Nr.328 41.Jahrgang Ausgabe A nr. 168
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Dienstag, den 15. Juli 1924
Freigabe der Getreideausfuhr.
Gewerkschaften gegen den Schutzzoll.
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Wozu die Schutzölle?
Inkonsequenz der Agrarier.
sche Regierung fann sich also auf das fommunistische Reichsregierung in der deutschen Deffentlichkeit und besonders Vorbild berufen!
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Das Reichsminifterium für Ernährung und Landwirtschaft hat den Reichskommiffar bei der Reichsgetreideftelle ermächtigt, auf An- Heute Dienstag nachmittag um 5 Uhr findet im Reichser trag von Fall zu Fall eine Unbedenklichkeitsbescheini- nährungsministerium eine Besprechung zwischen den Gewerkgung für die Ausfuhr von Getreide, Mehl und Abfall- schaften und dem Reichsernährungsminister statt. Gegenstand der Besprechungen ist die Frage der Agrarschutzölle. produkten aus dem Getreide zu erteilen. Der Absatz der genannten Im Rahmen der Zolldebatte ist von der Regierung betont Erzeugnisse auf dem Inlandsmarkt ist in den letzten Wochen so außer- worden, die Gegner der Agrarzölle sollten andere Wege ordentlich schwierig geworden, daß in Anbetracht der ständig wachsen- zum Schutz der Landwirtschaft zeigen. Nach Auffassung den Notlage der Landwirtschaft, der Mühlen und des Handels eine führender Gewerkschaftskreise ist das nicht in erster Linie Abzugsmöglichkeit durch die Ausfuhr geschaffen werden mußte. Bei Sache der Gewerkschaften. Ihre Pflicht sei, das ReichsAbzugsmöglichkeit durch die Ausfuhr gefchaffen werden mußte. Bei ernährungsministerium auf die psychologische Under gewählten Art der Ausfuhrerleichterung ist es möglich und auch möglich feit aufmerksam zu machen, der Arbeiterschaft zu beabsichtigt, das Maß der Ausfuhr zu begrenzen, wenn die den bereits auf ihr ruhenden Lasten auch noch die SchutzzollAusfuhr bedenklichen Umfang annehmen sollte, für welche Befürchtung last aufzupacken. jedoch kein Anlaß vorliegt, da die Absatzmöglichkeiten für deutsches Getreide und Mehl im Auslande sehr beschränkt find.
Da die Inlandspreise für Getreide und Mehl bis vor furzem erheblich unter den Weltmarktpreisen lagen, wird jetzt eine lebhafte Er porttätigteit einsetzen, bis die Weltmarktpreise erreicht sind. Die Preissteigerung für Getreide und Mehl hat bereits begonnen, die Verteuerung des Brotes wird bald folgen.
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Offenbar unter dem Eindruck des starken Widerstandes, den die von den Großagrariern propagierte Zollvorlage der in der Arbeiterpresse gefunden hat, sah sich der Reichs= landbund veranlaßt, seine Gründe für die Schutzzoll= politik einem Kreis von Pressevertretern vorzutragen. Die Aussprache ergab nicht viel Neues, dennoch spiegelt sie bis zu einem gewissen Grade die Inkonsequenz, mit der in diesen Kreisen das Problem des Agrarschuzes behandelt wird. Nicht, weil man für die Landwirtschaft einen Sondervorteil haben will, propagiert man angeblich den Schutzoll, sondern weil der Schutz der nationalen Arbeit" überhaupt notwendig sei. Die bürgerliche ökonomische Wissenschaft hat gerade das Schlagwort von dem„ Schutz der nationalen Arbeit" als eine wissenschaftlich nicht begründete, nur im politischen Meinungskampf auftauchende Phrase ohne tieferen Inhalt gefennzeichnet und sie abgelehnt. Auch in der Art, wie sie vom Reichslandbund vertreten wird, stellt sie sich nicht anders dar.
Die Besprechung des Reichsernährungsministers mit den Gewerkschaften ist wohl nicht ohne Absicht noch vor Beruft sich doch der Reichslandbund darauf, daß der der am Donnerstag dieser Woche in Berlin stattfindenden Agrarzoll notwendig sei, weil man der Industrie den Konferenz der Landwirtschaftsminister der Länder angesetzt Schutz gegen ausländische Konkurrenz nicht versagen dürfe. worden. Diese Konferenz soll sich in erster Linie mit der Ja, man geht sogar so weit, zu behaupten, daß die Industrie Kreditfrage befassen. Es werden etwa 400 Millionen ja bereits ihren Schuzzoll habe und daß darum der Agrarneue Kredite für die Landwirtschaft gefordert. Nach unseren zoll schon aus Gründen der Gerechtigkeit nicht abgelehnt werInformationen fönnen jedoch höchstens 200 bis 300 Millionen bewilligt werden. Wahrscheinlich wird eine Sonderzuweisung zolltarif pon feiner Seite mehr aufrechterhalten wird und den dürfe. Tatsache ist jedoch, daß der bisherige Schutzan Bayern nicht zum Beschluß erhoben, da die übrigen einer Reform dringend bedarf. Schutzölle für die Länder, befonders Breußen, auf eine gerechte Berteilung Landwirtschaft würden somit erst dann spruchreif werden, dringen werden. Breußen verlangt, daß selbstverständlich wenn die beabsichtigte große Zolltarifvorlage der Reichsregiedie Kreditfähigkeit der eigentlichen Empfänger der Kredite geprüft wird, aber darüber hinaus die Verteilung langt man sie mit allem Nachdruck und sogar mit der Drohung, rung den geseggebenden Körperschaften zugeht. Statt dessen ver der Kredite über die Länder erfolgen soll. Demnach fielen daß sonst die Produktion eingestellt oder eingeschränkt würde, zwei Drittel der Kredite an Preußen und innerhalb Preußens fchon jetzt, ehe die Industriezölle zur Beschlußfassung vorwürde prozentuale Berteilung auf die Provinzen und Siche- liegen. Bon der Leitung des Reichslandbundes wird auch Nicht ohne Interesse ist es, daß sich die deutsche Regierung rung gegen Begünstigung irgendwelcher Besitzgrößen erjetzt des gleichen Mittels bedient, das die Somjet republik folgen. Die Kreditfrage wird auf der Konferenz, wie mitch u 33 0llpolitik einleiten will, die selbst vor einer ganz offen zugegeben, daß man damit eine allgemeine anwandte, um die Kaufkraft der russischen Landwirtschaft zu erfahren, nicht nur im Hinblick auf die Finanzierung der Ernte Verteuerung der für die Landwirtschaft unentbehrlichen Besteigern. Auch sie gab, als die Agrarfrise ihren Höhepunkt eine Rolle spielen. Sie soll ganz allgemein als Hilfsmaß- triebsmittel nicht zurückschreckt, wofern nur die Landwirterreichte, große Getreidemengen zum Erort frei die deut- nahme für die Landwirtschaft erwogen werden. schaft ihren Schutzoll erhält.
Man sieht, daß die Freigabe des Exportes bereits eine große Zuwendung an die Landwirtschaft ist, deren Folgen die Verbraucher bald zu spüren haben werden. War immer: hin die Angleichung der Inlands- an die Weltmarktpreise auf die Dauer nicht zu vermeiden, so wird sie doch in diesem Augenblid die deutsche Arbeiterschaft besonders schwer treffen. Bollte man darüber hinaus wirklich noch Schutzölle ein führen, so wären die sozialen Folgen tatastrophal.
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Vor der Londoner Konferenz.
Die Internationale in Amsterdam . Amsterdam , 14. Juli. ( WIB.) Heute vormittag sind die Borstände des Internationalen Gewerkschaftsbundes und der Sozialistischen Internationale zusammengekommen, um zu der am 16. Juli beginnenden Londoner Konferenz Stellung zu nehmen. Für den Gewerkschaftsbund waren anwesend: Der Vorfihende, die Vizevorstände und die Sekretäre, darunter Sassenbach( Deutschland ), für die Sozialistische Internationale der Sekretär Adler und die Mitglieder des Vollzugsausschusses, Bell ( England), Blum( Frankreich ), Müller ( Deutschland ), Vandervelde und de Broudère( Belgien ) und Bliegen( Holland ).
Debatte im Unterhaus.
London , 14. Juli. ( Eigener Drahtbericht.) Die wegen der Pariser Reise Macdonalds verlagte Debatte des Unterhauses über den Etat des Auswärtigen Amtes und die englische Politik ist am Montag fortgesetzt worden. Die Konservativen und Liberalen, von denen eine heftige Attacke gegen die Regierung erwartet wurde, haben offenbar in Anbetracht der bevorstehenden Eröffnung der Interalliierten Konferenz eine Schwenfung vollzogen, weil sie fürchteten, daß eine scharfe Debatte in diesem Zeitpunkt unpopulär. wirten fönnte. Asquith
wie Baldwin haben beide in ihren Reden einen freund fchaftlichen Ton angeschlagen. Asquith beglückwünschte Macdonald, daß es ihm gelungen sei, die entstandenen 3weideutig feiten zu zerstören und die Konferenz zu retten, für die jeder die besten Wünsche habe. Weiter fagte Asquith: Seit dem Scheitern des militärischen Sicherheitspattes hat Frankreich für feine Sicherheit nichts als den Versailler Vertrag und deshalb gilt ihm dieser Vertrag als unantastbar. Macdonald hat durch seine Reise nach Paris unzweifelhaft das Kabinett Herriot und auch die Konferenz gerettet. Es sei jedoch wünscherswert zu miffen, welche Konzessionen dabei gemacht worden seien. Er( Asquith ) wünsche zu wissen, ob die amerikanische Regierung dem Gedanken eines amerikanischen Mitgliedes der Reparationsfommission als Schiedsrichter günstig gegenüberstehe.
Nach der britischen Auslegung des Versailler Vertrages müffe die militärische Räumung der befehten Gebiete im Januar 1925 beginnen,
während Frankreich zur Zeit Poincarés behauptet hat, daß die Räumungsfristen noch nicht zu laufen begonnen hätten. Des halb sei es notwendig zu wissen, welche Schritte unternommen worden seien, um diese Frage zu flären. Hinsichtlich der Sicherheit
Frankreichs sei es von größter Bedeutung, daß keine Sicherheit oder Garantie für Frankreich gefondert gegeben werde, sondern lediglich jedem Teil des Völkerbundes gegen friegerische Maßnahmen. Auch Deutschland müsse den Schutz dieser Sicherheiten genießen und sowohl in den Völkerbund als auch in den Völkerbundsrat mii einem ständigen Siz aufgenommen werden. Baldwin wünschte der Konferenz ebenfalls einen vollen Erfolg. Er sei besonders begierig, die Haltung Ameritas fennen zu lernen und regte an, daß Vorsichtsmaßnahmen ergriffen werden, damit Deutschland seine Industrie steuerlich ebenso schwer belaste als die seiner Wettbewerber belastet sei.
Macdonald
fagte in seiner Antwort, daß an dem Erfolg der Londoner Kon= ferenz alle Teile intereffiert seien. Die Frage der Räumung der besetzten deutschen Gebiete werde auch von ihm mit größter Aufmerksamkeit verfolgt, aber er fönne im Augenblid über den Beginn der Räumungsfristen noch nichts sagen. Der wesentliche Bunft des Dawes- Gutachiens sei die Beschaffung einer auswärtigen Anleihe für Deutschland , von der in erster Linie Frankreich fofortigen Nutzen hätte. Er habe die
Ueberzeugung, daß der Erfolg einer solchen Anleihe ausschließlich davon abhänge, daß das Vertrauen in die Stabilität der deutschen Verhältnisse wiederhergestellt werde. Die Frage, ob merita einwillige, offiziell in der Reparationskommission vertreten zu sein, fönne unmöglich jetzt beantwortet werden, weil sie zur gesetzgeberischen Kompetenz des amerikanischen Parlaments gehöre und deshalb nicht vor Weihnachten geregelt werden könne. Frankreich bestehe des halb darauf, daß bis dahin wenigstens ein inoffizi eller amerikanischer Vertreter zur Reparationsfommission hinzugezogen werde. Macdonald führte weiter aus, daß es keinerlei Programm für Santtionen gebe, sondern nur die Erklärung bestehe, daß im Falle deutscher Verfehlungen die gemeinsamen Intereffen verlegt seien. Welche Schritte in emem solchen Faile ergriffen werden müßten, fönne nur Gegenstand besonderer Vereinbarungen sein. In der Sicherheitsfrage würde mit Frant reich fein Sonderabkommen geschlossen werden können. Hier gäbe es
nur eine allgemeine, für alle geschaffene Sicherheit. Frankreich sei in jedem Falle an einer Sicherung gegen militärische Angriffe sehr viel gelegen und die militärischen Autoritäten Frank reichs hätten ihm erklärt, daß sie mit einem allgemeinen Frie densschutz poll befriedigt wären, weil die Sicherheit Frank reichs ein Problem des europäischen Friedens überhaupt sei.
( Weitere Meldungen siehe auch 3. Seite.)
Die Eile, mit der man die Schutzölle betreibt, wirkt um so auffallender, als auch die berufenen Führer der Großlandwirtschaft zugeben, daß für die gegenwärtige Agrarfrise der Schutzzoll noch feine Wirkungen zeitigen fönne. Man bezeichnet daher den Schutzzoll nur als einen der Kreditkrise, der Rohstoffüberteuerung und ihrer Folgen Teil des großen Agrarprogramms, das zur leberwindung für die Landwirtschaft aufgestellt worden ist. Zu diesem Agrarprogramm gehört die Forderung nach Aufhebung der Getreideausfuhr beschränkungen, die praftisch, wenn auch noch nicht formal, wirkungslos geworden find, nachdem die Regierung von Fall zu Fall den Getreideexport gestattet. Seit dem letzten Mittwoch sind infolge dieser Freigabe die Weizenpreise in Berlin um 17 M., die Roggenpreise um rund 13 M. pro Tonne gestiegen- Preiserhöhungen von 10 Broz. und darüber. Man hat also. hier den Agrariern bereits eine große Zuwendung gemacht, die auf der Linie ihres Programms liegt, und die einer, infolge des hohen Standes der Weltmarktpreise auf die Dauer allerdings kaum vermeidlichen Brotverteuerung für die breiten Maffen gleichkommt. Ein weiterer wesentlicher Punkt des Agrarprogramms ist die Kreditbeschaffung, in der die Regierung den Landwirten neuerdings erst wieder Zugeständnisse gemacht hat. Schließlich verlangt man und das mit gutem Recht- die Verminderung der großen Spanne, die jetzt zwischen den Erzeuger preisen und den Klein vertaufspreisen für landwirtschaftliche Produkte besteht. Man fordert hierzu den Abbau der Umsatzsteuern, wie sie auch von den Sozialdemokraten allgemein verlangt wird, eine Herabsetzung der Gütertarife und schließlich ein engeres 3 usammenarbeiten zwischen Produzenten- und Verbraucherorganisationen. Gerade in dem letzten Punkte, in dem ohne Schaden für den Konsumenten noch viel getan werden fönnte, um der Landwirtschaft wirklich ihren Anteil an den Preisen zugute zu bringen, die der Verbraucher nun einmal zu zahlen hat, scheint jedoch die Aktivität des Reichslandbundes noch herzlich gering zu sein. Man sieht, eine derartige Förderung des genossenschaftlichen Verkehrs zwischen Produzenten und Berbraucher, die auch im Interesse der breiten Massen liegt, ist nicht gerade die besondere Stärke einer Organisation, die angeblich die Interessen der Landwirtschaft fördern will. Dazu ist die Liebe der Agrorier zum Handel denn doch noch zu groß!
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Auffallend ist überhaupt daß man immer wieder das Schwergewicht auf die Erhöhung der Preise durch Schutzzölle legt, während man auf der anderen Seite die Berbilli. gung der landwirtschaftlichen Produktion ¡ durch Berbilligung ihrer Rohstoffe und Betriebsmittel für