Nr. 336 ♦ 41. Jahrgang
1. Beilage ües vorwärts
Sonnabenö, 1H. Juli 1924
Sonntägliche wanöerziele.
klofterfelüe— öiesenthal. Mit der Nordbahn fahren wir vom Stettiner Vorortbahnhof nach Reinickendorf -Rofenthal. Von hier bringt uns die Groß-Schöne- bccker Kleinbahn über Basdorf nach K l o st e r f e l d e. Wir wandern nicht in das Dorf hinein, das wahrscheinlich von den Lchniner München im 13. Jahrhundert gegründet wurde, sondern wenden uns vom Bahnhof sogleich gen Nordost nach Neudörfchen. Die Wanderung führt durch den nördlichen Teil der ausgedehnten Wal - düngen, die sich im Norden der Reichshauptstadt, von Tegel , Schönwalde , Bernau bis zum Eberswalder Tal erstrecken. Dieser Teil des Barnim gehört zu den waldreichsten Gebieten der Mark. Von Neudörfchen, das ebenfalls zu Lehnin gehörte, führt der Weg östlich weiter durch Wald, zuletzt über Felder nach P r e n- den. Das Dorf liegt auf einer flachen Bodenerhebung zwischen dem Strehlese« im Süden und dem Bauersee im Norden. Diese Tal- senke erstreckt sich gen Nord über den Mittel-Prendenfe« und dem Eiserbuderse« bis zum F i n o w k a n a l. In der Mitte des Dorfes liegt die alte Kirche mit ihrem Fachwerkturm, dessen Wetterseite mit Brettern verkleidet ist(siehe Abbildung). Zu den Spuk- und SagenzeMten von Brenden gehört der alte Sparr, der Feldmarschall jenes Kurfürsten, den die Geschichtsschreiber den „Großen" genannt haben. Er lebte und starb hier, wurde jedoch in der Marienkirche in Berlin beigesetzt. Der alte Sparr soll mit dem Teufel im Bunde gewesen sein. Die Sage erzählt, daß er durch die Lüfte reiten und in der Kutsche über das Wasier des Sees fahren konnte. Er soll es auch verstanden haben, den Höllenfürsten manches Mal zu überlisten. Brenden ist ein altes Dorf: es gehört zu den Dörfern, die im Landbuch Kaiser Karls IV. von 1375 aufgeführt sind. Auch die Mühle, die am Ausfluß des Strehlesees liegt, war zu jener Zeit schon vorhanden. Bon Brenden wenden wir uns slld- östlich. Der Weg führt anfangs durch die Prendcner Feldmark, dann in die Wukuhlenheide: wir folgen ihm bis zum Jogenstein O 108. 100. Hier gehen wir links ab: an der Grenze der Kreis« Niederbar- nim(links) und Oberbarnim(rechts) wandern wir über den 80 Me- ter hohen Wukuhlenberg zum Kleinen Wukensee. Um dessen Nordspitz« kommen wir zum Großen Wukensee. Am Westufer dieses schönen Sees führt ein Bfad gen Süd, der uns schließlich zur Chaussee bringt, auf der wir. am Krummen Pfuhl und am Kesselsee vorüber, nach B i e s e n t h a l kommen. Die Stadt bildet« schon in vorgeschichllicher Zeit einen Siedlungsplatz, wie der Schloßberg und der Beierberg im Norden von Biesenthal , zwei alte Burgwälle, bekunden. Auch die aus der Niederung im Süden der Stadt aufragenden Berge tragen Spuren vom vorgeschichtlichen Menschen. Hier fanden einige Wandergenossen kleine Feuerstein- geräte in reichlicher Menge, die jetzt im Märkischen Museum in Berlin ausgestellt sind. Es sind sogen. M i k r o l i t h« n(von mikr« — klein und lithos— Stein), die bisher so gut wie gar nicht in der Mark Brandenburg gefunden wurden. Wir haben hier«in treff- liches Beispiel dafür, wie Wandern und Wissenschaft Hand in Hand arbeiten können. Zur Zeit des karolinischen Landbuchs, das vo» Biesenthal drei Mühlen erwähnt, war der Barnim in drei Distrikt« eingeteilt: Berlin , der so ziemlich all« Ortschaften enthielt, die den heutigen Kreis Niedsrbarnim bilden, Strutzberg oder Strausberg. der den größten Teil des Kreises Oberbarnim ausmacht, und Bysdal oder Biesenthal , zu dem die übrigen Ortschaften des Oberbarnim. aber auch mehrere der heutigen Uckermark gehörten. Vom Markt- platz wandern wir nach Süden durch die Berliner Straße zur Stadt hinaus. Ein Rückblick zeigt uns ein schönes Bild von Biesenthal , das anr Berghang liegt. Wir bleiben in südlicher Richtung: rechts dehnen sich die vom Pfauenfließ durchflosfenen Pfauen- Wiesen aus. Durch hügeliges Gelände kommen wir zur L a n g«- rönnemühl«, eine auch schon im Landbuch genannte Muhle , die uns den Zauber märkischer Wassermühlen recht zum Bewußtsein bringt. Wir wandern von hier immer durch Wald nach Lade- bürg und folgen der Chausiee nach Bernau . Mit einem Rund- gang durch die Stadt an der Ouell« der Pank« beschließen wir die Wanderung. Weniger rüstig« Wanderer können von Biesenthal öst- sich durch die Königstraße und Bahnhofftraße zum Bahnhof Biesen- thal gehen und von hier die Heimfahrt antreten. Weglänge bis Bernau etwa 26 Kilometer, bis Bhf. Biesenthal etwa 17 Kilometer. Zwischen Mriezener- unü Gstbahn. Bom Schlesischen Bahnhof(Wriezener Bahnsteig) fahren wir bis Werneuchen , einem Neinen Landstädtchen, dessen erste Er- wähnung in einer Urkunde von 1300 geschieht. Obwohl das Städt-
chen sich auch jetzt noch in stille Bescheidenheit hüllt, lenkte es doch einst die Aufmerksamkeit eines Geistesgewaltigen auf sich. In Wer- neuchen wirkt« von 1793 bis 1838 F. W. A. S ch m i d t als Seclsor- aer. Er war zugleich ein Dichter, wohl der erste, der die Schönheiten der märkischen Landschaft dichterisch würdigte, und zwar mit ein- fachen, aber doch trefflichen Worten. Aber die Eigenarten seiner Dichtkunst wurden verkannt, zumal sich auch Goethe über die Gc- dichte lustig machte. In dem Gedicht„Musen und Grazien in der Mark" goß er seinen Spott aus über Schmidt von Werneuchen , wie er genannt wurde. Auf dem stillen Friedhof des Märkischen Städtchens hat der Seelsorger und Dichter seine letzte Ruhestätte gesunden. Von der Kirch« wandern wir gen Ost, über das
Stienitzfließ und alsbald in südlicher Richtung zum Städtchen hinaus. Rechts zieht sich das Fließ hin, in dessen Nähe wir bleiben. Am Anfang eines kleinen Wäldchens gehen wir rechts ab, zum Rand der Niederung. Auf einer Brücke überschreiten wir das Fließ und gehen nun unmittelbar am Westrand der vom Flieh durchzogenen Wiesennicderung gen Süd. Quer durch die Feldmark streicht die Grenze zwischen dem Oberbarnim im Norden und dem Nieder- barnim im Süden. Ein« alte Kiefer ragt einsam von des Berges Höhe weithin über das Land: sie steht an der Grenze, gleichsam als ein Wahrzeichen. Wir bleiben am Fließ , das auch Langes Elsen- fließ genannt wird. Ein kleines Wäldchen begrenzt die Niederung, hinter dem das Dorf Krummensee liegt. Wir haben bald Alt- Landsberg erreicht, ein ebenso bescheidenes märkisches Land- städtchen. Nur wenige Straßen hat es. Von den alten Befestigungs- werken sind nur noch zwei Tortürme und ein Teil der Stadtmauer erhalten geblieben. Im Osten liegt der Strausberger Torturm , von einem Storchnest gekrönt, im Süden der Berliner . Zwischen beiden Türmen zieht sich um den südöstlichen Teil der Stadt die alte Mauer herum. Sie ist aus Findlingsblöcken aufgebaut: an ihrer Außen- feite führt eine von Bäumen eingefaßte Promenade hin. Wir ver- lassen Alt-Landsberg auf der Chaussee gen Nordost und folgen dem alsbald nach Osten abzweigenden Landweg. Ueber die leicht wellige Hochfläch« des Barnim , die oft von entwässerten Gröben und fließen durchfurcht wird, gelangen wir zum Wald. Er besteht aus iefern, Fichten, Eichen und Birken. Sumpfgelände durchziehen ihn; sie zeigen uns an, daß hier einstmals Wasserbecken, Seen, vor- handen waren. Bald hinter dem Ouergestell Ei zweigt ein Weg in nordöstlicher Richtung nach S p i tz m ü h l e ab. Wir überschreiten das Ostende des Krummen Luchs, das uns rechts vom Wege eine schöne Sumpflandschaft zeigt. Der Wald besteht jetzt nur noch aus Kiefern, unter denen Wachholderdüsche gedeihen. Bald haben wir Spitzmühle erreicht. Im Garten der Mühle sprudelt eine Quelle. Die Landschwelle zwischen dem Fänger- und dem Bötzsee, auf der S p i tz m ü h l e liegt, war schon in vorgeschichtlicher Zeit
besiedelt. Ein alter Burg wall, der leider nicht mehr vollständig ist, zeugt davon. Die Spuren vom vorgeschichtlichen Menschen in der Mark-Brandenburg sind gar nicht so selten: man muß sie nur zu finden wissen. Wir wandern auf dem Ostufer des Bötzfees gen Süd: auf halber Bergeshöhe schlängelt sich der schöne Pfad hin. Die Höhen sind mit Nadelwald bestanden, während unmittelbar am See- ufer Erlen und Birken wachsen. Der Bötzsee ist ein Glied in der Kette der Seen, die sich in einer fast durch die ganze Barnimhoch- fläche hinziehenden Rinne erstrecken. Derartige Rinnenseen, die von den Schmelzwassern des eiszeitlichen Inlandeises ausgewaschen wur- den. zeigen immer eine bedeutende Lange bei verhältnismäßig geringer Breite: auch sind sie sehr tief und werden von steilen Uferründern begleitet. Am Ende des Waldes wenden wir uns vom Bötzsee ab: der Weg führt am Waldrand gen Ost zum Slldende des S t r a u s- s e e s. Wir wandern auf dem Westufer dieses Sees gen Nord bis zur Fährstelle. Jenseits liegt Strausberg , die„Stadt am Straus". Bon der Fährstelle bringt uns die Fähr« über den See zur Stadt. Ein Rundgang durch Strausberg beschließt unsere Wanderung. Mit der Straßenbahn oder mit der Kleinbahn fahren wir nach dem Ost- bahnhof Strausberg und von hier mit dem Vorortzug nach Berlin zurück. Weglänge etwa 26 Kilometer.
Hericht aus einer Sommerfrische. Aus unserem Leserkreis erhalten wir mit der Bitte um Ver- öffentlichung«inen Bericht aus einer den weitesten Kreisen unbe- kannten Sommerfrische. Wir erfüllen gern den Wunsch des Ein- seuders auf Bekanntgabe seines Berichts, weil wir der Meinung sind, unseren Lesern durch dies« Mitteilungen nützen zu können. In dem uns zur Verfügung gestellten Bericht heißt es:„Eigen:- sich ist es eine gute Regel und alte Erfahrung, den Ort nicht zu nennen, an dem man sich ein paar Sommer- und Ferientage wohl und glücklich gefühlt hat, um nicht die Allzuvielen anzulocken, die das Idyll stören, die Preise steigen lassen und schließlich alle angenehmen und harmonischen Verhältnisse, die so lang« in dem Zu- fluchtsort geherrscht haben, auf den Kopf stellen. Indessen, man soll auf der anderen Seit« nicht egoistisch und hart sein, und man hat die Pflicht, au seinein bescheidenen Teil und mit seinen geringen Kräften allen denen zu helfen, die nicht wissen, wohm sie sich zu wenden haben und wie sie es machen sollen, um mit wenig Geld, ohne große Umstände und allerhand kostspielig« Reisevorbereitunzen eine notwendige Erholung zu finden. Außerdem liegt die Sache hier insofern wesentlich anders, als es sich um«in sehr großes Waldgebiet handelt, das von rielen Tausenden bevölkert sein kann, ohne daß der eine den anderen stört. Sollten aber wirklich einmal an einer Stelle sich zu viel« Me'sschen zusammenballen und die laute Lustigkeit der einen Gruppe, die lärmenden Spiele und Schreie der Kinder, eine andere Gruppe, die Ruhe und Waldfricden suchte, empfindlich stören, so ist Abhilfe lei tchund schnell möglich. Das ganze große Waldgebiet der unbekannten Sommerfrische ist nämlich von den verschiedensten Verkehrsoerbindungen durchkreuzt. Wo man auch immer weilen möge, hat man die Möglichkeit, nach einer'Wanderung durch den Wald an ein« Fahrgelegenheit zu kommen, die einen für ganz ge- rmges Geld weit fortführt zu einem anderen Punkt, an dem man bestimmt allein und unbehelligt weist, auf dem Moos liegend das Spiel der Wolken beobachten und die goldenen Sonnenstrahlen über Baum und Busch tanzen sehen kann. Und ab- wechslungsreich wie selten ist diese Sommerfrische. Wald, Wiesen, Wasser, alles ist oereint, lockt zu langen Spaziergängen, ladet zum Baden ein, oder bietet Gelegenheit, auf den sastig-grünen Giesen jene«infachen, man möchte fast sagen, unaufdringlich-stillen Sträuße zu pflücken, die die schönste Zier sommerlicher Stuben sind. Mit dieser Auszählung sind jedoch die Reize des großen, grünen Reviers noch nicht erschöpfend dargestellt. Da ist zum Beispiel noch der Sand zu nennen, der viele Sand, der unter der heißen Sonne glühend ge- worden ist und in dem sich zu strecken eine Wohltat für all« die- jenigen ist, die aus dem letzten, unbarmherzig kalten Winter Schmerzen und allerlei Unbehagen in den Knochen zurückbehalten haben. Man sieht also, auch Heilwirkungen werden hier erzielt, ohne daß es groß der Hilfe und der kostspieligen Konsultation eines Arztes bedarf. Mit den löblichsten ideellen Zuständen gehen die materiellen har- manisch Hand in Hand. Niemand braucht um die Verpflegung be- sorgt zu sein. Für jeden Geschmack und für jeden Geldbeutel ist gesorgt. Hier kann man den mitgebrachten Kaffee kochen und dort
»6]
Er ging seinen Gästen voran, zum Hofe hinunter. Er ging wie auf Federn. Was er jetzt zu zeigen hatte— Gagini hin und her!— das war etwas Vollkommenes. Wie war dieser alte Filou in Palermo nur dazu ge- kommen, ein so wundervolles Weib zu gewinnen? Schade, die Geschichte dieses Modelles hätte man kennen müssen, doch es war ja damals zu kurz vor seiner Abfahrt, leider. Als er an der breiten, weit geöffneten Tür angelangt war, blieb er stehen. Wie in einem Rahmen, von Sonnenlicht umzittert, er- hob sich die wundervolle Venus von Syrakus . Fratelli hörte Ausrufe entzückten Staunens. Er trat völlig zurück, ließ alle vorangehen. Wenn doch Besio in diesem Augenblick gekommen wäre! Der Kammerdiener, der in erlauchten Häusern heimisch gewesen war. stand dicht hinter ihm. Er hatte den Kopf schief zur Seite gelegt.„Das Schilf paßt nicht und das Wasser- decken ist viel zu klein," sagte er nörgelig. Fratelli zog seine Stirne in Falten. Er wollte es nicht hören. Dieser Kerl verdarb ihm noch jeden Genuß. „Nicht zur Bewunderung herausfordern, flüsterte die Stimme hinter Fratelli... m Nein, zum Kuckuck, er tat es za nicht! Ganz stumm stand er da, wartend.,„..., „Nicht warten, zwanglos umhergehen, horte er noch- mals. � �, Das war ihm denn doch zu viel! Der Kerl nahm sich Sachen heraus--! dem mußte er ein Ende machen. „Nun, meine Herren, was sagen Sie zu meiner Venus! Ein Museumstück, großartig, was?" Die Stimmen liefen durcheinander, man ging lebhaft auf den Brunnen zu, betrachtete die herrliche Statue von allen Seiten, lobte, fragte. „Ach, das ist mir neu," sagte ein älterer Herr, der bis dahin zurückgeblieben war,„seit wann ist denn die Venus von Syrakus ergänzt? Wundervoll, ganz wundervoll!" „Venus von Syrakus!" rief Fratelli, der nicht alles ver- standen hatte,„ja, so nannte sie auch Gagini. Meine Herren, Sie müssen bedeuten, es ist ein«hier GagmiT,
„Gagini— wieso?" sagte der Herr, der voll Interesse den Kopf betrachtete. „Gagini? Wann hat der Mann denn gelebt? Der ist doch längst tot?" sprach ein Junger, Eleganter dazwischen. „Ja, natürlich," sagte der alte Herr mit jener Selbstver- ständlichkeit, die Fratelli immer geärgert hatte. „New, Conte Pozzi," rief Fratelli triumphierend,„ich habe Gagini in Palermo selbst gesprochen, der Mann ist zwar alt und recht sonderbar, doch er lebt. Ich habe ihm diese seine Venus mit vieler Mühe abgehandelt!" Es wurde ein wenig still, und in dieser Stille hörte man Flüstern und unterdrücktes Gelächter. Drei in allen Salons bekannte Römer standen beisammen und starrten den schönen Kopf der Venus mit sehr wissenden Augen an. „Das kann nur ein Namensvetter gewesen sein," sagte der alte Graf beharrlich: dann besann er sich auf seine Höf- lichkeit, zuckte die Achseln und fügte ein wenig zu ironisch hinzu:„Doch vielleicht irre ich mich." „Ganz gewiß irren Sie sich— zudem: ich erwarte den Museumsdirektor Besio," sagte Fratelli voll Zuversicht. Doch da war etwas hinter seinem Rücken, das ihn un- ruhig machte: man war so still geworden. Der eine und der andere versicherte ihm zwar, die Venus sei herrlich und ein großes Kunstwerk, doch es wurde merk- würdig licht um ihn her. Dagegen erhob sich dort ein leb- Haftes Gesumme, wo die drei Romer standen. „Nun, das kann doch kein Kind sthen: es ist die Prjnci- pesia Livia di San Cataldo," sagte der eine,„übrigens groß- artig." „Sie ist viel schöner, als ich dachte," sagte der zweite, der niemals etwas von der Venus von Syrakus gehört oder gesehen hatte. „Eine ganz tolle Geschichte!" „Für diesen Emporkömmling? Ach, was, bewahre! Das hängt anders zusammen." „Ob der Prinz etwas ahnt?" „Ganz gewiß nicht, sonst wäre seine Talgdrüse längst geplatzt." »Vielleicht für den Conte Sisto die Branco—" .Könnte nur gestohlen sein. Wer weiß, was fiir ein Halunke der alte Kerl in Palermo ist." „Man hat sie diesem Esel in die Hand gespielt!" „Aber großartig ist sie, was?" „Utwergleichlichl"
„Es ist ja nur ihr Kopf, ihre Hand," warf ein Besonnener dazwischen,„sie wird einem Künstler dazu gesessen haben." „Einfach ein Skandal," hörte man wieder. „Großartig, großartig!" sagte ein kleiner Dunkler un- aufhörlich. Diesen nun nahm sich Fratelli zur Seite, die dünne Luft um ihn her wurde ihm unheimlich. Sollte er dennoch�daneben gegeriffen haben? Die Einwendungen des alten Gagini fielen ihm ein. Diese und jene Bemerkung der Herren hatte er trotz seiner Unterhaltung mit anderen ausgefangen: dieser Kleine sollte ihm Rede stehen. Doch der hüllte sich sogleich in eine undurchdringliche Wolke des Lobes. Und genau so ging es Fratelli, als er bei anderen Gästen anklopfte. Da war etwas an dieser Venus, das eine eigentümliche Stimmung in feine Herrengesellschaft hineingetragen hatte, und er vermochte nicht herauszufinden, was es war. „Wenn doch bloß dieser Besio jetzt nicht käme," dachte er immerfort, und dieser Wunsch wenigstens wurde ihm erfüllt. Besio kam an diesem Tage nicht, und die Herren gingen viel schneller auseinander als Fratelli gedacht hatte. Etwas Stärkeres schien sie fortzuziehen. Als ihm der erste die Hand zun: Abschied reichte, konnten die anderen gar nicht schnell genug folgen. Abgekühlten, ja verlassenen Gemütes wandte sich Fratelli nun doch an seinen Kammerdiener. Doch auch der zuckte die Achseln. Diese Angelegenheit war undurchdringlich für seine sonst so geschulten Organe, und so gab er Fratelli nur den Rat, sich möglichst bald mit einer Dame aus jenen erlauchten Häusern zu verheiraten, in dene- er, der Kammerdiener, heimisch gewesen war. Nun, das war ebeiz keine Weisheit. Jetzt sollte Besio kommen. Gewiß hatte er den Schlüssel. — Am andern Tage fuhr Fratelli selbst zum Museumsdirektor, der seine UnHöflichkeit gern gutmachte und mit in den funkelnd neuen Wagen stieg. Als er den Hof betrat und das Götterbild sah, wünschte Fratelli alle Herren herbei, die vor vierundzwanzig Stunden seine Venus teils verlegen, teils allzu laut gepriesen hatten. Dieser Mann da war ehrlich ergriffen, das konnte auch Fratelli sehen. (Fortsetzuna frijjt),