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Abendausgabe

Nr.441 41.Jahrgang Ausgabe B Nr. 221

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Vorwärts

Berliner Dolksblatt

5 Goldpfennig

50 Milliarden

Donnerstag

18. September 1924

Berlag und Anzeigenabteilung: Geschäftszeit 9-5 Uhr Berleger: Vorwärts- Verlag GmbH. Berlin   S. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff   2506-250%

Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Nansens Ruf an Deutschland  .

Hinein in den Völkerbund!

Genf  , 18. September.  ( Eigener Drahtbericht.) Der bekannte| Bestrebungen geltend zu machen, die den Beitritt Deutsch­Delegierte des Bölferbundes, Nansen  , erklärte dem Genfer   Korre- lands von der Zustimmung Sowjetrußlands ab­spondenten des Sozialdemokratischen Parlamentsdienstes" gestern hängig machen wollen. Eine solche Entwicklung, die durch­folgendes: aus in der Linie der völkisch- kommunistischen Zusammenarbeit liegt, würde für die deutsche   Politik nicht minder fatastrophal sein, wie die deutschnationale Sabotagepolitit. Im gegen­wärtigen Augenblid fann es für Deutschland   nur eine Barole geben: Herein in den Völker bund!

" Der Bölferbund wartet auf Deutschlands   Eintritt. Ein deutscher   Antrag würde mit allen Ehren aufgenommen werden, da er als Verföhnungswille von der ganzen Welt gedeutet würde, Die Militärkontrolle bedeute kein Hindernis, wie Bulgarien   beweise. Ein Widerstand fei von Frankreich   und der kleinen Entente bestimmt nicht zu erwarten. Ein ständiger Ratssih würde durch Ver­jammlungsbeschluß für Deutschland   geschaffen werden. Der pinchologische Augenblid jei jetzt da. Amerika   würde Deutschland   folgen,"

Umschwung in der Reichsregierung?

Die deutschen   Eintrittsbedingungen.

Der Berliner   Berichterstatter des Daily Telegraph  " meldet, laut einem Londoner   Telegramm der B. 3. a. M.", daß un

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Parmoor

Stresemann.

Stimmen der Pariser   Linkspresse.

Paris  , 18. September.  ( Eigener Drahtbericht.) Die Bolemik Barmoor Stresemann erwedt hier allergrößtes Intereffe. Alle Blätter veröffentlichen den Wortlaut der wechselseitigen Fr. klärungen des Sozialdemokratischen Parlamentsdienstes" und des Wolff- Bureaus unter Ueberschriften, die für Stresemann nicht sehr schmeichelhaft sind. Nach den Erfahrungen, die man bereits in den letzten Tagen mit der Wilhelmstraße gemacht hat, ist man hier ganz allgemein davon überzeugt, daß Stresemann die mittelbar nach der Kabinettssigung am 23. Sep- unwahrheit sagt. So lautet 3. B. die lleberschrift des Quotidien" tember mit der Bekanntgabe eines deutschen   Antrages auf Eintritt in der heutiger Ausgabe anläßlich der Wiedergabe der Erklärungen: in den Bölkerbund gerechnet werden könne. Die alliierten Diplo Herr Stresemann   leugnet, obwohl der Lüge durch Lord Barmoor maten in Berlin   sind im Besitze von entsprechenden Informationen, überführt." Das Deuvre" äußert u. a., daß die Absicht des Reichs= Deutschland werde seinen Antrag nur an zwei Bedingungen tanziers, den Bürgerblock zu verhindern, nur möglich sei, wenn fnüpfen: Politische Politische Gleichberechtigung Deutscher sich von Stresemann trenne, der durch seine Versprechun­lands und Zusicherung eines ständigen Sizes im Böl gen an die Deutschnationalen fompromittiert und durch die terbund rate. beiden Dementis Lord Parmoors erniedrigt ist." Wörtlich sagt

Wenn diese Mitteilung zutreffen sollte, so würde das be­deuten, daß die politische Vernunft schließlich doch den Sieg über bureaukratische Kurzfichtigkeit davongetragen hat. Wir geben uns freilich nicht der Hoffnung hin, daß da­mit die Sache erledigt ist und daß nicht wieder irgendeine Luftströmung in der Wilhelmstraße zu neuen Entschlüssen führt. Denn neben den deutschnationalen Saboteuren, die berufsmäßig ihre Treibereien gegen den Eintritt Deutschlands  in den Bölkerbund fortseßen, scheinen sich neuerdings auch

Die Krise der Diktatur.

dos Blatt weiter:" Solange Herr Stresemann in der Wilhelmstraße bleiben wird, werben die euro­ päischen   Ranzleien mit Deutschland   nur ungern und mit Mißtrauen verhandeln fönnen."

Der Reichspräsident zurückgekehrt. Der Reichspräsident ist von seinem Erholungsaufenthalt aus Freudenstadt   heute wieder in Berlin   eingetroffen.

Dittatur hat durch ihr blindes Wüten, das den Interessen des modernen Staats und Wirtschaftslebens widerspricht, selbst den Boden erschüttert, auf dem sie aufgerichtet wurde.

Demokratischer Friedenskongreß. ,, Die Freiheit der Demokratie ist die Grundlage des Friedens."

London  , 18. September.  ( WTB.) Gestern wurde die vierte

Weltrevolution und Amnestie.

Kommunisten und Spikel.

In Stuttgart   ist nach einem Bericht der ,, Roten Fahne" das dortige kommunistische Blatt wiederum auf vier Wochen verboten und die ganze Redaktion verhaftet worden, mit ihr der Landtagsabgeordnete Köhler und der Reichstagsabge ordnete Müller- Kaiserslautern  . Die Rote Fahne  " gibt nicht an, worauf diese scharfe Maßregel zurückzuführen ist, sondern beschränkt sich, darauf auszurufen:

Wenn die deutsche   Arbeiterschaft den Justiz terror zurüc dämmen will, muß sie daher der württembergischen und bayerischen Arbeiterschaft in ihrem Kampf die aktivste Hilfe leisten.

Wir wollen einmal alle Voraussetzungen der Roten Fahne" als richtig unterstellen: als richtig also, daß KPD  . und Arbeiterschaft"" ein und dasselbe ist, als richtig, daß die foigten Kommunisten zu stellen hätte. Daß wir selber dieser Arbeiterschaft sich vorbehaltlos an die Seite der ver­Anficht nicht sind, wissen unsere Leser ebenso genau wie sie wissen, daß wir nicht müde werden, auf die ungleiche gerichtliche Behandlung der Kommunisten und der Völli schen immer wieder hinzuweisen.

Fahne" wären richtig, wie stellt sich dann das tommunistische Angenommen also, alle Voraussetzungen der ,, Roten Blatt die aktivste Hilfe" vor, die die Arbeiterschaft den württembergischen und den bayerischen Kommunisten leiſten foll? Bisher hat sich doch gezeigt, daß die von den Kommu­nisten betriebene Politik nur immer mehr Arbeiter ins Zucht­haus gebracht, aber feinen einzigen aus ihm be= freit hat.

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An die Möglichkeit, die Gefangenen mit Gewalt zu befreien, glauben doch auch die Kommunisten selber nicht. Das wäre nur möglich, wenn eine fommunistische Revo Iution siegreich wäre wie es aber damit bestellt ist, daß sie immerzu über Unterdrückung flagen, zeigen sie, wie wissen die Kommunisten selber am besten. Gerade dadurch, die tatsächlichen Machtverhältnisse gelagert sind. Die Tätigkeit der kommunistischen   Partei besteht fast nur noch darin, nach Hilfe zu schreien. Das tut eine

Partei nicht, die sich am Vorabend ihres endgültigen Sieges

wähnt.

Dabei bestehen die Kommunisten darauf, ihren Anhän­gern einzureden, wir Sozialdemokraten freuten uns, wenn recht viele Kommunisten ins Zuchthaus fämen, wir wollten feine Amnestie und verteidigten die Klassenjustiz. Jeder, der die sozialdemokratische Presse liest, weiß, daß das eine nichtswürdige Lüge ift. Die besten Argumente gegen das zweierlei Maß, mit dem Bölkische und Kommunisten so of gemessen werden, schreibt die Kommunistenpresse ja regel­mäßig aus dem ,, Borwärts" ab.

Aver unterstellen wir einmal auch diese blödsinnige Lüge als wahr. Welche Aussichten auf Befreiung eröffnen sich den Opfern der Kommunisten, wenn selbst die Sozialdemokraten diese Opfer können ja in den Zuchthäusern verfaulen, wenn gegen ihre Befreiung sind? Offenbar gar keine. Denn sie darauf warten wollen, bis sie von der KPD  . aus eigener

Kraft befreit merden.

freiheit ohne jeden Drud oder Einmischung der polifischen Gewalt Begrümder der jeune republique, einer Bewegung, die sich besons Gesetz zu handeln. Daß das Gesez leider oft ungleich an­

und wiederherstellung der verfassungsmäßigen preffe und Versammlungsfreiheit, die eine notwendige Gewähr für die friedliche Entwicklung des nationalen Lebens bedeuten, 3. Die flaatliche Lösung der Milizfrage als Grundbedingung für die Normalisierung.

Die italienischen   Industriellen gegen Mussolini  . Rom  , 18. September.  ( EP.) Der italienische   Indu striellenverband hat Mussolini   ein Memorandum überreicht über die gegenwärtige wirtschaftliche und politische Lage. Das Memorandum wurde auf Grund eingehender Beratungen in Mailand   verfaßt und hebt den Schaden hervor, den die unsichere Lage und die Gereiztheit den wirtschaftlichen Intereffen zufüge. Die allgemeine Lage bleibe auch nicht ohne Rüdwirtungen auf die Ar- Seffion des internationalen demokratischen Frie beiter. Die Mehrheit der Arbeiter fei dem fozia- benstongresses eröffnet, der sich mit der Frage des Friedens listischen Gewerkschaftsbund treu geblieben. Die durch internationale Zusammenarbeit befaßt. Anwesend waren von den faschistischen Gewerkschaften unter dem Druck der Regierungs- Delegierte aus Deutschland  . Amerika  , Belgien  , England, Frankreich  , partei organisierten Minderheiten bringen die Industriellen in Ber  - Spanien  , Italien  , Rußland  , Desterreich und Ungarn  . Norman legenheit. Die Industriellen fragten deshalb die Regierung, wie Angell betonte in seiner Begrüßungsansprache die Tatsache, daß die Verhältnisse geordnet werden könnten, folange die gewertschaft- französische und deutsche Vertreter, die große Körper­liche Organisationsfreiheit durch die Einmischung der herrschenden schaften ihrer Länder vertreten, auf derfelben Plattform zusammens Partei zunichte gemacht werde. Auf Grund seiner Erhebungen hat treffen und hierdurch ein Beispiel bürgerlichen Muts geben, das dem der Industriell noerband folgende Forderungen aufgestellt: 1. Nor  - befferen Berständnis unter den europäischen   Völkern dienlich sein malisierung der politischen Lage und Wiederherstellung werde. Er verlas hierauf eine Botschaft des Bapstes und des Erz­des Vertrauens im In- und Ausland im Rahmen der Verfassung. bischofs von Canterbury  . Mare Sangnier( Frankreich  ), der 2. Unbedingte gewerkschaftliche Organisations. ders an die katholische Jugend Frankreichs   mit der Aufforderung wendet, für die Wiederversöhnung mit Deutschland   zu arbeiten, hielt hierauf die Eröffnungsrede, in der er ausführte, das fran­zösische und deutsche   Bolt hegten keinen Haß gegeneinan der. Die Weltprobleme fönnten nur vom moralischen Gesichts­punkt aus gelöst werden. Der Verleger der Kölnischen Volks­geitung", Dr. Stody, sagte, er glaube, daß Deutschlands   Eintritt in den Völkerbund davon abhängig sei, daß Deutschland   einen Sitz im Völkerbundsrat erhalte und ihm keine Probezeit auferlegt werde, ebenso könne feine Rede davon sein, daß Deutschland   irgend­eine neue Kriegsschuldanerkennung abgebe. Die Nationen müßten in die Zukunft und nicht in die Vergangenheit blicken. ( Berlin  ) fagte: Die Methode, durch einen großen beherrschenden Heile Militarismus den Weltfrieden zu sichern und die Welt au organi fieren, habe stets zum Mißerfolge geführt. Die einzige geeignete Grundlage sei die Freiheit der Demokratie. In diesem Sinne müßte die Jugend durch Erziehung beeinflußt werden. Die Fragen, die in der Sigung behandelt wurden, umfaßten wirtschaftliche Probleme des Friedens, internationale Zusammen­arbeit sowie die demokratische internationale Bewegung. Man be­fchloß, Telegramme an Macdonald, Herriot   und Marg zu senden und sie zu dem Erfolg zu beglückwünschen, den die Lon­doner Konferenz bereits gezeigt habe. In der Nachmittagssitzung sprach u. a. Sir George Paish  , der u. a. ausführte: Bis­her sei keins der internationalen Probleme geregelt worden, nicht einmal das Reparationsproblem. Die deutsche   Anleihe sei in England nicht sehr populär, aber unbedingt notwendig für Eng­land, Europa   und die ganze Welt. Andernfalls werde es einen neuen Zusammenbruch in Deutschland   und ein allgemeines Chaos geben. Der einzige Weg, der vom Abgrund wegführe, sei ein Wechsel in der Gesinnung. Die Engländer müßten den Deutschen  , den Ruffen und Franzosen helfen.( Beifall.)

So mußte es fommen. Dieselbe Diktatur, die ursprüng: lich, zum Schutz des Kapitals vor der Arbeiterschaft, mit Unterstützung der Unternehmerschaft aufgerichtet wurde, wird jetzt vom italienischen Industriellenverband bekämpft, weil sich die Gewaltpolitik Mussolinis und die korrupte Herrschaft des Faschismus als die schlimmsten Hemmnisse der wirtschaftlichen Entwidlung Italiens   erwiesen

haben.

Die absurde Borstellung, daß ein modernes fapitalistisches Land mit den Methoden des absoluten Bolizeistaates regiert werden könnte, ist durch die Entwicklung in Italien   schlagend widerlegt worden. Jetzt verlangen die Industriellen selbst, daß nicht nur die Demokratie und die verfassungsmäßigen Freiheiten wiederhergestellt, sondern daß auch unbedingte Organisationsfreiheit, ohne jede Einmischung der politischen Gewalt gewährt werde. Diese Forderung bedeutet die Preisgabe des Begriffes der Diktatur und die unumwundene Anerkennung des Sieges der italienischen Arbeiterklasse, die nach dem Geständnis des Industrieltenverbandes in ihrer Mehrheit dem fozialistischen Gewerkschaftsbund treu geblieben ist.

gewerkschaftliche

Wenn die italienischen Industriellen jetzt neben anderen Forderungen auch die Forderung der gewerkschaftlichen Or­ganisationsfreiheit aufstellen, so fun sie das nicht aus Liebe zu den Gewerkschaften, sondern aus der Erkenntnis heraus, daß die italienische Wirtschaft zugrunde gehen muß, wenn der sozialistischen   Arbeiterschaft nicht die erforderliche politische und gewerkschaftliche Bewegungsfreiheit gewährt wird. Die

Der Kongreß wird heute und morgen weitere Sizungen

abhalten.

müssen sie für die Amnestie auch Anhänger außerhalb Wollen die Kommunisten die Befreiung wirklich, dann ihrer eigenen Reihen werben. Das fönnen sie aber sie nicht auf die Anbetung der brutalen Gewalt nur durch eine Aenderung ihrer bisherigen Politik. Solange verzichten, werden sie nicht verhindern können, daß auch gegen fie und ihre verführten Opfer Gewalt angewendet wird. Jeder Beamte, jeder Richter ist gezwungen, nach dem gewendet wird, ist hier immer wieder gesagt worden. Aber Fehler zu beseitigen und eine völlig unparteiische Hand­wenn es auch möglich wäre, diesen immer wieder gerügten habung der Geseze herbeizuführen, würde die Tatsache be­stehen bleiben, daß es die Aufgabe der Polizei ist, Gewalt­taten zu verhindern, wie die Aufgabe der Gerichte, Gewalt taten zu bestrafen. in Frankreich  , das geschieht in Deutschland  , das geschieht auch tafen zu bestrafen. Das geschieht in England, das geschieht mit ganz besonderem Nachdruck in Rußland.  

der Frage ganz außer acht läßt, ergibt die einfachste logische Selbst wenn man die grundsägliche und moralische Seite ohn mächtige Partei, wie die KBD.  , die Gewalt pre­Erwägung, daß es ein Unfinn ist, menn eine im Grunde digt und zu üben versucht. Damit kann fie gar nichts anderes erreichen, als die stärkere Gewalt der anderen herauszufordern und Opfer auf Opfer zu häufen, ohne ihrem Ziel näherzukommen. Eine solche Politik ist eine ungeheure Gewissenlosigkeit gegenüber den eigenen Anhängern.

Wie wenig es aber den Kommunisten in Wirklichkeit darauf ankommt, die Opfer ihres eigenen Treibens zu retten, zeigt sich auch an der Rücksichtslosigkeit, mit der fie selber diese Opfer abschütteln, sobald sie das aus Gründen taktischer Vorsicht für notwendig halten. Da verwandeln sich die eingekerkerten Helden der Revolution, zu deren Befreiung die Arbeiterschaft alles aufbieten soll, mit einemmal zu nichtswürdigen Lodspigeln.

"

So begeht die Rote Fahne" die Infamie, ihren befann­ten Parteigenoffsen Boken   hardt, dessen Fluchtversuch den Zwischenfall in der russischen   Handelsmission verursacht hat abermals der Spigelei zu beschuldigen, nur weil sie aus prozessualischen Gründen Anlaß hat, ihn abzuschütteln. Do bei muß es ihr bekannt sein, daß Bozenhardt, der ein über zeugter Kommunist ist oder war, im Gefängnis Selbs mord begehen wollte, als dieser ungeheuerliche, dur