Der Kampf geht nur noch um die Frage, in welchen? ,£ e m p o und unter welchen Rechtsformen diese Liquidation erfolgen soll. Die innerpolitischen Gefahren, die cherriot vor seiner Ak> reise nur mit Mühe überwunden hat und die ihm erst recht nach seiner Rückkehr drohen, veranlassen ihn, einen in- tranfigenten Standpunkt einzunehmen, der wohl nicht ein- mal seiner eigenen inneren Ueberzeugung entspricht. Jeden- falls wird die Rolle der zähen Unnachgiebigkeit von seinem hauptsächlichen Mitarbeiter Peretti della Rocca ge- spielt, den er aus der Aera Poincar6 geerbt hat und der durch fein Auftreten für die„Kontinuität" der französischen auswärtigen Politik in einer Weife sorgt, die den Anschauun- gen der Mehrheit der französischen Wähler kaum entsprechen dürfte. Besonders in der ersten Kommission wird dieser Kampf mit großer Zähigkeit geführt. Es ist wohl kein Zufall, daß die Engländer den sozialistischen Schatzsekretär S n o w d e n dem Repräsentanten der französischen diplomatischen Bureaukratie als Gegenspieler gegeben haben. Jeder dieser zwei Männer hat eine Formel ausgearbeitet, in der die Rolle des amerikani- schen Vertreters in der Reparationskommission sowie das Verfahren bei der Feststellung einer Verfehlung festgelegt wer- den sollen. Peretti möchte die Sanktionsmöglichkeiten für die Zukunft so weit wie möglich offen lassen, Snowden so weit wie möglich einschränken: Peretti möchte die Rolle des ameri- kanifchen Delegierten jeder Vormachtsstellung entkleiden, Snowden dagegen will ihm, als dem Treuhänder der Geld- gebermteresfen, ein Vetorecht gegen Sanktionen sichern. Nach den letzten Meldungen� soll nun eine Einigung zwischen cherriot und Macdonald über diesen wichtigen Punkt dank der Vermittlungstätigke� des Botschafters Kellog erzielt worden fein. Wenn dies zutrifft, dann dürfte wohl damit eine der schwierigsten Klippen der Konferenz passiert sein, vielleicht sogar die schwierigste überhaupt. Die endgültige Formel, deren Wortlaut noch nicht be- kannt ist, wird eine erläuternde Ergänzung zu jener Anlage des VIII. Teils des Versoiller Vertrages (•§§ 17 und 18) bilden, die bei der Ruhrbesetzung eine so wichtige Rolle spielte. Diese Ergänzung allein wäre schop Grund genug, Deutschland zu der Londoner Konferenz ein- z u l a d e n. Je mehr man sich übrigens der Einigung unter den Alliierten nähert, desto mehr verdichten sich die Mel- düngen, die eine solche Einladung als sicher und sogar u n- mittelbar bevorstehend bezeichnen. Aber auch sonst ist die Aufforderung an Deutschland , nach London zu kommen, schon deshalb höchst wahrscheinlich, weil die ameri- konischen Geldgeber durch den Mund Poungs ausdrücklich ge- fordert haben, daß nur eine freiwillige Vereinbarung zwischen den Alliierten und Deutschland erfolge. Und Amerika diktiert.... Kuf öem Wege zur Einigung. London , IS. IuN. sEigener Drahtbericht.) Am Freitag früh 8 Uhr hat M a c d o n a l d im Auswärtigen Amt die Chefs der Haupt- delegationen, herriot. Theunis. de Stefani und S e l l o g g. zu einer Besprechung über den Stand der honferenz emp- fangen. Die Besprechung hat über eine Stunde gedauert. Sie galt in erster Linie der Regelung der Berschiedenartigkeit der Auffassung über das Tempo der Wiederherstellung der wirtschaftlichen und fiskalischen Einheit Deutschlands . Es scheint gelungen zu sein, den britischen und französischen Standpunkt in dieser Frage zu vereinen. Der Amerikaner Kellogg hat vermittelt. Auf alle Fälle Priorität der Anleihezeichner! ZZaris, 18. Juli. (WTB.) Zu dem. in der ersten Kommisston der Londoner Konferenz eingebrachten Kompromißvorschlag des amerikanischen Delegierten in Sanktionsfragen meldet der Sonderberichterstatter der Agentur h a v a s aus London : Wenn man französischerzeits auch mit Recht verweigern wolle, daß durch
/Ute Wege. Eine Wanderung durch Thüringen von Armin I. wegner. Wann war es, daß Ich durch diese Gasten schon einmal ging? Auch wer nie zuvor in das Tor dieser Städte trat, glaubt an ein Wiedersehen. Wir haben drei Menschenalter in diesen Erinnerun- gen gelebt. Das Gefühl des heimkehrenden wird wach... vielleicht, daß es schon so lang« her ist, daß wir manches vergessen haben. Ich lief durch die Straßen von Weimar . Di« enge und stau- big« holztreppe in Schiller» Wohnhaus knarrte. Das Sterbebett stand noch innner im Winkel. Alles klein, rührend ärmlich, es ist oft gesagt worden: aber vielleicht kann man aus dieser Enge heraus erst jene Seele begreifen, die so gern« bei großen und reichen Wor- ten zu Hause war. Im Goethe Haus drängte sich eine Schar kleiner Mädchen um Schattenrisse und Bilder: die suchenden Augen ergrau- ter Schulmeister irrten ängsttich durch olle Räume. Ein Labyrinth von Zimmern und Gängen. (Du kannst dich verlaufen darin, wie in Goethes Werten.) In der Bibliothek im alten französtschen Schlosse war es ganz einsam. In das Gewirr der Marmorbüsten, in die in Stein gehauenen geschwätzigen Lippen der Hofdamen kam toten» Haftes Leben. Das von weißem Haar umrahmte Gesicht des War- ters schien im Zwielicht auch zu einer Büste zu werden. Die Rocht sank. » In Jena war Wochenmortt. Di« Studenten kneipten noch: aber neumodische Häuser m grellen weißen Kleidern und mit dirnen- haftem Putz hatten sich zwischen die ehrbaren Bürgerstöchter ge- drängt, die verschämt in ihrem Schatten standen. Di« kleinen klapp- rigen Wagen der Landbewohner drängten di« Straßen hinauf. Zer- tretene Kohlblätter und Mohrrüben bedeckten das Pflaster. Da- zwischen die Straßenbahn, die dem Ganzen«inen großstädtischen Ton zu verleihen suchte. Ueber allem aber ragt« die bronzene Ge» statt des Kurfürsten, der erhoben über der Meng« stand, wie empört über die Marktbuden, die sich dreist an seinen Sockel lehnten, und der in einem fort die auf seiner geöffneten Bibel eingeschriebenen Worte in den hellen Himmel hinauszurufen schien:„Meine hilf« kommt von dem Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat". » „Ssilas Intrantibus*, die in den Felsen gehauene Aufschrift. schrie mir m so großen goldenen Buchstaben entgegen, daß ich«inen Augenblick fast erschreckt innehielt. Das Tal der Schwarza öffnete sich. Gegen Abend erstieg ich den Trippstein. Roch jetzt, wenn ich die Augen schließe, sehe ich nichts als ragende Tannenwipfel. Die blauschattigen Berge, das hochwandige Schloß, selbst der Himmel, alles schien durch ihren Widerschein wie in einen grünen Duft ge- hüllt. * Vom Faltenstein, einem zerklüfteten Felsblock, dessen Vor- spränge über und über mit Pechnelken bedeckt sind, geht«ine alt«
Ablehnung gewisser Bestimmungen des Friedensoertrages ein Präzedenzfall wichtiger Art geschaffen werde, so begreife man doch V o l l r o m m n, daß es, um den Erfolg der im Sachver. ftändigenberichl vorgesehenen Anleihe zu sichern, unerläßlich sei, dm Gläubigern Garantien zu bieten, die allerdings nicht politischer, sondern finanzieller Art sein müßten. Zu diesem Zweck sei von der belgischen Delegation mit Unterstützung der amerikanischen Sachver st ändigen heute vor- mittag der ersten Kommission vorgeschlagen worden, den Zeichnern und Gläubigem der 800-Milllonm-Anleihe obsslule Priorität zuzu- sprechen.
Sürgerblock im yanüumürehen. Deutschnationale zu London . Der„Berliner Lokal-Anzeiger" setzt seine Propaganda für die schleunige Bildung einer Bürgerblockregierung fort. Gegenüber der Warnung der„Natlb. Korrespondenz" vor einer Regierungskrise erklärt das Sprachrohr der Deutsch- nattonalen frohgemut: hat man denn den Blick für das politisch Mögliche wirklich in dem Maße verloren, daß man sich ein« Regierungsumbil- d u n g auf einem anderen als dem scheußlichen Wege der üblichen Krisenmacherei überhaupt nicht mehr vorstellen kann? Wir gestehen, daß wir etwas sehr anderes im Aug« gehabt haben: da ß f i ch n S m- lich ein paar vernünftige Männer zusammen- setzen, sich aussprechen und über das Notwendige klar werden, das dann im Handumdrehen verwirklicht werden kann. Daß eine so herbeigeführte Regierungserweiterunq unserer Außenpolitik nicht nur nicht abträglich, sondern sehr zuträglich sein würde, sollte auch die„Nationalliberal« Korrespondenz" begreifen, der gegenüber wir uns nur noch gegen die Unterstellung verwahren müssen, a l s ob wir Herrn Marx hätten„abschieben" wollen. Wir haben weiter nichts getan, als an den Sinn einer deutfchnatio- nalen Fraktionsentschließung zu erinnem, und haben gar keine eigen« Meinung über diesen Punkt ausgedrückt, hätten wir das tun wollen, dann hätten wtr zu sagen gehabt daß es uns von sehr untergeordneter Bedeutung erscheint, ob Herr Marx im Kabinett und auf dem Reichskanzlerposten bleibt oder nicht. Die Deutschnationalen, soweit sie sich durch den„Lokal- Anzeiger" vernehmlich machen, sind also geneigt, ihre endliche Ankunft an der vielberedeten„Futterkrippe" als die einzige Frage von übergeordneter Bedeutung zu betrachten. Die „paar vernünftigen Männer", die„im Handumdrehen"— oder soll es heißen: halsumdrehen?— den Bürgerblock fertig machen wollen, werden sich bald finden, sie sind sogar schon da. Nur die parlamentarische Mehrheit fehlt, solange das Zentrum und Demokraten nicht mitmachen. Wie sehr die Deutschnationalen bestrebt sind, mit der bürgerlichen Mitte in eine Front einzurücken, zeigt auch fol- gende höchst„staatsmännisch" gefaßte Mitteilung, die der TU. zugeht: Di« deutschnational« Reichstagsfrakttvn hat am Donnerstag nachmittag und am Freitag vormittag eingehend die Lage be- sprachen, die sich aus den Londoner Verhandlungen er- gibt. Mit ernster Sorg« steht di« Fraktion dem Ergebnis der Lon- doner Konferenz entgegen, zu der die deutsch « Regierung noch nicht «inmak eingeladen ist. Wiederum steht also Deutschland vor einem Diktat der alliierten Mächte, dem«« sich fügen soll, ohne an den Einzelheiten der zu treffenden Abmachungen«ntschei- dend mitzuwirken. Dabei scheint es, abgesehen von vielen anderen untragbaren Zumutungen, dahin kommen zu sollen, daß Deutschland ungeheuerliche Lasten und Beschränkungen seiner Selbständigkeit auf sich nehmen soll, ohne daß es Sicherheit für die Befrei» ungvonRheinundRuhr und dafür erhalten soll, daß wettere sogenannte Sanktionen in Zukunft ausgeschlossen find. Die militärische Räumung der widerrechtlich besetzten Gebiet« ist bisher nicht einmal auf die Tagesordnung gesetzt. Auch die Wiederher- stellung der wirtschaftlichen, finanziellen und Ber - waltungshoheit in dem ganzen besetzten Gebiete scheint in
Sage. Auf dem Felsen stand«inst eine Burg. Die Gefangenen, die sich nicht lostaufen tonnten, stürzte der Ritter üb«? die Klippen in den Abgrund. Das herabspritzende Blut floß di« Steine entlang, und davon leuchten noch heute di« Nelken so rot. Ich pflückte mir eine, um sie ins Knopfloch zu stecken. Wie«in greller Blutfleck leuchtet« sie auf meinem dunklen Mantel. Hinter Oberhof erstreckte sich der Wald fünf Stunden weit ohne ein« menschliche Siedelung. Ich lief einen Holzpfad, um den Weg abzukürzen, und verlor die Richtung. Tannen, nichts als Tannen. Immer der gleiche, von einer tiefen Wagenspur durch- zogen« Weg der Holzfäller. Ich hatte das nicht für möglich gehalten: man kann sich noch verirren in Thüringen , mitten im Herzen Deutsch - lands. Als die Dämmerung heranbrach, kam ich an einen Kohlen- meiler. Ein Regiment von Hölzern hielt Wache davor. Der Köhler hatte seine Hütte in der Nähe und da ich wenig Lust empfand, zwei Stunden weit noch in das nächste Dorf zu laufen, blieb ich bei ihm. Die Hütte war aus Baumstämmen«rrickstet, die an der Spitze zu einem Zelte zusammengestellt waren. Große Stücke Baumrinde, Erde und Stein bildeten die Wand. An der Seite«in kleiner Schrank, in dem Kochgeschirr, Tiegel, Stiefel, Lappen und Brot durchein- anderlagen. In der Mitte aus Ziegelsteinen die Feuerstelle. Dos Ganze war von einem beißenden Geruch nach Qualm und Rauch erfüllt. Ich lag die Nacht auf einer schiefen Bettstell«, fast auf den Brettern. Durch di« Lücken am Dache sah ich die Sterne schwanken. «- Ruhla . Holzmühlen. Fabriken. Kinder und Frauen standen vor den Türen, in seltsamen weiten Mänteln, die sie wie ein buntes Bettuch um das Kind auf dem Arm und die eigen« Schutter ge» schlagen hatten. Der Barbier ftagte mich, ob ich die Nationalheiligtümer von Thüringen sehen wollte. Ein kleiner Raum mit Hirschgeweihen und Bildern war das Ortsmuseum. Da gab es«ine alte Jagdhose und einen Hosenträger, di« der Herzog Ernst getragen haben sollte... Nattonalheiligtümer von Thüringen ! In der Landgrafenschlucht rauschte das Wasser wie ein Strom. Triefend von Regen standen die Birken am Wege mit bebenden Blättern, wie zitternde kleine Iungfräulein, die aus dem Bade stei- gen. Die Schlucht wurde enger und die Bäume verschränkten über mir ihre Zweige wie spielend« Kinder, die stch beim Tanz die Hände reichen. Die Wartburg stand grau im Regen. Berwittert« Spät- romantik, treuherzige Bilder Schwind? grüßten mich. Dämmerstun- den des Märchens, auf denen man das Zittern der kaum bewegten Luft zu spüren glaubt. Der rote Mantel des Henkers leuchtete und der blasse Mund des Sängers, wund von Frauenlippen und voll der bitteren Süß« seiner Lieder, und darunter die seltsam verschlunge- nen Buchstaben der alten Sprüche mit ihrem ungefügen Satzbau, wie knorriges Wurzelwerk einer vergcmgenen, Jahrhunderte alten Liebe. Als ich auf den Bergfried stieg, hatte der Regen nachgelassen. Bon d« Wottenwand, die hinter mir auf de» Berge» ruht«, riß der
unabsehbare Ferne gerückt. Auf diese Weise kann das von den Sachverständigen vorgeschlagene Abkommen nicht di« freiwillige Zustimmung des deutschen Volkes finden, die von den ausländischen Geldgebern zur Voraussetzung der Deutschland zu gewährenden Kredite gemacht wird. Die deutschnattonale Reichstagsfraktion jedenfalls ist nicht gewillt, ein Abkommen auf solcher Grundlage zustande kommen zu lassen. Die Maßnahmen, die je nach dem wei- teren Verlauf der Verhandlungen von ihr zu ergreifen sind, wurden beraten und vorberettet. Aus der negativen Formulierung in die positive übersetzt, heißt das, daß die Deutschnationalen unter bestimmten Vor- aussetzungen— die man als noch nicht gegeben betrachtet— bereit sind, f ü r die Ausfährungsgesetze zum Sachverständigen- gutachten zu stimmen._ Parlamentsreform. Verkleinerung des Reichstags. In den letzten Tagen ist die Frage der Parlaments- r e f o r m verschiedentlich in der Presse wieder angeschnitten worden. Wie der„Soz. Parl.-D." vom Reichsinnenministerium hört, ist der neue Gesetzentwurf zur Parlamentsreform im Reich dem Reichsrat bereits zugegangen. Er unter- scheidet sich im großen und ganzen nicht viel von dem bereits dem letzten Reichstag vorgelegten Entwurf. Vorgesehen ist ein Abbau der Zahl der Reichstagsabgeord- n e t e n von 471 auf 399. Diese Zahl wurde deswegen ge- nommen, weil sie die Bildung von Zweidrittelmehrheiten e r- leichtert. Die runde Zahl von 400 Reichstagsabgeord- neten kommt zustande, wenn eine normale Wahlbeteiligung angenommen und die notwendige Sttmmenzahl für ein Mandat von 60 000 auf 73 000 erhöht wird. Die Frage der Parlamentsreform in Preußen ist bis jetzt nur deshalb noch nicht zur Erledigung gekommen, weil Preußen erst die Regelung im Reich abwarten will. Unsere Genossen in Preußen fordern jedoch, daß zunächst die ganz überflüssige Einrichtung des Staatsrats oerschwin- d e t, bevor man aus Sparsamkeitsgründen an eine stärkere Herabsetzung der Zahl der Abgeordneten herantritt. <- Die sozialdemokratische Reichstagsftaktion tritt Montag nachmittag 3 Uhr zu einer Besprechung der politi- sehen Lage zusammen. Der Fraktionsvorstand bereits vor- mittags 10 Uhr._
Der Dank öes vaterlanöes. Ausgewiesene Lohnempfänger werde« entlassen. Taufende, Zehntausend« deutscher Arbeiter, namentlich Eisen- bahnarbeiter, haben Im vergangenen Jahre während des passiven Widerstandes in treuefter Pflichterfüllung ihrem Land« jedes Opfer gebracht. Sie wurden von den französischen Militärs aus ihren Wohnungen oerjagt und sind in schwerst« materielle Bedräng- nis geraten. Jetzt naht die Stunde der Heimkehr und man sollte annehmen, daß die Reichsregierung und namentlich die Reichseisen- bahnoerwaltung alles tun wird, um diesen deutschen Arbeitern nicht nur di« Heimkehr zu erleichtern, sondern ihnen wieder Brot und Arheit zu verschaffen, wie sie es vorher gehabt haben. Statt dessen scheint bei der Reichseisenbahnverwaltung«in« ganz andere Auffassung zu herrschen. Es wird dort generelle Anweisung gegeben, daß ausgewiesene Lohnempfänger, deren Ausweisung aufgehoben ist, bei der endgültigen Rückkehr ins besetzt« Gebiet aus dem Dienst der Reichsbahn entlassen und an da» Rote Kreuz überwiesen werden. Das Rote Kreuz übernimmt für solche Rückkehrer und ihre Familien die Reise- und Umzugskosten und für eine begrenzte Zeit die weitere „Betreuung". Was dann aus ihnen wird, dafür mögen sie selber sorgen. Das ist ein so unglaubliches Verhalten, daß der Reichstagsausfchuß zur Unterstützung dieser Ausgewiesenen, der am Montag zusammentritt, sich sofort mit der Praxis der Reichs- bahnoerwaltung beschäftigen muß.
Sturm«in« nach der anderen los und fegt« sie über die reife Land» schaft. Der Hörselberg grüßt herüber...
Wohnstätte unü Arbeitsstätte. Infolge der gesundheitlichen Schädigungen, die aus der Zu- sammenballunq in den Industriestädten für die Arbeiter erwachsen, strebt man immer mehr danach, ihr« Wohnungen möglichst außer» halb des Umkreises der Fabriken in gesunde ländlich« Gegenden zu oerlegen. Dadurch aber wird der Arbeiter wieder gezwungen, täg- lich«inen größeren Weg zur Arbeitsstätte hin und dann wieder nach Hause zurückzulegen. Es fragt sich nun, ob dieser lang« Weg zur Arbeit nicht gesundheitliche und wirtschaftliche Nachteile mit sich bringt und ob die hygienischen Borzüg« einer mehr ländlichen Sied» lung nicht durch ander« Faktoren vermindert werden. Ueber diese wichtig« Frag« haben zwei Heidelberger Hygienikor E. G. Dresel und Eh. Grabe eingehend« Untersuchungen an der Arbeiterschaft der in Kirchheim bei Heidelberg gelegenen Fuchsschen Waggonfabrik angestellt und berichten über ihr« Ergebnisse in der „Deutschen Medizinischen Wochenschrift". Sie teilten die Arbeiter nach ihrem Alter und der Art des Wohnens in fünf Gruppen ein. Dabei ergab sich, daß die älteren Arbeiter überwiegend in denjeni- gen Gruppen sich fanden, di« der Arbeitsstätte am nächsten liegen. Di« älteren Arbetter sehen also schon von selbst ein, daß sie den Zeit- und Müheaufwand für den Weg nicht mehr bestreiten können. Da anzunehmen ist, daß die Arbeiter mit langem Arbeltsweg schon stark ermüdet m die Fabrik kommen und durch den Arbeitsprozeß die Er- müdung schneller gesteigert wird, so muß sich das auch in der U n- fallgefährdung zeigen. Eine genaue Statistik ergab, daß die geringste Zahl von Unfällen sich bei den im Fabrikort wohnenden Arbeitern findet: sie steigt dann in den anderen Wohngruppen an und erreicht ihren Höhepunkt in der 5. Wohnqruppe, die am weite- stcn entfernt liegt. Zusammenfassend ergibt sich:„Die Unfallhäufig- keit wächst mit dem zunehmenden Zeit- und Müheoufwand für den Weg. Landwirtschaftliche Tätigkeit in der Freizett, besonders vor Arbeitsanfang Im Werk, wirkt dabei mit." Aehnliches konnte bei der Zahl der Erkrankungen beob- achtet werden. Am wenigsten Krankheitsfälle kamen bei den beiden Wohngruppen vor, in denen der Arbeitsweg am kürzesten und leichtesten war. Di« anderen Gruppen stehen viel ungünstiger da, so daß der Schluß nicht von der Hand zu weisen ist, daß der län- ger« Weg zur Arbeit di« Erkrankungshäufigkeit der Arbeiter we- fentlich steigert. Schließlich ist auch di« Ausnutzung der Arbeitszeit bei den weiter entfernt Wohnenden wesentlich ungünstiger als bei den am Wohnort Arbeitenden: di« Stunden- und Tagesverfäum» nisse nehmen mtt der größeren Entfernung von der Arbeitsstätte zu. Di«„Pendelwanderungen", wie di« Bersasser die längere Hin- und Rückfahrt der Arbeiter zur Fabrik nennen, verursachen also körper- liche, wirtschaftliche und wahrscheinlich auch seelische Schäden und bedürfen der Abhilfe. Sorgfältige Verbesserung der Verkehrsver- hältnisse, dann auch nachdrückliche Förderung des Wohnungsbaues durch di« industriellen Unternehmungen selbst und nicht zuletzt ein durch die Gewerkschaften und Arbeitsämter zu vermittelnder Aus. tausch der Facharbetter untereinander zur Abkürzung der Wege könnte manche Berbegerung bringen.