Nr. ZöH�41.Fahrgaag
Seilage des Vorwärts
SsnnabenS, 2. August 1�24
Au Kuß öurch öen Spreewalö.
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Von Jahr zu Jahr nimmt der Fremdenverkehr im Spreewald zu. Was ihm seine große Anziehung verleiht, ist seine eigenartige Landschaft, die in Deutschland nirgends mehr wiederkehrt. Die Bil- der, nicht so gewaltig wie in Gebirgsgegenden, dagegen um so lieb- licher sind, wechseln schnell. Dazu kommt die Vereinigung von Wasser, Wiese und Wald', die auf den sinnigen Naturbetrachter einen Einfluß ausüben, der ihn noch lange gefangen hält. Dort findet er Frieden und Ruhe und Kraft für den Kampf des Alltags. Wir haben wiederholt Kahnpartien durch den Spreewald beschrieben. Aber vielen Besuchern des Spreewaldes ist es nicht bekannt, daß sich hier auch herrliche Fußwanderungen machen lassen. Es ist nicht jedermanns Vergnügen, stundenlang im Kahn zu sitzen und die Bil- der an sich vorüberziehen zu lassen. Di« Jugend namentlich will auf ihren Ausflügen mehr oder weniger Bewegungsfreiheit haben. Im folgenden sollen einige charakteristische sich in jeder Weise lohnende Wanderungen beschrieben werden. Als E i n f a l l s t o r e in den Sprecwald sind an der Berlin -Coltbuser Bahn die Orte L ü b b e n, Lübbenau , Raddusch und Vetschau zu nennen; an der Spreewaldbahn, die den Spreewald im Norden umfährt und so Lllbben und Cottbus verbindet, die Orte Burg, Byleguhre, Strau- Pitz, Alt- und Neuzauch« und Wußwergk. Lübbenau — Votsihofska— Lehüe. Wer in Lübbenau morgens oder mittags mit dem Zuge ein- trifft, kann nach einem Gong durch die Stadt den Weg nach der Worschofska fortsetzen. Um sich«ine Borstellung machen zu können, wie es früher in den Straßen Lübbenaus ausgesehen hat, ist ein Besuch des Dorfes Statt Hof innerhalb der Stadt notwcn- dig; hier stießt noch mitten durch das Dorf das Fließ, ohne das die Besitzer nicht auf ihre Felder und Wiesen gelangen können. Aull, ist es lohnend, das Spreewald-Museum in der Knabenschule neben der Kirche zu besichtigen. Bis zur W o t s ch o f s k a braucht man ein« Stunde; der Weg führt über eine große Zahl malerischer Brücken, Bänke. Von der Wotschosska gibt es keinerlei Wegvcrbin- dung in den übrigen Spreewald, sondern jeder Besucher muß, wenn er nicht den Kahn besteigen will, denselben Weg wieder zurückgehen. Da aber ein Tag mit dieser Wanderung noch nicht ausgefüllt ist, lohnt noch ein Spaziergang von Lübbenau nach L« h d e, jedoch nur dann, wenn der sogenannt« W i e s e n w e g passierbar ist. Vorher fragen! Von Lehde sind es bis Lübbenau etwa 25 Minuten. Der Weg führt die Verlobungsallee entlang, quer über den Holz- platz bei Haberlands Schneidemühle, und dann sieht man schon von einer Brücke aus die Häuser von Lehde versteckt zwischen hohen Erlen und Pappeln herüberschimmern. Lchde selbst kennt als ein- zige Verkehrswege nur feine Fließe; dennoch lassen sich einige kleine Spaziergänge zwischen einzelnen Gehöften hindurch machen. Das Lagunendorf Lehde ist die Perle des Spreewald». Das Gasthaus„Zum fröhlichen 5? e ch t" liegt an dem Hauptweg und von hier aus kann man das Spreewoldleben in seiner Einzig- artigkeit betrachten. Lohnend ist die Besichtigung der Gemälde- galerie, des wendischen Saales, der wendischen Puppenstube und des Jahrhundert« alten Einbaumes, der in einem Seitengraben in der Näh« von Richters Logierhäusern verborgen liegt und uns an längst vergangene Zeiten erinnert. Quer öurch öen Spreewalö. Vom Bahnhos Raddusch kommend, fragt man im Dorfe nach dem W i e s e n w« g zum Gasthause von O u a ck a tz, den man aller- dings nur in trockener Jahreszeit benutzen kann. Sonst geht man von Raddusch den Fährweg über Stradow an den Fischteichen entlang, zur Ouackatzschente. Also vorher fragen. Ohne Aufenthalt zu nehmen, die Schenke ist ja auch meistens geschlossen, folgen wir der Fahrstraße in der Richtung zum Gasthaus zum Spree - wald. Aber schon zirka 10 Minuten vorher biegen wir links ab, über eine Brück« bei Kaufmann Schwarz(achtgeben!) in nördlicher Richtung. Zwischen Wiesen und Feldern führt die Fahrstraße ent- lang, und wenn wir nicht hin und wieder über eine Brücke kämen, wüßten wir gar nicht, daß wir im Sprcewald sind. Doch der ch a- rakteristische Spreewaldbaum, die Erle, zeigt sich allenthalben unseren Blicken. Am Wendischen König haben wir den halben Weg unserer Wanderung zurückgelegt und gönnen uns ein« kurze Rast unter schattigen Bäumen. Oder aber wir gehen noch ein
knappes halbes Stündchen weiter zum Straupitzcr Busch (Straupitzer Buschmühle). Entweder wir gehen nun den Weg über Forst haus Horst au der Straupitzer Kahnfahrt ent- lang, oder aber, wenn wir noch nicht müde sind, den viel mehr loh- nenden Weg über Mü Hiendorf in Richtung Byleguhrer See, denn das Wegstück an der Straupitzer Kahnfahrt(zirka eine Stunde) zeigt ein ähnliches Landschaftsbild, wie wir es im ersten Teil unserer heutigen Beschreibung schon gesehen haben. Gehen wir dagegen im Straupitzer Busch dem östlichen Weg nach, so zeigt sich bald unserem Auge ein mannigfaltiger Wechsel in der Landschaft. Ratsam ist es hier, nach dem Mllhlendorfer Weg zu fragen; denn schon so mancher hat sich hier verlausen. Auch in dem kleinen Müh- lendorf ist es nicht so leicht, den rechten Weg zum Bpleguhrer See zu finden. Bei Mühlendorf geht das Spreetal in die sandige Nord-
Erlen, auf der anderen Seite sandige Höhen mit Kiefernwäldern. In Alt-Zauche erfragen wir den Weg zum Groblas ließ, der zur Kannemühle führt. Ein Stück durch Wiesenlandlchas: und dann sind wir mitten im herrlichen Erlenwald. Der Botaniker fin- det an dem Wiesenwegc die Natternzunge, Optzio-glossum vulga- tum und an einigen Stellen im Walde die Sumpskalla, Calla pa- lustris. Abseits vom Wege kommt diese häufiger vor; doch möchte ich den Fremden warnen, gerade hier den Weg. zu verlassen; denn es könnte ihm passieren, er verirrt sich, trifft hier ein Fließ, das ihm den Weg versperrt, dort steht er ratlos vor einer oersumpften Niederung, und niemand ist da, der ihm den rechten Weg weisen kann. Da aber an den Wegen, besonders an deren Gabelungen, Wegweiser angebracht sind, ist es nicht schwierig, die Marschrichtung innezuhalten. Von einem Versuch, über Schiitzenhaus, Zerre, W a h r k a n a l zur Wotschosska zu gelangen, ist abzuraten, denn der schöne Waldweg nimmt an der Stelle, wo der Wehrkanal die große Mutnitza schneidet, ein Ende, und ist es nicht möglich. zu Fuß weiter bis zur Wotschosska zu wandern, obwohl dieses letzte Stück nur knapp zwei Kilometer beträgt. Hat man jedoch Glück, an jener Schnittstelle, die als sogenannter Durchstich kannt ist,«inen Fährmann zu treffen, dann kann man sich von ihm, vorausgesetzt, daß er noch Platz in seinem Kahn hat, bis zur Wotschosska mitnehmen lassen und dann die Wanderung noch Lübbenau fortsetzen. Aber es ist dies immer ein gewagtes Up« ternehmen. Sicher ist es, man geht direkt vom Gr o b l a f l i e ß zur Kanncmühle und von hier, der Mühlspree folgend, zum G a st- Haus Eiche. Unvergeßliche Bilder treten an diesem Wegstück dem Wanderer entgegen; dieser Teil, der Hochwald, gilt als der schönste des Spreewaldes. Der Wiesenweg nach Burg- Dorf ist von hier aus(Eiche) nicht zu oersehlen. Auf Wegweiser und Zeichen achtend, gelangt man am Gasthaus zum grünen Baum vorüber nach IM Stunde Marsch im Dorfe Burg an.
böschung über. Die Erlen verschwinden und überall tritt uns als Charakteristikum des Sandbodens die Kiefer entgegen. Inmitten dieser sandigen Dünen liegt als alter Reliktensee aus der Eiszeit der groß« See von Byleguhre einsam im Woldesfrieden. Nur an seiner Abflußstelle zeigt er seine Verbindung mit dem Spreetal . Haben wir da» folgende Stück Kiefernwald durchschritten, so sehen wir links am Waldesrande, etwa 300 Meter von der Chaussee entfernt, die berühmt« F l o.r« n t i er« i ch e, ein Naturdenkmal von seltener Schönheit. Sicher zählt diese Eiche mit zu den größten und ältesten unseres Vaterlandes. Wir scheuen daher den Umweg nicht und suchen sie auf. In einer Höh« von 25 Zentimeter beträgt ihr Umfang 12 Meter und in Manneshöhe noch g Meter. Nach Straupitz ist es nicht mehr weit zu wandern, in einer halben Stunde können wir den Bahnhof erreicht haben. Der letzte Zug nach Lübben , der dort An- schluß nach Berlin und Cottbus hat, fährt in Richtung Lübben abends 7 Uhr 36 Min. ab, und von Straupitz direkt nach Cottbus 6 Uhr 17 Min. Wenn wir aber noch Zeit haben, steigen wir aus den Straupitzer Weinberg. Von diesem 89 Meter hohen Berg können wir das ganze Sprecwaldtal überblicken. Wer am nächsten Tage noch eine weitere Fußtour, vielleicht die schönste im ganzen Spreewald, unternehmen will, wird in Siraupitz übernachten. Für Schüler ist die, eine Stunde entfernt, in Alt-Zauche befindliche Schülerherbcrg« zu empfehlen. von Straupitz bis vurg-dorf. Der Weg von Straupitz nach Alt-Zauche führt über Neu-Zauchc und Wußwergk am Rands des Sprccwaldes entlang; auf der einen Seit« das sumpfige Spreewaldtal, mit seinen
praktifiher Iorstscbuh. Seit einiger Zeit ist die O b e r f ö r ste re i Friedrichs- Hagen in dankenswerter Weis« dazu übergegangen, allgemeine Forst Wanderungen zu veranstalten, um so praktisch den Forstschutz demonstrieren zu können. Als gestern da? Wald- gebiet Grünau besucht werden sollte, hatte sich«ine<>roßs Teilnehinerzahl eingefunden. Leider beginnen diese Führunzen bereits um 4 Uhr, so daß die meisten Werktätigen diese nicht mit- macheu können. Vielleicht kann man hier in Zukunft eine klein« Aenderung eintreten lassen und setzt die Führung um 5 Uhr an. In einleitenden Worten wies der Führer, Oberförster Mudra , daraus hin, daß wohl die verschiedenen Insekten, so z. B. die F o r l- e u l e, den Bestand des Waldes gefährden. Doch der schlimm st« Feind der Natur ist immer noch der Mensch.. Vom Natirr- schütz wissen die meisten nur wenig, und sie Hausen in Wald und Feld ofr wie die Vandalen. Diesem Treiben Einhalt zu gebieten, muß Aufgabe eines jeden einzelnen sein. Unter anderem zeigte Oberförster Mudra Pflanz- garten. Bis zum Jahre 1917 war dieser Garten von einem Stacheldrahtzaun umgeben, der dann niedergelegt wurde. Abe« schon 1919 mußte er wieder aufgerichtet werden. Der „Schönheitssinn" der Auchausflügler wollte es so und konnte nicht ohne Stacheldraht auskommen. Aber auch dort, wo Verschünarullgs- platze mit Draht umzogen sind, wüten manche Ausflügler. Jung« Birken werden unbarmherzig geknickt, Blumen zertreten ujw. Dickungen, die wir nicht umzäunt haben, lzaben schöne Wege, damit derjenige, der hinein will, weiter keinen Schaden anrichten kann. Doch was tut der sogenannte Erholungssuchend«? Er schafft sich schnurstracks Extraweg« und tritt dabei den Boden fest. Uni! die Folge? Die Pflanzen und Slräuchsr leiden an Luftmangel unk gehen so nach und nach«in.— Auch über Waldbrände ba< kamen die Teilnehmer Interessantes zu hören. Unser Klima führt sehr selten zur Selbstentzündung von Grasfiächen und Baumbeständen. Vielmehr sind es hier wieder die wilden Wander- vögel, die es nicht für nötig halten, nach dem Abkoche:! das Feuer zu löschen. Oft aber sind auch Racheakte die 1ir< fache großzr Waldbrände. Es ist vorgekommen, daß jemand mit der Forstbeamten zusammengeraten ist, und zwar so, daß eine reg?!- rechte Feindschaft daraus entstand. Aus Rache versucht der Bo- treffende einen Waldbrand in Szene zu setzen. Plötzlich brennt es an vier Stellen zugleich. Der Forstbeamte wird viel Arbeit haben, um den Brand zu löschen, ober einen persönlichen Schaden hat er nicht davon. Hierbei mag erwähnt werden, daß oft das
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Nachdem er die Loreley über eine Viertelstunde gedehnt hatte, kam die Witwe wieder in den Hof, Kuchen, Brot und eine Tüte mit Früchten in der Hand. Andreas dankte. Die Witwe sagte:„Mein Name ist Blumich, geborene Menz. Kommen Sie nach dem Leichenbegängnis wieder." Andreas fand, daß es angemessen sei, ihr die Hand zu drücken. Er tat es, ihre geschlossene Faust mit seinen Fingern umspannend, und sagte:„Mein Beileid, Frau Blumich." An diesem Tage spielte er nicht mehr. Er begab sich zu einer Bank vor der Kirche, verzehrte den Kuchen und das Obst und verwahrte das Brot im Sack. Später, als gewöhnlich kam er nach Hause. Willi hatte schon längst das Bedürfnis ge- fühlt, sich im Bett auszustrecken und wartete nur noch aus Furcht, daß er einschlafen und später geweckt werden könnte, um aus dem Bett zu steigen und„dem Krüppel" die gc- schlossene Tür zu öffnen. Als Andreas das Zimmer betrat, erwiderte Willi den Gruß nicht. Das tat Andreas leid. Es war ein Tag, an dem er eine große Güte für Willi empfand) Er holte den Spirituskocher hervor, um seinen Tee zu bereiten. Willi ärgerte die Schweigsamkeit. Er hätte gerne mit An- dreas gestritten. Deshalb sagte er;„Wenn Du morgen wieder so spät kommst, zerschmettere ich Deinen Kasten. Du mußt pünktlich kommen! Ordnung muß sein!" Andreas aber war gerade heute nicht leicht zu erzürnen. Er lächelte Willi an, legte das Brot auf den Tisch und sagte höflich, mit der Ga- lonterie eines Mannes von Welt:„Bedienen Sie sich, Herr Willi." „Daß Du mir aber pünktlich zu Hause bist!" sagte Willi und setzte sich an den Tisch. Eigentlich ein lustiger Bruder!— dachte er und war bereits versöhnt. Er hatte noch eine Wurst vom letzten Spaziergang. Sie hing an einem Nagel über dem Bett. Sachte nahm er sie herab, brach sie in der Mitte ent- zwei und gab die Hälfte Andreas. „Ich habe heute eine Frau kennen gelernt," drängte es Andreas zu sagen. „Gratuliere!" sagte Willi. „Eine Witwe, namens Blumich." „Jung?" „Ja. jung." .v.„Glückskind!" ,Ahr Mann ist gesteM gestoichen,"
„Und schon—?" „Nein!" „Beeil' Dich, Freund! Witwen warten nicht lange!" Dieses Wort merkte sich Andreas. Er war nicht gesonnen, Willi als einen hervorragenden Menschen zu schätzen, aber er gab zu, daß Leute dieses Schlages bessere Frauenkcnner waren und eine Menge Erfahrungen gesammelt hatten. Vielleicht wäre es nützlich, ja, sogar aus Schicklichkeitsgründen not- wendig, am Leichenzug teilzunehmen? Vielleicht aber schickte es sich auch nicht wegen der Nachbarn— und auch der Frau Blumich war es gar nicht recht? Es schmerzte ihn fast, daß er ihren Vornamen nicht kannte. Er mußte sie in innigem Gedenken„Frau Blumich" nennen und fühlte, daß sie ihm längst keine Fremde mehr war. Je länger er an sie dachte, desto vertrauter war sie ihm. Kein Mensch auf Erden stand ihm so nahe, wie sie. Niemandem glaubte er so nahe zu sein, wie ihr, obwohl er keine Beweise dafür hatte. Denn war es nicht der Schmerz um den eben verloren gegangenen Gatten gewesen, dem er, Andreas, ihre Bekanntschaft und ihre Freundlichkeit zu verdanken hatte? Vergaß eine Frau so leicht? Und— vermochte sie es, war sie noch wertvoll? Wer kannte die Frauen? Wer weiß, wie lange ihr Mann krank gewesen war, ein lebender Leichnam? Wie lange die Arme ihre natürliche Lebensfreude hatte hemmen müssen? Andreas wurde von Mitleid geschüttelt. Auch heute ließ er eine Augenlidspalte offen und sein Blick angelte nach der Brust des Mädchens. Aber kein Neid erfaßte ihn, sondern nur der Wunsch, zu vergleichen. Jene kurzen Augenblicke im Hof hatten genügt, um ihm eine Vor- stellung von der körperlichen Beschaffenheit der Frau Blumich zu vermitteln. Ach, sie war stämmig und man sah, wie das knappe Kleid ihre widerspenstig strotzenden Brüste gleichsam im Kampf bändigen mußte; wie sich ihre Hüften breit und versprechend, kraftvoll und wollüstig gegen das Mieder stemmten; wie alles gesunde Fülle war und gar nichts über- flüssig. Ein Strom von Leben und Lust kam aus ihren warmen Händen und wie zwei kecke Wünsche waren ihre braunen, ein wenig rotgeweinten Augen. War ein Mann wie Andreas einer solchen Frau eben- bürtig? Was gab er ihr? Gesund konnte man ihn wohl nennen, obwohl das fehlende Bein manchmal, vor den Regen- tagen, schmerzte. Das ober hing mit dein schlechten Leben zusammen. Er war stramm, er hatte breite Schultern, eine imponierend schmale und knöcherne Nase, schwellende Muskeln, dichtes braunetz Haar und, xvenn er nur wollte und. sein An-
gesicht straffte, den kühnen Adlerbilck eines Kriegsmannes, besonders, wenn der dunkle, noch lange nicht graue Schnurr- bart nach beiden Enden hin flott gezogen war und mit Vaseline gefettet. Auch war er in Dingen der Liebe kein unerfahrener Knabe mehr, und gerade jetzt, nach langer Enthaltsamkeit, von vielversprechender'Manneskrast gefüllt. Er war der Mann, eine anspruchsvolle Witwe zufriedenzustellen. Mit diesen stolzen Gedanken schlief- Andreas ein, mit ihnen wachte er auf. Zum erstenmal, nach langer Zeit, blickt« er beim Ankleiden ausdauernd und peinlich genau in einen 0 Spiegel, wie vor dem Appell in der Militärzeit. Das metallen« Kreuz hauchte er an und rieb es am Aermel blank, so daß a möglichst strahlend wurde. Dreimal setzte er den Kamm ein, ehe er die gerade Linie des Scheitels gefunden hatte. Sein erster Weg führte in die Pestalozzistraße. Unterwegs fiel ihm ein, daß er sich nicht oft genug rasieren ließ. An zwei Tagen in der Woche, Freitag und Dienstag, pflegte er die Lehrlingsschule der Barbiere aufzusuchen, wo die Lehrlinge schmerzhaft, aber umsonst die Bärte kratzten. Diese Lehrlingsschule sowie die Uebung, sich nur zweimal wöchentlich rasieren zu lassen, erschienen Andreas unwürdig ein/s Mannes, der gesonnen war, dauernden und erfolg- reichen Eindruck auf eine schmucke Witwe zu machen. Und jener siegreiche Leichtsinn, dem wir selig unterliegen, wenn wir einer Eroberung sicher sind, ergriff auch Andreas Pum gewaltsam und ward stärker als seine sonst so wachsame Be- sonnenheit. Andreas begab sich in eine Barbierstube, die sich nicht mit Unrecht: Frisiersalon nannte und begegnete, obwohl sein Leierkasten ein wenig Verwunderung hätte erregen müssen, dennoch derselben herzlichen und warmen Höflichkeit, die allen Eintretenden aus den Frifeurläden wie eins milde Frühlingsluft entgegenströmt. Er sah sich im Spiegel, das Gesicht weißbestäubt von Puder, seinen Scheitel glänzend von Oel , und den vornehmen Dust, der von ihm selbst ausging, atmete er mit stolzem Be- Hägen. Der Entschluß, die Lehrlingsschule überhaupt nicht mehr, dafür aber diverse Friseurläden um so häufiger zu be- suchen, wuchs in ihm unerschütterlich. Er straffte die Kopf- haut, die Stirn, rief die zwei kleinen imponierenden Falten an der Nasenwurzel hervor und brachte so den Adlerb-'ick zustande, den er immer in den entscheidenden Augenblicken seiner mili- tärischcn Lausbahn angelegt hatte. Dann gelang es ihm mit einer solch vornehmen Bewegung den Leierkasten umzuhängen, daß er fast einem Rechnungsfeldwebel glich, der seinen Säbel umschnallt,(Fortsetzung folgt.)