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Die ungarische Emigration. Teilweise Rückkehr der Emigraute«. Von Alexander Szonto. Die ungarische Gegenrevolution wird in diesen Tagen auf das fünfjährige Bestehen ihrer Herrschaft zurückblicken. Allzuwenig ist erreicht worden von dem, was sie bei Beginn desChristlichnationalen" Kurses oersprach. Am größten ist wohl die Enttäuschung im Lager jenerErwachenden Un» garn".Rasstnschützler" und anderer Rechtsradikaler, die den deutschen  Völkischen  " so ähnlich sehen wie ein Ei dem andern. Das viele Blut, das an den Fingern dieser Leute klebt, hat ihnen wenig Segen gebracht. Nicht dieVolksgemeinschaft aller rassenreinen Magyaren ohne Unterschied der Klasse", nicht der vomjüdischen Mammonismus gereinigte" völkische Staat ist erstanden, sondern ein konservatives Klassenregiment des Magnatentums, das gemeinsam mit christlichen Großbourgeois und jüdischen Finanzkönigen den breiten Massen der Arbeiterschaft, des Bauerntums und des Mittel- standes das Fell über die Ohren zieht. Die Rechtsradikalen aber, die Leute um Hsjjas, Pronay und Gömbös, die einst glaubten, die spät genug merkten, daß sie nur die Kettenhunde der in Wirklichkeit herrschenden Klassen waren sie sind längst zur Oppositionspartei geworden und laufen kläffend und geifernd neben dem Wagen der Weltgeschichte einher, von dem aus die Peitschenschläge heute auch schon auf ihre Rücken herniedersausen. Ebensowenig sehen die L e g i t i m i st e n chren Traum einer habsburgischen Restauratton erfüllt: die zerschellte an der Uneinigkeit der ungarischen Monarchisten und an dem Widerstand der Kleinen Entente  . Und das allen Re- aktionären gemeinsame Ziel, die Vernichtung der marxistischen   Arbeiterbewegung, ist auch nicht erreicht worden. Die Sozialdemotrattsche Partei Ungarns  , die sich mit Stolz zum Marxismus   bekennt und die der So- zialistischen Arbeiterinternationale angehört, ist heute trotz schwerster Opfer und trotz einer jahrelangen Unterdrückung, wie sie schärfer kaum gedacht werden kann und heftiger wohl auch im faschistischen Italien   nie ausgeübt wurde, fast e b e n f o stark wie im alten dreimal größeren Ungarn   der Vor- kriegszeit. Die ungarischen Gewerkschaften zählen, trotzdem die industriellen Gebiete des Landes zum großen Teile verlorengegangen sind, wieder annähernd eine Viertelmillion Mitglieder. Im Parlament, dem früher kein einziger Arbeitervertreter angehörte, sitzen jetzt 2 5 Sozialdemokraten. In die Gemeindevertretungen, die vordem ausschließlich Domänen des Großgrundbesitzer- tums waren, hat sich die Sozialdemokratie rielfach den Ein­tritt erkämpft. Reges Leben herrscht in den Parteiorgani- sattonen: die Arbeiterschaft ist trotz aller Drohungen und Ver- lockungen der Fahne des Marxismus treu geblie- den. Die Kräfte der Arbeiterbewegung haben sich stärker erwiesen als die noch so blutige Verfolgung durch staatliche und außerstaatliche Machtmittel. Die Kraftentfaltung des ungarischen Proletariats ist um so bemerkenswerter, als es gerade in den letzten fünf kritischen Iahren auf die Leitung durch die alten bewährten Führer verzichten mußte. Der weiße Terror richtete sich in erster Linie gegen die Avantgarde der Sozialdemokratischen Partei. Die gesamte Fuhrerschaft und fast alle Mitglieder, die nur irgendwie wahrend der unseligen Rätediktatur polittsch her­vorgetreten waren, wurden eingekerkert oder gezwungen, außer Landes zu flüchten. Nur unter größten Schwierigkeiten konnte der organisatorische Wiederaufbau der Partei vor sich gehen. Zehntausende von opferwilligen und besähigten So» zialisten waren mittlerweile genötigt, im Ausland, in der Emigration, unter Entbehrungen und Verfolgungen zu leben. Sie blieben auch dort nicht untätig. Ein reges qeisti- ges Leben entwickelte sich in den Hauptzentren der ungarischen Emigration, besonders in Wien  . Zwei Tageszeitungen und eine ganze Reihe von periodischen Schriften vermittelten dem Ausland die Kenntnis von dem wahren Charakter des Horchy-Regimes, verarbeiteten die Ergebnisse und Lehren der reooluttonären Umwälzungen und unterstützten so indirekt den heroischen Kampf der in Ungarn   verbliebenen Sozialdemo- kraten. In diesem Zusammenhang muß mit größter Aner- kennung auch des b ü r g e r l i ch e n Teils der Emigration ge- dacht werden. Die ganzen Verhältnisse aber brachten es mit sich, daß zwischen der neuen Budapester   Parteileitung der ungarischen Sozialdemokratie und den sozialistischen   Emi- grantenführern allmählich eine sehr bedauerliche E n t f r e m- d u n g eintrat. Es fehlte nicht an gegenseitigen Vorwürfen, deren Ursprung wohl darin lag, daß die Partei ein gewisses Maß an Opportunismus aufbringen mußte, um legal arbeiten zu können, während andererseits die psychologisch leicht be- greifliche Erbitterung der Emigranten ihren Ausdruck in dem Ruf nach radikaler Taktik fand. Die ausländischen Bruder- Parteien trugen diesem Zustande Rechnung, indem bei inter  - nattonalen Konferenzen meist sowohl Vertreter der ungarischen Sozialdemokrattschen Partei wie auch solche der sozialistischen  Emigration Sitz und Stimme erhielten. Die Budapester   Partelleitung versäumte natürlich nicht,
gab von der ungarischen Regierung die Anmestie für die Emigranten zu fordern. Diesem Bestreben ist bisher ein voller Erfolg versagt geblieben: immerhin ist es aber gelungen, wenigstens einem Teil der Landesflüchtigen die Rückkehr zu ermöglichen und damit den ersten Schritt auf dem Wege zur Liquidierung der Emigration zu machen. Auf Grund einer Amnestieverordnung des Kabinetts Bethlen sind nämlich die Steckbriefe gegen alle diejenigen Personen zurückgezogen wor» den, deren polittsche Vergehen das ungarische Gesetzbuch mit Freiheitsstrafen bis zu fünf Iahren bedroht. In diese Kate- gorie fällt das Gros der Parteimitglieder, denen die weiße Justiz nichts anderes vorwerfen kann, als daß sie in den Sowjettnstitutionen oder in der Roten Armee untere Funktio- närposten eingenommen haben. Auf Grund einer besonderen Intervention der Parteileitung konnten aber auch zwei der ehemaligen Volksbeauftrogten. die Genossen Deltner und Kondor, frei in die Heimat zurückkehren freilich ist gegen Weltner nach seiner Rückkehr trotz aller Versprechungen doch A n klage erhoben worden! Ausgeschlossen von der Amnestie bleiben neben den Kommunisten olle bekannteren Führer: von den gemäßigten G a r a m i e und B u ch i n g e r
Der /lbbau der Republik.
,wleviel Republikaner   haben wie hier! X ,Aehn, Herr Geheimrat! ,/ilso zehn überzählige Seamte."
angefangen, die zu den schärfften Gegnern der Rätediktatur gehörten, bis zu den ehemaligen Volksbeauftragten K u n f i und Böhm: ausgeschlossen bleiben ferner alle I o u r n a- l i st e n, die im Auslande horthyfeindliche Propaganda ge- trieben haben: ausgeschlossen bleiben schließlich auch die meisten Minister der K ä r o l y i- Aera, nämlich Graf MichaelK&rolyi selksst, der gegenwärtig in London   lebt, B6la Linder, der verdienstvolle Leiter des Baranya-Auf- standes, sowie die Bürgerlich-Radikalen I ü s z i und S z e n d e. Die ungarische Emigration als Massenerscheinung dürfte jedenfalls ihr E n d e erreicht haben., Die Wiener Emigranten- Zeitungen haben im Laufe der letzten Monate bis auf die WochenschriftAz Ember" ihr Erscheinen eingestellt. Man darf der Hoffnung Ausdruck geben, daß in absehbarer Zeit auch die bisher noch nicht Amnestierten der Heimat und damit dem polittschen Leben wiedergegeben werden. Man muß ferner die Hoffnung ausdrücken, daß die ungarische Regierung den ernsthaften Willen und die nötige Energie aufbringt, die heimkehrenden Emigranten vor den unverhüllt geäußerten Mordplänen der Rechtsradikalen wirksam zu schützen. Der völlige Abbau der ungarischen Emigration, der über kurz oder lang kommen muß, wird die jetzt noch mangelnde Einig- keit in der ungarischen Arbeiterbewegung wiederherstellen und damit auch die Liquidation des gegenrevoluttonären Systems einleiten, das arm an Erfolgen und bar jeden Ideals heute am Grabe seiner Hoffnungen das fünfjährige Jubiläum seines Bestehens nur verzeichnen, aber nicht feiern kann.
Kommunistenkrach im Landtag. Ausschluß von Rost Wolffsteiu. vor Eintritt in di« Tagesordnung verlangt Abg. Dr. Meyer- Ostpreußen(Komm) unter großer Unruh« des Hauses die sofortige Beratung eines kommunistischen   Antrage», der gegen die Durch- suchung der kommunistischen   Fraktionszimmer und gegen die Beschlagnahm« von Prioatakien der kommunistischen  Abgeordneten protestiert und dem Landtagspräsidenten das Miß- trauen ausspricht. Unter großem Lärm scheitert die Beratung an dem Widerspruch aus dem Hause. Abg. Liebknecht(U. Soz.) erklärt, die von Leinert ermächtigt« Povzei hob« nicht nur die Zimmer der Kommunisten, sondern auch das Zimmer der unabhängigen Abgeordneten Ztusch und Lieb­knecht erbrochen. Die Kommunisten rusen:»Also hat Leinert die Unwahrheit gesagt!" Präsident Leinert erklärt, wenn weitere Anwürfe gegen ihn laut würden, werde er von der Geschäfts ordmrng rücksichtslos Gebrauch machen.(Lärm bei den Kommunisten.) Abg. Schmidt-Hannover(Komm.) verlangt hierauf die sofortig« Beratung eines kommunistischen   Antrages, der anläßlich der Affäre des hannoverschen Massenmörder« Haarmann di« Entlassung der verantwortlichen Polizeibeamten, des Polizeipräsidenten und des Oberpräsidenten R o s k e fordert. Auch diesem Antrag wird wider. sprachen. Abg. Frau wolfstein(Komm.) mmmt dann unter Lärm und Gelächter der Rechten zur Geschästrordnung dos Wort. Sie beginnt: »Gegen die Sauzuftänd«... Präsident Leinert- Sie haben van Sauzuftöndan g-fpeachen. Worauf soll sich das beziehen? Abg. Frau wolssieia(Komm.): Ich ved« hier als Abgeordnete und brauch« nicht wie ein« Untersuchungsgefangen« auf Ihr« Fragen zu antworten. Leseft Sie doch das Stenogramm nach!(Laute Zu- stimmung der Kommunisten.) Präsident Leiner«: Sie haben di« Pflicht, zu antworten.(Lauter Widerspruch und Gelächter der Kommunisten.) Abg. Frau wolsstei«(Komm.) erhält einen Ordnungsruf und begründet dann, wiederholt vom Präsidenten unterbrochen, einen Antrag auf Untersuchung der in einem Prch�ß festgestellten Zustände bei der Düsseldorfer   Polizei. Präsident Leinert: Ich weiß nicht, welchen Antrag Sie meinen. Sie haben ihn weder verlesen, noch die Nummer genannt. Abg Frau Wöllstein(Komm.): Sic hoben ihn ja im Aelte- stenrot gehört. Stellen Sie sich doch nicht dümmer als Sie sind. Präsident Leinert: Wegen dieser Beleidigung des Präsidenten schließe ich Sie von der Sitzung aus!(Lärm bei den Kommunisten.)
Die Abg. Frau W o l f st e i n bleibt trotz der wiederholten Auf- forderung de» Präsidenten im Saale. Präsident Leinert unter- bricht darauf gegen 4 Uhr die Sitzung. » Zu der pause läßt sich Frau Wöllstein   von ihren Zratlloo». genossen zum verlassen des Sitzungssaales bewegen. e- Um%5 Uhr wird die Sitzung wieder eröffnet. Die Ab- geordnete Frau Wolf st« in ist nicht im Saale anwesend. Auf die Frag« des Präsidenten L« i n« r t wird gegen di« sofortige Beratung des kommunistischen   Antrages über die Düsseldorfer   Polizei s Widerspruch erhoben. Abg. Dr. Meyer-Ostpreußen  (Komm.) erklärt, da Präsident Lei» nert offensichtlich die Absicht habe, die kommunistischen   Abgeordneten zu provozieren und so aus der Sitzung zu entfernen, hohe die kom» mumstische Fraktion beschlossen, daß Frau Wolfstein   dieser Sitzung nicht länger beiwohnt.(Zuruf rechts: Vorsicht ist die Mutter des Porzellonhandelsl) Sie sollten nicht von Porzellan sprechen. Jeder weiß doch, daß Mitglieder dieses Hauses und Mit» glieder des Kabinetts an bösen Porzellanschiebunqen beteiligt sind. (Sehr gut! bei den Kommunisten.) Di« kommunistische Fraktion habe gegen die ganz unberechtigte Ausschließimg der Abg. Frau Wolsstein beim Aeltestenausschuß Einspruch erhoben. Von dessen Beschluß werde es abhängen, ob dl« kommunistische Fraktion Frau Wolfstein  weiter an den Sitzungen teilnehmen läßt Darüber entscheide di« kommunistische Frattion, nicht Präsident Leinen mit seiner partei- ischen Geschäftsführung, der den an kommunistischen   Abgeordnete» durch die Polizei begangenen Diebstahl gedeckt habe. Präsident Leinert ruft den Abg� Dr. Meyer zur Ordnung und teilt mit, daß Frau Wolsstein, weil sie der Aufforderung zum Verlassen des Saales nicht gefolgt ist, für acht Sitzungstag« ausgeschlossen fei. Hierauf wird die zweit« Beratung de? Sergetats fortgesetzt. Abg. Harlmann(Dem.) schildert die schwere Schädigung der Ar- beiter, Angestellten und Beamten durch die Geldentwertung. Ein« neue Inflation müsse unier allen Umständen oermieden werden. Zur Gefundung der Wirtschost sei es nötig, das Sachvsrständigengumchton recht bald in di« Tat umzusetzen. Freilich müßte Deutschland   auch cm den Verhandlungstisch kommen, und die Voraussetzungen für seine Leistungen müßten erfüllt werden. Der Redner wendet sich dann gegen die «irtschaslsschädigeuden Aussperrungen schwerinbusirielle Arbellgeberverbänd«. » So habe der Riederschlesisch« Berg- und Hüttemierband unter Ab» lehnung des Schiedsspruches wegen einer Stundenlohndifferenz von 2 bis Z Pfennigen Tausend« von Arbeitern ausgesperrt. Die Denk- schrift des Wohlfahrtsministevimns zeige die furchtbare Notlag« der Arbeitnehnierschast und widerlege die Legende, daß die Arbeiter heut« Häher« Lebensbedürfnisse hätten als früher. Abg. Schönbeck(Komm) begründet unter Angriffen gegen die Regierung und die Sozialdemokraten kommunistische Anträge, die die Sechs st undenschicht im Bergbau und die S o z i a l i si e- rung der Bergwerke verlangen. Der sozialdemokratische Minister Siering habe sich als Leiter der staatlichen Bergwerke bei der Aussperrung im Ruhrbergbau nicht weniger arbeiterfeindlich gezeigt al« die privaten Zechenbaron«. lim �7 Uhr wird die Wellerberattmg auf Dienstag, 12 Uhr. vertagt. * Der Aeltestenrat des Preußischen Landtages   legte am Montag den Beratungsplan für die laufende Woche fest. Am Dienstag soll als erster Punkt der Ausschußbericht beraten werden über den kommunistischen   Antrag auf Herausgabe des im Landtage be! der kommunifttschen Fraktion beschlagnahmten Materials. Von wichttgen Entwürfen sollen außerdem beraten werden die Borlag« über die einstweilig« Regelung der Kosten für die Lerwaltungsbehör- den der evangelischen Landeskirchen, ferner die Steuernotverordnungen sowie die Notverordnungen über die Fürforgepflicht. Außerdem soll eine Reihe kleinerer Haushalte sowie kleinerer Vorlagen zur Erledigung kommem Der Landtag wird sich dann wie schon früher beschlossen war, am Frei- tag, den 18. Juli, bis zum 23. September vertogen. Am I. September soll der Hauptausschuß seine Beratungen bereit» wieder aufnehmen, um zunächst den Domänen« tot oorzuberaten.