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geradezu überflüssig hält. Aus dieser ganzen Denkweise läßt sich schließen, daß der Pakt zwischen den Schutzzöllnern und Industrie und Landwirtschaft schon weiter gediehen sein muß, als man bisher anehmen konnte. Wenn nun wenigstens die Landbündler davon über- zeugt wären, daß die Schutzzölle ihnen auch wirklich Nutzen bringen! Vielleicht und sogar wahrscheinlich reden sie sich nur selbst etwas vor, woran sie im Innersten selbst nicht glauben, wenn sie gegenüber der Oeffentlichkeit betonen, daß ja das Ausland einen großen Teil des Schutzzolles trage. Die in der übereifrigen Regierungsvorlage angegebenen Zahlen sprechen jedenfalls ebenso schlagend dagegen wie die Fest- stellungen. die von sozialistischen und bürgerlichen Wirtschafts- krinkern seit Jahrzehnten gemacht worden sind. Nimmt man wirklich an, daß das Ausland ganz oder zum größten Teil den Schutzzoll trägt, daß er also als Schutz für die Landwirt- schaft gar nicht in Wirksamkeit tritt, so muß man sich doch fragen, warum man diese gefährliche Belastung der Lebens- Haltung der breiten Massen überhaupt riskieren will. Denn die Gefahr einer solchen Belastung besteht in jedem Fall, auch nach Meinung der Landbündler. Ebenso wie die Regierung, so scheint auch der Landbund seiner Sache in der wirtschaftlichen Begründung der Schutz- zölle nicht sicher zu sein. Für die gegenwärtige Agrar- krise werden sie nicht wirksam, zu deren Bekämpfung bedarf es vielmehr nach ihrem eigenen Eingeständnis anderer Mittel. Mas in Zukunft wird, wenn- Schutzzölle eingeführt wer- den, kann oder will man heute nicht gern voraussehen. Wenn es den Landbündler» mit dieser Meinung ernst ist, dann be- stätigt sich unsere Auffassung, die hier vom ersten Tage an geäußert wurde, daß man nämlich die Schutzzölle nicht zur Bekämpfung der Agrarkrise propagiert, sondern aus p o l i- tischen Gründen, nämlich zur Wiederherstellung der Wirtschaftszustände der Vorkriegszeit mit allen Konsequenzen, die ein solches Streben in sich trägt: der p o l i t i s ch e n V o r- machtdesGroßgrundbesitzesundderSchwer- Industrie— ein Grund mehr, daß die Arbeiterschaft da- gegen ankämpft!_
Saperisthe Außenpolitik. München , 14. Juli. (Eigener Drahtbericht.) Bei seinem Be- suche des Fliegergedenktages in Nürnberg hat sich Minister- Präsident Dr. Held Entgleisungen zuschulden kommen lassen, die nach verschiedener Seite hin bemerkenswert sind. Schon das offi- zielle Auftreten beim Fliegertage konnte er nicht vorbeigehen lassen, /ohne der sogenannten vaterländischen Jugend den wärmsten Dank der Staatsregierung auszusprechen, verbunden mit der Bitte,„diese Jugend möge so weiter arbeiten und an der Seite der Staatsregie- rung alles vorbereiten, i damit die Schmach ausgelöscht werde". Ein großer Teil dieser schwarzweißroten Jugend, jedenfalls soweit sie in Hitler ihren Führer sieht, wird aus diesen Worten des Li- quidationsminifterpräsidenten nicht recht klar geworden sein. Denn entweder folgt sie der Parole des 8./9. November 1923 gegen die Staatsregierung oder sie folgt der Parole der Staats- regier ung gegen Hitler . Beides war bis Montag keines- wegs identisch. Ob es im übrigen besonders vaterländisch ist, Frank- reich und die übrige Welt, soweit sie poincaristisch gegen Deutschland «ingestellt ist, offiziell mit der Nase darauf zu stoßen, daß die Staaisregierung eines deutschen Landes zusammen mit der -sogenannten vaterländischen Jugend„alles vorbereitet, damit die Schmach ausgelöscht werde", ist eine Frage, die wir der politischen Beurteilung der weitesten Oeffentlichkeit überlassen wollen. Mehr Interesse als diese offizielle Rede verdienen aber Mittei- lungen, die Ministerpräsident Dr. H e l d am Sonnabendabend i n einem enggezogenen Kreise seiner Parteifreunde in Nürnberg gemacht hat. Hier hat er politisch wirklich bedeut- sam« Ausführungen gemacht, d:« einen anwesenden Redakteur der „Bayerischen Bolkszeitung" in Nürnberg veranlaßten, sie in einem Interview zusammenzufassen. Was Dr. Held hierbei über die R ä u- mung der Ruhr gesagt haben soll, ist auch nur wieder Wasser aus die Mühlen der französischen Nationallsten. Allerdings tragen diese Mitteilungen der„Bayerischen Bolkszeitung",
George Kennan . George Kennan ist im Alter von 80 Jahren vor kurzer Zeit in seinem Vaterlande Amerika gestorben. Gerade im gegebenen Augen- blick des Wiederauflebens unmenschlicher Verfolgungen von polsti- schen Gegnern in Sowjetrußland ruft sein Tod die schmerzlichsten Erinnerungen an all die Qualen wach, die russische Revolutionäre in Verbannung und Kerker erduldet haben. Ein wahrer Freund dieser Menschen war aber George Kennan ... Als im Jahre 1881 der tödliche Schuß den Zaren Alexander II. niederstreckt«, horchte plötzlich die ganz« Welt auf: was mag in diesem unermeßlichen Russenreiche vor sich gehen? Da machte sich der damals noch nicht 40jährkge Kennan auf den Weg in dies rätsel- Haft« Land, und erwirkte als Berichterstatter der amerikanischen Zeitschrift„The 19. Century"(Das 19. Jahrhundert) bei den Allgewaltigen in Petersburg , denen viel daran lag, den Amerikanern in günstigem Licht zu erscheinen, die Erlaub- nis, die Gefängnisse und die Derbannungsorte Sibiriens zu besuchen. Er legte Taufende von Kilometern mit primitivsten Ver- kehrsmittely zurück, um an Ort und Stelle die Verbannten kennen zu lernen. Und je tiefer er in das Wesen und Leben dieser charak- tervollen Persönlichkeiten, denen kein Opfer im Kampfe um die Ver- wirklichung ihrer Ideen zu schwer war, eindrang, in eine um so in- tensivere Bewunderung und um so stärkere Freundschaft verwandelte sich sein anfängliches Mißtrauen gegen die revoltierende russische Jugend. Die Großmutter der russischen Revolution, die tzOjährige Breschko Breschkowskaja, die Kennan bei seinem Besuch in der Verbannung kennen gelernt hat, erinnert in der Zeitung„Dni" an zwei inter - essante Episoden. Es war noch am Anfang seiner Reise. Mit Ent- setzen lauschte er den Worten des Revolutionärs Schamarin, als der ihm klar zu machen versuchte, wie der administrative Verbannte, vollberechtigte Bürger, den gleichen Demütigungen ausgesetzt ist, wie derjenige, der laut Gerichtsurteil Strafe verbüßt; daß aber im Gegensatz zur Strafe die Verbannung endlos dauern kann. Da sprang Kennan voll Empörung auf:„So ohne Gericht mit einem Bürger verfahren... Ich ertrüge das nicht. Ich liefe davon oder würde mich erschießen!"„Wickiiel« Menschen und nicht die Schlimm- sten müßten sich dann in Rußland erschießen", antwortete darauf Schamarin. Es will fast scheinen, als habe dieses Gespräch nicht vor 40 Jahren stattgefunden, sondern erst gestern.... Amüsant ist eine andere Episode. Breschko Breschkowskaja pflegte ihre Leidens- genossinnen stets mit einem Phantasie-Amerftaner zu trösten, der eines Tages erscheinen und sie oll« mitnehmen würde. Nun erschien ein« Tages ganz unerwartet ein Bote und erklärte, der Ameri- kaner sei eingetroffen und wolle sie alle sprechen. Die zufällig ver- sammelten veubannten Frauen brachen in ein lautes Gelächter aus: „Das kennen wir schon, w»r lassen uns nicht nasführen. Katjas
wie ein Dementi des Ministerpräsidenten bereits verkündet,„den Charakter einer Erfindung an sich, die höchstens ein paar mißver- standen« Andeutungen, die Held in dem rein vertraulichen Kreise machen zu können glaubte, als reelle Grundlage haben können". Nach derselben Bolkszeitung hat Dr. Held im gleichen Kreise auch über die Eisenbahnfrage gesprochen, wie sie in Berlin in der Konferenz der Ministerpräsidenten verhandelt wurde. Da diese Ausführungen in dem Dementi nicht ausdrücklich erwähnt sind, muß man annehmen, daß sie tatsächlich so gemacht wurden. Da- nach hat Dr. Held seine Parteifreunde davon unterrichtet, daß bei den Verhandlungen mit dem Organisationskomitee Deutschland we- sentliche Crleichte'rungen erzielt hat. So habe Deutschland durchzusetzen vermocht, daß die Auffichtsratsmitglieder der Eisen- bahn-Aktiengesellschaft bis auf vier ausschließlich Deutsche sein werden, daß alle Differenzen durch ein neutrales Schieds- gericht verhandelt werden und daß der Generalkommissar teiner- lei Enteignung?- oder Verpfändungsrechte haben wird, wie es in dem Sachverständigengutachten vorgesehen war. Die Festsetzung der Tarife wird ausschließlich Deutschland überlassen werden.„Für den Fall, daß unsere Vorschläge über die Rückgab« der Eisenbahnen mit eigener Reparationsbelastung nicht anerkannt werden, habe ich in Berlin die Forderung der Wieder- Herstellung eigener bayerischer Eisenbahnhoheit be- reits jetzt angemeldet für die Zeit nach dem Ablauf dieser Aktienge- sellschaft. Wir sind entschlossen, unter keiner Bedingung von dieser Forderung abzugehen und wenn es jahrzehntelang dauern sollt« bis zu ihrer Verwirklichung". Es must gelogen werden. In einem Bericht des„Tag" über den Nürnberger Flie- gertag heißt es wörtlich: „Der noch amtierende rote Stadtrat und der lmksdemokra- tisch eingestellte Oberbürgermeister brachten es nicht fertig, Vertreter abzuordnen, die sich dem nationalen Geist der Feier untergeordnet hätten, sondern blieben vollständig fern. Man kann kaum annehmen� daß der Nürnberger Korrespondent des„Tag" den wahren Sachverhalt nicht gekannt hat. In Wirklich- keit erschien im Auftrag des Festausschusses eine Delegation beim Nürnberger Oberbürgermeister und erklärte ihm, daß die Deutsch - völkischen im Fall seiner Beteiligung an der Denkmolseinweihung ein« Rede von ihm, dem Nürnberger Oberbüvgermeifter und offiziellen Vertreter der Stadt zu verhindern suchen würden. Daraufhin hat der Nürnberger Oberbürgermeister im Einverständnis mit dem Stadtrat eine Beteiligung der Stadt an der Einwethungsfeier abgelehnt. Wenn aber wirklich der Nürnberger Korrespondent des völkischen„Tag" über diese Zusammenhänge nicht sollte unterrichtet gewesen sein, dann hätte die Redaktion des„Tag" aus den gestrigen Mantagmorgenblättern genau über dies« Dinge Bescheid wissen können. Das spielt aber offenbar bei den Berufsver- leumd ern keine Rolltz Es muh und soll eben unter allen Um- ständen durch systematische Hetze die Atmosphäre erzeugt werden, in der die völkische Saat gedeihen kann. Antifranzösische Demonstrationen. München , 14. Juli. (WTB.) Heut« nachmittag 5 Uhr kam es vor der französischen Gesandtschaft in München zu Demonstrationen, weil dort anläßlich des französischen N a ti o n a l f e st e s die Triko- lore aufgezogen war. Die Landespolizei und Schutzmannschaft z e r- streuten die Demonstranten und nahmen einige davon fest.
Die Mische öraut. Oder: Ein völkischer Hereinsall. Es war sicher ein großes Fest für Herrn Reinhold W ul l e, als er im„Deutschen Tageblatt" sich sittlich über einen Grafen Westarp entrüsten konnte, der sich mit einer Jüdin verlobt haben soll, die dazu noch den schrecklichen Namen Rosengarten trug. Voll sittlicher Entrüstung wurde an die Mitteilung über dieses Zeichen neuefter Sittenverderbnis im teutonisch-obotritifchen Junkcradel die Aufforde- rung geknüpft, Graf Westarp (der deutschnationale Führer) möge seinem„blutschänderischen Verwandten" die„nötige Aechtung" ver- schaffen. Eigentlich verstand man nicht recht, wieso sich bei einer ganz gewöhnlichen Verlobung schon Blutschande entwickeln konnte, aber man begriff dafür, daß der Nam« Westarp in diesem
Amerikaner ist endlich eingetroffen" Der Bote muß unoerrichtcter Sache abziehen. Es kostete große Mühe, die Frauen zu veranlassen, jemand hinzuschicken, damit er sich davon überzeuge, daß es sich dieses Mal um einen leibhaftigen Amerikaner handle... Kaum hatte Kennan seine Mission erfüllt, so eilte er nach Ame- rita, legte da seine erschütternden Eindrücke zuerst in Vorträgen seinen Landsleuten vor und ließ hinterher sein Buch„Sibirien " im Druck erscheinen. Die Schrift wurde in alle Kultursprachen über- setzt und wirkte wie eine platzende Bombe. Nun erfuhr endlich die Welt, wie es im Wirklichkeit im zaristischen Rußland aussieht, worum der Kampf geht und wer seine Träger sind. Kennan beschränkte sich jedoch nicht auf dies« Tat allein. Er gründete die„Bereinigung amerikanischer Freund« der russischen Freiheit". Die materielle und moralische Unterstützung, die diese Vereinigung den russischen Revo- lutionären in Freiheit und Verbannung angedeihen ließ, war nicht gering. Di« Februar-Revolution von 1917 hatte allen Verbannten und Eingekerkerten ohne Ausnahme die Freiheit wiedergegeben. Es war wie ein großes Fest. Die Oktober-Revolution von 1917 aber hat ein« große Anzahl alter Revolutionäre und Tausende neuer Kämpfer um die russische Freiheit, wieder in Kerker und Verbannung gebracht. Und diese neuen Qualen sind noch immer im Steigen be- griffen. Man könnte sich jedoch heute, im Gegensatz zur Zarenzeit, nicht denken, daß ein Kennan den Weg in diese Stätten des Mar- tyriums finden würde: Die Tfchcka ist zu gut auf ihrer Hut, sie versteht ihre Sache noch besser als die ehemalige zaristische Polizei. Wer aber ein Bild von den Schrecken der Verbannung erhalten will, lese Kennans Buch nach. Die Lektüre ist äußerst zeitgemäß. Leider!
Der üeutsche Gedanke in der Welt. Von Hans Wesemann . Ich habe es immer gesagt, daß es das aussichtsloseste Geschäft ist. als Dichter in Deutschland vorwärtszukommen. Der Bannkreis des„Romanischen Cafös" ist beschränkt, und wer sich von unseren jungen lebenden Titanen nicht out mit den Herren Bartels und Roethe steht, kommt nicht in die Literaturgeschichte und in den Bücherschrank des deutschen Bürgers. Ach, jeder Boxkämpfer und jeder General, der Schlachten verliert und Denkmäler einweiht, steht dem Herzen des deutschen Bildungspublikums näher als selbst der groß« Stern- heim. Und erst im Auslande? Tagelang irrte ich in den Straßen von Genf umher und suchte noch einem deutschen Buche— überall Fehl- anzeige. Wohl gab es englische Zeitschriften und Pariser Boulevard- bücher in Meng«, wohl entdeckte ich sogar persische und japanische Handbücher, extra für einen eventuellen Besuch dieser exotischen Gäste angefertigt, aber nix in allemand. Zwar tröstete mich ein wohlwollender Bürger damit, daß man „Die Weber" in patois(Dialekt) hier aufgeführt habe, und außerdem würde demnächst„Orpheus in der Unterwelt " steigen. Aber das war
Falle eine günstige Zielscheibe für deutschvölkische Blutsfanatiker ob- gab. Jetzt muß, wie der Graf Westarp in der„Kreuzzeitung " mit- teilt, das„Deutsche Tageblatt" eine Berichtigung bringen, wonach „die' Zuschrift in Abwesenheit des beurlaubten Schriftleiters erschienen sei und man sich überzeugt habe, daß die Familie Rosengarten rein ch r i st l i ch e n Ursprungs ist und sich niemals(!) mit jüdi- schem Blute vermischt habe". Wulle hat also diesmal einen bösen Reinfall erlitten. Trotzdem wird man wohl kaum hoffen können, daß Reinhold Wulle jemals das Lächerliche dieser Bluffchnllffelei. dieses Riechens nach jüdischen Bräuten und jüdischen— Groß- müttern begreifen wird.
Segnaüigung für Lebensmittelunruhen. Bei der Beratung des preußischen Justizetats hatte die Sozial- demokratische Landtagsfraktion einen Antrag eingebracht, der Am- nestie für solche Personen verlangte, die sich in der Zeit der Hoch- inflation an Lebensmittelunruhen und ähnlichen Aus- schreitungen beteiligt haben. Ausgenommen von der Amnestie sollten nur Gewohnheitsverbrecher sein, gewerbsmäßige Hehler, Personen. die wertvolle Gegenstände oder Mengen weit über den eigenen Bs- darf entwendet hatten und schließlich solche Anstifter, die, ohne selbst in Not zu sein, die Menge ausgehetzt hatten. Der sozialdemokratische Antrag kam leider nur in verwässerter Form zur Annahme, nämlich mit einer von den Demokraten beantragten Abänderung, wonach das Staatsministerium in weitherzigem Maße von seinem Be- gnadigungsrechte nach den vorstehenden Richtlinien Gebrauch machen sollte. Statt einer Generalamnestie wurden also nur Einzelbe- gnadigungen durchgesetzt. Das Preußische Justizministerium hat jetzt an die Gnaden- instanzen eine Anweisung ergehen lassen, wonach die Begnadigungen nach Maßgabe des Landtagsbeschlusses in weitherziger Weise erfolgen sollen. Wo die Voraussetzungen zur Begnadigung vorliegen, namentlich bei Verstößen gegen§ 6 der Verordnung über Sicherstellung des Warenumlaufs vom 22. Oktober 1923, soll be- dingungsloser Erlaß der Strafe oder bedingte Aussetzung der Strafvollstreckung ohne Auferlegung einer Geldbuße, nur in schwereren Fällen Strafaussetzung gegen Zahlung einer Geldbuße oder Umwandlung in eine leichtere Strafe oder Ermäßigung der Strafe erwogen werden. Wo bereits früher ein Gnadenerweis erfolgt war, soll nach- geprüft werden, ob mit Rücksicht auf die Landtagsenffchliehung ein noch weitergehender Gnadenerweis zu beantragen ist.
Drakonische Strafen. Gegen Kommunisten. Leipzig , 14. Juli. (WTB.) Der S. Strafsenat des Reichsgerichts verurteilte heut« den 61jährigen Brunnenbauer WUhelm Schönberg aus Osnabrück wegen Vergehens gegen das Sprengstoffgesetz und wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Vergehens zu 6 Jahren Zuchthaus, 10 Jahren Ehrverlust und Stellung unter Polizeiaufsichl. Der Angeklagte ist bereits erheblich vorbestraft und hat im Herbst 1923 auf Veranlassung der KPD. in seiner Wohnung in Osnabrück Bomben mit einer Sprengstoffwirkung von 30 Meter Umkreis an- gefertigt. Bei der Haussuchung wurden große Mengen Spreng- material und auch ein« Anzahl fertiger Bomben gefunden. Der Angeklagte war geständig._
Das Golöbankgefetz. Das Organisationskomitee für die Goldnotenbank hat die Ver- l i n e r Berätungen über die in dem Komitee bearbeiteten Gesetz- und Statutenentwürfe am 10. Juli abgeschlossen. Das aus dem Reichsbantpräsidenten Dr. Schacht und dem englischen Bankier Sir Robert Kindersley bestehende Konzitee hat die Entwürfe der Reparationskommission in Paris mit einem Begleit- schreiben am 12. Juli in Paris übergeben. Die beiden Mitglieder des Komitees befinden sich zurzeit in Paris , um der Reparat'ons- kommission etwa notwendige Aufklärungen zu geben. Erst nach Ge- nehmigung und Rückgabe durch die Reparationskommision können die Entwürfe dem Reichsrat und Reichstag zugehen.
doch nur für den Lesepöbel, wo blieb das deutsche Buch, das Zeug- nis ablegte für unsere Geistigkeit und unseren Kulturwillen. Ich begann mir darüber klar zu werden, daß hier irgendwie und wann durchgegriffen werden müsse. Da. auf dem Bahnhofe, an einem Zeitungsstande, geschah un- erwartet das Wunder. Httrlich leuchtend, innig und gemütvoll, in gut bürgerlicher Aufmachung lagen sie da, alle die Schätze, die das deutsche Gemüt in sich birgt, zu 2,50 M. das Stück:„Rote Rosen". „Der schlimme Hasso", und wie sie all« heißen. Und ein beigefügter Zettel verkündete der noch nicht unterrichteten Welt:„I-cs poernes du plus grand poetc allemand Hedwig Courths-Mahlcr". Ich habe der großen— der größten— deutschen Dichterin vieles in diesem Augenblick abgebeten. Da kommen alle dies« intellektuellen Scherenschleifer und wetzen ihren stumpfen Witz an der göttlichen Dichterin— aber wer kennt diese Kritiker in Deutschland , wer kennt sie im Auslande? Niemand! Nur Hedwig ist da und repräsentiert und wird gekaust, wie mir der Verkäufer ausdrücklich sagte. Es bleibt unerfindlich und jedenfalls für die«eutschen Belange abträglich, daß man nicht zur Propagierung der teutschen Ideale die groß.:.Hedwig als Propagandachef einstellt. Wer liest heute Noten und diplomatisch« Floskeln, wer kann ohne Lebensgefahr die Ver- lautbarungen von Ludendorff und Hergt entgegennehmen— niemand! Aber man lasse Hedwig einmal die Sache machen—„Dolch- stoß" und„Juden raus!",„Wilhelm soll wiederkommen" und„Die Proleten müssen mehr arbeiten!"— unter Garantie, die macht das so sein und unauffällig, so mit dem Gefühl— in zehn Jahren ist die ganze zivilisierte Welt eine Gemeinde Hitlers und Westarps. Dann hat der deutsche Gedanke in der Welt Hedwigs gesiegt, und es kann losgehen...
Tin neues Nalurschußgejeß. Di« preußischen Ministerien des Kultus und der Landwirtschaft bereiten, wie in„Niedersachsen " mit- geteilt wird, ein neu« Naturschutzgesetz vor, das die Interessen der Volkswirtschaft an der Ausnutzung der Oedlandschaften und der Forsten mit den Forderungen der Naturdenkmalpflege vereinigen soll. Ein Zeichen für die erhöhte Bedeutung, die man dem Schutz der Natur zuwendet, sind nie neuen Naturschutzgebiete. für die in der letzten Zeit Verordnungen erlassen worden sind. Dazu gehört der 3 Hektar umfassend« Ostteil des Schloßparks Groß- Lichter felde. der letzt« Rest des asten Bäketals, das durch die Anlag« des Teltowtanals vernichtet wurde. Der Lichterfelder Schloß- park zeigt noch heut« das Bild des typischen Auewaldes, der einst das Bäketal begleitete und von verschiedenen Dichtern der Mark in seiner früheren urwüchsigen Pracht beschrieben worden ist. Von den großen Landschaften, die jetzt in weiterem Umfang gesetzlich geschützt sind, steht das Siebengebirge oben an. ein Gebiet von rund 40 Quadratkilometern, dessen Waldungen als Forschungsgebiet, Land- ichaftsbild und Ausflugsziel gleich ausgezeichnet sind. Dann die Lüneburger Heid«, das Bild einer typischen Heidelandschoft- endlich dos Neandertal im Regierungsbezirk Düsseldorf , als Fundstätte des ersten diluvialen Menschenschüdels weltberühmt mit seinen herrlichen Buchenwäldern. Zum Schutz des schwer bedrohten Vogellebens pn unseren Meerküsten wurden die kleine Insel Gänse- werder an der Ostseite von Hiddense« und die Nordspitze sowie das Morsumkliff auf Sylt unter sichernde Verordnungen gestellt.