Umsatzsteuer und Verbrauch.

8,9 Proz. des Brotpreises sind Steuern!

Das Reichsfinanzministerium hat, wie wir bereits furz berichteten, eine Denkschrift über die volkswirtschaftlichen Wirkungen der umsagsteuer und über ihre etwaige Abänderungsmöglichkeit dem Reichstag und den übrigen gesetzgebenden Körperschaften vorgelegt. Die Dent­fchrift tommt nach fritischer Würdigung aller Vorschläge, die auf eine Abänderung dieser Steuer hinauslaufen, zu dem Er­gebnis, daß eine Umgestaltung der Umsatzsteuer deren volts­wirtschaftlich schädliche Wirkung nicht wesentlich mildern fann, daß vielmehr nur ein allmählicher Abbau des Umsatzsteuer­sages in Betracht zu ziehen sei. Mit der Herabsetzung der Umsatzsteuer auf zwei Prozent will man nur einen Anfang machen. Die Reichsregierung erkennt an, daß auch dieser Sah noch auf die Dauer zu hoch ist.

Die Anlagen der Denkschrift bringen einige Beispiele das für, wie sich die Umsazsteuer auf den Verbrauch auswirkt. Bei dem wichtigsten Nahrungsmittel, dem Brot, ergab sich durch die Umsatzsteuer eine Berteuerung um 8,9 v. H. des Preises. Beim Rindfleisch beträgt die künstliche Bertenerung in der Regel 6,4 v. H., bei Textilien erhöht sich der Preis durch die Umsatzsteuer um 7,6 v. H.

Diese Beispiele zeigen deutlich die schwere Belastung, die der Verbrauch in der Umsatzsteuer zu tragen hat. Am stärksten ist die Verteuerung beim Brot, demjenigen Nahrungsmittel, auf das der Erwerbslose ebenso wenig verzichten kann wie der Arbeitende. Je niedriger das Einkommen einer Familie ist, ein desto höherer Prozentsaz wird von der Umsagsteuer aufgezehrt.

Nun ist es möglich, daß die Umsatzsteuerbelastung etwas niedriger ausfällt, wenn einzelne Stufen im Produktions­prozeß auf irgendeine Weise ausgeschaltet werden. Wenn 3. B. der Landwirt sein Getreide unmittelbar an den Müller liefert und der Getreidegroßhändler umgangen wird, so ermäßigt sich die auf das Brot entfallende Umsatzsteuer auf 7,4 v. 5. des Preises. Die Belastung schwankt aber auch nach oben, wenn fich die Getreide- und Mehlpreise erhöhen. Sie dürfte augen blicklich nach der Getreidehausse wesentlich größer sein, als in dem vorliegenden Beispiel angegeben wurde. In ähnlicher Weise können bei der Fleischgewinnung und bei der Fabrikation von Textilien oder anderer Waren Zwischenglieder der Pro­duktion ausgeschaltet werden. Aber auch in allen diesen Fällen ergibt sich für den Verbrauch immer noch eine Belastung von mindestens fünf Prozent. Wer sein Geld auf die hohe Rante legen fann und nicht Waren taufen muß, fann dieser Besteuerung aus dem Wege gehen. Wer hingegen auch nur sein Geld zum Bäcker trägt, erfährt die brutale Belastung der Umfagsteuer in ihrem vollen Ausmaße.

Bekanntlich hat die Regierung die Ermäßigung der Um­fagsteuer um ein Fünftel vorgesehen. Auch dann bleibt noch eine schwere Belastung des Verbrauches bestehen. Die Um satzsteuer bedeutet aber gerade in Zeiten der Absazstockung ein großes Hindernis für die Entfaltung der Pro= duktion und eine Erschwerung der deutschen Konkurrenz mit dem Ausland. Der beschleunigte Abbau der Umsatzsteuer ist daher ein dringendes Erfordernis, besonders dann, wenn die Regierung selbst zugeben muß, daß die produktionsschädlichen Wirkungen tatsächlich vorhanden sind und daß sie nur durch eine Ermäßigung des Steuerfages gemildert werden können. Anstatt daß sich jetzt gewiffe bürgerliche Kreise darum fümmern, wie sie Mittel zur Prämiierung der Aufwertungs­gewinner auftreiben sollen, wäre es Pflicht des Reichs­fages und aller verantwortlichen Bolitiker, beschleunigt dahin zu wirken, daß die übrigen Steuern so ergiebig als nur möglich gestaltet werden, um die Beseitigung dieser der Produktion und dem Verbrauch gleich schädlichen Steuer zu fördern.

In Madrid wurden die Bertreter zweier argentinischer Zeitungen wegen Verbreitung unwahrer Nachrichten verhaftet.

cbends und nie am Tage eintraten. Nun ist man, wie die Sendung" neuerdings mitteilt, durch die Untersuchungen, die das Telegr.- tech rische Reichsamt an den Berliner Straßenbahnen anstellen ließ, dem Rätsel auf die Spur gekommen. Es hat sich nämlich heraus­gestellt, daß die Ursache der Störungen nicht die starken Ströme find, von denen die Motoren gefpcist werden, sondern vielmehr die schwachen Ströme, durch welche die Beleuchtung der Straßenbahnen erfolgt und die bei schlechtem Kontatt an der Oberleitung eben jene Schwingungen hervorrufen, durch die das Wellenbereich des Rundfunks g stört wird Beholfen könne nur badurch werden, daß man für die Beleuchtung stärkere Ströme als bisher verwenden würde. Es fragt sich nur, ob sich eine solche Stromverstärkung auch wirtschaftlich lohnen würde.

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Neue Helium- Fundstellen. Das Heliumgas, das bei der Füllung von Luftschiffen wegen feiner geringeren Feuers. gefahr an die Stelle des Wasserstoffs treten soll, steht heute durch neue Fundstellen in ausreichendem Maße zur Verfügung. Für die Bereinigten Staaten ergab sich dieses Gas in dem Naturgas der Erdölbrunnen, nachdem man Verfahren gefunden hatte, um den geringen Heliumgehalt des Naturgases abzuscheiden und aufzu­speichern. Die englische Regierung veranlaßte 1915 eine Unter­suchung, bei der die Naturgasquellen von Bew- Jsland im Staate Alberta festgestellt wurden, wo das Naturgas etwa 0,3 Broz. Helium enthält. Im Laufe des letzten Jahres hat nun, wie in der Umschau" berichtet wird, bie Bergbauverwaltung von Kanada im Staate Ontario Naturgas mit ähnlichem Heliumgehalt ermittelt. günstigsten Fundstellen find bisher die von Alberta , zumal neuerdings etwas weiter füblich eine neue Naturgasquelle entdeckt worden ist, die täglich 0,42 Millionen Rubifmeter Naturgas von 0,2 Proz. Helium gebalt liefert; aus dieser Quelle hofft die kanadische Regierung jähr lich etwa 0,42 Millionen Rubikmeter Heliumgas zu gewinnen.

Die

Der Vertifalverkehr New Yorks. Alle großen europäischen Städte haben heute ihr Berfehrsproblem, das durch den immer leb­hafteren und stärkeren Rhythmus des Automobil- und Straßenver­fehrs beständig schwieriger zu lösen ist. Aber einen solchen Anblid, wie ihn heute die Straßen New Ports gewähren, ein gleichsam Um rahmtsein durch Verkehrseinrichtungen, tennt man in den europäischen Städten doch nicht. Denn dort treten zu den zahlreichen auf der Straße, unter der Straße und über der Straße verkehrenden Ber­fehrsmitteln noch die sogenannten„ pertitalen" hinzu. Diefe werden von den Aufzügen gebildet, deren es in New York mehr als 12 000 gibt, die Tag und Nacht in ununterbrochener Bewegung durch 10, 20 und auch 25 Stocwerte hinauf und wieder hinabgleiten. Sie legen insgesamt etwa 1000 Kilometer mit einer Geschwindigkeit von etwa 200 Meter in der Minute zurück und befördern rund 10 Millionen Menschen täglich. Um diesen enormen Berfehr zu regeln. bedurfte es einer genauen Ordnung nach dem Vorbild der Eisenbahn mit Signaldienst und einem feststehenden Fahrplan, mit einem den Verkehr leitenden Stab von Angestellten, deren jedem etwa 5 bis höchstens 20 gleichzeitig verkehrende Aufzüge unterstehen.

Wilhelm Menselberg, der berühmte Erchefterbirigent, ist an Nieren­entzündung ichter ertranft und mußte sich in Amsterdam einer Operation unterzie.

Deutschland verlangt Auskünfte.

Die gemäßigte Völkerbund Denkschrift. Paris , 30. September. ( Eigener Drahtbericht.) Unter Be­tonung des vertraulichen Charakters des am Montagnachmittag rom deutschen Botschafter überreichten Memorandums hebt der Temps" hervor, daß das Dokument in gemäßigten Ausdrüden ge­halten sei und daß es weniger einen genauen Fragebogen als ein uuanciertes Exposé derjenigen Punkte bilde, über die die Reichs­regierung Auskünfte erhalten möchte, bevor sie einen 3u­laffungsantrag stelle. Deutschland spricht darin die Hoffnung aus, daß es wie die anderen Croßmächte behandelt werde, d. h. daß es einen dauernden Sitz im Völkerbund erhalte. Das Memorandum erinnert daran, daß Deutschland mit Rußland den Rapallovertrag abgefchloffen habe und ersucht daher darum, daß sein Eintritt in den Wölferbund es nicht zwinge, gegebenenfalls d. h. im Falle eines russisch - polnischen konfliktes, entweder gegen die Moskauer Regierung einzugreifen oder durch Oeffnung feines Territoriums für den Durchmarsch von militärischen Kräften Polen gegen Rußland unterstüßen zu müssen. Die Reichsregierung spricht den Wunsch aus, daß die Sowjetregierung jo bald als möglich in den Völkerbund zugelassen werde. Schließlich möchte die Reichsregierung wiffen, ob der Eintritt Deutschlands in den Völkerbund die Lösung gewisser Probleme erleichtern würde, wie der Militärkontrolle u. a. m.

Georgien vor der Internationale.

fagt und Blum- Frankreich und Brailsford England aufgefordert, ela gemeinsames Memorandum auszuarbeiten. Die nächste Sigung der Erefutive findet im Januar oder Februar in Brüffel statt.

Frankreich und die Exportabgabe.

Paris , 30. September. ( WTB.) Die franzöfifche Regie. rung hat, wie Havas berichtet, der deutschen Botschaft heute die Antwort auf die deutsche Note, betreffend die 26 prozentige Exportabgabe überreichen lassen. Die französische Regierung bemerke, daß diese Tare analog derjenigen sei, die von England er­hoben werde, und daß ihre Einführung sogar durch den Dawes Plan als Zahlungsmittel vorgesehen sei. Die französische Re­gierung erkläre weiter, dem Deutschen Reiche würden durch diese finanzielle Maßnahme feine neuen Lasten aufgebürdet, sie habe nicht die Absicht, durch diese Abgabe die Klauseln des Dawes- Planes zu umgehen.

Beilegung des Genfer Zwischenfalls?

Genf , 30. September. ( Eigener Drahtbericht.) Der japanische

Zwischenfall, der hier großes Aufsehen erregte und eine Zeitlang die Arbeiten des Protokolls ernstlich gefährdete, hat am Dienstag mit einer Kompromißformel fein Ende gefunden. Man hat den beiden strittigen Artikeln 5 und 6 des Protokolls eine Ergänzung hinzugefügt, die den Wünschen der Japaner, wenn auch nicht ganz, so doch einigermaßen entgegentommt. In der neuen Fassung heißt der Artikel 5, der Streitigkeiten betraf, die nach Entschluß des Ge­richtshofes oder des Rates als innere Angelegenheiten ein Ein London , 30. September. ( Eigener Drahtbericht.) Die Eretufive greifen des Rates ausschlöffen, folgendermaßen: Wenn der Streit der Sozialistischen Internationale hat heute nach drei- fall vom Gerichtshof oder vom Raf als eine Angelegenheit betrachtet tägiger Beratung ihre Verhandlungen abgeschlossen. Im Mittelpunkt den Staates untersteht, so soll diese Entscheidung doch auf teinen wird, die ausschließlich der eigenen Gerichtsbarkeit des betreffen. fland eine große Debatte über die politische Lage, wobei besonders Fall daran hindern, daß die durch den Streitfall gefchaffene Situation die probleme des Ostens, namentlich Rußlands , Georgiens nochmals von dem Rat oder von der Versammlung nach und der Balkanstaaten besprochen wurden. In diesem Zusammen- geprüft wird." Dieser Baffus ist neu hinzugefügt worden. In dem hange wurde auch die Stellungnahme der englischen Arbeiterpartei Artikel 6, der feststellte, wer der Angreifer fei, ist jegt neu aufge zu Rußland erörtert. In einer Resolution über Georgien erhebt nommen worden, daß jeder Staat als Angreifer bezeichnet wird, die Erefufive feierlichen Protest gegen die blutigen der sich einer schiedsgerichtlichen Entscheidung nicht unterwirft, Repreffalien, die noch immer nicht beendet find, und ver­die feststellt, daß der Streitfall, der sich zwischen ihm und einem pflichtet alle angefchloffenen Parteien, mit ganzer Energie und allen anderen Staate erhoben hat, eine Frage ist, die nach der Entschei zu Gebote stehenden Mitteln die Arbeiter aller Länder für Unter- diefes Staates untersteht. Neu hinzugefügt ist jedoch: In diesem dung des internationalen Rechts der ausdrücklichen Kompetenz ffützung folgender Forderungen des georgischen Boltes aufzurufen: legten Fall soll der Staat nur dann als Angreifer bezeidynet zurüdziehung der bolschewistischen Armee aus Georgien , freie werden, wenn er nicht vorher die Streitfrage bem Rat ober der Abstimmung der georgischen Bevölkerung. Außerdem wurde die Bersammlung, entsprechend dem Artikel 11 des Pattes, vorge. Entschließung angenommen, in der die Exekutive, den heroifchen legt hat." Märtyrern, die in den Kerfern der Soloweztinseln im Hungerstreit find, brüderlich: Grüße sendet. Die Eretutive beschließt, daß die an­geschloffenen Parteien unverzüglich eine Ursion einleiten, um das Ceben dieser Kämpfer für Freiheit zu retten und eine allgemeine Amnestie für politische Gefangene in Rußland durchzusetzen. Die Frage Garantieverträge wurde auf die nächste Sigung ver­

Die Völkerbunds- Bollversammlung wird am Mittwochvormittag und nachmittag Sizungen abhalten und die Debatte über das Pro­tokoll eröffnen; man rechnet mit ihrer Dauer bis Donnerstagvormit. tag. Politis, Benesch und Briand werden als Wortführer für das Protokoll sprechen.

Man fann jegt mit einem Schluß der Tagung am Donnerstag­abend rechnen.

Arbeiter aller Länder!

Heute vor 60 Jahren wurde in der St.- Martins- Hall in London der Grundstein zur Ersten Internationalen Ar beiterassoziation gelegt. Die Exekutive der Sozialistischen Arbeiter- Internationale hat sich an diesem Gedenktag zu festlicher Versammlung an der Geburtsstätte der ersten internationalen Organisation des Proletariats versammelt.

Bor 60 Jahren erhielten jene Prinzipien, für die wir heute noch fämpfen, ihre klassische Formulierung in der Inaugural adresse der Internationalen Arbeiteraffoziation. Bor 60 Jahren adresse der Internationalen Arbeiterassoziation . Bor 60 Jahren fand jene tiefbegründete Solidarität der sozialistischen Arbeiterbewe gung auf politischem Gebiet mit den Intereſſen des Lages fampfes, der in den Gemertschaften geführt werden muß, ihren ersten Ausdruck. Heute treten die Gedanken, die die Männer in der St. Martins- Hall erfüllten, in Erscheinung in den gewaltigen, millionenstarken Organisationen des Internationalen Gewerkschaftsbundes und der Sozialistischen Arbeiter- Juter­nationale.

Bor 60 Jahren erklärte die Inauguraladreffe:" Das 3ehn­stundengese in England war nicht nur ein großer, prattischer Erfolg, es war der Sieg eines Prinzips." Heute stehen die Arbeiter aller Länder im entscheidenden Kampf um die endgültige internatio­nale Festlegung des Acht st un dentages. Dieser gewaltige Fort­schritt, den die Arbeiterklasse sich nicht nur in England, sondern bis weit hinein in schwachindustrielle Länder errungen hat, ist das ein­drucksvollste Zeichen der großen Erfolge in den zähen Kämpfen von sechs Jahrzehnten auf sozialpolitischem Gebiet.

Die Inauguraladresse pries die Genossenschaftsbeme gung als einen großen Sieg der Arbeit über das Kapital. Wie gewaltig weit es dieser Zweig der Arbeiterbewegung feit jenen An­fängen gebracht hat, zeigt sich in dem gewaltigen Erfolg, den der Internationale Genossenschaftsbund auf seinem Kongreß und seiner Ausstellung in Gent in diesem Sommer feiern durfte.

Die politische Macht zu erobern ist daher jetzt die große Pflicht der Arbeiterklasse." So erklärte die Inauguraladreffe vor 60 Jahren und schöpfte Hoffnung daraus, daß die Arbeiterbewegung nach der Periode der Reaktion nicht nur in England, sondern auch auf dem Kontinent wieder aufzuleben begann.

Heute sendet der Vorfihende der englischen Arbeiterpartei, der Premierminister des britischen Weltreichs, unserer Feier feinen Gruß,

heute ist die Arbeiterklasse in vielen anderen Ländern an der Schmelle der politischen Macht.

Noch ist das Ziel, das die Inauguraladresse gesetzt hat, nicht erreicht, denn in feinem Lande hat die Arbeiterklasse noch die wirt­liche Herrschaft. Ueberall, wo Arbeiterregierungen bestehen, find es irgendwelche Formen von Minderheits regierungen. Minder­heitsregierungen, geftüßt auf parlamentarische Ronstellation, wie in England und Dänemart, oder geftüßt auf Bajonette, die auch gegen Teile der Arbeiterklasse selbst gerichtet sind, wie in Ruß. land. Das wahre

Ziel der Inauguraladresse wird erreicht fein, wenn die Prole­farier, die die wahre Mehrheit des Voltes find, zum Bewußtsein ihrer Lage und Aufgabe erwacht sind, wenn diese Proletarier, wie die Inauguraladreffe fagt, in eine Organisation zu­fammengefaßt und von dieser geleitet, ihre Masse in die Wag­fchale werfen fönnen."

Dann wird der Moment gekommen sein, wo auf den festen Grund­lagen der Demokratie die Gefchice der Welt gelenkt werden von der überwältigenden Mehrheit im Interesse der überwältinenden Mehrheit der Menschheit. Wenn die Befreiung der Arbeiterklasse der verschiedenen Nationen ihr brüderliches Zusammenwirten erheischt, wie soll Dieses große Riel erreicht werden mit einer auswärtigen Politik, die fre velhafte Rwede verfolgt, nationale Vorurteile ausspielt und in Raubfriegen des Boltes Gut und Blut ver geudet?" So fragte die Inavauraladresse por 60 Jahren und sie antwortete, daß die Uebergriffe der barbarischen Macht, deren Haupt in St. Petersburg ist, und deren Hände in jedem Kabinett Europas sind, die Arbeiterklasse die Pflicht gelehrt haben, sich der Geheimnisse der internationalen Politit zu be mächtigen, die diplomatischen Aktionen ihrer Regierungen zu überwachen, ihnen, wenn nötig. mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln entgegenzuwirken." Das damalige Haupt dieser verbrecherischen Politik ist abgeschlagen, der Zarismus

ist beseitigt. Die letzten Autokratien sind gestürzt. Aber noch lange nicht ist in der auswärtigen Politif die Forderung der Inaugural adreffe verwirklicht, daß die einfachen Gesetze der Moral und des Rechts, die die Beziehungen von Privatpersonen regeln sollten, als die obersten Gesetze des Verkehrs der Nationen untereinander gelten". Noch werden von nur allzuvielen Regierungen frevelhafte 3mede verfolgt", noch werden nationale Vorurteile ausgespielt noch besteht die Gefahr, daß in Raubfriegen des Voltes Gut und Blut vergeudet" werde. Noch haben wir die Pflicht, unser Leben jenen großen Bielen zu weihen, die die Erste Internationale gesetzt, noch haben wir weiter zu fämpfen„ für eine neue Gefell­fchaft, die nach innen feine andere Politik fennt als die Arbeit, weil sie nach außen feine andere Bolitit hat als den Frieden". Vor 60 Jahren war das Symbol für das Selbstbestimmungsrecht die Forderung der Unabhängigkeit Polens . Die Selbständigkeit Bolens ist verwirklicht. Heute befennen wir uns zu diesem Grund­satz der Ersten Internationale, indem

wir fordern das Selbstbestimmungsrecht Georgiens als Symbol aller anderen Völker, die der Gewaltherrschaft unterworfen sind.

Von der kontinentalen Reattion Berbannte haben vor 60 Jahren gemeinsam mit englischen Gewerkschaftern die Inter­nationale gegründet. Die Kerker der Reaktion bestehen noch, ja sie find in manchen Ländern barbarischer als vor 60 Jahren. Aber mit weit hörbarem Schmerz erfüllt es uns, daß neben den Kerkern der Reaktion sich noch erhalten haben die Kerfer und Ber­bannungsorte des zaristischen Rußland . Und in dieser weihevollen Stunde grüßen wir im Gedenken an das heroische Leben von Karl Marx , der die Inauguraladresse geschaffen, im Ge­denken an die vielen, die in den Kertern für unsere Sache ge­storben sind,

grüßen wir unsere Genossen, die in Italien , in Ungarn , in Spanien und in den Kerfern des Fafchismus in anderen Ländern fchmachten, grüßen wir unsere Genoffen in den Kerfern des Bolschewismus,

die Verbannten auf den Solomezt- Inseln, grüßen wir die großen Toten unserer Bewegung, gedenten wir in Trauer unferes ermordeten Matteotti , gedenten wir in Trauer der als Geiseln ermordeten Sozialdemokraten in Georgien . So ist an diesem Gedenktag der internationalen höchsten Freude verbunden mit tiefstem Gram. Gram, daß wir nicht nur protestieren müssen gegen die Verfolgungen unserer fapitalistischen Feinde, sondern auch derer, die ehemals mit uns vereint gewesen sind.

Aber diese Phase der Verirrung wird ebenso überwunden werden wie der Batunismus der siebziger Jahre. Und dies wird um fo eher geschehen, je früher Rußland aus seiner Isolierung befreit ist. Der Vertrag, den Großbritannien mit Rußland sich abzuschließen anschickt, tann ein wichtiger Schritt in dieser Rich­tung jein.

So Schmerzliches mir erleben mußten, dürfen wir uns troz allebem heute voll und ganz hingeben unserer Freude über das Wachstum und den Aufstieg der internationalen Bewegung, unserer Freude, daß lebendige Wirklichkeit wird, was das Sinnen und Hoffen der Männer der St. Martins- Hall gewesen.

Ein Element des Erfolges besitzen die Arbeiter: ihre große Zahl", verkündet die Inauguraladresse. Auf dieses Clement des Erfolges haben wir die Sache unserer Sozialistischen Arbeiter- Inter­nationale gestellt. Nicht eine Art aufgeklärter Absolutismus" einer proletarischen Minderheitsgruppe fann uns die neue Weltordnung des Sozialismus bringen, sondern nur die Masse selbst, die sich mit sozialistischem Geist erfüllt. Und daher

rufen wir in diefer feierlichen Stunde alle, die noch nicht zu uns gehören, auf, fich uns anzuschließen, mitkämpfer zu werden in der Arbeit kämpfendem Heer.

Alle sind uns willkommen, die gewillt sind, die Entscheidungen der Mehrheit der Arbeiterklasse anzuerkennen, die gewillt sind, auf der Basis des Selbstbestimmungsrechtes der Arbeiter. flaffe den Kampf zu führen gegen den völferverderbenden Kapita. lis mus. Unsere Reihen wachsen, unser Bund wird geschlossener und mit neuer Siegeszuversicht im Herzen rufen wir euch zu wie vor 60 Jahren: Proletarier aller Länder, vereinigt euch!

London , 28. September 1924.

Die Exekutive der Sozialistischen Arbeiter- Internationale.