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Nr.312 41.Jahrgang Ausgabe A nr. 160

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Sonnabend, den 5. Juli 1924

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Die Londoner Konferenz gefährdet.

Besorgnisse über die nationalistischen Quertreibereien/ Herriot in Bedrängnis

bei den eingeladenen Regierungen der Eindruck erweckt werden fönnte, als sei Frankreich mit der von London vertretenen Auf­faffung einverstanden. Das ist aber nach den von Herriot in Kammer und Senat abgegebenen Erklärungen zum mindesten in 3 wei Bunkten nicht der Fall. Frankreich lehnt nicht nur die Mac donaldsche Doktrin ab, wonach die Bestimmungen zum Teil über die in den Versailler Friedensbestimmungen festgelegten Verpflich tungen Deutschlands hinausgehen, sondern es lehnt vor allem auch die englische Forderung ab, daß künftig für die Feststellung etwaiger Berfehlungen Deutschlands nicht mehr die Re­parationstommiffion, sondern ein neu zu schaffendes Dr. gan zuständig sein soll.

Condon, 4. Juli. ( Eigener Drahtbericht.) Die außerordent-| darüber um so ungehaltener, als man befürchtet, daß auf diese Weise| lich optimistische Auffassung über die außenpolifische Lage, die am Donnerstag in London vorherrschte und der auch Macdonald in einer Rede in seinem Wahlkreis beredten Ausdrud verliehen hat, ist am Freitag einer ernsthaften Besorgnis gewichen. Die Pariser Meldungen über die Nichteinladung Frankreichs und die Gegnerschaft Frankreichs gegen eine von der Reparationsfommiffion unabhängige Kommission, die über eventuelle deutsche Verfehlungen entscheidet, haben in den amtlichen Kreisen Englands peinlichstes Er­staunen hervorgerufen. Im Auswärtigen Amt wird erklärt, daß die Behauptung von einer Nichteinladung Frankreichs auf ein Mißverständnis beruhe und daß in der Frage der Sonder­tommiffion der englische Standpunkt der fei, daß der Sachverständigen­plan nicht mit dem Versailler Vertrag identisch ist. Daher sei eine Ueberwachung der Ausführung seiner Bestimmungen durch eine eigene unparteiische 3nstanz selbstverständlich. Der Hauptgrund für die englische Stellungnahme, der jedoch nicht aus­gesprochen wird, ist darin zu sehen, daß man in den amtlichen eng­lischen Kreisen bei der Uebertragung eines Ueberwachungsrechtes über die Ausführung des Sachverständigengutachtens an die Repa­rationsfommission eine Wiederholung des Ruhreinmarsches oder eines ähnlichen Schrittes befürchtet, wie feinerzeit die Reparationstom­mission beschlossen hat. In parlamentarischen Kreifen herrscht der Eindruck vor, daß gewisse private Zirkel, denen die neue Entwicklung mißfällt, alles daran sehen, um einen keil zwischen England und Frankreich zu treiben. Auf alle Fälle laffen die neuen, in Paris explodierten Bomben den rechtzeitigen Be­ginn der Londoner Konferenz, von hier ausgesehen, jeht 3weifelhaft erscheinen.

Herriot verlangt direkte Aufklärung von Macdonald. Paris , 4. Juli. ( WTB.) Ministerpräsident Herriot hat im Bereinigten Kammerausschuß für Auswärtige Angelegenheiten und Finanzen heute nachmittag erklärt, daß er nach Schluß des heute vormittag abgehaltenen Ministerrates eine note an die eng­lijche Regierung gerichtet habe des Inhalts, die franzöfifche Regie. rung betrachte sich nicht gebunden durch die Anregungen, die die englische Regierung gleichzeitig mit den Einladungen zur Con­doner Konferenz an die allierten Regierungen gegeben habe. Da in Chequers feinerlei Formel festgelegt worden sei, feien die Einladungen im Foreign Office abgefaßt worden. In diefer Faffung habe die englische Regierung gewisse Anregungen zu den Arbeiten der Konferenz gegeben, Anregungen, die mehr oder minder denjenigen ähnlich seien, mit denen sich die französische Re­gierung bereits befaßt habe.

Schwieriger ist die zweite Frage. Wir haben bereits gestern auf die Bedeutung hingewiesen, die man hier aus naheliegenden Gründung der Wahrung der vollen Autorität der Reparations. fommission beilegt. Aber auch das schließt feineswegs aus, daß man in Paris der neuen internationalen Situation die erforderlichen Zu­geständnisse zu machen bereit ist. In dem Resumé, das der in der Regel ausgezeichnet informierte Londoner Temps"-Korrespondent feinerzeit über die Brüffeler Besprechung gegeben hatte, war als eine der getroffenen Vereinbarungen ausdrücklich angeführt worden, daß die Feststellung neuer deutscher Verfehlungen fünftig von der Reparationskommission zusammen mit dem Finanzfomitee des Völkerbundes erfolgen solle, ohne daß die öffentliche Meinung oder die politischen Kreise in Frankreich sich über diese Konzessionen fon­derlich aufgeregt hätten. Und erst gestern hat der Temps" in seinem Leitartikel zugegeben, daß bereits durch das Gutachten der Sach­verständigen die Interventionsmöglichkeit der Reparationstommission auf ganz wenige, im höchsten Grade unwahrscheinliche Fälle beschränkt wird. Das alles zeigt, daß die Meinungsver­schiedenheiten zwischen London und Paris im Grunde garnicht fo sehr tiefgehend sind. Die eigentliche Bedeutung des 3wi schenfalls liegt denn auch vor allem in der äußerst heiflen Situation, in die das neue französische Ministerium seinen Gegnern im eigenen Lande gegenüber sich gebracht hat. Und das Mindeste, was sich von den englischen Vorgehen sagen läßt, ist, daß es tattisch weber sehr geschict, noch politisch nüßlich ist. Die parlamentarischen Schwierigkeiten, mit denen die Berständigungspolitik Herriots zu rechnen hat, können doch in Lon. don nicht ganz unbekannt sein. Herriot, der in wiederholten Erklä= rungen der Opposition gegenüber versichert hat, daß in Chequers feinerlei befinitive Abmachungen getroffen wurden, wird bereits von der nationalistischen Presse der Borwurf gemacht, entweder wiffentlich gelogen zu haben oder von Macdonald hineingelegt worden 3u fein. Das eine trifft ebensowenig zu wie das andere.

Havas zufolge erklärte Herriot noch, er habe von der britischen Am Quai d'Orsay vertritt man den Standpunkt, daß die einzelnen Regierung über die Vorschläge, die in der Einladung zur Londoner Buntte der englischen Einladung nur die persönliche Auffaffung Konferenz an die verschiednen intereffierten Mächte enthalten feien, des englischen Auswärtigen Amtes darstellen, durch die die fran eine Aufklärung verlangt. Im Laufe der Sigung sei Herriot eine erläuternde Note des Unterstaatssekretärs Crewe zu- ösische Regierung in einer Weise gebunden wird. Wahr. Herriot eine erläuternde Note des Unterstaatssekretärs Crewe zu scheinlich wird das die französische Regierung in einer Mitteilung gegangen. Herriot habe jedoch den Ausschüssen erklärt, er erwarte an die zur Konferenz geladenen Regierungen auch offen zum Aus­eine dirette Antwort von Macdonald, ehe er sich über die druck bringen. Wenn damit der Zwischenfall auch formal seine Er Ungelegenheit aussprechen wolle. ledigung gefunden haben dürfte, so bleibt doch als wenig erfreuliche Rückwirkung der Eindruck eines neuen englisch - französischen Gegen­fazes zurüd, was wenig dazu angetan ist, die Arbeiten der Ron­ferenz zu erleichtern. Fast noch verhängnisvoller aber ist, daß er der Oppofition in Frankreich eine neue Waffe in die Hand gibt, die Herriot ernstlich gefährlich werden könnte. Denn das Mindeste, was von dieser Seite versucht werden wird, ist, die englische Initiative dazu auszubeuten, Herriot in der bevorstehenden Interpellations. debatte zu präzisen Erklärungen zu zwingen und ihm so für London die Hände zu binden.

Poincaré der Haupttreiber. Paris , 4. Juli. ( Eigener Drahtbericht.) Die Kampagne der Pariser nationalistischen Presse gegen die Form der Einladung zur Condoner Konferenz ist nichts anderes als ein wohlvorberei­tetes Borpostengefecht gegen die konferenz selbst. Im Hintergrund ist Poincaré sichtbar, der mit äußerster Energie versucht, den, Weg der Abkehr von seiner politischen Gewaltmethode zu blockieren und d: endgültige Regelung der Reparationsfrage im Sinne des Sachverständigenplanes zu hinter­freiben. Im Senatsausschuß für auswärtige Angelegen­heiten flagte er Herriot am Freitag an, daß er sich von Macdonald habe blenden lassen und vollkommen in der Hand des Auswärtigen Amfes in London sei. Das Ziel der französischen Chauvinisten ist, die durch den Dawes- Plan und durch die Ab­machungen, die auf der Londoner Konferenz getroffen werden sollen, gefährdete Machtstellung der Reparationstemmiffion, in der MFrankreich bekanntlich die vorherrschende Stellung hat, um jeden Preis zu retten.

Ein Vorwand für die Poincaristen gegen Herriot.

Paris , 4. Juli. ( Eigener Drahtbericht.) Die gestern von hiesiger zuständiger Stelle etwas voreilig dementierten Meldungen über die Form der englischen Einladung zur Konferenz von London haben sich nun doch als richtig erwiesen. Die Verstimmung darüber ist hier außerordentlich groß. Man macht der englischen Regierung den Vorwurf, daß die bereits in der Einladung zur Konferenz deren Beschlüsse vorgreife, indem sie den allierten Regierungen ihre eigene These zu suggerieren versuche, und man ist

London , 4. Juli. ( WIB.) Reuter meldet aus Paris : Der Bericht des französischen Botschafters in Condon über seine heutige Unterredung mit Sir Eyre Crewe bezüglich der Mißverständnisse über die Bedingungen der Einladung zur Julifonferenz in London werde in Paris mit Spannung erwartet. Am Quai d'Orsay drüde man die Hoffnung aus, daß eine befriedigende Erklärung von britischer Seite erfolgen werde. Man erkenne jedoch, daß die Schwie­rigkeit, auf der Londoner Konferenz eine Berständigung zu erzielen, beträchtlich größer sein könnte, als am Tage nach den Un. terredungen von Chequers erwartet wurde. Die Lage sei äußerst schwierig für Herriot.

Eine englische Darstellung.

London , 4. Jufi.( WTB.) Reuter zufolge herrscht in hiesigen Haltung der französischen Presse gegenüber den Besprechungen in diplomatischen Kreisen Isbhafte Ueberraschung über die Chequers . Man bezeichnet es als schwierig, die an den Tag gelegte Erregung zu verstehen und weist darauf hin, daß die britische Regie rung, indem fie die Mitteilung der Borgänge in Chequers an die übrigen Alliierten veranlaßte, nichts getan habe, was der be­

stehenden Uebereinstimmung mit der französischen Regierung zu­widerlaufe. Der britische und der französische Premierminister feien von Anfang an darüber einig gewesen, die Alliierten über den Inhalt ihrer Besprechungen auf dem Laufenden zu halten und Herriot sei selbst nach Brüssel gereist mit der ausgesprochenen Absicht, seine belgischen Kollegen von dem Ergebnis der mit Macdonald gepflogenen Unterhaltungen zu unterrichten.

Was die Proteste der französischen Presse gegen die den Ein­ladungen zur Londoner Konferenz gegebene Form betrifft, als fuche diese den Verlauf der fünftigen Konferenz im voraus zu bestimmen, so wird hier erklärt, daß in Chequers teine Entscheidungen getroffen worden sind. Weiter wird betont, daß keinerlei bindende Beschlüsse ohne Benachrichtigung der übrigen Alliierten gefaßt werden würden. Alle die müßigen Fragen, was wirklich oder was Quai d'Orsay genau unterrichtet sei. Der britische vermutlich beschlossen sei, mache der Umstand hinfällig, daß der Standpunkt sei allgemein bekannt und alles, was von hier aus ge­schehen sei, sei lediglich zu dem Zwecke geschehen, diesen Standpunkt zum Ausdruck zu bringen und Anregungen in dieser Richtung zu geben. Niemals habe die Absicht bestanden, den Anschein zu erwecken, als feien in Chequers endgültige und bindende Entscheidungen ge4 troffen worden.

Weiterhin sei allgemein bekannt, daß in britischen Kreisen kei­nerlei Absicht bestehe, sich in irgendeiner Weise in die Arbeiten der Reparationsfommission einzumischen. Der Dawes- Bericht lege jedoch Deutschland zahlreiche Verpflichtungen auf, die im Vertrag von Versailles nicht vorgesehen seien. Der britische Gedanke gehe also lediglich dahin, neue Mittel und Wege zur Durchführung des Dawes - Berichtes aufzusuchen. Vollkommen unsinnig sei es, der britischen Regierung den Wunsch unterzuschieben, als wolle sie die Reparationskommission zum alten Eisen werfen.

Mit Fragen, die außerhalb des Bersailler Bertrages lägen, fönne die Reparationskommission nicht befaßt werden. Ihre Arbeit, soweit sie im Vertrag vorgesehen sei, solle sie dagegen wie bisher fortsetzen. Die britische Anregung bezwecke, lediglich darauf hinzu­weisen, daß der Dawes Bericht Regelungen vorfehe, für die die Reparationsfommiffion nicht zuständig set.

Großbritannien wolle teine überstürzte Entschei dung herbeiführen. Es gebe nur seinen eigenen Standpunkt bes fannt in Ausdrücken, die die in Chequers gebrauchten genau wieder­holten und die, was noch einmal ausdrücklich wiederholt würde, in feiner Weise darauf abzielten, irgendeine oder zwei der beteiligten Mächte ohne vorherige Besprechung mit den übrigen Alliierten zu binden.

Politik und Mord.

Zu den Haussuchungen in Reichstag und Landtag. Die Haussuchungen, die gestern morgens in den beiden Barlamentshäusern Berlins vorgenommen wurden, haben be= trächtliches Aufsehen erregt und eine lebhafte Debatte im Landtag hervorgerufen. Die kommunistische Reichstags­fraktion hat an Herrn Wallraf ein Protestschreiben gerichtet, in dem sie sich besonders gegen die Annahme wehrt, daß sich in ihren Händen Materialien befinden könnten, von denen die Aufklärung vollendeter oder die Verhütung begangener Mordtaten zu erwarten sei. Das Schreiben des Reichs­tagspräsidenten, auf das diefer kommunistische Brotest Bezug nimmt, war ein Antwortschreiben an den Untersuchungsrichter beim Staatsgerichtshof, der die Haussuchung verlangte, und hatte folgenden Wortlaut:

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Euer Hochwohlgeboren haben das in dem gefälligen Schreiben vom 26. v. Mts. gestellte Gesuch, in den von der kommunistischen Partei benußten Räumen Durchsuchungen und Beschlagnahmungen vorzunehmen, durch wiederholte mündliche Darlegungen mir gegen­über näher begründet. Nach diesen Darlegungen bin ich zu der Ueberzeugung gekommen, daß die Aufklärung und Verhütung voll­endeter und versuchter Verbrechen des Mordes von der Erteilung der mir nach Art. 38 Abs. 2 der Reichsverfassung vorbehaltenen 3u= stimmung abhängig bleibt. Unter dem 3 wang dieser Sachlage er­teile ich Ihnen hierdurch die nachgesuchte Zustimmung zur Durch­suchung der genannten Räume und zur Beschlagnahme der auf das Verbrechen des Mordes bezüglichen Gegenstände mit der Maßgabe, daß diese Genehmigung auf Freitag, den 4. d. Mts., beschränkt wird.

Im Landtag hat man im Schrank des Abg. Geschke Sprengkapseln für Stielhandgranaten und eine Mauserpistole gefunden. Von kommunistischer Seite wird dazu erklärt, daß es sich um Gegenstände handle, die seinerzeit bei den Land­tagsdebatten über die Krawalle beim Zirkus Busch als Be­weise gegen die nationalistischen Verbände auf den Tisch des Hauses niedergelegt worden seien.

würdige Sachen im Befiz von Bölkischen oft zu finden sind, Das tann richtig sein, denn daß dergleichen liebens­ist unbestreitbar. Aber anderseits fann nicht behauptet werden, daß Dinge von demselben Kaliber bei Kommunisten niemals zu finden seien. Tatsachenbeweise, Geständiisse und