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urteilung des Schriftstellers Fechenbach... rechtliche Bedenten bestehen, die einen Gnaden att angezeigt erscheinen laffen". Dieses Gutachten ist am 30. Oktober 1923 erstattet worden. Es lautet in seinem Schlußfaz dahin, daß ,, rechtliche Gründe für eine Begnadigung nicht gegeben find".

Seit dem 30. Oftober 1923 ist wieder fast ein Jahr ver­gangen. Die bayerische Regierung hält sich augenscheinlich an das Gutachten gebunden, das von einem Gericht erstattet wurde, zu dessen Mitgliedern jener von der Pfordten gehörte, der bei dem Hitler- Butsch in den Reihen der Hochverräter von einer staatserhaltenden Kugel getötet wurde. Aber die Deffentlichkeit braucht sich an dieses Gutachten nicht zu halten, deffen Wortlaut in feiner trockenen Buchstabenreiterei einfach abstoßend wirkt. Nun haben sieben hervorragende Kenner des Straf- und des Prefferechts die Professoren Graf zu

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Dohna Heidelberg  , mann Hamburg  ,

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Liep=

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Die Wiederaufnahme zugunsten der Berurteilten findet auch dann statt, wenn aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen die Nach­prüfung der Sache im ordentlichen Verfahren notwendig erscheint. Ueber den Antrag auf Wiederaufnahme entscheidet die Straf­fammer oder bei Nichtzuständigkeit der Bandgerichte auf sofortige Be­schwerde das Reichsgericht. Wenn die erneute Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht stattfindet, so tann die Staatsanwaltschaft beantragen, daß ein zweiter Richter zugezogen werde. Der Ausschuß wandte sich dann der Frage des Ausnahme­auftandes zu. Im Verlauf der Aussprache über die Auf­hebung der Ausnahmezustände in Bayern   und im Reiche wandte sich der bayerische   Gesandte v. Preger aus rechtlichen und politischen Gründen mit aller Schärfe gegen eine folche Aufhebung und betonte insbesondere, daß, so lange die tom­munistische Partei den gewaltsamen Umsturz der Verfassung auf ihre Fahne geschrieben habe, auf Grund außerordentlicher gefeßlicher Riginger- München  , Mittel gegen sie vorgegangen werden müsse. Für das Reichsministe­Mendelssohn- Bartholdy- rium des Innern erflärte Staatssekretär 3 weigert, daß bei den Hamburg  , Mittermaier- Gießen, Radbruch- Kiel Zeitungsverboten auf Grund der Presseverordnungen mit der größten und Wach Leipzig jeder für sich andere Gutachten er- Burüdhaltung vorgegangen worden sei. Eine neue Verordnung, stattet, die in ihrem Kern sämtlich zu dem Schluß kommen, die das Verbot auch für Kopfblätter vorsieht, sei notwendig daß das Urteil gegen Fechenbach auch vom formalrechtlichen geworden, damit die Berlage das Verbot nicht weiterhin umgehen Standpunkt nicht zu halten sei. Insbesondere die Gutachter fönnten. Die fommunistische Presse habe in letzter Zeit die Rikinger, Liepmann, Radbruch   und Mittermaier stellen feft, Aufforderung zum Hochverrat oft zu vermeiden gewußt, da daß die Verjährung ganz zweifellos eingetreten gegen zur Auflehnung gegen die Staatsordnung und zu Ge war, als das Urteil erfolgte. Sie befinden sich da in leber- walttätigkeiten aufgefordert. Gegen diese strafbaren Hand­einstimmung mit dem Reichsgericht und mit dem früheren lungen biete die letzte Verordnung eine Handhabe. Die Verord­Reichsjustizminister Heinze, der auch von sich aus im nungen feien notwendig, um zu verhindern, daß der Geist des Reichstag erklärte, er halte Verjährung für vorliegend. Mit Umsturzes und der offenen Gewalt aus den Redaktions­Recht hebt der Verteidiger Fechenbachs hervor, daß, wenn stuben staatsfeindlicher Kreise in das Volk dringe und dort Unheil diese Autoritäten, das Reichsgericht und das Reichsjustizmini- ftifte. fterium den Einwand der Verjährung für begründet erklären, es als feftſtehend zu erachten sei, daß Fechenbach wegen eines verjährten Verbrechens bereits 134 Jahre Zuchthaus   verbüßt hat", womit natürlich nicht zugegeben wird, daß überhaupt ein Verbrechen" vorliegt. Vielmehr wird durch die Gutachten der Rechtsautoritäten einwandfrei nachgewiesen, daß die juristischen Konstruktionen des Bolts­gerichts und die zustimmende Aeußerung des Obersten Landesgerichts durchaus haltlos feien.

Graf zu Dohna-heidelberg   sagt u. a.:

einer Generalversammlung nichts befehlen faffe. Streicher felbft erflärte: In Nürnberg   diftiere ich und lasse mir nicht dreinreden." Diese Herrschsucht hat aber die Vorstandschaft der Deutschen Arbeiter­ partei  ", einer Gründung Streichers nach dem Verbot der National­sozialisten Ende 1923, veranlaßt, soeben mit einem Extrablatt an die Deffentlichkeit zu treten, da alle Möglichkeiten eines gütlichen Aus­gleiches erschöpft seien. Als letzte Möglichkeit eines solchen Aus­gleichs hat die Deutsche Arbeiterpartei  " versucht, eine Besprechung Streichers mit 2udendorff herbeizuführen. Diese hat stattge­funden und hierbei hat Streicher gegenüber Ludendorff   zugesagt, fich mit dem Landtagsabg. Straffer, dem jetzigen Führer der Völ fischen in Bayern  , ins Benehmen zu sehen. Ob das geschehen ist oder ob Streicher ohne weiteres gegen seine Freunde mit der Grüna bung der Großdeutschen Boltsgemeinschaft vorging, ist noch unbe­fannt, jedenfalls versagte Ludendorffs Kleister vollkommen. In folgedessen sieht sich auch der Vorstand der früheren Streicher- Partei genötigt, öffentlich zu erklären, daß Streicher keinerlei Bollmacht mehr befize, sich als Führer der Völkischen in Franken zu bezeichnen. Welches Ende der mit so viel persönlicher Leidenschaft geführte Haus­ftreit unter den Hitler  - Erben nehmen wird, ist im Augenblick nicht zu fagen. Streicher und Effer denken jedenfalls nicht daran, den Kampfplatz zu räumen, denn fie erklärten übereinstimmend: Wenn eine Ehefcheidung erfolgen soll, dann sollen uns die anderen verlassen. Wir find zähe und bleiben in der Ehe, auch wenn die anderen zum Teufel gehen."

Severing& Co."

Unter dieser Ueberschrift haben einige Berliner   Rechtsblätter, die auf Sauberkeit im politischen Kampf offenbar besonderes Ge­wicht legen, einem deutschnationalen, in Bielefeld   erscheinenden Blättchen, eine Notiz entnommen, die den Eindruck erweden soll, als ob der preußische Minister des Innern im Nebenamt die ein träglichsten großfapitalistischen Unternehmungen Die Vertreter der Sozialdemokraten, der Kommunisten betreibt. Diese Notiz fennzeichnet sich durch die Art ihrer Polemit und der Nationalsozialisten sprachen sich für unbedingte Aut- felber. Die Angaben über Severings Beteiligungen, die man bebung des Ausnahmezustandes aus. Deutsche   Bolts- erit jetzt im Bielefelder   Abreßbuch entdeckt haben will, stehen dort partei, 3entrum und Bayerische   Bolkspartei waren gegen die Auf- feit etwa 20 Jahren. Es handelt sich darum, daß die Ortsgruppe hebung, die Deutschnationalen verwarfen zwar den Ausnahme- Bielefeld des Deutschen Metallarbeiter- Verbandes  , deren erster Be­zustand, erklärten aber die Maßnahmen Bayerns   als einwand- vollmächtigter Severing jahrelang gewesen ist, vor dem Kriege ein frei. Angenommen wurde ein Antrag auf

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Verbandshaus gebaut hat, das neben Bureaus auch Sizungs- und Versammlungsräume enthält, die von einem Kaftellan bewirtschaftet

werden.

Wie bei Partei- und Gewerkschaftsgründungen üblich, ist auch

Aufhebung der lehten Presseverordnung des Reichspräsidenten  sowie eine Entschließung, welche die Reichsregierung ersucht, bei der bayerischen   Regierung darauf hinzuwirken, daß die Verordnung des " Die Bersagung der Gnade darf sich nicht auf die Feststellung Generalstaatskommissars v. Rahr, die die Herstellung und Ver­beschränken, daß das Urteil vereinbar ist mit dem formalen breitung kommunistischer Zeitungen und Zeitschriften unter Strate Recht; es müßte bis zu dem Nachweise vordringen, daß dieses stellt, außer Kraft gefekt wird. Schließlich wird ein Antrag formale Recht und die Art seiner Anwendung im Einklang steht der Nationalsozialisten angenommen, alle von der Reichsregierung gung, sondern brachten und bringen dem Unternehmen materielle init der Idee der Gerechtigkeit. An dieser Stelle klafft oder von Landesregierungen ergangenen Verbote politischer Bar. Opfer. Mit der Verwaltung des Verbandshauses hat der Minister

der Widerspruch, welcher das Rechtsgewissen der Nation in seinen Tiefen erschüttert."

In Bayern   ist jetzt eine neue Regierung ohne Kahr am Ruder. Wird sie endlich den Mut aufbringen, das Rechtsgewissen der Nation wieder zu beruhigen oder wird sie im Geiste ihrer Borgängerin das Brandmal der Justizschande auf dem Lande Bayern   prangen lassen? Es wäre Aufgabe des Reichstags, dem beleidigten Recht wieder zur Anerkennung zu verhelfen. Aber wer vermag bis heute zu glauben, daß dieser Reichstag die Kraft auf bringe, selbst wenn sein Ausschuß dauz guten Anlauf nimmt!

12 Thi.

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teien aufzuheben.

Diktator Streicher.

Der Krakeel unter den Völkischen. München  , 21. Juli.  ( Eigener Drahtbericht.) Die radikalvölkische " Großdeutsche Voltsgemeinschaft" will der fortschreitenden er wässerung der Hitler  - Bewegung durch die völkischen Barla mentarier Einhalt gebieten. Das erklärten Eijer und Streicher bereits in der Gründungsversammlung in München  . Sie wurden aber in der Nachgründungsversammlung am legten Donnerstag in Nürnberg   noch viel deutlicher, nachdem zwischen den beiden Bersammlungen die völkische Bandtagsfraktion eingehende Unterhandlungen mit Streicher gepflogen hatte. Nach diesen

Wiederaufnahme der Volksgerichtsprozesse. Berhandlungen ergriff Streicher sofort die Initiative und legte feinen

Vorschlag des Rechtsausschusses.

Der Rechtsausschuß des Reichstags ftimmte in der heutigen Sigung zunächst dem Antrage seines Unterausschusses auf Einführung der Wiederaufnahme des Verfahrens gegenüber Urteilen der bayerischen Volksgerichte zu. Der Entwurf dieses Gesetzes, gegen das sich auch im Unteraus­schuß der Vertreter der bayerischen   Regierung mit aller Entschieden. heit ausgesprochen hatte, sieht im einzelnen vor, daß gegenüber den Urteilen der bayerischen Volksgerichte die Wiederaufnahme des Ber­fahrens nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung mit folgen­den Aenderungen stattfindet:

Brief von Rügen  .

Bon Otto Koester.

Hier am Strande   bes Mönchguter Badeortes gibt es ein Herren-, ein Damen- und ein Familienbad. Aber kein Mensch geht mehr hinein in diese verwitterten Pfahlbauten. Männlein und Weiblein baden in neckischem Durcheinander vom Strandforb oder von der Sandburg aus, und die Badeverwaltung beschränkt sich darauf, große Verbotstafeln an den Strand zu pflanzen. Im übrigen drückt sie beide Augen zu. Noch im Jahre 1893 war meines Erinnerns auf Rügen der Begriff Familienbad unbekannt: in Saßnik 3. B. forgten zwei filometerweit auseinanderliegende Badeanstalten, die eine für männliche, die andere für weibliche Individuen, für feusche Trennung

der Geschlechter.

So ändern sich die Sitten, und nicht einmal die alte General­fuperintendentenwitwe, die sich jeden Morgen im Strandforb von ihrer semmelblonden Nichte aus der Boß" vorlesen läßt, scheint an diesem Treiben ergernis zu nehmen. Am Ende ist es jogar eine gute Abschreckungskur für unverbefferliche Wüſtlinge: diese feiſten Beiber vom Stamm der Raffte, die da im Wasser herumkreischen oder sich im sonnendurchglühten Sande aalen, wirken durchaus nicht verführerisch.

Drüben in der Burg mit der geistvollen Inschrift Bei mir Knorte" ist was Besonderes los. Liförgläser blizen in der Sonne. Man drängt sich um einen setten Herrn, der in einem gelb und vio­lett karierten Bademantel im Strandkorb sigt und dem Froschkönig von Böcklin   sprechend ähnlich sieht. Es soll der Mitinhaber eines Berliner   Herrentonfektionsgeschäftes sein. Bermutlich ist ihm ein glänzender Inventurausverkauf zu rücksichtslos herabgesetzten Breifen" gelungen, und er feiert hier das frohe Ereignis im Kreise seiner Lieben. Die Kurtapelle spielt dazu: So lang noch untern Linden" usw.

Tausende von Fähnchen und Wimpeln flattern am Badestrand,

oft Phantasiefarben, öfters noch Schwarz- Weiß- Rot, nirgends die Farben der Republik  . Auf See gelten diese Farben ja laut der Weimarer   Berfassung nicht offenbar find fie deshalb auch an der Gee verpönt.

Immerhin ist es erfreulich, daß die Ritter vom Hakenkreuz hier so gut wie feine Rolle spielen. Nur selten hört man mal das Deutsch­landlied. Meist werden abends in den zahlreichen Restaurants, Bars und Tanzdielen die neuesten Shimmys und Javas gegeigt und ge­trommelt. Bei den allabendlichen sogenannten, tünstlerischen" Ber­anstaltungen, die angeblich Crust, Humor und Satire" pflegen wollen, überwiegt bei weitem die fleinkalibrige Zote. Zum Beispiel: es tänzelt ein etwas ramponiert aussehender theiner Herr mit einer großen Baute vor dem Bauch zwischen den Stuhlreihen der Eis­taffee oder Erdbeerbowle schleckernden Dielengäste auf und ab und fingt ein albernes Liedchen von einem Finfen, der angeblich immerzu

bamaligen Freunden schriftlich niedergelegte Bedingungen vor mit der Forderung, fie schriftlich zu beantworten. Der Wortlaut dieser Bedingungen ist nicht befannt, fie laufen jedoch in ihrem Wesen dar­auf hinaus, daß der Geist der Großbeutschen Volksgemeinschaft auch für die Fraktion des Böltischen Blods maßgebend und daß des wegen der Einfluß Streichers in der Fraktion beherrschend sein müsse; die Fraktionsmitglieder müßten sich unbedingt zur Taktik Streichers bekennen. Streicher sei in den Landtag eingetreten, um Oppofition zu machen, auch gegen den Ministerpräsidenten; er wolle dort nicht als Kollege, sondern als Nationalsozialist behandelt werden. In der Nürnberger   Versammlung murde Streicher von Esser zum alleinigen Führer des Bölkischen in Nürnberg   erannt, und zwar mit der diftatorischen Erklärung, daß man sich hierbei auch von

damals die Geschäftsführung des Bielefelder Verbandshauses in Form der Offenen Handelsgesellschaft   erfolgt. Die Mitglieder dieser Handelsgesellschaft bekommen für ihre Tätigkeit feinerlei Entſchädi

Severing seit dem Jahre 1912 nichts mehr zu tun, er ist lediglich Mitglied der Handelsgesellschaft und Firmenträger geblieben.

Severing u. Co., d. h. der Metallarbeiter- Berband Bielefeld  , hat übrigens gerade in diesen Tagen aus Anlaß des 33. Stiftungs­festes des Metallarbeiteru- Verbandes ein neues Waldheim ein­geweiht und dem Verkehr übergeben. Auf einem prächtigen Wald­grundstück, auf den Höhen des Teutoburger Waldes  , ist trotz der Not der Zeit ein schmucker Bau entstanden, der Zeugnis ablegt von der Zähigkeit und Solidarität der Bielefelder   Metallarbeiter, die trotz der Not der Zeit immer noch die Kraft aufbringen, Neues zu schaffen zur Festigung und Förderung der wirtschaftlichen und kulturellen Arbeiterbewegung.

Den völkischen Herrschaften möchten wir empfehlen, fich lieber um ihre geschäftsgewandten Generäle zu fümmern. Erzellenz v. d. Gotz wäre z. B. sicher ein dankbares Objekt dafür.

Sozialpolitik im Reichstag. Sozialdemokratische Deckungsvorschläge.

Der Hauptausschuß des Reichstages beschäftigte sich am geftrigen Montag nochmals mit dem Beschluß des Sozialpolitischen  Bezüge der Erwerbslosen und der Abfindungs­und des Kriegsbeschädigten- Ausschusses über die Regelung der renten der Kriegsbeschädigten unter 20 Prozent. Zu dem letzteren gab der volksparteiliche Abgeordnete

mit dem Schwanze wipple. Refrain: Fink- Fink- Finkferlink, Der Klassenkampf gegen die Schwalben."

ist das nicht ein luftig Ding". Alles grölt mit und schmunzelt ver­ständnisinnig. Im Grunde versteht aber feiner die Pointe meil nämlich feine da ift. Die bloße Bermutung eines unanständigen

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Doppelsinnes genügt diesen anspruchslosen Seelen, um sich königlich

zu amüsieren.

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Gestern verstieg sich das Badeleben aber doch etwas aus der rein animalisch- vegetativen Sphäre ins Politische. Irgend jemand hatte am Strande   erzählt, daß beim Fürsten von Putbus, Malte dem Soundsovielten, der Ex- Kronprinz als Gast eingetroffen sei. Einige ältere Herren mit Glazen und knallbunten Sportwesten Herr Direktor", die sich offenbar um das Wohlergehen des deut­Typus fchen Boltes und die Entwicklung der Börsenkurse ernste Gedanken machten, legten ihre Stresemann- Physiognomien in noch ernsthaftere Falten und führten, auf der Strandpromenade würdevoll auf und ab wandelnd, mit gedämpfter Stimme tiefsinnige politische Gespräche. und als ich mittags auf dem Wege nach meinem Quartier wie ge­durch Haltung und Miene ein finster- entschloffenes Heldentum und wöhnlich den beiden sonnengebräunten Jünglingen begegne, die erlauchte Abstammung auszudrücken streben, gewahre ich, daß jeder von ihnen eine Scherbe ins Auge geklemmt hat. Beide sind übri­gens Bankangestellte aus Berlin   mit äußerst plebejischen Familien­

namen.

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dessen Gast ich bin, in der Villa Frohsinn, steht ein Bapageienfäfig Gegenüber dem Haufe des mir befreundeten Malerehepaares, auf der Veranda. Lora genießt die Julisonne und ist sehr munter. tür täuschend nach. Plötzlich beginnt sie die Wacht am Rhein zu Sie pfeift, fingt, fchwaßt und ahmt das Quietschen unserer Garten­pfeifen. Es braust ein Ruf wie Donnerhall"- hier stockt sie, um sich alsbald mit drolligem Tonfall selbst zu animieren: Na Lor­es braust ein Ruf na, wie gehts weiter? Na? es braust na? Na, Lorchen?" Aber es geht nicht weiter, und plötzlich ertönt es glodenrein aus Lorchens erstaunlicher Rehle: ,, Ach, du lieber Augustin, alles ist hin!" Wenn sich doch unsere Hitler- und Ludendorffmannen an der politischen Einsicht dieses Vogels ein Beispiel nehmen wollten.

chen, weiter Nochmal

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Vertrauenstundgebung für Profeffor Willstätter. Mehrere Mit­glieder der Münchener   Universität, darunter der bisherige Reftor der Universität, von Kraus, haben eine Vertrauenstundgebung für Professor Willstätter unterzeichnet, in der es u. a. heißt: Die all­gemeine politische Spannung, die das deutsche   Volk aufwühlt, hai  auch die Universität nicht verschont. Auch hier haben sich schwere als ihre Pflicht, alles zu tun, daß ein folcher Zwiespalt von der Gegensäge eingestellt. Unterzeichner der Kundgebung betrachten es Universität verschwindet."

Der nene Reffor der Münchener   Universität ist Geheimrat Professor Dr. Wenger, der seit 1909 als Drdinarius für römische Geschichte an der Münchener   Universität wirkt.

Von den Ufern des Senegal  , vom See Omanbaba, Kommt ihr meine Schwalben,

Bon Afrites heiliger Landschaft.

Was trieb euch zum falten April des falten Deutschland  ?

Ein letztes Mal noch höre ich der Schwalben Lied: Unter Myriaden Häufern werden wir im Frühling diefes graue Hafthaus finden.

Unter Myriaden Zellen werden wir im Frühling deine Zelle finden.

( Ernst Toller: Schwalbenbuch".) Toller erzählt: Im April tehrten die Schwalben zurück. Meine ihrem Nestbau. Da erhot fich ein Kampf gegen die Schwalben. Zelle bewohnte ein anderer. Fröhlich begannen die Schwalben mit Grausame Menschenhände rissen ihr Nest zu Boden. Die Schwalben begann ein zweites Mal mit dem Nestbau. Und wieder rissen Menschen ihr Neft auseinander. Ein drittes Mal nahmen die Schwalben die vergebliche Mühe des Nestbaues auf. zum dritten Male zerstörten die Kerfermeister bas begonnene Wert.

Da wandten sich die Gefangenen an den Vorstand mit der schrift. lichen Bitte: Man möge die fleißigen und guten Tierchen doch am einen Schmutzfänger forgen. Es tam der Bescheid:" Beschwerde Nestbau nicht stören. Für Reinlichkeit würden die Gefangenen durch zurückgewiesen. Schwalben im Stalle anbauen." Der Gefangene verriegelt. mußte die Zelle verlassen. Die Fenster wurden geschlossen, die Tür

Die Schwalben suchten dann eine andere Zelle, begannen hier wieder den Nestbau. Bergébens: Der Vorstand war auf der Hut, die Wärter wollüftig grausam. Die Nester wurden immer von neuem zerstört. Die armen Tierchen kannten sich gar nicht aus. 3um ersten Male geschah ihnen dieses unbegreifliche Unheil. Sie be. gannen zugleich an ganzen vier Stellen ihr Restchen zu bauen. Un­ruhig flogen fie von einer Belle zur anderen. Am Morgen aber ging die Generalattade los auf die Schwalben. Alle vier begonnenen Nefter fielen dem ruhmvollen Ansturm zum Opfer. Und immer wieder von neuem versuchten die Schwalben den Nestbau. Und immer von neuem tobte der Kampf des Festungsvorstandes gegen die Schwalben. Da hörten die Schwalben auf mit dem Bauen. Sie waren verschwunden, vertrieben.

Da plöglich entdeckte der eine von den Gefangenen im Abort­raum ein Schwalbennest zwischen zwei Wasserröhren. Hier hatten die Schwalben, für's hinterhältige menschliche Auge nicht sichtbar, endlich ihr Neftchen vollendet. mächtiger als Kertermeister und Festungsvorstand erwiesen sich Ein Jubel erfüllte die Herzen ihrer gefangenen Freunde. Donn Schwälbin und Schwälberich. Die Freude war, ach, nur zu kurz. wurde das Neftchen, vertrieben waren die Schwalben.

*) So nennt Toller selbst einem Mitarbeiter des SPD.   gegen über den Kampf der Festungsverwaltung von Niederschönenfeld  gegen die Schwalben, dem wir sein Schwalbenbuch" verdanken. Die vorstehenden Ausführungen sind eine freie Wiedergabe von Tollers eigenen Miteilungen.