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Abendausgabe

Str. 44741. Jahrgang Ausgabe B Nr. 224

Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise find in der Morgenausgabe angegeben Redaktion: Sm. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-295 Tel.- Adresse: Sozialdemokrat Berlin

Vorwärts

Berliner Dolksblatt

5 Goldpfennig

50 Milliarden

Montag

a

22. September 1924

Berlag und Anzeigenabteilung: Geschäftszeit 9-5 Uhr

Berleger: Borwärts- Verlag Gmb. Berlin SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 2506-2507

Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Nie wieder Krieg!"

Nie

Imposanter Verlauf der Friedenskundgebungen im Reich.

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Hamburg , 21. September. ( Eigener Drahtbericht.) Im Ham-| forderungen der verschiedenen linksgerichteten Organisationen Folge burger Stadtgebiet veranstalteten das Ortskartell des ADGB. , der geleistet. Die eigentliche Feier erfolgte nach einem Umzug in dem Afa, die Sozialdemokratische Partei und das Friedenskartell in größten Pariser Saale , dem Trocadero. Es sprachen der General­den 7 größten Sälen gemeinsame Antifriegsfundgebungen. fefretär der sozialistischen Partei, Paul Faure, der General­Alle Veranstaltungen wiefen einen starten Besuch auf. Die Kom sekretär des Allgemeinen Gewerkschaftsbundes Jouhaux, der 80­munistische Partei hatte ohne Erfolg zu vier Gegenfund- jährige Buisson als Vertreter der Liga für Menchenrechte, und gebungen aufgerufen. Oudegest für den Internationalen Gewerkschaftsbund. Zu Be ginn der Veranstaltung fam es zu einzelnen heftigen Zusammenstößen mit Gruppen von Anarchisten und Kommunisten, die aber bald bei­gelegt werden konnten. Besondere Begeisterung erntete Le Foyer, der als Vertreter des Friedenskartells und der Freimaurerloge das Wort ergriff. Am Schlusse seiner Rede warf er die Frage auf, ob man im Jahre 1914 den Krieg nicht hätte vermeiden können, wenn in den Schicksalstagen des Juli und August nicht andere Männer in den Schicksalstagen des Juli und August nicht andere Männer an der Spitze gestanden hätten....( Stürmische Rufe: Nieder mit Poincaré !)

Leipzig , 21. September. ( Ill.) Eine große Rundgebung unter der Parole: Nie wieder Krieg" veranstaltete am Sonntagnachmittag das Gewerkschaftskartell in Leipzig . Die Teilnehmer marschierten in geschlossenem 3uge mit schwarzrotgoldenen und reten Fahnen nach dem städtischen Ausstellungsgelände. Es Sprachen Arbeitervertreter aus Frankreich , Desterreich, Italien , Ruß­ land und aus Berlin . Sie forderten zur Bölkerverbrüderung auf. München , 21. September. ( Eigener Drahtbericht.) Die Münchener Rundgebung Nie wieder Krieg!" verlief in eindrucksvoller Würde. Die mit Lorbeer und Tannenreifig geschmückte Tonhalle war dicht gefüllt mit Friedensfreunden, an deren Spige der erste Bürgermeister marschierte. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand die wirkungsvolle Rede einer einfachen Frau aus dem Volfe, einer Kriegermit we. Einleitung und Schluß der Feier bildeten Orgel- und Gesangsvorträge und das Gelöbnis der Versammelten: Nieder mit dem Krieg! Es lebe der Weltfrieden!

Unangenehm berührte es, daß die Münchener Polizei. direttion es für notwendig befunden hatte, ein außerordentlich startes Schuhmannsaufgebot in den zur Tonhalle führenden Straßen patrouillieren und außerdem in der Nähe noch eine starke Abteilung Schuhleute bereit halten zu lassen.

Köln , 21. September. ( Eigener Drahtbericht.) In der Haupt­Stadt des Rheinlandes fand am Sonntag eine gewaltige Antifriegs­fundgebung statt, die die Spitzenorganisationen der freien Gewerf. schaften einberufen hatten. Bereits in den frühen Vormittagsstunden sammelten sich in den Vororten die Demonstranten, die unter Schwarz Rot- Gold- Bannern zu der Festhalle der Messe zogen. Mehr als 7000 Menschen waren hier zusammengedrängt. Biele mußten umfehren. Der Sekretär des belgischen Eisenbahner­verbandes überbrachte die Grüße der belgischen Arbeiterschaft. Bon England war ein im Betriebe arbeitender Metallarbeiter aus Birmingham gefommen. Seine Rede galt dem wahren Bölkerbund. Die ganze englische Arbeiterschaft steht hinter Macdonald, wenn er an die Stelle der militärischen Sicherheitspakte das inter­nationale Schiedsgericht setzen wolle. Als letzter sprach Genosse

Meyer.

Effen, 21. September. ( Eigener Drahtbericht.) Die von der Sozialdemokratischen Partei, den Gewerkschaften, dem Reichsbanner Schwarz- Rot- Gold und den pazifistischen Verbänden veranstalteten Antifriegsfundgebungen fanden überall einen erhebenden Berlauf. Alus allen Gebietsteilen wird eine überaus zahlreiche Be teiligung gemeldet. Zwischenfälle haben sich nicht ereignet.

Der Verlauf im Saargebiet.

Saarbrüden, 22. September. ( Eigener Drahtbericht.) Der Anti­Kriegstag ist im ganzen Saargebiet sehr eindrucksvoll verlaufen. In allen größeren Orten fanden unter Leitung der Sozialdemo­fratischen Partei und der Gewerkschaften öffentliche Rundgebungen ftatt. Auch die feinen Dörfer ließen es sich nicht nehmen, durch Umzüge und Veranstaltungen den internationalen Solidaritäts- und Anti- Kriegsgebanten darzutun. Dicht an der französischen Grenze nahm eine Rundgebung einen besonders schönen Verlauf. Unter schwarzrotgoldenen Fahnen sammelte sich Jugend und Alter, Männer, Frauen und Kinder und weit über die Grenze hinweg flang ihr Gelöbnis: Nie wieder Rrieg!

Kundgebungen im Auslande.

Der Antikriegstag in Belgien .

Paris , 22. September. ( WTB.) Nach einer Meldung des Matin" aus Brüssel hat gestern die sozialistische Partei Belgiens in allen größeren belgischen Städten Kundgebungen gegen den Krieg veranstaltet.

Die Arbeiterregierung und der Friede.

Eine Kundgebung Macdonalds. London , 22. September. ( Eigener Drahtbericht.) Am Sonn abend und Sonntag fanden in ganz England große Friedens­tundgebungen statt. Der Ministerpräsident Macdonald richtete an diefe Demonstrationen durch die Presse einen Mohnruf, in dem er der Hoffnung Ausdruck gab, daß sie für den Frieder wer ben werden. Das könne nur geschehen durch eine große Anstrengung der Demokraten in der ganzen Welt: Wir müssen für die Eriedigung der Streitigkeiten zwischen den Völkern die gleichen gerichtlichen Berfahren annehmen, die die zivilisierte Menschheit für die Erledi­gung persönlicher Streitigkeiten festgelegt hat.

Aus dem gleichen Anlaß hat Macdonald dem Doily Berafo einen Beitrag zur Verfügung gestellt, in dem er ut. a. folgendes fagt: ,, Niemand, der mit der augenblicklichen Lage der Dinge ver­traut ist, kann den geringsten Zweifel hegen, daß der gegen wärtige Geisteszustand, in dem sich die Nationen befinden, die Alengste der Nationen und die Mittel, zu denen fie greifen, um fich zu schützen, für den Frieden Europas ebenso bedrohlich sind wie der Zustand, in dem sie vor 1914 gelebt haben. Wie es nicht anders fein fonate, hat die Hoffnung kläglich Schiffbruch gelitten, daß der Krieg der Moral zur Herrschaft verhelfen und zu einer allgemeinen geistigen Umkehr führen würde. Der Krieg hat nicht nur nicht überall Demokratie oder den Geist der Demokratie aufgerichtet, fondern in seinem Gefolge marschiert der Glaube an Dittatur und Gewalt fowie Stepfis gegen geordneten Fortschritt, gegen Vernunft und Aufrichtigkeit

Jeder europäische Staatsmann, dem der Frieden am Herzen liegt, hat deshalb nunmehr alle Kräfte gegen diesen Niebergang der Moral einzusetzen. Die alten Feinde sind zwar geschlagen, Grenzen sind verändert, neue Staaten aufgerichtet worden, trotzdem fühlt sich aber niemand in seinem Hause sicher. Welcher ewige Fluch verfolgt die Menschheit, der sie immer wieder troß aller Opfer vom Ziele fernhält?

Gefahren, die ihm vom Militarismus je gedroht haben, glücklich ent: Gerade in diesem Augenblick ist unser Land einer der größten ronnen: die Gefahr, die ihm in der Friedensmaste des Gegenseitigen Garantievertrags" entgegengetreten war. Es ist schwer, den Menschen flar zu machen, was Sicherheit eigentlich ist und wie man zu ihr gelangt. Nur allzu leicht neigt die große Deffentlichkeit dazu, sich in ihren von Gefühlsmomenten diftier ten Forderungen und Wünschen, lediglich auf das Sichtbare zu be­ziehen. Wir lachen zwar über den Bogel Strauß und sein Ver­haiten in Gefahren, machen uns aber seine Bolitik nur allzu oft felbst zu eigen. Wo immer es eine gewisse Presse gibt, deren Hal­tung nicht von Verantwortungsgefühl gegenüber der Deffentlichkeit oder von einer echten Vaterlandsliebe bestimmt wird- Eigenschaf ten, die der Auflageziffer nicht immer vorteilhaft sind sondern wo immer die Deffentlichkeit von unwissenden und charat. terlosen Sensationsjägern aufgepeitscht wird, da ist die Aufgabe der Schrittmacher des Friedens hart und es fällt schwer, ruhig und leidenschaftslos zu urteilen. Aber ich glaube, daß Menschen, die ruhig urteilen können, heute zahlreicher sind als je und wir fönnen auf ihre Unterstützung rechnen.

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Wien , 21. September. ( TU.) Auf der Hohen Warte fand heute vormittag bei herrlichem Wetter die feierliche Uebergabe der Fahne der Internationalen Gewerkschaftszentrale an die Wiener Sozial­demokraten statt. Auf dem großen Sportplate hatten sich mit Fahnen und Musik alle sozialdemokratischen Organisationen in Massen ein­gefunden. Es dürften etwa 60-70 000 Personen versammelt ge­wesen sein. Nachdem der Bläserchor der Staatsoper die Festfanfare von Richard Strauß zum Vortrage gebracht hatte, hielten der Vor­fizende der Parteivertretung, Seiß und der Vorsitzende der Ge­werkschaftskommission, Abg. Domes die Eröffnungsreden, in welchen sie auf die große Bedeutung des heutigen Tages hinwiesen. Nach Absingung einer Festhymne von Joseph Scheu folgten die eigentlichen Festreden. Für den Internationalen Gewerkschaftsbund Die Arbeiterregierung hat nicht nur durch das, was jie getan sprachen Mertens( Belgien ), Purcell ( England) und Johann hat, sondern durch die neue Atmosphäre und den neuen Geist, den Sassenbach( Deutschland ). Im Namen der sozialistischen Ar- fie mit sich gebracht hat, Europa eine neue Chance gegeben, eine beiterinternationale ergriffen Otto Bauer ( Oesterreich ) und Wall- neue Möglichkeit, die Europa auch tatsächlich zu ergreifen entschloffen head( England) das Wort. Ein gemischter Chor trug aus den ist. Sie muß ihr Wert inmitten in einer von Kriegsdrohungen ge­Meistersinger von Nürnberg den Chor Wach auf" vor. Alsdann folgte die Enthüllung der von der Internationalen Gewerkschafts­entrale gespendeten mächtigen roten goldgestickten Fahne. Nach erneuten Ansprachen leisteten sämtliche Anwesenden folgenden Fahnenschwur: Ihr woll'n wir treu ergeben sein, getreu bis in den Tod, ihr woll'n wir unser Leben weih'n, der Fahne purpurrot." Die gemeinsame Abfingung der Internationale bildete den Schluß Der eindrucksvollen Feier.

Der Antikriegstag in Paris .

Paris , 21. September. ( Eigener Drahtbericht.) Die Pariser Antifriegs- Demonstrationen wurden durch die unsichere Witterung beeinträchtigt. Immerhin hatten ungefähr 5000 Personen den Auf­

schwängerten Atmosphäre beginner. Sie hat den Gedanken des Schiedsgerichts, der schiedlich- friedlichen Lösung von Mei­nungsverschiedenheiten zwischen den Staaten in den Mittelpunkt gestellt, So wchtig das grundsätzlich sein mag, es ist noch lange nicht genug!

Wenn wir morgen gehen und die Regierungsbänke im Parla­ment räumen müßten, würde das Werk, das wir begonnen haben, Schaden leiden und der Friede bedroht werden. Aber was wir in London und Genf schon jetzt getan haben, das kann nicht mehr gänzlich ausgelöscht werden. Das Schicksal des Werkes liegt in den Händen der breiten Maffen sie mögen es beschüßen und uns helfen, es zu erhalten."

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( Fortsetzung auf der 3. Seite.)

Die oberschlesische Nachwahl.

Allgemeiner Stimmenrückgang

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über 20 Prozent! Hindenburg , 22. September. ( Eigener Drahtbericht.) Die Nachwahlen zum Reichstage verliefen unter der Aufsicht eines starten Polizeiaufgebotes ohne jeden Zwischenfall. Im Vergleich zur letzten Wahl war die Beteiligung schwächer. Man rechnet mit einer Wahl­Wahl war die Beteiligung schwächer. Man rechnet mit einer Wahl­beteiligung zwischen 55 und 65 Pro3. Der Wahlausgang hat die ge­beteiligung zwischen 55 und 65 Proz. Der Wahlausgang hat die ge­hegten Bermutungen nicht enttäuscht. Alle Parteien haben an Stimmen eingebüßt. Verhältnismäßig am stärksten die Deutschvölkischen. Die Kommunisten verloren im Verhältnis zu den kommunisten und Deutschnationalen , folgend die Reichstagswahlen vom 4. mai fast die Hälfte ihrer Stimmen, wäh rend die Deutschnationalen rund 23 000 Stimmen einbüßten. Ins gesamt verlieren die Rechtsparteien 37 000 Stimmen. Die Sozial­demokratie hat leider nicht vermocht, die verlorenen Stimmen der kommunisten auf sich zu vereinigen. Daraus ergibt sich wieder ein­mal, daß die kommunisten lediglich aus den Anfangsstadien ihrer Verheizung Gewinne ziehen können, während dann ihre Anhänger Das vorläufige Ergebnis stellt sich wie folgt:

von vorgestern indifferent werden.

Sozialdemokraten Kommunisten.

Demokraten

Polen

19 249( am 4. mai:

75 917

9

26 306) 139 306)

7811

11 138)

.

D

35 839(

49 259)

Zentrum

191 715

.

198 689)

Deutschnationale.

81 002

103.744)

Deutsche Volkspartei

11 683

0

18 216)

8908

9

11 836(

18 883)

7 160(

Wirtschaftspartei

Deutschvölkische.

Deutschsoziale.

11 408)

Am gestrigen Sonntag haben im Wahlkreis Ober­ schlesien ( Oppeln ) Neuwahlen zum Reichstag stattgefunden. Sie waren erforderlich geworden, weil das Wahlprüfungsgericht auf Einspruch der Wirtschaftspartei des deutschen Mittelstandes" die oberschlesischen Ergebnisse vom 4. Mai aus dem Grunde für ungültig erklärte, daß der Kreiswahlleiter irrtümlich den Wahlvorschlag dieser Partei zurückgewiesen hatte.

Die Neuwahlen standen von vornherein unter dem Zeichen einer außerordentlichen Wahlmüdigkeit, die noch dadurch ver fchärft wurde, daß überall die Ueberzeugung herrschte, durch die Wahl in diesem Sondergebiet fönnte eine Veränderung des Gesamtreichstags ohnehin nicht eintreten. Diese An­schauung ergibt sich aus dem Verhältniswahlsystem, das die Reststimmen aus den einzelnen Wahlkreisen in den Verbands= wahlkreisen und dann noch auf der Reichsliste fast vollkom­men aufgerechnet und eine wesentliche Aenderung des Ge­famtergebnisses nicht zuläßt.

Unter diesem Gesichtspunkt ist das Wahlresultat vom Sonntag zu werten. Während am 4. Mai von 736 515 Wahl­berechtigten 582 715 ihren Stimmzettel abgaben, sind diesmal nur 455 066 gezählt worden. Es ergibt sich also ein allge= meiner Stimmenrüdgang von 22 Pro3.! Bei Betrachtung der für die einzelnen Parteien abgegebenen Stimmen in ihrem Verhältnis zu den Zahlen vom 4. Mai findet man, daß die Verluste der Deutsch nationalen und der Sozialdemokratie( 22 und 24 Proz.) ziemlich genau dem allgemeinen Rückgang entspricht, während die Kommunist en 42 Broz. und die Deutschvöltischen 37 Proz. ihres Besitzstandes einbüßte. Verhältnismäßig am günstigsten schneidet das Zentrum ab, das nur 3,5 Proz Die Wirtschaftspartei, um deretwillen die Nachwahl veran seiner früheren Stimmenzahl verlor. staltet werden mußte, gewinnt zwar etwa 9000 Stimmen, die ihr aber zu keinem weiteren Mandat verhelfen können. Die Kommunisten büßen eins ihrer beiden am 4. Mai in Ober­ schlesien gewonnenen Mandate ein, gewinnen aber eins von der Reichsliste, so daß nur ein Personenwechsel eintritt. Aehn­liches ist bei den Völkischen der Fall, wo Schliephacke sein oberschlesisches Mandat verliert, aber gleichzeitig als nächster Anwärter auf der völkischen Reichsliste wiedergewählt ist.

Die Mandatsverteilung bleibt, wie sie war.

Die Lage unserer Partei in Oberschlesien ist eine beson­ders schwierige. Man weiß, daß vor dem Kriege die Sozial­demokratie in diesem Bezirk bei der Zusammensetzung seiner Bevölkerung nur außerordentlich schwer Boden gewinnen konnte und nach zeitweiligem Borstoß immer wieder Rück­fchläge verzeichnen mußte. Der Nationalitätenzwiespalt wirkte sich auch in der Arbeiterschaft aus und der konfessionelle nicht minder. Unmittelbar nach der Revolution war denn freilich ein ungewöhnliches Anschwellen der sozialdemokratischen Stimmen zu verzeichnen. Aber jeder, der den besonderen oberschlesischen Kulturzustand kannte, wußte, daß dieses Stroh­feuer nicht ewig brennen würde. Die Unruhen in Ober­ schlesien , das Auftreten der Freischürler und endlich der Ab­ftimmungskampf mit seinen zerfezenden Wirkungen sind auch an der Sozialdemokratie nicht spurios vorübergegangen. Die Scharfmacherei der Gruben- und Hüttenindustriellen hat zudem die gewerkschaftlich und politisch feineswegs gefestigten Arbeiter gewissermaßen zwangsmäßig ins jeweils radikalste Lager getrieben. Daraus erklärte sich der große Stimmen­zuwachs den die Kommunisten am 4. Mai erzielten. Der geftrige Sonntag aber zeigte wieder, daß auch der Besitzstand der Kommunisten auf sehr schwankenden Füßen ruht. Fast die Hälfte ihrer eben erst gewonnenen Stimmen sind seit wenigen Monaten wieder ins Meer des Indifferentismus zerronnen.

Dabei ist bemerkenswert, daß die Sozialdemokratie im eigentlichen Industriegebiet wieder rund dreitausend Stimmen gewonnen hat. Ihre gegenwärtige Einbuße war leider haupt­