Str.450 41.Jahrgang Ausgabe A nr. 229
Bezugspreis:
238chentlich 70 Golbpfennig, monatlich 3,-Goldmark voraus zahlbar. Unter Kreuzband für Deutschland , Danzig , Saar- und Memelgebiet. Defterreich, Litauen , Buremburg 450 Goldmart, für das übrige Ausland 5,50 Goldmar! pro Monat.
Der., Borwärts mit ber Sonntags teilage ,, Bolt und geit mit Gied lung und Kleingarten", fomie der Unterhaltungsbeilage Seimwelt" und Frauenbeilage Frauenftimme erfcheint, wochentäglich zweimal, Sonntags und Montags einmal.
Morgenausgabe
Vorwärts
Berliner Volksblatt
10 Goldpfennig
100 Milliarden
Anzeigenpreise:
Die einfpaltige Ronpareille. geile 0,70 Goldmart, Reflamezeile 4.- Goldmart. Kleine Anzeigen" das fettgedrudte Wort 0,20 Gold mart( auläffg awei fettgedruckte Worte), febes weitere Wort 0,10 Goldmart. Stellengefuche das erfte Bort 0,10 Goldmark, jedes weitere Bort 0.05 Goldmart. Borte über 15 Buchstaben zählen file zwei Worte, Familienanzeigen für Abonnenten Zeile 0,30 Goldmark. Eine Goldmart- ein Dollar geteilt burch 4,20.
Anzeigen für die nächste Nummer müffen bis 4% Uhr nachmittags im Sauptgeschäft, Berlin SW 68, Linden ftraße 3, abgegeben werden. Geöffnet von 9 Uhr früh bis 5 Uhr nachm.
Redaktion und Verlag: SW 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Redaktion: Dönhoff 292-295
Verlag: Dönhoff 2506-2507
Mittwoch, den 24. September 1924
Vorwärts- Verlag G.m.b.H., SW 68, Lindenstr. 3
Postscheckkonto: Berlin 375 36 Bankkonto: Direktion der Diskonto- Gesellschaft. Depositenkasse Lindenstraße 3
Beschlossen und vertagt.
Der Eintritt in den Völkerbund.
Wer wissen wollte, was das Kabinett in der Frage des Eintritts in den Völkerbund beschlossen hat, konnte es aus den gestrigen Spätabendblättern erfahren, nur mußte er verschiedene kaufen und nebeneinanderhalten. Da las er denn in großen Schlagzeilen:„ Der Völkerbund - Eintritt schlossen"-Bertagung des Eintritts in den Bölker
bund".
nicht genau umschrieben. Die Deutschnationalen bleiben alfo programmatisch verpflichtet, den Eintritt Deutschlands in den Bölkerbund nach Kräften zu hintertreiben. Infolgedessen stellt sich die Frage jetzt so: Ift die Regieberung entschlossen, ihre programmatische Polifit in der Völkerbundfrage auch gegen die Gegnerschaft der Deutschnationalen durchzusehen, d. h., ist sie entschloffen, nicht aus persönlichen, sondern aus fachlichen Gründen gegen die deutschnationalen Krisenmacher und Bölkerbund feinde den Kampf um ihre Eristenz aufzunehmen? Oder beabsichtigt sie den Weg des Rompromiffes mit den Deutschnationalen zu beschreiten, für den die Voraussetzungen für den Eintritt Deutschlands in ihrer Unbestimmtheit den günstigsten Boden abgeben würden?
Beide haben recht, je nachdem, wie man es auffaßt. Die amtliche Mitteilung( die in einem Teil unserer gestrigen Abendausgabe schon enthalten war) lautet:
Unter dem Borfit des Reichspräsidenten wurde heute ein Miisterrat abgehalten. Nach eingehender Erörterung der Frage des Beitritts Deutschlands zum Bölkerbunde ergab sich Einmüfigkeit darüber, daß die Reichsregierung den alsbaldigen Eintritt Deutschfands in den Bölferbund erstrebt. Sie geht dabei von der Erwägung aus, daß die vom Bölkerbund behandelten Fragen, insbesondere des Schutzes der Minderheiten, der Regelung der Verhältnisse des Saargebietes, die Frage der allgemeinen Abrüstung in Berbindung mit der Durchführung der Militärkontrolle fowie die ihrer Lösung harrenden großen Fragen der Sicherung friedlichen Zusammenarbeitens der Bölfer, nur unter Mitwirkung Deutschlands in befriedigender Weise geregelt werden fönnen. Selbstverständlich kann Deutschlands Mitwirkung nur die ciner gleichberechtigten Hauptmacht sein.
Nachdem die auf der Londoner Konferenz erzielte Lösung der
Reparationsfrage nach Auffassung der hauptsächlich beteiligten Mächte den Weg zu einer aktiven Behandlung der Frage des Ein
tritis Deutschlands in den Bölferbund für die Reichsregierung eröffnet hatte, sind im Anschluß an die Konferenzverhandlungen Bee sprechungen in diesem Sinne aufgenommen worden. Das Ergebnis dieser Sondierungen bildet eine wesentliche Grundlage für die heutige Entschließung der Reichsregierung. In Ausführung dieser Entschließung wird die Reichsregierung durch vertretenen Mächten abschließend feststellen, ob vertretenen Mächten abfóließend feststellen, ob die für die Stellung des deutschen Antrages er for berlichen Garantien, die sie sowohl auf Deutsch lands Stellung im Böiterbund, wie auf be. stimmte andere hiermit untrennbar zusammen hängende Fragen beziehen, gewährleistet sind.
das Auswärtige Amt bei den im Bölkerbundsrat
Diese Erklärung enthält eine Bindung für die Regierung, ihren Eintritt in den Bölferbund vorzunehmen, wenn gewisse Borauslegungen erfüllt sind. Eine davon wird genannt, die Anerkennung Deutschlands als gieichberechtigte Hauptmacht, sie wird in Deutschland allgemein gebilligt. Die sonstigen Boraussetzungen werden mit einem allgemein gehaltenen Ausdrud als hiermit untrennbar zusammenhängende Fragen" bezeichnet. Man erfährt nicht, welcher Art diese Fragen find.
Die Ankündigung der Bereitschaft, in den Bölterbund einzutreten, ist nur dann mehr als ein taktischer Zug, wenn fie ein Bekenntnis zu dem bedeutet, was vielleicht noch nicht der geistige Inhalt des Bölferbundes ist, was er aber fein soll: zur Idee des gesicherten Weltfriedens, der obligatorischen Schiedsgerichtsbarkeit in allen internationalen Streitfragen, der allgemeinen Abrüstung. In diesen großen Mensch lichkeitsfragen follte Deutschland innerhalb des Bölferbundes nicht bloßer Mitläufer, fondern führend und wegweisend sein. Eine Eintrittsbereitschaft in solchem Geist wäre nicht zu erwarten von einer Regierung, die sich etwa mit dem maßgebenden Einfluß der Deutschnationalen auf die dentiche Außenpolitik innerlich schon abgefunden hätte und die bereit wäre, eine ,, lmbildung" in diesem Sinne über sich ergehen zu laffen.
1
sind, in die Stabilität und Stärke der gegenwärtigen RegieDa die Berhältnisse nach dieser Richtung ganz ungeflärt rung nicht unberechtigte Zweifel gesetzt werden, erfährt der Wert der von ihr abgegebenen Erflärung eine nicht unerhebliche Minderung. Es besteht die Gefahr, daß die ganze Angelegenheit mit dem Nicht eintritt Deutschlands und mit der Aufrollung einer neuen Schuldfrage", nämlich der Frage, welcher Teil die Verantwortung für den negativen Ausgang trage, enden könnte. Gerade das wäre aber das Schlimmste von allem.
Ueber die Rabinettsberatung werden von bürgerlichen Agenturen Einzelheiten verbreitet:
In gleicher
Ueber den Schritt, den die Reichsregierung nach dem geftrigen Kabinettsbeschluß bei den im Bölkerbundsrat vertretenen Mächten unternehmen wird, wünscht sie, wie die Expreß- Korrespon denz erfährt, vor dem formellen Antrag zur Aufnahme in erster Linie eine Klärung der Frage, ob die zehn im Bölkerbundsrat vertretenen Staaten in dem deutschen Antrag nicht eine Anerten Wie man sich zu der Erklärung der Regierung stellen nung der im Versailler Vertrag festgelegten will, ist daher zum guten Teil eine Sache des Ver Alleinschuld Deutschlands erbliden. Verung trauens. Wer der Regierung in diesem Punkt vertrauen will, wird annehmen, daß es ihr mit ihrer Absicht, dem Völker bund beizutreten, vollkommen ernst ist und daß sie sich in ihren Voraussetzungen wirklich auf das beschränken will, was billigerweise als notwendig anerkannt werden muß. Wessen Bertrauen zur Regierung geringer ist, der kann den Argwohn hegen, daß die Voraussetzungen dazu mißbraucht werden könnten, den Weg Deutschlands zum Völkerbund zu verbarrika
dieren.
Auf Grund unserer Kenntnis der Dinge neigen wir zu der Auffassung, daß es dieser Regierung, zum mindesten einigen ihrer maßgebenden Mitglieder, mit dem Eintritt Deutsch lands in den Bölkerbund durchaus ernst ist. Faßt man die Seſſion Regierungserklärung so auf, so ergibt sich aus ihr schließlich
doch ein außenpolitisches Programm mit einer flaren Linie und einem bestimmten Ziel. Offen bleibt aber die Frage, wie lange dieses Programm Geltung behalten, wie lange die Linie eingehalten, das Ziel ernstlich erstrebt werden wird. Bersteht man dieses Programm als eine Erklärung des ehrlichen Willens, dem Bölkerbund beizutreten, so steht es in unversöhnlichem Gegenfag zu dem außen politischen Programm Programm der Deutsch natio.
nalen.
Wir haben schon gefagt, daß es vielen Deutschnationalen wahrscheinlich sehr lieb gewesen wäre, wenn die Regierung gestern den Eintritt beschlossen hätte. Sie hätten dann Ent rüftung martiert, aber sich im stillen darüber gefreut, daß eine vollendete Tatsache geschaffen ist. Nun aber ist eine vollendete Tatsache nicht geschaffen, die Sache bleibt zwischen Baum und Borte, die Voraussetzungen für den Eintritt sind
Dom Ministerrat damit als erledigt betrachtet.
Nicht ungünstig
aber Lösung in dieser Seffion nicht mehr möglich.
Genf , 23. September. ( Eigener Drahfbericht.) Die deutsche Regierungsertiärung wird in Bölkerbundstreisen lebhaft tommentiert. Man verzeichnet es als eine gewisse klärung der Sachlage, daß zum erstenmal eine deutsche Regierung fich grundsählich für den baldigen Eintritt in den Bölkerbund erklärt hat. Beanstandet wird die unklare Fafjung des letzten Sahes in der Regierungserklärung, der zu allerhand Dentungen im ungünstigen Smne Anlaß geben könnte. Es wäre deshalb wünschenswert, daß die deutsche Regierung der Auffassung rechtzeitig entgegentriff, nach der sie im Zusammenhang mit Deutsch lands Eintritt in den Völkerbund gleichzeitig die Frage der Kriegsschuld, der mandate und der Grenzfragen, alles Fragen, die mit der Völlerbundskompetenz nichts zu tum haben, aufzuwerfen gedente. Da Deutschland den Eintritt bis heute hinausgezögert hat, anstatt vor drei Wochen gleich nach der Krflärung Macdonalds den Eintritt zu vollziehen, ist man jetzt in. Genf der Meinung, daß eine befriedigende Lösung noch während dieser Tagung nicht mehr möglich ist. Die einzige Möglichkeit, noch während der Tagung Deutschland entsprechend in den Völkerbund aufzunehmen, läge in einem unmittel. baren Schritte der englischen und franzöfifchin Regierung, ein außzerordentliches Verfahren für Deutschlands sofortige Aufnahme und die gleichzeitige Gewährung eines ffändigen Ratssitzes durchzuführen, Es find in dieser Beziehung hier in Genf fchon Bersuche unterungewiß. nommen worden. Sie dauern noch an. Ihr Ergebnis ist aber sehr Eine andere Bersion, die von französischen Kreifen diskutiert wird, wünscht eine Beteiligung Deutsch lands an den Arbeiten der ständigen kommiffionen des Böllerbundrates noch vor Deutschlands Eintritt und noch vor Beginn der internationalen Abrüftungskonferenz. Hier müßten aber vorher geeignete Verhandlungen geführt werden, da eine unmittelbare Teilnahme sonst nur Völkerbundsmitgliedern ge
stattet wird. Man rechnet jetzt mit der Tatsache der baldigen Einberufung einer außerordentlichen Bollversammlung in ungefähr zwei Monaten, die die Aufnahme Deutsch lands , nachdem alle Formalitäten erledigt sind, vollziehen wird. 3m ganzen ist der Eindruck bar Erklärung nicht ungünstig, obwohl man eine flarere Form der Erklärung in bezug auf die deutschen Bedingungen für den Eindrud gewünscht hätte. Man hofft aber, daß Deutschland nicht durch übertriebene und nnfachliche Forderungen den Gang der Verhandlungen er schweren oder gar unmöglich machen wird. Lord Parmoor äußerte fich optimistisch über den Gefamteindruck, ohne Einzelerklärungen abzugeben. Genoffe Branting war nicht der Ansicht, daß nunmehr auf dem Wege der direkten diplomatischen Vera handlungen der endgültige Eintritt Denfchlands zur Tatsache werde.
Vertagung des Eintritts Deutschlands .
Frankreichs Haltung in der Völkerbundfrage. Paris , 23. September. ( Eigener Drahtbericht.) Erst am
Weise ist der Reichsregierung baran gelegen, daß Deutschland im Bölkerbundsrat und im Bölferbundssekretariat einen ständigen, Siz erhält, und daß Deutschland , da es bereits vollkommen abgewird, in gleicher Weise, wie die Schweiz . Die deutsche Regierung Dienstag ist bekanntgeworden, dah am Montag der englise rüftet hat, von der Bölkerbundsegekutive entbunden wünscht ferner, die Stellung der in Frage kommenden Mächte zu Botschafter in Paris bei Herriot vorsprach, um sich nach Mandatsmacht aufzutreten, und betrachtet es als wünschenstaffungsgesuch Deutschlands an den Bölkerbund zu er der Frage der Ruhrbesetzung zu klären, mit der Möglichkeit, als der Stellungnahme Frankreichs gegenüber einem etwaigen 3u Staaten zum Eintritt aufgefordert werden. Von der Stellung der Antwort Briands in Genf auf die Anfrage Nansens voll. wert, daß auch die übrigen dem Völkerbund nicht angehörenden kundigen. Wie„ Havas" mitteilt, deckt sich die von ihm gemeldete zehn im Rate vertretenen Staaten zu diesen Fragen wird es ab inhalflich mit der Antwort Herriots auf den geftrigen Schrift des hängen, ob die deutsche Regierung noch in dieser Session den Antrag englischen Botschafters. Man vermutet, daß die Reichsregierung auf Aufnahme stellen wird. Die Notifizierung der Schuldfrage wurde inzwischen über London von dieser Stellungnahme Frankreichs unterrichtet worden ist, und man hielt es deshalb hier von vornherein für wenig wahrscheinlich, daß sich der Ministerrraf im Sinne der Einreichung eines Gefuches entscheiden würde. In linksstehenden politischen Kreisen ist man wie der Pariser Korrespondent des Soz. Parlamentsdienst erfährt der Auffassung, daß diese franzöfifche Stellungnahme 3 war teine Ablehnung, aber 3 um mindesten eine Bertagung der Angelegenheit bedeutet, wobei man die Einberufung einer außerordentlichen Seffion des Bölkerbundes für durchaus möglich, ja wünschenswert hält. Man ist der Ansicht, daß die Regierung Herriot faum anders auf die Schritte Englands und Nanfens antworten konnte, nachdem Deutschland faft drei Wochen habe verstreichen lassen, ohne fich um feinen Eintritt in den Völkerbund zu bemühen. Auch solche fintsstehenden Politiker, die durchaus für eine Verftändigungspolitik mit Deutschland eintreten und die baldige Zulaffung Deutschlands in den Böfferbund wünschen, find von derartigem mißframen gegenüber den
Wie die Expreß- Korrespondenz weiter erfährt, handelt es sich bei der beschlossenen Anfrage an die zehn Nationen um einen per fönlichen Rat des englischen Ministerpräsidenten, der seinerseits bereits ein englisches Eintreten für eine ständige Vertretung Deutschlands im Bölkerbundsrat zugesagt hat. Die Haltung der französischen Regierung wird als noch nicht vollkommen geklärt betrachtet.
Keine Besprechungen über die Regierungsumbildung.
Wie die Telunion erfährt, ist die Frage der Regierungs umbildung oder Erweiterung im geftrigen Rabinettsrat nicht zur Sprache gekommen. Wann die Ministerpräsidenten, der Auswärtige Ausschuß und die Parteiführer über die Beschlüsse, die die Zustimmung jämtlicher Kabinettsmitglieder gefunden haben, unterrichtet werden, steht noch nicht feft.
99
-