Einzelbild herunterladen
 
  

Abendausgabe

Nr. 425 41. Jahrgang Ausgabe B Nr. 213

Bezugsbedingungen und Anzeigenpreife find in der Morgenausgabe angegeben Redaktion: Sm. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-295 Tel.- Adresse: Sozialdemokrat Berlin

Vorwärts

Berliner Dolksblatt

5 Goldpfennig

50 Milliarden

Dienstag

9. September 1924

Beclag und Anzeigenabteilungi Geschäftszeit 9-5 Uhr

Berleger: Vorwärts- Berlag GmbH. Berlin S. 68, Cindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 2506-250%

Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Zurück zur Goldwährung!

Schacht über Anleiheaussichten und Handelsvertragspolitik.

trauen auf den Erfolg der 800 Millionen Goid=

martanleihe. Der Mißerfolg dieser Anleihe würde übrigens auch den Mißerfolg der Bereinbarungen von London bezeichnen. Natürlich bedauere ich, daß die französischen Unterhändler in London sich nicht zu einer schnellen Räumung des Ruhrgebietes verstanden sich nicht zu einer schnellen Räumung des Ruhrgebietes verstanden habeen. Die Anleihe ist garantiert an erster Stelle durch den Besitz Deutschlands ."

Paris , 9. September. ( Eca.) Der Berliner Berichterstatter des| Frankreich , England, Belgien und Italien . Ich glaube, daß Frant Echo de Paris" hatte eine Unterredung mit dem Reichsbankpräsiden- reich es nicht vermeiden fann, wieder zum Goldfranken zurüd. ten Dr. Schacht, der sich sehr optimistisch gezeigt habe. Er erklärte zukehren. u. a.: Die Atmosphäre hat sich unzweifelhaft gebessert. Ich komme foeben aus Rom und Genf zurüd, nachdem ich bereits früher in Der Berichterstatter fragte alsdann den Reichsbankpräsidenten über seine Ansicht hinsichtlich der Handelsvertragsver. London und Paris Besuche gemacht habe. Ich habe volles Berhandlungen.- Dr. Schacht antwortete: Ich habe die lleber zeugung, daß die Herstellung normaler wirtschaftlicher Beziehungen zwischen den beiden Ländern unbedingt notwendig ist, um ein wirkliches Gefühl des Friedens hervorzurufen. Die Vereini­gung des französischen Erzes mit der deutschen Kohle eröffnet wahrhaft verführerische Perspektiven. Deutschland und Frankreich müssen sich unbedingt auf wirtschaftlichem Gebiete verständigen." Der Korre­spondent fragte: Scheint es Ihnen, daß ein deutsch - französischer wortete: Ich behaupte, daß es eine Lösung gibt, die gestattet, den Handelsvertrag die Intereffen Englands berühre." Dr. Schacht ant­Interessen aller drei Bölker Rechnung zu tragen. Ich fann die Auffassung nicht zulaffen, nach der England unter einem deutsch - französischen Handelsvertrag zu leiden hätte. Ich leugne es, daß der Nachteil einer dieser Mächte für die anderen Mächte Teilnehmern fann feiner etwas gewinnen, wenn nicht auch die einen Borteil mit jich brächte. Bei einem Geschäft zwischen mehreren lich des deutsch - franzöfifchen Handelsvertrages ist es notwendig, daß anderen gleichzeitig mit gewinnen. Bei den Verhandlungen hinfcht. auf beiden Seiten der gute Wille vorhanden ist. Unter diesen Be­dingungen erscheint ein günstiges Resultat als nicht zweifelhaft.

persönlichen Eigenschaften und die wirtschaftspolitische Haltung Dr. Schacht sprach sich dann in Borten höchsten Lobes über die Owen Youngs aus. Die These Youngs ist ebenso wie die feiner Kollegen immer die gewesen, daß die wirtschaftlichen Gesetze viel wirksamer, also viel wichtiger sind als alle anderen Fragen. Für Deutschland hat Young immer ein Gefühl der Gerechtigkeit gehabt. Der Generalagent der deutschen Zahlungen und der Präsident der Goldnotenbank find zur Mitarbeit berufen. Ich bin überzeugt, daß unsere Arbeit in befriedigender Weise verlaufen wird.

Dr. Schacht fuhr dann fort: Ich erinnere Sie daran, daß mein Ziel immer die Rüdkehr zur Goldwährung gewesen ist. In einem Exportland, das von dem internationalen Handel abhängt, muß man unbedingt zur Goldmährung zurüdfommen. Hierbei er­innere ich an die Diskussion, die auf der Sachverständigenkonferenz über die Konversion der Papiermart in Goldmark stattgefunden hat. Ich habe immer den Standpunkt vertreten, daß es für Deutschland schädlich sei, wenn man ein System der sofortigen Ronversion auf­stellt, ohne daß die Deutschland benachbarten Länder gleichzeitig zur Goldwährung zurückkehren. Ich dachte dabei in der Hauptsache an

600- Jahresfeier der Stadt Sobernheim .

Minister Severing im besetzten Gebiet. Sobernheim, 9. September. Borgestern fand die 600jährige Feier der Verleihung der Stadtrechte an die Stadt Sobernheim ftatt, an der der preußische Minister des Innern Severing teilnahm. An einen historischen Festzug schloß sich der offizielle Festakt in einem vor der Stadt errichteten Festzelte an.

Auf die Begrüßungsansprache des Bürgermeisters erwiderte der Minister im Namen der Staats- und Reichsregierung, indem er zunächst darauf hinwies, daß mit ihm wieder nach längerer Zeit ein preußischer Minister im besegten Gebiet meile. Diese Tatsache sei ein Zeichen der Entspannung, die jetzt eingetreten sei und hoffentlich anhalten werde. Wir alle hoffen, führte der Minister aus, daß aus den letzten politischen Verhandlungen ein Wendepunkt hervorgehen wird, der Deutschland und ganz Europa Beendigung des Haffes und Versöhnung bringt. Deutschland ist zu dieser Versöhnung bereit. Ein guter Deutscher und ein guter Breuße sein, schließt nicht aus, daß man auch ein guter Weltbürger sein tann. Allerdings müssen unsere mest­lichen Nachbarn wissen, daß nur ein freies Deutschland ein guter Nachbar eines freien Frankreichs fein kann. Der Minister betonte dann, er sei gern nach Sobernheim gekommen, schon um dadurch im Namen der Staatsregierung zu befunden, daß nicht nur das Wohl der Großstädte, sondern auch das Gedeihen der fleineren Städte und ländlichen Gemeinden dem Staate in

gleicher Weise am Herzen liege. Die Sorgen des Nahe. Bezirkes und seiner weinbautreibenden Bevölte. rung seien ihm ganz besonders bekannt.

Häufiger und lebhafter Beifall begleitete die Ausführungen des Ministers. Nach ihm sprachen noch Bertreter des Kreises Kreuznach und der umliegenden Städte sowie der wirtschaftlichen Berufsver

tretungen.

Stresemanns Bürgerblockpolitik.

Eine Intrige gegen Mary.

" 7

|

Baris. 9. September. ( WTB.) Nach einer Meldung des Betit Journal" aus New York finden zur Vorbereitung der deutschen An­leihe in der Zeit vom 15. bis 20. September in London wichtige Be­fprechungen statt, an denen vor allem der amerikanische Banfier Morgan, sein Teilhaber Lammont und der Gouverneur der Bank von Ergiand, Norman, teilnehmen werden.

im Friedensvertrag veröffentlichen zu lassen. Troß der von Baron Don Malzahn bezüglich der Opportunität einer solchen Kund­gebung erhobenen Borstellungen habe Stresemann , der immer glaube, daß die 3ufunft rechts liege, seinen Plan nicht auf gegeben, aber er habe es verstanden, die Ausführung und die schein­bare Berantwortung dem Reichskanzler Marg zu überlaffen.

Verschärfung der Lage in China .

Intervention der Mächte in Schanghai . London , 9. September. Reuter meldet aus Schanghai : Infolge amerikanische, japanische und italienische Marinesoldaten gelandet der gefährlichen Lage in Schanghais Nordbezirken sind 1200 britische, worden. Außerdem sind in Schanghai die Freiwilligen mobilisiert

worden.

Nach einer weiteren Reutermeldung aus Schanghai ist nach Mit teilungen von Luyung Hsiang, dem Militärgouverneur von Tsche fiang, die zweite Armee von Tscheriang, die 20 000 Mann umfaßt, am 7. September morgens von Tschanghing, 10 Meilen südlich von Taihume in Richtung Thing, 30 Meilen nördlich vorgerüdt. Gestern vormittag traf die Meldung ein, daß die Tschefiang- Streitkräfte nur 10 Meilen von Thing entfernt feien, dessen Fall für heute erwartet werde. Als Hauptziel diefer Truppen gilt Tschangtschau, wo sich das Kiangfu- Hauptquartier befindet.

Der diplomatische Berichterstatter des Daily Telegraph " erfährt, daß zwischen London und Washington ein vorläufiger Meinungs. austausch über die Frage irgend einer gemeinsamen Aktion der Mächte zur Wiederherstellung des Friedens und der Ordnung in China im Gange fei. Die Initiative zu diesem Schritt sei anscheinend von a meritanischer Seite gekommen, da die britische Regierung burch die Genfer Verhandlungen vollkommen mit der europäischen

Lage beschäftigt gewesen sei.

New York , 9. September. ( Tul.) Nach soeben eingetroffenen Nachrichten find auch große Truppenmengen aus der Mandschurei gegen Befing mobilisiert worden. Die chinesische Front hat bereits sich große Heerlager. Nach einer Meldung der World" aus London jegt eine Riefenausdehnung. Zwischen Mutden und Peting bilden erwarten dort die politischen Kreise die Einberufung einer China­Konferenz.

Georgischer Hilferuf.

Baris, 9. September. ( Eca.) Es wird in den Blättern hervor gehoben, daß die Berliner Regierung in der ganzen Frage der Kriegsschuld vollkommen unter dem Druck der deuts schen Rechten handele. Unzweifelhaft fönne die Kontroverse über die Frage, wenn sie sich noch längere Zeit hinaus ziehe, nur bazu beitragen, die Atmosphäre erheblich zu verschlechtern, worüber man sich im Meinungsaustausch mit gut informierten Ber London , 9. September. ( MTB.) Reuter erfährt, daß der Prä­fönlichkeiten in Paris Rechenschaft ablegen könne. Die Auffassung fibent der nationalen Regierung von Georgien " an Macdonald des Berliner Korrespondenten des Petit Parifien", daß die beut während seines Aufenthalts in Genf eine Bitte um Intervention schen Rechtskreise, nachdem nunmehr durch die Londoner Abkom- zugunsten des Volts von Georgien gegenüber der Moskauer Regie­men die Reparationsfrage eine gewisse Lösung gefunden habe, fich rungen gerichtet und ihn ersucht hat, die Moskauer Regierung zu bemühen würden, eine Kampagne gegen die territorialen Beftim peranlassen, daß sie einer Regelung des Konflikts durch Schieds. mungen des Versailler Vertrages einzuleiten, wird hier an vielen spruch zustimme. Stellen geteilt. Erwähnenswert ist auch, daß der Berliner Korre fpondent des Betit Parisien" zu der Lage des deutschen Außen­ministers Stresemann sowie des Reichskanzlers Mary in der Angelegenheit der Kriegsschuldproflamation Stellung nimmt. In einer Verhandlung mit den Reaktionären am 25. und 26. August habe sich Stresemann , der mit einem Fußze in der Volkspartei und mit dem anderen in der Deutschnationalen Partei stehe, formell gegenüber den Deutschnationalen verpflichtet, durch die Regierung eine feierliche Zurüdziehung des Eingeständnisses der Schuldfrage

Regierungstruppen und Aufständigen im Rhoft- Gebiet stattgefunden. In Afghanistan haben zwei blutige Zusammenstöße zwischen In dem ersten Gefecht sollen die Aufständigen 800 Tote, im zwei ten 500 Tote verloren haben

und der anderen Dominien zu einer Arbeiterfonferenz im Die britische Urbeiterpartei hat die Arbeiterparteien Kanadas Jahre 1925 eingeladen. Auf dieser Konferenz soll eine Arbeiter politit für das britische Reich fermuliert werden.

"

Streu für das Feldlager...

Rom , Anfang September 1924.

"

In einer Rede an die Bergleute der Quecksilberwerke von Badia San Salvadore hat Mussolini wieder eine Formel zum sozialen Frieden beigesteuert, wo­durch sich die Perlenschnur der Zurück fehren mir nicht", Wer die Miliz anrührt, wird Blei ernten" ,,, Wir sind bereit, für den Faschismus zu töten und zu sterben", Spart das glühende Blei für die Feinde des Faschismus, Gegen das Regime wird fein Prozeß geführt", Wir sind längst über den verfaulten Kadaver der Freiheit fortgeschritten" um ein weiteres Wertstück vermehrt. Nach der offiziellen Version der Stefani" hat Mussolini gesagt: An dem Tage, an dem die Oppositionen von dem läftigen Gerede zu konkreten Dingen übergehen sollten, werden wir aus ihnen Streu für die Feldlager unserer Schwarzhemden machen", des Diktators fich noch immer nicht zum Nachgeben verstehen, Wenn die Oppositionen nach diesem Entgegenkommen" losen Reden hat Mussolini gesagt, die Opposition sei notwendig. so haben sie wirklich die Folgen sich selbst zuzuschreiben. Man vergegenwärtige fich die Situation. In einer seiner zahl­Gleichzeitig wird aber die Meinungsäußerung dieser Oppo­fition in jeder Weise, durch unentwegte Beschlag­lungen, durch Bedrohung ihrer Führer unmöglich nahmung ihrer Presse, durch Berbot ihrer Versamm­Farinacci, von Zeit zu Zeit mit eleganter Apachengeste der gemacht, während der geistige Führer des Faschismus", rage habt" zuruft. Jetzt kommt nun die Verheißung, als Opposition ein ,, Borwärts zum Bürgerkrieg, wenn ihr Cou Streu verwertet zu werden. Allein der Ton, in dem sich diese Bolemit" abspielt, beweist aller Welt, daß in Italien wirklich die ,, Edelſten und Besten" am Ruder sind.

97

Um ernst zu reden: aus diesem beständigen Berhezzen lächerlich gemachten Landes geht deutlich hervor, daß ein und Beschimpfen eines ohnehin gequälten und im Auslande Regierungsoberhaupt gewissen elementaren Requisiten an Selbstzucht, Selbstbeherrschung und Selbstkritik genügen muß, wenn es nicht zu einem schweren Schaden für sein Land werden soll. Man halte sich die tiefe Zerflüftung im öffentlichen Leben Italiens vor Augen, wo heute ein Teil der Bevölkerung dem andern derartig fremd geworden ist, daß der Meisterredner der herrschenden Partei, ohne in den eigenen Reihen auf Widerspruch zu stoßen, als Feldruf des Faschismus die Berherrlichung der Mörder Matteottis wählen fonnte. Wieviel Erbitterung, mie piel gegenseitige Berachtung, welch gewaltiger Unterschied der. fittlichen Werte muß zwischen Hüben und Drüben bestehen, damit sich die Einen deffen rühmen können, das für die Anderen den Inbegriff des Berabscheuenswerten darstellt? Glaubt Mussolini wirklich, diese Kluft zu schließen, indem er den Feldlagers zu benutzen? Seinen in Aussicht stellt, die Gegner als Streu ihres.

Durchdenken einer zu haltenden Rede sich selbst sagt ,,, es Man tann doch nicht gut annehmen, daß Mussolini beim tommt ja nicht darauf an, ernst nimmt mich ja doch niemand"; man muß vielmehr voraussetzen, daß Musso­ lini damit rechnet, ernst, blutig ernst genommen zu werden, wenigstens von den Seinen, deren fritische Fähigkeiten er feine Ursache hat, hoch einzuschätzen. Nun bringe man die Worte von der Lagerstreu" in Zusammenhang z. B. mit denen vom Staate: Der faschistische Staat unterscheidet sich vom liberalen dadurch, daß er sich nicht nur verteidigt, son­dern angreift"; man füge anderen Widersinn aus anderen Reden hinzu, so die Worte, daß alle bewaffnete Macht des Staates vom Regierungsoberhaupt abhängt, und man fann sich des Eindrucs nicht erwehren, entweder Irrereden vor sich zu haben oder eine systematische Heze zum Bürgerkriege.

Keine Partei der Opposition verfügt über 300 000 Be­waffnete, für die das Land bezahlt. Um den liberalen Staat zu überwinden, hat der Faschismus von Anfang an darauf abgezielt, die Trennung der Staatsgewalt in gesetz­geberische, richterliche und ausführende aufzuheben. In der Tat ist heute in Italien das Parlament nur noch ein Anhängsel der Eekutivgewalt; eine Zeit lang schien es, als ob auch die richterliche Gewalt in denselben Zustand der Untertänigkeit verfallen würde. Heute nicht mehr. habe ich so und soviel Schwarzhemden, so und soviel Ma Mussolini wird sagen: was liegt mir daran, für jeden Richter fchinengewehre, Revolver und Knüppel. Er wird vielleicht auch in der nächsten Rede sagen, daß die richterliche Ge walt vom Ministerpräsidenten abhängt. Aber trotzdem erweist sich heute diese rich terliche Gewalt als eine Schuhwehr der Demokratie, sie hält tatsächlich der Regierung gegenüber die Forderung des gleichen Rechtes für alle aufrecht. Und diese Forderung ist unvereinbar mit der faschistischen Theorie und der faschistischen Braris.

frei; soweit es sich um Bergehen handelt, die das Strafgesetz­Fast alle Gerichte sprechen systematisch die Presseverbrecher buch den Assisen überweist, während das neue Julidekret die Landgerichte zuständig macht, treten alle Landgerichte die Akten an das Geschworenengericht ab, wodurch sie praktisch die Juli Rossetti, der die österreichische Viribus Unitis" in die Luft defrete als null und nichtig behandeln. Der Marineingenieur gesprengt hat und dadurch eine nationale Berühmtheit wurde, verweigerte im vorigen Jahre, sein Billett von einem Ange= hörigen der faschistischen Miliz kontrollieren zu lassen, wofür ihn der Stadtrichter von Genua zu einer Geldstrafe verurteilte. Roffetti appellierte an den Obersten Gerichtshof, der das Ur­teil ohne Zurüdmeifung an eine andere Instanz tailierte,