Nr. 36841. Jahrgang
Beilage des Vorwärts
Museen, an denen man vorübergeht.
Die Sammlung für deutsche Volkskunde.
Bon Museen, die zu wenig bekannt sind und von wenigen be-| sucht werden, war hier wiederholt die Rede. Die Sammlung für deutsche Volkskunde aber in der Klosterstraße 36 liegt so im Verborgenen und Vergessenen, daß sie mit Ausnahme von ein paar Eingeweihten, Fachgelehrten und Kunstbefüiffenen überhaupt niemand fennt. Spricht man vom Trachtenmuseum, wählt man den volk3= tümlicheren Namen für die Sammlung, dann findet man wohl den und jenen, der davon schon gehört hat, ohne freilich zu wissen, was das ist und wo es ist. Will man aber Kultur und Kulturgeschichte der verschiedensten deutschen Stämme aus den verschiedensten Zeiten fennenlernen, will man wissen, wie der Bauer und der Bürger dereinst gelebt und woran sie ihre Herzen gehängt haben, dann gibt es zu dieser Kenntnis feinen besseren Weg und kein leicht feßlicheres Mittel als einen Besuch der Sammlung für deutsche Bolkskunde. Unter dem Namen„ Museum für deutsche Voltstrachten und Erzeugnisse des Hausgewerbes" wurde 1889 das Museum aus privaten Mitteln gegründet, 1904 wurde die Sammlung vom Staat übernommen und 1906 bedeutend erweitert. Die Entstehungszett der meisten Trachten ist das 19. Jahrhundert, Möbel und Geräte reichen zum Teil bis in das 15. Jahrhundert zurück..
Die Volkstrachten.
In übersichtlicher Weise aufgestellt und geordnet, bekommt der Besucher zunächst einen guten Einblick in die zum Teil sehr eigenarligen und heute bereits ausgestorbenen Trachten der Bewohner einzelner Provinzen. Bei der Betrachtung der Schau aus Ostpreußen vnd Pommern fann man leicht erkennen, daß sich die Bevölkerung diefer Gegenden zwar vielfach mit den verschiedenen Eroberern vermischt hat, daß aber im Hausbau sich die Spuren der rein gebliebenen Stämme erhalten haben. Hier hat man auch litauische Trachten ausgestellt, die heute, ebenso wie die Trachten von Rügen und Jasmund bei Röslin, im steben Rückgang begriffen sind, also einen außerordentlich seltenen Besit darstellen. Für die bekannte Freiheitsliebe und Bodenständigkeit der Friesen zeugen auch die Trachten, die seltsam geformten Geräte, eigenartigen Holzschnigereien und die Schmucksachen des Landvolkes. Besonders charakteristisch ist sodann auch die Tracht der Vierländer sowie ihre Möbel mit hellen und dunklen Einlagemustern. Lange und interessiert verweilt man wohl auch vor den braunschweigischen Frauentrachten mit den vielen und reich bestickten Schmuckbändern, den schmarzen Bandhauben und dem faltigen roten Rock. Ein sehr feltenes und eigenartiges Stück ist das sogenannte Hungertuch aus der Kirche von Telgte bei Münster aus dem Jahr 1623. Es wurde während der Passionsmoche zur Schau gestellt und am Karfreitag herabgenommen. Auf 33 schachbrettartigen Feldern ist die Lebens- und Leidensgeschichte Christi eingestickt sowie eine Reihe alttestamentlicher Geschichten. Aus Hessen fallen die merkwürdig gefügten Raftentische und die originellen Brautstühle auf. Gehr bunt und doch harmonisch muten die altenburgischen Bolfstrachten an, während aus der Mark die allgemein be
hat man mehrere fomplette Stuben mit allem Hausrat ausgestellt. Auf diese Weise kann sich der Beschauer am besten und leichtesten hineinversehen in alle Eigenarten, Lebensgewohnheiten und BeWinterküche dar, die zugleich als Hauptwohnraum und Schlafftube dürfnisse der betreffenden Menschen. Die ostfriesische Stube stellt eine dient. Der Fußboden ist mit Ziegeln ausgelegt, die Wände bestehen aus holländischen Fliesen. An der hölzernen Dede bemerkt man ein Gerüst zum Trodnen von Fleisch und Gartenfrüchten. Zum
Hessen
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SachsenAltenburg
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Bayern
uns die Tracht der Braut und ihrer Begleiterinnen sowie die felt- Schlafen dienen Alkoven, die mit Gardinen verhangen sind. Ueber famen Strohhutformen der Schwarzwaldbauern. Aus Württemberg dem eigentümlichen Klapptisch hängt eine kleine Tranlampe. Nun, fieht man die große Radhaube und die flachrunden Frauenmühchen. eine besonders gute und reine Luft mag ja wohl in diesem Raum, Ein sehr seltenes Stück ist der prächtige bayerische Hochzeitswagen Die Holzstube des Rifengebirges stammt aus der Gegend von Hirsch in dem sich eine zahlreiche Familie aufhält, nicht geherrscht haben. mit den reich und originell bemalten Bauernmöbeln von 1785 aus der Gegend von Tegernsee . Er führt uns den in Deutschland went berg . Auch hier lebt, schläft und tocht man im Winter. Auffallend rerbreiteten Volfsbrauch der festlich prunfvollen lleberführung des ist namentlich das Himmelbett mit altertümlichem Leinenzeug, das Heiratsgutes der Braut vor Augen. Hinten steht der wohlgefüllte mit Darstellungen aus der biblischen Geschichte oder mit Abbildungen geschmückt ist, die sich auf Liebe und Ehe beziehen. Die Spreewälder Leinenschrank mit selbstgesponnenem Flachs, auf dem Bettrand uno an der Schrankhinterwand find die für den Hausaltar, den„ Herr- Bauernftube aus dem Dorfe Lehde dürfte allgemeiner befannt sein. gottswinkel" der Wohnstube, bestimmten Schnitzereien und Bilder Auch hier überragt fast alles das gewaltige Himmelbett mit den verschiedensten Malereien und Darstellungen. In der Elfäffer angebracht. Bauernstube steht eine sehr schöne Standuhr von einem Straßburger Meister. Hier ist man überhaupt schon kultivierter, was die Spiegel on den Wänden und die sauber gehäkelten Decken auf den Tischen beweisen. In der Schweizer Stube aus dem Jahr 1644 fällt die
Bauernstuben.
Um einen umfassenden und zugleich vergleichenden Einblick zu erhalten von dem Leben der Leute in den verschiedenen Provinzen
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Dann tamen die trüben, die regnerischen, die falten Tage. Nur am Vormittag geht Andreas in die Höfe spielen. Ihn friert nicht. Ihn durchnäßt der zudringliche Regen nicht. Er trauert nicht um die wolfenverhangene Sonne. Dant feiner neuen, unten fantig gehobelten Krücke gleitet er niemals auf schlüpfrigem Pflaster. Hart an den Borden der Bürgersteige geht er und vor ihm führt Muli, der kleine Esel, den Kasten auf seinem Handwagen. Alles ist Andeas' eigenes Gut. Nun denkt er schon an einen Papagei mit grünen und roten Losen für den Frühling. Kinder und Erwachsene sehen ihm nach. Troz der Kälte regnet es Geld aus allen Fenstern, in allen Höfen. Trotz der Kälte greifen Passanten in die verborge nen Taschen. Alle- nicht alle, aber viele kennen ihn. Was fehlt Andreas Bum?
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Er liebte alles in der Welt und besonders zwei- sind es Dinge oder Menschen? Sie gehören zusammen und find nicht von einer Gattung. Andreas liebte Anni und Muli, das Kind und den Esel.
Dem Esel hatte er einen fleinen Stall im Hofe gebaut. In der Nacht denkt er manchmal daran, daß Muli friert. Am nächsten Tag will er mehr Stroh in den Stall tun.
Plakate sind an den Litfaßsäulen zu sehen. Die Invaliden sind wieder einmal unzufrieden. Heiden, die sie sind! ,, Kameraden!" schreien die Plakate. Die Regierung! Die Regierung! Sie wollen die Regierung abschaffen! Ihn, Andreas Bum, fonnte man nicht für derlei Dinge haben. Er machte teinen Radau, er war ein ruhiger Mensch, er verachtete Kartenspieler, Trinker und Rebellen.
Mit dieser Verachtung im Herzen hätte Andreas Bum alle die langen oder kurzen Jahre leben können, die ihm vom Schicksal zugedacht waren, mit dieser Berachtung im Herzen, in dieser warmen, guten Behaglichkeit, in dieser vollendeten Harmonie mit den irdischen und göttlichen Gefeßen, den Briestern ebenso nahe, wie den Beamten der Regierung-- wenn nicht ein ganz fremder Mann in Andreas Bums Leben getreten wäre, um es zu vernichten, nicht mit dem Willen zum Bösesein, sondern von der Blindheit des Zufalls dazu gezwungen, ein unwissendes Mittel in der Hand des Teufels, der manchmal die göttliche Regierung unterbricht, ohne daß mir es ahnen; so, daß wir noch in der tröstlichen Gewißheit, daß ein Gott über uns wacht, unsere stummen Gebete zu ihm hinauffenden, und uns wundern, wenn sie nicht erhört
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werden. Der Mann, dem Andreas sein Unglück zu verdanken| hatte, war der Posamenteriehändler Arnold, von der Firma Arnold u. Hahn.
7.
Herr Arnold war groß, gesund, satt und dennoch unzufrieden. Das Geschäft florierte. Daheim wartete seiner eine treue Gattin, die ihm zwei Kinder geboren hatte: einen Knaben und ein Mädchen, genau so, wie er es sich gewünscht. Seine Anzüge saßen gut, seine Krawatten waren immer modern, seine Taschenuhr ging richtig, sein Tag war mit einer wohltätigen Genauigkeit eingeteilt. Keine unangenehme Ueberraschung fonnte ihm die milde Ordnung seines Lebens stören. Es schien fast ausgeschlossen, daß ihm je eine Morgenpost den peinlichen Bettelbrief eines unbegüterten Verwandten bringen würde. Er hatte keine armen Verwandten. Er stammte aus einer wohlhabenden Familie, in der. es feine Swiftigkeiten gab. Alle ihre Mitglieder einte eine verföhnende Sorglosigkeit und eine verwandte Art, die Welt zu sehen, die Politik zu beurteilen, den persönlichen Geschmack zu zeigen, die jeweils herrschende Mode zu kritisieren oder mitzumachen. Im Hause Arnolds gab es nicht einmal jene häuslichen Kümmernisse, deren Ursachen gewöhnlich in einem mißratenen Leibgericht zu fuchen sind. Sogar die Kinder lernten gut, benahmen sich züchtig und schienen zu wissen, welche Verantwortung sie dem Namen ihres Vaters und seiner nicht unerheblichen Abstammung schuldig waren.
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Dennoch litt Herr Arnold an einer chronischen und wie man sieht unbegründeten Unzufriedenheit. Er selbst wußte freilich Gründe genug. Einerseits regten ihn die Zeit verhältnisse auf. Er hatte von seinen Ahnen einen ausgeprägten Sinn für Ordnung geerbt und ihm war, als gingen die Tendenzen der Gegenwart dahin, diverse Ordnungen zu stören. Andererseits näherte er sich jenem Alter eines Familienvaters, in dem eine weibliche Abwechselung zur Erhaltung des inneren Gleichgewichts nötig wird. Dieser Liebesdrang aber verursachte eine gewisse Unsicherheit, welche die Ordnung des Tags und noch mehr der Nacht zu sprengen drohte und teilte sich allmählich der ganzen Tätigkeit des Herrn Arnold mit, beeinflußte die großen Abschlüsse und sogar die Erledigung der Korrespondenz; insbesondere diese, gar die Erledigung der Korrespondenz; insbesondere diese, meil Arnold die Briefe der jungen Veronika Lenz, die geradezu absichtlich diesen Namen trug, zu diftieren pflegte. Unbezweifelbar männlich waren alle anderen Merkmale der Arnoldschen Körperlichkeit. Schritt er, Briefe diftierend, durchs Bimmer, so feufate die Diele unter seiner fräftigen Sohle. Er hatte die Gewohnheit, mit vorgeneigtem Körper, die Hände in den Rocktaschen, auf einem Fuß eine Weile lang
Donnerstag, 7. August 1924
Wandvertäfelung mit Bufetteinrichtung auf. Der Ofen in der Ecke zeigt auf den einzelnen Kacheln Darstellungen der zwölf Monate in ihrer Bedeutung für die Landwirtschaft. Von Desterreich geben Kunde drei zusammenhängende Räume nach dem Muster alter Bauernhäuser im Innviertel bei Braunau in Oberösterreich . Da ist zu sehen Küche mit allen Gerätschaften, Stube und Speisekammer mit dem mächtigen Backofen. Etwas sehr Eigenartiges stellt der Schrank dar, der sich auf der sogenannten Hühner= stiege befindet. Diese Einrichtung dient zur bequemen Fütterung des Geflügels und hat eine Deffnung in der Hauswand am Hof, die durch einen Kloh geschlossen werden kann. Endlich seien hier noch westfriesischen Städtchen Hindeloop, die viele außerordentlich merkerwähnt die Hindeloopener Stube aus dem Jahr 1808 aus dem würdige Dinge aufweist, und die Lüneburger Stube. Diese Stube enthält eine reiche Sammlung von deutschen Zunftaltertümern des 18. und 19. Jahrhunderts.
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Aus dieser kurzen Zusammenstellung, die natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, kann man bereits erkennen, welch eine Fülle des Sehenswerten in dem Museum in der Klosterstr. 36 zusammengetragen ist, das täglich, außer Dienstag, von 9-3 Uhr geöffnet ist.
„ Die unsittlichen Berührungspunkte".
Verbrecher und Kriminalbeamte.
Unter größten Vorsichtsmaßregeln wurde eine Gruppe von Schwerverbrechern dem großen Schöffengericht Schöneberg vorgeführt, um sich wegen eines Einbruchsdiebstahls, der im Juni in eine Schokoladenhandlung in Friedenau verübt worden war, zu verantworten. Die Hauptangeklagten, der Handlungsgehilfe Johann Rogalla, der Schlosser Emil Bahnke und der Tischler Richard Magte wurden aus der Strafhaft vorgeführt. Die Verhandlung gestaltete sich sehr erregt, da die Angeklagten sich äußerst lär= mend benahmen und sich in heftigsten Angriffen gegen den Kriminalbeamten ergingen, der sie als die Täter ermittelt hatte.
Während die übrigen Angeklagten, zu denen auch noch als Hehler der schon wegen schweren Diebstahls erheblich vorbestrafte Werkmeister Hielscher und der Schreibmaschinenhändler Kraut gehörten, durch die Rechtsanwälte Arons, Dr. Mag Kantorowicz und Dr. Th. Ahrens verteidigt wurden, war Rogalla, der den Einbruch ausgeheckt haben soll, ohne Verteidiger. Jm barschen Tone verlangte er, daß ihm ein Verteidiger gestellt würde. Als der Vorsitzende, Landgerichtsrat hartung, darauf nicht einging, erklärte er: Dann werde ich die Konsequenzen ziehen und gar nichts sagen. Die Verhandlung darf nicht stattfinden. Der Vorsitzende drohte dem immer ungebärdiger werdenden Angeklagten, daß das Gericht schon Mittel finden werde, auch mit ihm fertig zu werden. Angefl.: Ach so, also darauf wollen Sie hinaus, mich wieder ungerecht zu verurteilen, wie schon so oft." Vors.:„ Sie haben allerdings schon genug Borstrafen erlitten, im ganzen zwölf." Angefl.: Das ist mein Better und nicht ich. Ich bestreite alles. Ich habe mit der Sache nichts zu tun und muß einen Verteidiger haben." Der Angeklagte Hahnte will auch seine Borstrafen nicht hören, es genüge, daß er sie im Kopfe habe. Die Verlesung des umfangreichen Strafregisters diefes Angeklagten nimmt eine geraume Zeit in Anspruch. Zur Sache felbft erklärte der Angeklagte:" Wat soll ick für eine Erklärung abbestreiten."
haben doch alles zugestanden und dem Kriminalbeamten erzählt, daß der Einbruch von Rogalla ausgeheckt und zusammen mit Ihnen vor diesem verübt war. Außerdem haben Sie alle Beteiligten angegeben und waren sogar behilflich bei der Festnahme derselben." Angefl.: " Das habe ich nur getan, weil der Kriminalassistent Bilz fagte: nur kommen, mit dem werde ich noch abfahren." „ Wenn du alles erzählst, dann lasse ich dich fligen." Der Bilz foll Angefl. Ro= galla( in großer Wut):„ Der Bilz ist selbst der größte Verbrecher und will sich mit solchen Sachen bei seiner Behörde nur rehabilitieren". Bors.:„ Ich denke Sie wollen nichts sagen." Angefl.: Mit dem Bilz ist es etwas anderes, mit dem muß ich noch abrechnen, der bringt uns ins Gefängnis und dann poussiert er mit unseren Frauen und Bräuten. Ich bitte aber erst um etwas zu trinken." Als der Vorsitzende dem Justizwachtmeister Anweisung gibt, dem Angeklagten ein Glas Wasser zu reichen, ruft dieser: Laufen Sie mal rüber in die Kneipe und holen Sie mir einen Rognat, aber ein großes Glas." Bors.:„ Unterlassen Sie solche unpassenden Redensarten." Ange Pl.:,,Entschuldigen Sie, aber ich
stehen zu bleiben und mit der Spize des anderen den Teppich zu berühren, so, daß er von ferne an die Stellung einer Statue gemahnte, die einen eilenden Mann in einem be= stimmten Moment seines Laufes festhält. Erst nach zwei oder drei Sekunden berührte die Ferse des anderen Fußes den Boden. Die Schritte waren gewaltsam breit und raumfreffend. Das Dittat flang streng, und der Stil der Briefe erinnerte, auch wenn sie Höflichkeiten enthielten, an Rügen und Verweise. Obwohl Herr Arnold bereits seit mehr als zehn Jahren für die Firma Briefe zeichnete, bereitete ihm feine Unterschrift doch immer neue Freude. Denn sie war, und wurde sie auch noch so oft gegeben, wie eine Bestätigung der Arnoldschen Macht und rein als graphische Erscheinung ein imponierendes Ornament. Deshalb verrichtete er seine Unterschriften in einer atemraubenden Stille, schnell und dennoch sorgsam, in der Linken die Löschwiege, als ein Mittel, die scharfe Wirkung des tintenfeuchten Namens zu beschwichtigen.
Indessen stand Veronika Lenz hinter seinem Stuhl und bezauberte ihren Herrn, ohne es zu wollen. Es war gewiß, daß sie keine anderen Absichten hegte, als die Korrespondenz gewissenhaft zu erledigen und die Stätte ihrer Arbeit schnell zu verlassen. Aber gerade daran zweifelte Herr Arnold. Denn so wenig er auch sonst vom Leben der jungen Mädchen dieser Beit wußte, so viel schien ihm doch sicher: daß jemand, der so gut wie verlobt war, noch keine Braut genannt werden konnte. Diese Bezeichnung allein hätte ihn mit jenem distanzierenden Schauder erfüllt, den wir den geweihten und heiligen Namen gegenüber empfinden. An sündhafte Beziehungen zu fremden Brauten dürfen wir nicht einmal im Traum denken. Es gleicht fast einem Ehebruch. Einem Raub fremden Gutes. Einem tüctischen Diebstahl. Wir aber leben in einer Welt, in der das Eigentum des Nächsten geschont werden muß. Wo kämen wir denn sonst hin!
Nun war Fräulein Lenz allerdings so gut wie verlobt. Dennoch hätte sich ein in den Dingen der Verführung mehr geübter Mann durch diese Tatsache nicht abhalten lassen. Gerade die mangelnde Uebung hatte bis jetzt den Herrn Arnold ausgezeichnet, feine Solidität unterstüßt, seinen Ruf begründet und ihm die Kraft gegeben, sich gegen die zersetzenden Erscheinungen des gegenwärtigen Lebens zu empören. Ach! wie bangte ihm vor dem Tag, an dem er sich in den traurigsten Widerspruch zu seiner ganzen Eristenz bringen würde, und wie sehnte er diesen Tag herbei! Bie mußte er sich stündlich vor sich selbst, vor seiner Umgebung, seinem Kompagnon, feiner Frau und seinen Kindern in acht nehmen. Und wie schwen ( Fortsetzung folgt. fiel es ihm!