Nr.344 41.Jahrgang Ausgabe A nr. 176
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Donnerstag, den 24. Juli 1924
Vollfihung der Londoner Konferenz.
Juristische Vorprüfung der Einladungsfrage.
Condon, 23. Jul.( Eigener Drahtbericht.) Die Frage der| Information" zu folgendem Hinweis Veranlassung: Gegenüber dem Einladung der deutschen Regierung zur Konferenz ist englischen Standpunkt, daß mit den Deutschen verhandelt werden von der heufigen Bollfihung der Londoner Konferenz einem 3 wei- müsse, stehe die gliedrigen juristischen Ausschuß überwiesen worden.
Diefer Ausschuß besteht aus dem franzöfifchen Rechtsjachverfländigen Fromage of und dem englischen Kronjurifan Cecil Hurst.
London , 23. Juli. ( Eigener Drahtbericht.) Die am Mittwochnach mittag abgehaltene einstündige Bollfigung der Londoner Konferenz wurde von Macdonald geleitet. Das offizielle kommuniqué über den Verhandlungsverlauf besagt, Macdonald habe einleitend kurz darauf hingewiesen, daß diesmal auch die Bertreter der englischen Dominions einschließlich Indiens anwesend seien, die als Mitglieder der englischen Delegation gelten. Die
Konferenz bestimmte ein juristisches Komitee, das feststellen soll, welche Einzelheiten mit Deutschland zu regeln find,
franzöfifche Thefe, die deutschen Delegierten an die Reparationsfommiffion zu verweisen. Schon jetzt aber scheine festzustehen, daß die Bertreter der deutschen
Regierung erst nach London kommen werden, wenn die drei Rommissionen ihre Berichte erstattet haben, so daß fie also lediglich die zuftandegekommenen Lösungen zur Kenntnis zu nehmen haben würden. Eine derartige Methode sei nach Auffassung sehr weiter und maßgebender französischer Kreise dazu angetan, den deutschen Nationalisten in die Hände zu arbeiten. Denn das sei im Grunde wiederum ein Dittat oder in etwas abgemilderter Form vielleicht die Rückkehr zum Ultimatum. Es sei bekannt, welchen Nutzen die deutschen Diplomaten bisher aus dieser Methode gezogen haben, denn im Gegensatz zu der allgemein verbreiteten Auffassung hätte die Zuziehung deutscher Bevollmäch verbreiteten Auffaffung hätte die Zuziehung deutscher Bevollmäch tönnen, gewiffe Garantien für die Zukunft zu schaffen. Man habe
der Tatsache, daß die deutschen Sozialdemokraten die Absicht hätten, einen Bolfsentscheid über die Annahme des Sachverständigengutachtens herbeizuführen, leider viel zu wenig Rechnung getragen.
um das Sachverständigengutachten ins Werk zu setzen, und wie zu verfahren ist, damit nicht der Versailler Vertrag vertigter zu den Verhandlungen von Anfang an dazu beitragen letzt wird. Bezüglich des bereits veröffentlichten Berichtes des ersten Ausschusses, der sich mit der Frage etwaiger deutscher Ber fehlungen zu beschäftigen hat, ist beschlossen worden, zu ihm erst Stellung zu nehmen, wenn der zweite und dritte Ausschuß ihre Arbeiten beendet haben. Der englische Rolenialminister I homas, als Borsitzender des zweiten Ausschusses, sagte, daß die Arbeit dieses Ausschusses noch fortgefeßt werde. Der Bericht des dritten Ausschusses wurde von Sir Robert Kindersleŋ vorgelegt. Er handelte von der Berteilung der deutschen 3ahlungen an die Mächte und schlägt vor, jedem einzelnen alliierten Staate zu überlassen, welche Organisation die wirtschaftlichen Möglichkeiten der Aufnahme und die Auswahl deutscher Lieferungen prüfen soll. Die Organisationen der einzelnen Länder sollen mit der Reparationstommission über ihre Forderungen und Wünsche in dauerndem Gedankenaustausch bleiben. Die Konferenz beschloß, den dritten Ausschuß
noch drei weitere Fragen bezüglich der Durchführung des Sachverständigenplanes prüfen zu laffen. Diese Fragen sind:
1. Wie ist von Deutschland die Sicherheit zu erlangen, daß es nach besten Kräften die Durchführung der Reparationslieferungen auf fommerzieller Basis erleichtert?
2. Die Frage zu prüfen, ob die Reparationstommiffion ein ähnliches Komitee berufen fell, wie es das Sachverständigenkomitee war, um mit Deutschland über ein Abkommen zur Bereinfachung der Durchführung der Sachlieferungen zu ver
handeln.
3. Festzustellen, welcher Instanz die Schlichtung von Differenzen zwischen der deutschen Regierung und dem Komitee Differenzen zwischen der deutschen Regierung und dem Komitee für die Umwandlung deutscher Zahlungen in Devisen überwiesen
werden soll.
Der Bericht des ersten Ausschusses mußte zurückgestellt werden,
weil die
Verhandlungen zwischen den Vertretern der Banken und den Finanzfachverständigen der Konferenz noch nicht abgeschlossen find. Da der Bericht dieses Ausschusses von der Arbeit der übrigen Ausschüsse abhängig ist, wird seine Verabschiedung durch die Bollfonferenz erst möglich sein, wenn die anderen Ausschüsse ihre Aufgabe vollkommen gelöst haben.
Das juristische Komitee ist, wie bekannt wird, auf Anregung Herriots gebildet worden. Am Mittwochvormittag hat Macdonald wiederholt mit Mellon, dem Chef des amerikanischen Finanzministeriums, den alliierten Delegationen und mit verschiedenen führenden Bantiers Unterredungen gehabt.
Stresemann erwartet die Einladung.
Das Organ des Reichsaußenministers," Die Zeit", schreibt am Mittwoch zur Frage der Einladung Deutschlands u. a.: „ Der Erfolg der Konferenz wird davon abhängen, ob man den wirtschaftlichen Notwendigkeiten in diefer wie in den anderen Streitfragen Rechnung trägt. Zu den Hauptstreitfragen dieser Art gehört auch die Zulassung Deutschlands zu den Verhandlungen der Konferenz. Wir hatten wiederholt darauf hingewiesen, daß es verständlich erscheint, wenn die Mächte der Gegenseite zunächst eine
Solche Bestrebungen verdienten ermutigt zu werden. Denn sie stellten den ersten Schritt zur freiwilligen Anerkennung und leber. nahme der deutschen Reparationsschuld durch das deutsche Volk dar und man würde flug daran getan haben, wenn man der deut schen Demokratie auf der Londoner Konferenz eine Betätigungsmöglichkeit gegeben haben würde. Vielleicht sei der Tag nicht allzu fern, wo man es aufs lebhaftefte bedauern werde, daß die Methode des Jahres 1924 sich nicht flarer und deutlicher von denen der Jahre 1919 und 1921 unterscheide.
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Sehr scharf ist die Kritif, die Paris Soir" an der Haltung der französischen Delegation übt. Wenn die
Stellung der französischen Unterhändler in London von Tag zu Tag schwieriger erscheine, so liegt die Schuld vor allem daran, daß sie fortwährend zwischen zwei politischen Auffassungen hin- und herschwant. ten und sich nicht zu entscheiden vermöchten. Man spüre, daß ihre Sympathien in der Richtung einer freien und ehrlichen Verständi gung gingen; aber man frage sich, warum fie das vorbereitet, ihnen auf diesem Wege zu folgen. Sie habe erkannt, daß die Stumde gefommen sei, mit dem Verfahren des nationalen Blocks reinen ich zu machen. Die Methode der Gewalt hätte endgültig Fiasko gemacht und daher erwarte die Mehrheit des französischen Bolkes, daß man endlich mit den Methoden der internationalen Zusammenarbeit beginne. Frankreich sei bereit, Opfer zu bringen, wenn dadurch endlich normale und stabile Beziehungen zwischen den einzelnen Nationen hergestellt werden fönnen. An Herrn Herriot liege es, in diesem Sinne zu handeln. Auch in der„ Ere Nouvelle" finden sich ähnliche Gebantengänge. Wenn Poincaré heute in London die Verhandlungen führte, so würde er sich wahrscheinlich kein Gewissen daraus machen, die Forderungen der Finanz abzulehnen, den Dawes- Plan zum Scheitern zu bringen und zu der Politik der Gewalt und folierung zurückzukehren. Sicher aber habe das französische Bolt Boincaré am 11. Mai nicht in der Abficht gestürzt, zu seinen Methoden zu rüdgeführt zu werden.
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Ein Steuerskandal.
Bon Paul Herz.
Die Monatsübersichten des Reichsfinanzministeriums über das Aufkommen von Steuern, Zöllen und Abgaben weisen feit deutende Rückzahlungen aus einiger Zeit die erstaunliche Tatsache auf, daß fortgesetzt be= der Landab gabe vorgenommen worden sind. Diese Rückzahlungen belaufen sich in den Monaten März bis Juni auf folgende Beträge: 10154 284,34 olmart 3 286 298,82 4 863 599,64
März
April
Mai
Juni
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3 807 511,50
März bis Juni 22 111 694,30 Colomart
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Ueber diese merkwürdigen Rückzahlungen befragt, gab Staatssekretär 3 a pf vor dem Haushaltsausschuß des Reichstages gänzlich ungenügende Erklärungen ab, die über die tat< sächlichen Vorgänge keinen Aufschluß geben konnten. In der Tat hat das Reichsfinanzministerium allen Anlaß, nicht Borgänge zu enthüllen, die in ihrem ganzen Umfang bei der schlechten Finunzlage des Reiches faft unbegreiflich find.
Die zweite Steuernotverordnung, die erste selbständige Tai des Finanzminifters Luther, hob unter schärfstem Widerspruch der Sozialdemokratie die Landabgabe zwei Monate vor ihrem natürlichen Ende mit Wirkung vom 1. Januar 1924 auf. Er erfüllte damit die von seinem Bora gänger Hilferding abgelehnte Forderung der Großagrarier. Die Berordnung bestimmte gleichzeitig, daß der zus viel gezahlte Betrag auf die neue Bermögenssteuer verrechnet und, soweit er darüber hinausging, er ftattet werden sollte. Die Anrechnung bzw. Erstattung follte nach dem Goldwert erfolgen, auf den die zuviel gezahlten Beträge nach besonderen, vom Reichsminister der Finanzen ermittelten Sägen umzurechnen waren. Diese Bestimmung war getroffen. worden, weil es bekannt war, daß tatsächlich im großen Um fange Ueberzahlungen auf die Landabgabe stattgefunden hatten.
erst
Nicht etwa, daß die Landwirtschaft in übertriebenem Steuerheroismus mehr Steuern gezahlt, als fie nötig gehabt hätte. Sondern die Sache stand fo: Die Landabgabe war be fanntlich die erste Besizsteuer, die auf sozialdemo fratisches Drängen auf Gold gestellt worden war. Der Bapiermarkbetrag der Abgabe wurde jeweils nach Umrech nungssägen des Reichsfinanzministeriums aus dem zu zahlenden Goldmarkbetrag errechnet. Aber der Apparat des Reichs= finanzministeriums funktionierte nicht so reibungslos, daß eine tägliche Festsetzung dieser Umrechnungssäge möglich ge= wesen wäre. Deshalb fonnten im September die Umrechnungsfäge zunächst nur wöchentlich dem Sinten der Papiermart an gepaßt werden. Das aber genügte für den damals so rasenden Sturz der Papiermark bei weitem nicht. Die Umrechnungsfäße hinften schon nach, bevor sie überhaupt in Kraft getreten waren. Und am Ende der Woche, für die fie galten, stellte der nach ihnen ermittelte Papiermarkbetrag der Steuer nur noch einen geringen Bruchteil des Goldmarkbetrages dar, der nach dem Gesez erhoben werden sollte. Damals schrieb sogar die Deutsche Allgemeine Zeitung"( 12. 9. 1923) Dant dem überholten Umrechnungsfag war es den meisten Landabgabepflichtigen möglich, mit einem Zentner Roggen rund 35,, Goldmark" zu begleichen!" Sie zahlten also tatsäch lich nur den fünften Teil ihrer Steuer. Und auch als der Umrechnungsfaz dann halbwöchentlich ermittelt wurde, konnte er dem inzwischen noch gesteigerten Marksturz ebensowenig folgen.
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Diese günstige Situation hatten viele Landwirte bald ers faßt und waren fofort voll Eifer, zu diesen nie wiederkehrenden schuld mit einem Mal zu begleichen. Wer es irgend Bedingungen möglichst ihre ganze Landabgabem fonnte, zahlte alfo seine gesamte Landabgabe für die ganze Beit ihrer ursprünglich vorgesehenen Dauer von September 1923 bis Februar 1924. Und bei diesem Betrug betrogen fie und die Zahlung verspätet und infolgedessen entwertet eintraf. den Fiskus noch allzuoft dadurch, daß sie bargeldlos zahlten Jeder dieser tapferen Patrioten zahlte also höchstens den fünften Teil seiner tatsächlichen Steuerschuld.
Der angebliche Standpunkt Herriots. Paris , 23. Juli. ( Eigener Drahtbericht.) Der Sonderforrefpondent des.„ Temps" meldet am Mittwochabend, daß die Londoner Berhandlungen über Feststellung deutscher Verfehlungen und Sant angelangt seien. Herriot sei entschlossen, das Brogramm, das er tionen am Mittwochnachmittag an einem sehr heitlen Punkt sich gestellt habe, nicht weiter abändern zu laffen. So lebhaft sein Wunsch sei, zu einer Berständigung mit den anderen Dele. gationen zu gelangen, so sei er doch andererseits nicht geneigt, in den Fragen, wo es um die Souveränität und UnabhänNun aber kam die zweite Steuernoiverordnung und vers Verständigung innerhalb ihres Kreises herbeiführen wollen. Un- Sigfeit Frankreichs gehe, irgendwelche Konzeffionen zu machen. kürzte die Lebensdauer der Landabgabe um Die französische Thefe sei, daß der Reparationstommission zwei Monate. Da war es schon ein himmelschreiendes erläßlich bleibt aber im Anschluß daran immer die Verständi- ihre volle Autorität und unabhängigkeit gewahrt werden müffe, und Unrecht, daß man überhaupt einen Erstattungsanspruch der gung mit Deutschland auf der Grundlage von Verhandwenn außer dem Agenten für die Zahlungen und einem Bertreter jenigen Abgabepflichtigen anerkannte, die die Abgabe schon für lungen, die uns die Vertretung unserer Wünsche ermöglichen. der internationalen Geldgeber auch noch ein Delegierter der Ban Januar und Februar bezahlt hatten. Denn sie hatten die AbDie Frage der Zulassung Deutschlands scheint an sich entschieden zu fein. Wie wir hören, ist die Einladung für den Anfang eingeschaltet werden solle, das nur in rein beratender Gigen- fie hatten das rein aus Spefulationsgründen getan. Die zweite ten selbst in das Verfahren zur Feststellung deutscher Verfehlungen gabe gar nicht ,, überzahlt", sondern weit unterzahlt. Und nächster Woche in Aussicht genommen worden. Sie wird wohl am Donnerstag abend überreicht werden. Ichaft geschehen könne. Vor allem aber halte man es in den Kreifen Steuernotverordnung schützte also nur betrügerische Speku der französischen Delegation nicht für unbedingt erforderlich, ein Es ergibt sich aber noch feine volle Klarheit darüber, in welcher lanten. Das Gefährlichste aber war, daß der Betrag dieser Form die Teilnahme Deutschlands an den Londoner Verhandlungen vorschlage in Aussicht genommen iei. neues Komitee zu schaffen, wie das in dem belgischen Vermittlungs- Ueberzahlung" in Goldmart nach besonderen Umrechnungs fägen des Reichsfinanzministeriums errechnet werden sollte. Wie das geschehen ist, ist einstweilen umbekannt. Bekannt ist nur das Ergebnis:
geplant ist."
Paris , 23. Juli. ( Eigener Drahtbericht.) Die erwartete Einladung der deutschen Regierung zur Londoner Konferenz gibt der
London , 23. Juli( WTB.). Der französische Ministerpräsident wird wahrscheinlich morgen London verlassen, um sich nach Paris zu begeben. Er wird am Montag wieder in England zurüderwartet.( Wird in letzter Stunde bestritten.)
Nach den Erklärungen des Staatssekretärs Zapf hat die Landabgabe auf Goldmart umgerechnet etwa den Betrag vo