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Nr.442 41.Jahrgang Ausgabe A nr. 225

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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands  

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Freitag, den 19. September 1924

Der deutschnationale Parteibeschluß.

Maßgebender Einfluß oder schärfste Opposition.

In der gestrigen Sitzung der Landesverbandsvorsitzenden sich die Regierung stützt, wird also einer beträchtlichen Ueber­der Deutschnationalen Volkspartei   hielt, wie die Telegraphen- macht gegenüberstehen. Auf eine dauernde Unterstützung der Union   mitteilt, der Vorsitzende, Abg. Her gt, einen ausführ- Sozialdemokratie fann sie ohne eine gründliche Um­lichen Vortrag über die politische Lage. Nach eingehender stellung der äußeren und inneren Politik nicht rechnen. Mussprache wurde seinem Vortrag entsprechend folgende Ent- Die Regierung und die Parteien der Mitte werden daher fchließung gefaßt: sorgfältig überlegen müssen, welche Folgen sich aus dem Be­schluß der Deutschnationalen für ihre Lage ergeben. Sie könnten daran denken, die Macht an die Opposition ab zutreten, wenn diese Opposition mehrheitsbildend wirken könnte. Aber trotz aller Annäherungen, die sich schon vollzogen haben, läßt sich eine deutschnational- kommunistisch­nationalsozialistische Regierung Scholem   Inneres, Ludendorff Reichswehr einstweilen noch nicht recht gut vorstellen.

Einmütig ist die Versammlung der Vorsitzenden der Landes­verbände gewillt, die Geschlossenheit der Partei zu wahren; sie ist die notwendige Vorausfehung für die Entwidlung Deutschlands   im nationalen Sinne. Die Versammlung billigt es, daß die Deutschnationale Volkspartei   in die Reichsregie­rung eintritt, falls die Partei in dieser Regierung maß­gebenden Einfluß erhält. Gelingt dies nicht, so muß die Partei in die stärkste Opposition gegen die Reichsregierung eintreten.

Mit diesem Beschluß scheint die Richtlinie für den deutsch­nationalen Vertretertag am 30. September gegeben zu sein. In ihm liegt zugleich auch die Entscheidung über die weitere Gestaltung der inneren deutschen   Politik.

Da keine Partei der Mitte, selbst die Volkspartei nicht, so wahnsinnig sein kann, den Deutschnationalen nach ihren bisherigen Leistungen einen maßgebenden Einfluß" auf die Regierung zuzugestehen, ist die Bürgerblodfrage vor­läufig erledigt. Die Deutschnationalen werden daher auf alle Fälle sei es unter der glorreichen alten Führung, sei es unter einer neuen mit Kommunisten und Nationalsozialisten zu ammen stärfste Oppofition" oder, wie es in der parteiamtlichen Rundgebung hieß, mit allen Mitteln verstärkte Opposition" treiben.

Die vereinte deutschnational- kommunistisch- nationalsozia listische ,,, mit allen Mitteln" arbeitende Opposition wird rund 200 Mann starf fein. Die in letzter Zeit etwas brüchig gewordene Arbeitsgemeinschaft der Mitte" zählt im ganzen 137 Mitglieder oder, wenn man die Bayerische Volkspartei  dazu rechnet, 153. Die Parteigruppierung der Mitte, auf die

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Die Deutschnationalen   hoffen, durch stärkste Opposition", durch rücksichtsloseste Demagogie ihre Schande verdecken und Die Lage wieder herstellen zu können. Sie sind- Tölpel, die sie sind gutmütig genug, diese Absicht öffentlich anzukün­bigen. Sie rechnen damit, daß man auch auf der anderen Seite gutmütig genug sein wird, ihnen für dieses Manöver Zeit zu lassen.

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Die Regierung Marr sieht hundert parlamentarische Re­volver der Deutschnationalen auf sich gerichtet, denen sich die gleichstarken Hilfsmittel der Verbündeten von rechts und links zugefellen. Sie tann der Opposition die Waffe aus der Hand schlagen durch eine Reichstagsauflösung. Wird sie

es tun?

Wir glauben, sie wird es tun, weil schließlich gar nichts anderes übrig bleiben wird, aber wir fürchten, sie wird es fo tun, daß sie selber einen durchschlagenden Erfolg vereitelt, der einem rechtzeitigen, flaren, entschlossenen Handeln gewiß wäre.

Aber wie dem auch sei für die Sozialdemokratie heißt es noch immer und wird es immer heißen:" Der Feind steht rechts!"

Streit um die Besatzungskosten. für die Einfuhr ihrer Produkte in Deutschland  , ohne daß Deutschland  Die Besatzung fordert 90 Millionen Gm. Nachzahlung. Dieses Meistbegünstigungsrecht gilt für fünf Jahre vom Inkrafttreten den gleichen Anspruch als Gegenleistung zugebilligt erhalten hat. Effen, 18. September.  ( Eigener Drahtbericht.) Wie von des Friedensvertrages an. Diese fünf Jahre sind am 10. Januar zuständiger Seite verlautet, haben die Bejahungsmächte, 1925 abgelaufen. Die ehemals feindlichen Staaten sind darum die sich nach dem Londoner Paft zur Tragung der Besatzungs- verpflichtet, neue Handelsverträge mit Deutschland   auf Grund beider foften verpflichtet haben, von der Reichsregierung die Nachfeitiger gleichberechtigter Verhandlungen abzuschließen. Die bis 3 ahlung eines Betrages von 90 millionen Goldmart herigen Besprechungen sind zwischen der deutschen   Regierung und verlangt. Die Reichsregierung hat die Zahlung dieser dem englischen Botschafter in Berlin   geführt worden. Nunmehr, Forderung abgelehnt. nachdem Deutschland   seine Sachverständigen ernannt hat, sind vom englischen Handelsministerium die britischen   Sachverständigen be. stimmt worden, die Anfang nächster Woche nach Berlin   kommen werden, um die technischen Einzelheiten des vorgeschlagenen Handelsvertrages festzusetzen.

Räumung des Limburger Gebiets. Frankfurt   a. M., 18. September.  ( WTB.) Wie die Frankfurter  Beitung meldet, haben die französischen   Besagungstruppen mit der Näumung des Limburger Flaschenhalse& begonnen. Die Orte des sogenannten Goldenen Grundes, namentlich Nieder­ selters  , Kamberg, Oberbrechen  , Dauborn   und Kirberg   sind bereits verlassen worden.

Rasche Durchführung der Amnestie.

Die Dawes- Organisationen. René Denis Generalsekretär.

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Die Wahlreform.

Kampf um den Wahlkreis, nicht um den Platz auf der Liste. Bon Dr. Arnold Brecht,

Ministerialdirektor im Reichsministerium des Innern. R. Hauschildt einige für alle Parteien sehr lehrreiche Bei­In der Dienstag- Abend- Nummer des Borwärts" gibt spiele über die Wirkung der neuen Wahlvorlage. Er berechnet, wie die Stimmen des letzten Wahlganges sich bei der neuen spielsweise die 10 Wahlkreise des Wahlverbandes Groß­Wahlkreiseinteilung auf die einzelnen neuen Wahlkreise, bei­Berlin, verteilen würden. Seine Zahlen sind im wesentlichen richtig. Seine Folgerungen gehen aber m. E. über das Ziel hinaus und ich bin dem Vorwärts" für die Gelegenheit zu näheren Ausführungen dazu dankbar.

des, was Hauschildt nicht erwähnt, was aber Erwähnung ver­Aus den richtigen Zahlen H.s ergibt sich zunächst folgen­dient. Obwohl nach der neuen Wahlvorlage im Durchschnitt 75 000 Stimmen für ein Mandat erforderlich sein sollen, fom­gere 3ahlen zum Zuge. Das beruht auf der Anrechnung men in den einzelnen Wahlkreisen tatsächlich viel gerin der überzähligen Stimmen der gleichen Partei aus den Nach­barkreisen.

einer Partei von allen 10 Wahlkreisen des Wahlverbandes ins­Die Zahlen find natürlich verschieden, je nachdem, ob bei gesamt nur ein Kreis durchkommt, dessen mageres Stimm­freise fettgemacht wird, oder ob die Partei im Wahlverband ergebnis erst durch die Stimmen sämtlicher übrigen 9 Wahl­viele Abgeordnete durchbringt, so daß sich im wesentlichen jeder Wahlkreis selbst ernährt". Beispielsweise würde nach den Bahlen der letzten Wahl bei den Böllischen in den 10 Wahl­freisen Berlins   zusammen nur einer gewählt sein, und zwar im IV. Wahlkreise mit nur rund 21 000 Stimmen aus diesem Kreis, ähnlich beim Zentrum sogar nur mit rund 13 500 Stimmen aus dem stärksten( III.) Wahlkreis. Dagegen mür­den die Sozialdemokraten 5 Mandate erzielt haben( in den Wahlfreifen II, V, VI, VII und IX) mit eigenen Stimm­ziffern von rund 50 000 bis 56 000 Stimmen, die Deutsch­nationalen 6 Abgeordnete mit Stimmen bis herab zu 42 000. Auch in diesen Fällen würde also die Zahl von 75000 für den einzelnen Wahlkreis nicht entfernt nötig geworden sein.

Hauschildt hält sich nun streng an die einzelnen 10 Wahl­während in anderen bis zu 5 Parteien je einen Abgeordneten freise und stellt fest, daß in einigen davon( z. B. im Wahl­freis I) bei keiner Partei ein Abgeordneter gewählt wäre, erhalten hätten( Wahlkreis 111). Er wendet sich gegen dieses Ergebnis, dessen Absonderlichkeit niemand verstehen werde.

Es ist sehr gut, daß diese Frage mit Gründlichkeit unter­sucht wird, wie hier von Hauschildt mit sorgfältigem Zahlen­recht, daß, wenn jede Partei in jedem Wahlkreise einen be­material der Anfang gemacht wird. Hauschildt hat vollkommen fonderen Kandidaten aufstellte, dieses das Ergebnis wäre, und man wird ihm darin zustimmen müssen, daß dieses Ergebnis nicht befriedigte.

Koblenz  , 18. September.  ( WTB.) Die Durchführung der tionstommiffion hat einstimmig das Mitglied der belgischen Dele Gedanken der sogenannten ,, e la stischen Wahlkreise"

gemäß dem Londoner   Abkommen vereinbarten Amnestie ist wohl bei den deutschen   als auch bei den französisch  - belgischen Stellen im Gange. Täglich werden weitere Entlassungen bekannt. Gestern wurde bereits gemeldet, daß auch ein Teil der früher in St. Mar= tin de inhaftierten Gefangenen in Freiheit gesetzt worden ist. kurzer Frist durchgeführt sein wird. Von verschiedenen Seiten sind Beschwerden darüber erhoben worden, daß die Amnestie bisher nicht angewendet worden ist oder daß einige französische   Dienst­stellen erschwerende Formalitäten von ihnen verlangen. Ferner find Klagen darüber laut geworden, daß an einigen Stellen der Ver­

ſuch gemacht worden ist, unter die Amnestie fallende Geldstrafen und Prozeßkosten noch einzutreiben oder sich aus hinterlegten Rautionen oder Beschlagnahmen bezahlt zu machen. Mit diesen Fragen ist die deutsche   Abordnung in Koblenz   befaßt. Klagen über die Durch­führung der Amnestie, soweit sie nicht durch unmittelbare Vor­stellungen bei den französisch  - belgischen Behörden oder durch Ver­mittlung der Verteidiger ihre Erledigung finden, können bei der deutschen   Abordnung Koblenz  , Castorpfaffenftr. 26, vorgebracht

werden.

Deutsch  - englischer Handelsvertrag.

Beginn der Verhandlungen.

London  , 18. September.  ( Eigener Drahtbericht.) Die Verhand­lungen zwischen der britischen   und deutschen   Regierung für den Abschluß eines Handelsveriages sind eingeleitet. Nach dem Bertrage von Bersailles haben Großbritannien   und die anderen alliierten Staaten ohne weiteres den Anspruch auf Meistbegünstigung

Paris  , 18. September.  ( Eigener Drahtbericht.) Die Repara­gation René Denis zum Generalsekretär sämtlicher neuer Orga­nisationen, die für die Inkraftsetzung des Dawes- Planes geschaffen werden mußten, ernannt. Denis begibt sich sofort nach Berlin  . Owen Young   hatte im Hotel Askania eine Zusammenkunft Bahnen und mit der Syndizierung der 12- Milliarden- Obligationen mit den Treuhändern, die mit der Reorganisation der deutschen  betraut sind, sowie mit den Kommiſſaren für die Induſtrieobligatio­Dawes- Plan Anfang November zu funktionieren beginnen werde. nen. Dem Intransigeant" zufolge ist Young der Ansicht, daß der Angeblich glaubt er sogar, daß zu dieser Zeit der erste Teil der deutschen   Anleihe eingezahlt sein wird.

Die Feststellung der Reparationskommission.

Die Fristen laufen vom 1. September ab. Amtlich wird gemeldet: Auf Grund des Artikels 3,§ 2 der Anlage 3 zu dem Schlußprotokoll der Londoner Konferenz hat die Reparationstommission in ihrer Sigung am 1. Sep­tember 1924 festgestellt, daß die für die Durchführung des Sach­verständigenplanes erforderlichen deutschen   Gesetze in der von ihr gebilligten Fassung verkündet worden sind und der General­fommiffar für Reparationszahlungen seine Tätigkeit an diefem Tage aufgenommen. Der 1. September 1924 hat fonach als der Tag zu gelten, an dem alle vorgesehenen Fristen zu Iaufen beginnen. Es sind somit den in der Anlage 3d zum Londoner   Schlußprotokoll vorgesehenen Terminen nicht 17, sondern 16 Tage zuzuzählen,

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Tatsächlich werden sich die Dinge aber ganz anders voll­ziehen, und die Wahlvorlage geht auch davon aus, daß sie fich anders vollziehen. Die Parteien werden nämlich in der Regel nicht in jedem Wahlkreise einen anderen Kandidaten aufstellen, sondern sie werden in mehreren Wahlkreisen den gleichen Kan­didaten nominieren. Die Vorlage nimmt hier den auf. Die Parteien können sich ihre Wahlkreise innerhalb des Wahlverbandes selbst beliebig abgrenzen, indem sie die gesetz= freise" bilden, nach Bedarf zusammenlegen. Beispielsweise lichen Wahlkreise, die gewissermaßen die Minimalwahl­gesamt nur einen Vertreter erzielt, nicht in allen zehn wird das Zentrum, das in Groß- Berlin seit Jahren ins Wahlkreisen verschiedene Kandidaten aufstellen( in diesem Stimmen durch Hinzufügung der Stimmen aller übrigen Falle würde der Kandidat des Wahlfreises III mit 13 491 Wahlkreise mit je 6000 bis 9000 Stimmen der Gewählte sein). Sondern das Zentrum wird wahrscheinlich für alle Ber liner Wahlkreise denselben Kandidaten aufs stellen oder vielleicht im Interesse der Arbeitsa teilung zweikandidaten, z. B. einen für den Westen und Süden und einen für den Norden und Osten, von denen der in erster Linie Gewünschte die besseren Wahlkreise erhält, so daß seine Wahl gesichert ist, während der andere Zähl­tandidat" ist, genau wie beim alten Reichstag vor dem Krieg. Dieser Zählkandidat ist aber im Gegensatz zum bisherigen Listensystem in seinen Wahlkreisen Spizen kandidat  , er fann und muß als solcher auftreten, er fann durch seine Ber­fönlichkeit, die Bartei kann durch seine Auswahl ihre Chancen in gerade diesen Wahlkreisen vermehren.

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Und der Bewerber fann sich als ,, Nummer" bewähren. Er kann durch Vergleich mit früheren Wahlen zeigen, was er aus dem Wahlkreis gemacht hat und dadurch seine Karriere in der Partei begründen. Die Sozialdemokratie, die nach dem letzten Wahlrefultat Aussicht hat, in Berlin   min Die Landtagswahlen in Hessen   finden am Sonntag, den deffens fünf Kandidaten durchzubringen, die sich bei einent 16. November, statt. verbesserten Wahlergebnis auf fechs bis acht vermehren könn