und verbilligt werden. Di« Rednerin wünscht Verbesse- rungen der Erwerbslosen- und Kleinrentnerfürsorg«. Die Eni- Wicklung der Arbeitszeitfrage war in der letzten Zeit wenig erfreulich. Di« gesetzlich« Regelung wäre doch wohl besser gewesen. Wir halten nach wie vor am Rormal-Achtstunden- tag festi a b e r er darf nicht zum starren Schema werden, sondern muß sich den Produklionsno'wendi gleiten anpasien. Mindestens sollte aber die Arbeitszeitfrage jetzt in der Richtung geprüft werden, daß den Arbeitnehmern in gesundheitsschädlichen Be- trieben und den Schwerstarbeitern Erleichterung geschaffen wird. Ein Arbeitsgerichtsgesetz muß schleunigst vorgelegt werden. Wir wollen der Rot des deutschen Menschen abhelfen ohne Rücksicht auf die Herkunft seiner Rot(Beifall i. Z.) Abg. Stekker(Komm.) bezeichnet es als«ine widerliche Heuchelei, wenn tier diejenigen Parteien für die Sozialpolitik sprechen, die durch ihre Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz erst den Abbau der Sozialpolitik ermöglicht hätten. Das Schicksal unseres Volkes kann nur im blusigen Bürgerkrieg * entschieden werden. Den Sozialrentnern und den Opfern des Krieges und des Aus- nahmezuftandes müsse mindestens das Existenzminimum gesichert werden. Ein deutschnaiionaler Abgeordneter,«in Direktor von Blohm u. Boß, habe als erster die Kriegsbeschädigten aus dem Betrieb entfernt und ihnen nur 25 Proz. der Mindestlöhne gezahlt. (Hört, hört! b. d. Komm.) Bon diesem Reichstag, diesem Geldsack- Parlament könne das Proletariat nichts erhoffen, es müsse sich selber helfen.(Händeklatschen b. d. Komm.) Abg. Thiel(D. Vp.) fordert in erster Linie bessere und ge- rechtere Brrsorgung der Kriegsopfer, denen in der Jnflationsperiode bitteres Unrecht angetan worden sei. Die Sozialversicherung müsie dem sozialistischen Monopol entzogen und auf berufsständischer Grundlage aufgebaut werden. Die Erwerbslosenfürsorge müsse in eine Erwerbslosenversicherung umgewandelt werden. Di« Ar- beitsgerichte müßten den ordentlichen Gerichten angegliedert werden. Ihr jetziger gemeindlicher Aufbau verbürge nicht die not- wendig« Unabhängigkeit der Richter. Ein Dogma des Acht- stutzdcntages bestehe für vernünftige Arbeitnehmer nicht; aber die Bemessung der Arbeitszeit dürfe auck nicht der Willkür des Arbeit- gebers überlassen werden. Die Handhabung der Arbeitszeitverord- nung durch verschieden« Stellen sei nicht zu billigen. Das Schlich» tungswesen bedürfe zwar noch mancher Reformen, aber es sei doch nicht schlecht. An Stell« des Schlichters sollte eine Körper- s ch a f t über die Berbindlichkeitserklärung von Schiedssprüchen enj- scheiden. Den Hetzern und Scharfmachern müsse der Gedanke der Arbeits- und Volksgemeinschaft entgegengestellt werden.(Beifall b. d. Vp.) Abg. Fahrenhorst(Rat.-Soz.) nennt es ewe Schande, daß man erst im Reichstag die Pflichterfüllung gegen die Kriegsopfer fordern müsse. Die nochnovemberlichen Regierungen hatten dafür kein Geld, aber sie hatten Geld für den Staatsgerichtshof zum Schutz« der jüdischen Vorherrschaft, für das Spitzelheer des Genossen Seve- ring und für die Einleitung der vielen Prozesse gegen schwer- beschädigte Kriegsteilnehmer, die sich nicht auf den Boden dieser dreimal verstuchkeu Rovemberrepublik stellten und den Mut hatten, die jüdische Börse der Ro»
vemberrevolution ein Verbrechen und ihre Arrangeure Verbrecher zu nennen. Die Regierung Marx-Stresemann beant- wartet wohl die unverschämte Cntwaffnungsnote des Juden H e r r i o t, aber nicht den Notschrei der Veteranen. Di« vorbild- lich« Sozialpolitik der kaiserlichen Zeit ist von den nachnovember- lichen Regierungen in Grund und Boden versaut worden. Wir brauchen Geld und wir könnten es haben, wenn wir das ein- gewanderte ostgalizische Schiebergesindel enteignen und ausweisen. Nur den Kaftan mit den Läusen sollen sie, behalten.(Heiterkeit b. d. Nat.-Soz.) Die soziale Frag« kann in dieser mit dem jüdischen Kapital verfilzten November repubsik überhaupt nicht gelöst werden. Das ist erst möglich in dem völki- scheu Staat, den wir nötigenfalls mit der Waffe in den Straßen Berlins gegen die jüdischen Generale Schalem und Katz erkämpfen wollen. Diesem völkischen Deutschland , das von Straßburg bis Danzig , von Schleswig bis Wien reichen soll, gilt unsere Arbeit. (Heilgeschrei d. Nat.-Soz.) Vizepräsident Dr. Bell wacht auf und sagt: Der Redner hat von einer„dreimal verfluchten Novemberrepublik" gesprochen. Dieser Ausdruck ist durchaus parlamentarisch unzulässig. Er ist eine schwere Beleidigung der durch die Verfassung geschaffenen Staatsfarm.(Gelächter b. d. Nat.-Soz.) Abg. Ziegler(Dem.) hält es für unmöglich, sozialpolitische Arbelt mit solchen H«tzversammlung«red«n zu treiben, wi« si« der Vorredner hielt. Eine wirksame Sozialpolitik werde erst möglich sein, nach der Lösung des Reparationsproblems. Wir ersuchen die Regierung um eine Zusammenstellung aller Maßnahmen, die für die Kriegsbeschädigten getroffen sind. Im Arbeitsnachweis- wesen ist der Betrieb zu bureaukratisch. Aus der gleichen Ursache werden auch die Entscheidungen im Schlichtungswesen oft mierträg- lich verzögert. Wenn es notwendig war, ist die Arbeiterschaft immer zur Leistung von Ueberstunden bereit gewesen; ober der Achtstundentag darf nicht beseisigt werden.. Wir halten es nicht für richtig, daß Juristen an die Spitze der Arbeitsgerichte treten.(Beifall b. d. Dem.) Abg. Schwarzer(Vayr. Vp.) verlangt grundlegende Aende- rung in der Versorgung der Kriegsbeschädigten. Der größte Teil der Bedürftigen gehe jetzt trotz der Zusatzrenten leer aus. Die Zusatzrenten sollten einfach zur Grundrente zugeschlagen werden. Abg. Hetzel(Wirtsch. Vgg.) schließt sich dem an und verlangt Hilfe für dch? Mittelstand, der durch die staatlichen Verfügungen in der Jnflationsperiode an den Bettelstab gebrocht worden fei. Der Mittelstand müsse an den Wohltaten der Sozialversicherung teil- nehmen können. Vom Artikel 164 der Verfassung, der dem Mittel- stand den Schutz des Reiches verheißt, ist noch nie Gebrauch ge- macht wordein. Dieser Artikel sei nur gemacht worden, um den Mittelstand dumm zu machen. Die ganz unpraktische Woh- nungspolitik müsse gründlich umgestellt werden. Der Hans» b« sitzer geh« bei der Zwangswirtschaft zugrunde. Abg. Zenzen(Dtschsoz.) bedauert die langen Reden, die doch kein« praktische Wirkung hätten. Er selbst werde in fünf Minuten fertig sein.(Heiterkeit und allgemeiner Beifall.) Hilfe für die Notleidenden und Bedrängten sei der beste Schuh der Repubsik. Dem Leihkapital, dem Wucherzms und der Dividendenpolitlk der Banken müsse zu Leibe gegangen werden. Dann werde auch Geld für die sozialpolitischen Aufgaben da sein. Damit schließt die Aussprache. Abg. Gok(Dnatl.) bestreitet in einer perfönNchen Bemerkung, die Behauptung des Abg. Stetter, daß er die Schwerkriegsbeschädigten aus die Straße geworfen habe. Die Kriegsbeschädigung dürfe allerdings nicht als Freibrief für kommunistische Hetz« gelten.(Ahoi b. d. Komm.) Abg. Stetter(Komm.) steht in dieser Bemerkung efnt Bestätigung seiner Behauptung. Die Anträge, die die Kriegsbeschädigten betreffen, werden «wem besonderen Ausschuß, die übrigen dem Sozialpolitischen und dem Volkswirtschaftlichen Ausschuß überwiesen. Um 7H Uhr vertagt sich das Hau» auf heute, Freitag, 18 Uhr mittags. Auf der Tagesordnung stehen dl« Verträge mit Litauen und Estland sowie Interpellationen über die Notlag« der Landwirtschaft und des Weinbaues. Nationalsozialistische und kom» munistische Anträge auf Erweiterung der Tagesordnung(Militär- kontrolle, Russische Handelsdelegation) werden abgelehnt.
Zustizöebatte im Landtag. Sozialdemokratische Anklagen. Der Landtag fetzte gestern die Aussprach« über den Zustizetat fort. Als erster Redner sprach kuttner sSoz.): Das Lob, das ich unlängst im Ausschuß dem Herrn Iustizmini- fter gespendet habe, hat man etwas voreilig in ein Lob auf die preu- ßifche Justiz im allgemeinen umgebogen. Ja, man hat die Um- biegung sogar auf die bayerische Justiz ausdehne» wollen. Das war doch herzlich überflüssig; denn von der bayerischen Justiz gilt ein Wort von Ferdinand Lassalle : sie ist so schwarz, das selbst ein Reger ihr gegenüber ins Weißlich« zu schimmern beginnt. Wenn also die preu- ßische Justiz im Verhältnis zur bayerischen etwas weih erscheint, so will das noch nicht vielliesagen. Im übrigen gilt auch von der preu- ßischen Justiz das Wort: Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Kaum waren mir unlängst im Ausschuß mit unseren Be- ratungen zu Ende, da wurde das Urteil im Thormann- Grandel-Prozeß bekannt. Dieses Urteil hat bis tief in die Reihen der Rechtsparteien peinliches Aufsehen hervorgerufen. Dieses Urteil hat großen Schaden angerichtet im In- und Auslande. Was soll das Ausland von einem Staate denken, in dem Attentatsver- suche, wie sie im Thormann-Grandel-Prozeß in Frage kamen, un- gestraft bleiben! Der Freispruch für die Attentäter war sicher in dem Augenblick, als General v. Seeckt erklärte, er werde gegebenenfalls auch gegen rechts schießen. Von diesem Augenblick an haben die Richter den General v. Seeckt im Stich gelassen. Wenn man in Deutschland und in Preußen über die Rechtspflege spricht, dann wird immer wieder der Name Felix Fechenbach fallen.' Es gibt kein Recht in Deutschland , so lang- der Justizmord an Fechenbach forlbesteh». Oder ist vielleicht Bayern Iustizauöland? Wir werden immer wieder unsere Stimme zum' Prot-st gegen die Schmach der Verurteilung Fechenbachs erheben Herr Nikolaus C o ß m a n n. der Denun- ziant Fechenbachs ist heute als ltterarifcher Fälscher entlarvt. Herr Coßmann will wahrscheinlich seinen in völkischen Kreisen verdächtigen Namen durch seine gehässigen und schäbigen Angriffe bei de» Anti- semiten in Vergessenheit bringen... Der Fast Fechenbach ist aber nur em Glied in emer ganzen Kette von Haß- und Rache Prozessen, mit welchen ein Teil des Bürgertum» sich für die Angst rächen will, die es bei der Rovem- ber-Revolution ausstehen mußte Rur so ist es zu erklären, daß Leute wie Graf Ave o, feige Mörderbuben begnadigt werden, währeod
gegen links ein förmliches Kesseltreiben inszeniert wird. Rur so ist die Hetze gegen den Mini st er Hermann in Thüringen zu erklären, nur so der Prozeßgegen Zeigner.(Zurufe rechts: Das sind sächsische und thüringische Dinge.) Auch in Preußen haben wir ein solches Kesseltreiben gegen Personen gehabt, die heute glän- zend gerechtfertigt dastehen.(Zuruse bei den Kommunisten: Auch Sie, Herr Kuttner?) Die Herren Kommunisten vergessen, daß ihre Redakteure, die mich verleumdeten, vor Gericht winselnd erklärt haben, sie hätten sich an die Kommunistische Zentrale gewandt und um Beweismaterial gebeten. Die Zentrale aber habe ihnen erklärt, sie habe keine Unterlagen für die Verleumdungen.(Hört, hört! bei den Soz., großer Lärm bei den Kommunisten!) Es gibt eine Reihe von Fällen, in denen der Iustlzmintster seine Pflicht getan hat. Trotz dieser Anerkennung für den Herrn Minister bleibt es aber Tatsache, daß dev Minister nicht überall eingreisen und korrigieren kann. So hat der Oberstaatsanwalt eine Anklage gegen den Beleidiger und Bedroher des Ehefredak- teurs der„Vossischen Zeitung" abgelehnt. Wir nehmen gern zur Kenntnis, daß das Justizministerium nunmehr den O b e r- sta a t sa n w al t a n g e w i e s e n Hai. Anklage zu erheben. Es gibt so viele Fälle, in denen noch immer mit zweierlei Maß ge. messen wird. Wenn es ssch z. B. um A r b e i te r tum u lt e hau- dclt, dann ist man rasch bei der Hand mit dem Prozeß. Handelt es sich aber um antisemitische Ausschreitungen, dann ist man merkwürdig zurückhaltend. Wenn ein Oberpostdirettor beleidigt wird, dann erklärt eine hohe Justiz, solch eine Beleidi- gung sei schlimmer als die eines Ministers, da es sich bei einem Oberpostdirektor um einen Beamten handle, während ein Minister nur durch einen minderwertigen Kuhhandelt gewählt werde. Der Herr Iustizminister sollte auch gegen Iustizbeamte ein- schreiten, die sich erlauben, den R e i ch s pr ä si de n te n als Mann mit der Ballonmütze zu beschimpfen und sich als Beamte geradezu unqualifizierbar verhalten, wie das z. B. in Erfurt vorge- kommen ist.(Der Iustizminister bemerkt, daß ein Disziplinorver- fabren eingeleitet ist.) In Schneidemühl ist ein Schlosser wegen Be- leidigung des Reichspräsidenten zu 30 Mark Geldstrafe verurteilt worden und man hat seine Armut als strafmildernd herangezogen. Nicht immer wird und wurde die Armut als strafmildernd betrachtet. Als vor dem Krieg« ein Schlosser auf der Plattform der Straßen- bahn seinem Herzen Luft machte und sagte, den Polizeipräsidenten v. Iagow soll der Teufel holen, wurde der arme Teufel zu drei Mo« naten Gefängnis verurteilt. Die preußische Justiz versagk in der Bekämpfung der Feme - m»rde, Aus ihr Konto ist es zu schreiben, wenn der haupl- s organisakor dieser Morde. Herr Roge- entwischte. Dann noch«in Wort zu den Maffenprozessen, Wir leben w
einer unruhigen Zeit. Handelt es ssch um Delikte, die Arbeitern zur Last gelegt werden, dann läßt man das Gesetz in seiner ganzen Schärf« wirken. So bei dem Dramburger Landfriedens- b r u ch- P r o z e ß. Man hat da die Führer der dortigen Sozial- demokratie als intellektuelle Urheber zu schweren Zuchthaus - strafen, zur Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte verurtellt und unter Polizeiaufsicht gestellt. Wir verlangen hier unbedingt Remedur durch das Justizministerium. Ebenso fordern wir eine Amnestie für die Berurteilten, die im Herbst des vorigen Jahres während der Inflationszeit infolge des Hungers zu Ausschreitungen sich hinreißen ließen. Die Einzelbegnadigung arbeitet zu langsam. Als wir im Hauptausschuß die Begnadi- gung dieser Fälle verlangten, gckb man von allen Seiten zu, daß man unmöglich diese Personen, bei denen der Hunger das Hauptmotto zur Tat war, oerurteilen könne, so lange nicht die Baissespeku- l a n t e n der damaligen Zeit verurteilt seien. Man hat in diesen Tagen wieder einmal den großen Philosophen Kant gefeiert. Man hat sich aber dabei nicht daran erinnert, daß Kant das Wort gesprochen hat, wo es kein« Gerechtigkeit gäbe, lohne es sich nicht zu leben. In Italien hat es bei der E r m o rd u n g Matteottis einen Sturm des Unwillens und der Empörung ge- geben. Frankreich wurde bis in seine Tiefen aufgewühlt, so lange im Fall Dreyfus die Gerechtigkeit nicht triumphierte. Rur bei uns, wo der Fall Fechenbach noch immer zum Himmel schreit, schläft man, ist man urtd tut man so, als ob nichts geschehen sei. Wir sedenfalls werden kein« Gelegenheit vorübergehen lassen, um das Gewissen der Nation aufzurütteln.(Beifall.) Abg. Göbel(Z.): An dem Grundsatz der U n a b s e tz b a r k e i t der Richter sollt« nicht gerüttelt werden. Eine schärfere Tren- nung der den Richtern vorbehaltenen Geschäfte und Amtshandlungen von den durch die Gerichtsschreibereien zu erledigenden wären wün- schenswert. Daß der Abg. K u t t n« r in diesem Jahre im Ausschuß die Justizverwaltung gelobt hätte, wie er heute bemerkt«, haben wir nicht finden können. Gegenüber den Hunderltausenden un- angefochtener Strafurteil« fallen doch die von ihm bekämpften wirk- lich nicht entscheidend ins Gewicht. Abg. Lüdicke(Dnat.): Die Notverordnungen haben sich über bestehende grundlegende Rechtsgarantien glatt hinweggesetzt. Gewiß hatdiepreußischeIustizverwaltungin wenigen Monaten mit der kleinen Iuftizreform Großes geleistet; aber die Umwälzung w den Gerichten, bis hinauf zum Kammergericht, hat auch große Erschwerungen mit sich gebracht. Die Armenrechts- g« suche müssen besonders gründlich geprüft werden. Bei Ueber- fällen auf Nationalgesinnte sollt« die Strafe möglichst schnell den Täter ereilen. Sonst büßt sie i«de Wirkung ein. Am g. November 1918 hat, wie Herr Kuttner sich merken sollte, Li« Kommandantur zu Berlin Tausende von Offizieren, die sich zur Aufrechterhaltung der Ordnung zur Verfügung gestellt hatten, zurückgewiesen. Und nach dem Kapp-Putsch hat man viele prominente Sozialdemokraten mit abrasierten Barten antreffen können, die sich in diesem Aufzug für sicherer hielten.(Heiterkeit rechts.) Abg. Obuch(Unabh.) erklärt, der kapitalistische Staat kenne kein« Gerechtigkeit. Abg. Dr. verndt(Dem.) tritt für Verstärkung des Laienelements in der Rechtsprechung ein. Notwendig sei die Aufrechterhaltung der Schwurgerichte; eine Trennung von Schuld- und Strasfrag« sei nicht zu billigen. Ew« Aenderung des Zivilprozesses durch die Verordnung vom 13. Februar schließe gleichfalls schwer« Bedenken in sich. Di« Zioilrechtspslege solle tunlichst in die Hände des Einzel- richters gelegt werden. Das durch die Verordnung eingeführte Ver- fahren, das einer Beschleunigung dienen soll«, wirke nur verlang- samend. Recht angreifbar sei auch die Bestimmung, daß der Richter das persönliche Erscheinen der Parteien durch Strafe erzwingen kann. Diese Verordnungen müßten so bald wie möglich wieder verschwinden und an ihr« Stell« müsse eine einheitliche Gesamtreform treten. Auf die Geschäftsverteiiung müsse die Anwaltschaft Einfluß gewinnen. Die Frage der Einführung eines numerus clausus bedürfe eingehender Prüfung; besonders die richtige Auswahl werde Schwierigkeiten machen. Jede politische Rechtsprechung müsse ver- schwinden: noch immer werden linksgerichtete Leute schärfer angefaßt. Die Slaalsanwälte seien Anwälte des heutigen Staates: wo sie sich als solche nicht erweisen, mühten sie entlassen werden. Werschwinden müsse auch das offenbare Mißver- hältnis zwischen rechts und links bei der Besetzung der leitenden Stellen in der Justizverwaltung. Freitag 11 Uhr: Weiterberatung. Schluß 5% Uhr. _ Zentralverbanö Deutftber Konsumvereine Am dritten Derhandlungstag« wurde zunächst das Referat von August K a s ch(Hamburg ) über den Mißbrauch der Konsumvereine durch die Kommunisten entgegengenommen. Schon gleich zu Beginn fanden erhebliche Lärmszenen statt, verursacht Zkmch ungualifqier- bare kommunistische Zwischenruf«. Sie endeten mit dem Hinaus- wurf eines Weißenfelser Delegierten, der sich auf die Karte des bekannten Dr. Bittet eingeschlichen hatte. Der Redner gestaltete seinen Vortrag zu«mer gründlichen Abrechnung mit der auf Moskauer Befehl in den Konsumvereinen betriebenen komm»- n i st i s ch e n Parteiarbeit, deren Charakter er an einer Fülle einwandfreien kommunistischen Attmmaterials darlegte. Di« Doppelzüngigkeit und Unehrlichkeit der Agitation, die gewissenlose Verhetzung wurde in schärfster Form gebrandmarkt. Di« Gegner der Konsumgenossenschafrsbelvegunq würden die gesetzlichen Machtmittel gegen diese ausnützen, vor allem, wenn die Kom- munisten ihnen die Handhaben geradezu auf dem Präsentierteller darbrächten. Di« Erkenntnis dieser Gefahr sei ebenso allgemein wie die Empörung über die Urheber und der Wunsch, daß endlich Kehraus geblasen werde. Das Gesetz gestattet bei parteipolitischer Betätigung Auslösung der Vereine und der Revisionsverbände. Schweigen und NichtHandeln befördert den Verdacht der Duldung oder gar Billigung des Treibens. Die übergroße Masse derer, die am Aufbau der Genossenschaften tätig war. sei nicht gewillt, Partei- politischen herostraten zuliebe ihre kostbare Organisation in die Luft gehen zu lassen, ja auch nur ein Steinchen des Baues verbrecherischen Elementen preiszugeben. Sie würden deshalb rücksichtslos all« Mittel anwenden, die geeignet und erforderlich seien, weitere Schäden zu verhüten. Es handle sich nicht um ein« leere Geste oder ein« papieren« Drohung. Wer nicht hören wolle, werde fühlen. Der Verlust an Organisationen, der vielleicht entstehe, werde auch «ine Reinigung der Atmosphäre, eine Gesundung des Meinungskampfes und die Beseitigung lästiger Störungen bedeuten. Lieber ein krästiger Schnitt, als Vergiftung des ganzen Organismus durch ein Geschwür. Der Zentrawerband denke nicht an„Aus- nahmegefetze", deshalb lege er überhaupt keinen Beschluß vor. Die geltenden Gesetze und Satzungen genügten vollauf. Der Vorstand werde im Benehmen mit den Revistonsvcrbänden in allen Fällen, wo durch beharrliche, systematische, von parteipolitischen Absichten geleitet« Mißachtung der Grundsätze und Beschlüsse die Organisation gefährdet werde, durch Beseitigung der Schuldigen für die Beseiti- gung der Gefahr sargen.,„... Die Aussprache, die sehr lebhast war und manche Zwischenfälle zeitigte, war das übliche Duell mit den Kommunisten, für die Zimmermann(Jena ), Müller(Halle ), L u ck(Gotha ), Granz(Limbach) sprachen. Sie predigten die unvermeidliche Weltrevolution, an der sich selbstverständlich die Genossenschaften beteiligen müßten. Die politische Neutralität sei abzulehnen. Eine Handhab« zum Einschreiten der Registerrichter liege nicht vor, da die kommunistischen Thesen nicht zum Bereinsstatut erhoben seien. Man wolle nur Ruhe vor der„Opposition" haben, aber das werdd mcht gelingen. Für die«rnder« Deite sprachen Fener stein