Abendausgabe
Nr. 415 41. Jahrgang Ausgabe B Nr. 208
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5 Goldpfennig
Vorwärts
Berliner Dolksblatt
50 Milliarden
Mittwoch
3. September 1924
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Garantiepakt und Abrüstung.
Paris , 3. September. ( TU.) Der Sonderberichterstatter des Echo de Paris" in Genf meldet, Herriot werde während seines Genfer Aufenthalts vor dem Völkerbundsrat das nachstehende Programm im Namen der französischen Regierung verleidigen:
1. Die in Frage kommenden Staaten fönnen eine Einschränkung Ihrer Rüstungen nur in Erwägung ziehen, wenn das Sicherungsproblem gelöst iſt.
2. Eine internationale Konferenz, die außerhalb des Bölkerbundes pinberufen wird und sich lediglich entsprechend der Washingtoner Konferenz die Einschränkung der Rüstungen zum Ziele fezt, würde teinem nühltchen Zweck entsprechen.
3. Das Abkommen über die gegenseitige Unterstützung fann nur bann wirksam sein, wenn es die Möglichkeit von Zusatzverträgen zwischen den einzelnen Staaten oder bestimmten Mächtegruppen betehen läßt.
4. Unter diefm Borbehalt fann das schiedsrichterliche Verfahren zur Berhütung etwaiger Konflikte zu großer Geltung gelangen. Die Rinwendung des Schiedsspruches, die dazu dienen kann, Konflikte zu perhüten oder sie zu beseitigen, sei jedoch wertlos, wenn es sich darum handele, einen Angreifer aufzuhalten oder zurückzudrängen.
Der abgeänderte amerikanische Entwurf. Davis, 3. September. ( Tul.) Die amerikanischen Verfasser des Entwurfs für die Verträge der gegenseitigen Unterstützung haben fich zu gewißen Abänderungen entschlossen. In seiner neuen Fassung enthält der Entwurf statt 31 Paragraphen, die in fünf Teile gegliebert waren, vier getrennte Terte, ein Verbot des Angriffs Prieges und drei Entschließungen über die allgemeine Abrüftung. Die erste Entschließung greift auf die 1922 vom Böllerbund angenommenen Beschlüsse zurück, wonach sämtliche Nationen, mögen fie zum Böllerbund gehören oder nicht, aufgefordert werden, ihre Rüstungen zu bejchränten. Außerdem ist die Schaffung Don ent militarisierten 3onen auf dem Wege gegen feitiger Abmachungen vorgesehen und die Einberufung einer ständigen konsultativen Konferenz zur Beschränkung der Rüstungen. Die Konferenz wird zum mindesten alle drei Jahre zusammentreten und außerdem einen ständigen technischen Ausschuß ernennen. Die zweite Entschließung geht von Artikel 8 des Pattes aus, wonach die verschiedenen Staaten die Verpflichtung eingehen, einander in erschöpfendem Maße Angaben über die militärischen Rüstungen, ihre Kriegs industrie und Rüstungen zu Wasser und in der Luft mitzuteilen. Eine besondere Kommission wird beauftragt, den Nachrichtenaustausch
Aber setzt sie in die Ministersessel!
In der Deutschnationalen Partei herrscht heller Aufruhr. Die betrogenen gemeinen Parteifoldaten empören sich dagegen, als willenloses, verachtetes Werkzeug deutschnationaler Demagogie zu dienen. Bon allen Seiten hagelt es Mißtrauens erklärungen für die deutschnationale Parteileitung. Es bleibt nicht bei Mißtrauenserklärungen. Der Vorstand der Ortsgruppe Charlottenburg der Deutschnationalen Volks partei ist unter der Führung seines Vorsitzenden aus der Partei ausgetreten, um sich der Nationalsozia= listischen Freiheitspartei anzuschließen. Der Krach ist also im Gang.
In Hamburg hat die Deutschnationale Volkspartei einen außerordentlichen Landesparteitag mit nachfolgender öffentlicher Versammlung abgehalten. Darüber berichtet der Lokalanzeiger":
„ Es entwickelte sich ein lebhafter Meinungsaustausch, an dem fich besonders die Mitglieder der Hamburger Bürgerschaft beteiligten. Dabei trat der einmütige Wille zum entschiedenen Borgehen zu Tage. Zum Schluß stimmte die Berjammlung mit 500 gegen 2 Stimmen einer vom Vorsitzenden begründeten EntIchießung zu, die fich gegen die Stellungnahme der Fraktionsminderheit ausspricht und Einberufung des Parteitages
fordert."
Die Lübe der Parteileitung der Deutschnationalen erläßt gleichfalls eine scharfe Rundgebung gegen den gefaßten Berfchleierungsbefchluß", und der Landesvorstand Bommern , dem Herr Schlange Schöningen noch am 19. Auguft unter dem Titel„ um Ehre und Freiheit" eine donnernde Rede für die unbedingte Ablehnung gehalten hat, verlangt für die Bufunft„ eine so starke Führung, daß die Einheitlichkeit der Fraktion bei entscheidenden Abstimmungen gesichert ist". In der" Deutschen Zeitung" schreibt der Potsdamer Studienrat Philipp:
Die Führung hat verjagt. Ich habe seinerzeit die Politik des Herrn v. Heydebrand längst nicht immer gebilligt, aber das mußte ihm gelaffen werden: er war ein Führer. Erzellenz Hergt hat die Mitel nicht aufgebracht, die nötig sind, in fchidialsschwerer Stunde die Gefolgschaft zu zwingen. Wenn er nicht offen fagen wollte, ich garantiere nicht für die Einstimmigkeit der Fraktion, fo hätte er zum Fraktionszwang schreiten müffen. Dann wäre das Ergebnis vor der Abstimmung flar geworden und die Meinung der deutschnationalen Wähler hätte für das eine oder andere, für ja oder nein gewonnen werden können.
Nun war es wie ein Keulenschlag. Es wird viel Mühe fofton, die Partei zu beruhigen. Nun fommt, ihr Herren, ins Land und
flärt auf!
zwischen den einzelnen Ländern zu überwachen und außerdem zu gewissen Erhebungen zu schreiten. Die dritte Entschließung drückt eine Bestätigung des Gesetzes aus, wonach zwischen den einzelnen Ländern unter der Kontrolle des Völkerbundes gewisse endgültige 3usahabkommen getroffen werden dürfen.
Der amerikanische Entwurf sieht außerdem vor, daß der Völker. bundsrat nach Einholung eines Gutachtens der in Aussicht ge= nommenen Kontrollkommission auf die Bitte eines der Mitgliederstaaten zur Nachprüfung der Rüstungen der militärischen Vorbereitungen des Landes schreiten muß, das im Verdacht agressiver Absichten steht. Wenn der Völkerbundsrat den Standpunkt vertritt, daß eine militärische Bedrohung nicht vorliegt, so kann der antragstellende Staat nach vorhergehender Mitteilung seinerseits Vorbereitungen zu seiner Verteidigung treffen, muß aber innerhalb der von den Verträgen auferlegten Rüftungsbeschränkungen bleiben. Ovationen für Macdonald.
Genf , 3. September. ( WTB.) Macdonald ist heute vormittag 9 Uhr in Genf eingetroffen. Unter den zu seinem Empfang am Bahnhof erschienenen zahlreichen Delegierten Englands und der britischen Dominions befanden sich Lord Parmoor und Henderson, in deren Begleitung Macdonald, von der Menge mit oft wiederholten Hochrufen begrüßt, fich zu feinem Automobil begab. Macdonald fuhr fofort in das Hotel Beaurivage, wo die englische Delegation wohnt.
Die heutige Sihung.
Genf , 3. September. ( WTB.) An der heutigen Bormittagsigung nahmen Macdonald und Herriot teil. Beim Eintreten in den Saal begab sich Herriot fofort zu dem Plazz Macdonalds, der schon vor ihm eingetroffen war, und begrüßte ihn. Bersammlung und Tribünen brachen in lebhaftes Beifallklatschen aus. Präsident Motta eröffnete hierauf die Bersammlung, indem er den beiden Ministerpräsidenten einen herzlichen Willkommensgruß entbot und ihnen für das Interesse dankte, das fie dem Bölterbund entgegen brächten. Die durch ihren Besuch befundets Sympathie sei ein gutes Zeichen für die Arbeiten des Bölferbundes,
Hoehsch und Breitscheid nach Genf eingeladen. Paris , 3. September. ( TU.) Der Genfer Sonderberichterstatter der„ Ere Nouvelle" meldet, daß die Vertreter des französischen Universitätsverbandes die Abgeordneten hoefch und Breit scheid eingeladen haben, nach Genf zu kommen, um vor ihnen über ihre Auffassung von der Völkerbundsidee zu reden.
Brauns will ratifizieren!
Achtstundentag- nach Artikel 14.
Um 8. September wird in Bern eine Zusammenkunft des Reichsarbeitsministers Dr. Brauns mit den Arbeitsministern der großen europäischen Länder stattfinden. Auf dieser Zusammenkunft soll die Frage des Achtstundentages und der Ratifikation des Washingtoner Abkommens besprochen werden. Zur Erklärung seiner Stellung auf dieser der Konferenz veröffentlicht Reichsarbeitsminister Dr. Brauns in der nächsten Nummer des ,, Reichsarbeitsblattes" einen langen Auffah über die Frage der Ratifikation des Washingtoner Abkommens. Dieser Aufsatz enthält zugleich die formulierte Erklärung, die die Reichsregierung auf die sozialdemokratische Interpellation über die Ratifikation des Washingtoner Abkommens abzugeben gedenkt.
Aufsatz und Erklärung sind gegenüber der Haltung, die die deutsche Regierung bei den Verhandlungen des Internationalen Arbeitsamtes in Genf eingenommen hat, ein unperkennbarer Fortschritt. Herr Dr. Brauns hält es zwar immer noch für notwendig, seine Stellung zur Arbeitszeitfrage vom Dezember 1923 an, sowie die Fällung der SchiedsSprüche und Verbindlichkeitserklärungen zu verteidigen, durch die der Achtstundentag für rund die Hälfte der deutschen Arbeiter abgebaut worden ist. Man mag über die Motive des Reichsarbeitsministers in der Zeit der schlimmsten Inflations= nachwirkungen denken wie man willer wird selbst nicht bestreiten fönnen, daß seine Haltung dem reaktionär gefinnten Unternehmertum in Deutschland die Möglichkeit ge= geben hat, den Achtstundentag nicht aus vokswirtschaftlichen, fondern aus egoistisch sozialreaktionären Erwägungen heraus zu durchbrechen. Herr Dr. Brauns verteidigt weiter die Haltung der deutschen Regierung in Genf . Er hält es heute für nötig, mit aller Schärfe zu betonen, daß die deutsche Regierung feineswegs internationale Bereinbarungen über die Arbeitszeit ablehnen wolle. Schon diese Feststellung ist nach der blamablen Haltung der deutschen Regierung in Genf ein Fortschritt. Darüber hinaus aber erklärt nun namens der Reichsregierung der deutsche Reichsarbeitsminister:
Die Reichsregierung hat die Ratifitation des Uebereintommens von Washington über den Achtstundentag niemals grundsäglich abgelehnt. Die jeßige deutsche Gesetzgebung über die Arbeitszeit ist von der Reichsregierung ftets als eine Notgesetzgebung betrachtet und gekennzeichnet worden, an der sie von vornherein nicht länger festhalten wollte, als es die ganz außerordentlich schwierige Lage Deutschlands erfordert. Unsere Verluste, Lasten und Bindungen infolge des Krieges find so viel schwerer als die ader anderen großen Staaten, unfere wirtschaftliche Zukunft ist so ungeklärt, daß niemand von Deutschland ein Borangehen in der Frage der Ratifizierung erwarten fann. Das gilt um so mehr. Dieser Parteiführung, die nach dem Zeugnis der eigenen als der Inhalt des Uebereinkommens und demnach auch das Maß Freunde verjagt hat, soll nun gerade wegen dieses Ver- der Bindung bisher in Gesez und Praxis der einzelnen Länder eine fagens die Leitung der deutschen Reichsgefehr verschiedene Auslegung gefunden haben. Deutschland ist gern fchäfte anvertraut werden!
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Als
Inzwischen fommen die Herren und klären auf. ob sie das Wort vom Jena der Deutschnationalen Partei" bestätigen wollten, variieren sie in einem foeben erschienenen Flugblatt das Thema:" Der König Hergt hat eine Bataille verloren, jetzt ist Ruhe die erste Bürgerpflicht." Es genügt, aus der langatmigen Heulmeierei folgendes wiederzugeben:
Und deshalb nun teine Leichenreden mehr. Wer von verlorener Bataille", von Spaltung der Fraktion und Partei, von pernichteten Idealen und zerfeßten Fahnen daher schwäßt, verfündigt sich an der Aufgabe. Der entscheidende weg ist betreten, ein Zurück ist unmöglich oder bedeutet den Tod. Die Ausgangsstellung für den entscheidenden Rampf ist gewonnen. Mag fie nach den verschiedenen Ansichten falsch oder richtig gewählt fein, fie fann nun nicht mehr geändert werden oder der Kampf ist auf lange Jahre verloren, noch bevor er begonnen. Der Erfolg ist erreicht! Wo durch das verfchieden gerichtete Borgehen des frontalen und des um fassungsflügels die Reihen durcheinander gekommen sein sollten, da gilt es jetzt, nicht zu streiten, wessen Angriffsrichtung die enfcheidende und richtige gewesen ist. Nur durch das Zusammenwirken beider Teile ist der Erfolg erreicht. Jetzt gilt es viel mehr, die Reiben neu zu ordnen zum weiteren Rampf bis zum extscheidenden Siege.
Der wenig gemütvolle Berliner pflegt in solchen Fällen zu sagenn:„ So siehst du aus!" Interessant ist aber das Eingeständnis, daß der frontale Flügel" der Reinjager und der limfaffungsflügel" der Jasager nicht etwa aus ehrlicher Meinungsverschiedenheit auseinandergekommen sind, sondern nach einem verabredeten Plan gehandelt haben. Die Nein fager sollten vor den Wählern das Gesicht wahren, die Jafager den Eintritt in die Regierung erkaufen. Es war nicht nur ein schmutziges Geschäft, sondern auch die erbärmlichste Schmierenfomödie, die je gespielt worden ist.
Das Flugblait der offiziellen Führerschaft spricht selbst aus, daß der Mißerfolg dieser„ taktischen Operation", das heißt die Richterreichung der ersehnten Ministerposten, für die Partei den Tod bedeutet.
Sie hat ihn verdient!
Zuzug zu den Bölkischen. Die beiden Mitglieder der Fraktion Knüppelfunze, Stod und Knoth, haben ihren Beitritt ur nationalsozialistischen Reichstagsfraktion angemeldet. Alis„ Deutsch foziale" fommen sie ja auch nicht mehr wieder. Die Fraktion Sinüppeifunze ist damit auf zwei zusammengefchmolzen: ER felbft
und noch einer!
bereit, mit den übrigen in Betracht kommenden Staaten eine Berständigung hierüber herbeizuführen und würde sich in diesem Falle zu einer Ratifizierung des 28 ashingtoner Uebereinfommens bereit finden. Dabei muß die Reichsregierung als selbstverständlich voraussetzen. deß zur Berhütung außerordentlicher Gefährdung deutscher Lebensnotwendigkeiten der Artikel 14 des Washingtoner Abkommens
2nwendung findet.
Die deutsche Regierung ist nach dieser Erklärung grundfäßlich zur Ratifitation des Washingtomer blommens bereit. Die Frage des Borangehens Deutschlands in der Frage der Ratifikation scheint uns müßig, nachdem der englische und der französische Arbeitsminister bereits ihren Willen zur Ratifizierung klar ausgesprochen haben. Es wird in Bern ohne Schwierigkeit eine Berständigung gefunden werden, die der deutschen Regierung die Garantie gibt, daß die Ratifikation des Washingtoner Abkommens nicht von ihr allein, sondern auch von den großen Industrieländern des Westens vollzogen werden wird. Die andere Bedingung, die Herr Dr. Brauns an die Bereitwilligkeit der deutschen Regierung zur Ratifizierung fnüpft, erscheint uns jedoch bedenklich. Er möchte unverkennbar den Artikel 14 des Washingtoner Abkommens auf die gegenwärtige 2age Deutschlands anwenden. Der Artikel 14 des Washingtoner Abkommens sieht vor, daß die Bestimmungen des Abfommens im Kriegsfalle oder bei Ereignissen, die eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstellen, fuspendiert werden können. Es scheint danach in der Absicht des Reichsarbeitsministeriums zu liegen, den allgemeinen Grundsak des Achtstundentages zu durchbrechen zum Zwecke der Erfüllung der Leistungen aus dem Dawes Bertrag. Nun sieht der Dawes- Bertrag felbft soziale Schutzbestimmungen für die deutsche Arbeiterschaft vor, die es verhindern sollen, daß die soziale und kulturelle Stellung der deutschen Arbeiterschaft unter das Durchschnittsniveau der Arbeiterschaft anderer Länder herabgedrückt werden könne.
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Die Verknüpfung der Reparationsverpflichtungen mit der Frage der Arbeitszeit, wie sie in der einschränkenden Bedingung des Reichsarbeitsministers vorgenommen wird, würde in der Pragis ein Zurückgehen hinter die SchutzSie zeugt bestimmungen des Dawes- Gutachtens bedeuten. außerdem von einer völligen Verkennung der Zufammenhänge, die zwischen den deutschen Reparationsverpflichtungen und der inneren Struktur der deutschen Wirtschaft bestehen. Unzweifelhaft nötigt die Reparationsverpflich tung die deutsche Wirtschaft zu äußerster Anspannung ihrer