Nr.464+ 41.Jahrgang Ausgabe A Nr. 236
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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutfchlands
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In großen Sizungsfaale des ehemaligen Herrenhauses fand| Redner, als er in formvollendeter, scharfer Weise die jüngste Er gestern vor einen zahlreich erschienenen Bublifum eine eindrucksnolle Rundgebung der Deutschen Liga für Menschenrechte statt. Nachdem die Versammlung von Dr. Kuczynsti eröffnet worden mar, ergriff, von stürmischem Beifall begrüßt, der bekannte Gelehrte und Vorfämpfer der Friedenside in Frankreich ,
Prof. Bictor Basch,
das Wort, unt über die europäische Lage und die deutschfranzösische Verständigung zu sprechen. Es sei eine Lust zu leben, begann er, wenn man die tiefen Wandlungen berücksichtige, die im letzten Jahre in der Psychologie der europäischen Völker eingetreten set. Endlich beginne die tiefe Psychose des Krieges und der Nachkriegszeit zu weichen, es zeige fich der Weg, der aus dem Elend der lezten Jahre herausführe. Redner schilderte die große Bedeutung des Sieges Macdonalds in England und des Linksblods in Frankreich und versicherte, von stürmischem Beifall der Bersammlung unterbrochen, daß Herriot der überzeugteste Abootat der deutsch - französischen Berständigung und der glühendite Anhänger eines wirklichen Friedens sei. Es wäre eine Lust zu leben, fuhr der Redner fort, wenn Deutschland nicht wäre,
wie es heute ist! Warum tut Deutschland so spröde, wo Frank
reich ihm die Hand entgegenstrect? Gewiß, Deutschland hat viel gelitten. Aber auch Frankreich hat zehn zerstörte Provinzen, die noch immer nicht aufgebaut sind. Was trennt uns voneinander? Backen wir den Stier bei den Hörnern:. Es ist die Frage der Kriegsschuld, die uns trennt und die absichtlich von jenen immer wieder aufgeworfen wird, die keine deutsch - französische Verständigung, feine Demokratie, feinen Frieden wollen.
Kriegs:
Basch stizzierte furz seine Auffassung über die Schuldfrage und erklärte, ar fönnte es verstehen, daß man anderer Auffaffung über diese Frage sei. 20ber er könne nicht verstehen, daß nach bém Abkommen in London ein deutscher Staatsmann Den Gedanken habcm fonnte, die fchuldfrage wieder aufzurollen und in den Bordergrund zu stellen. Heute ist unsere These, fuhr er fort, die These der Liga für Menschenrechte, die folgende: Bir anerkennen nicht den§ 231 des Versailler Bertrages, denn ein aufgezwungenes Bekenntnis einer Schuld ist das unmoralischste Mittel, das es gibt.( Stürmischer Beifall.) Aber wer einen Schaden verursacht hat, muß ihm wieder gut machen. Daher die Pflicht zur Reparation. Diese Pflicht ist feine juridische, sondern eine mora. Iische.
Sehr wirkungsvoll waren die weiteren Ausführungen des RedMan ners über den Eintritt Deutschlands in den Bölkerbund. fönne absolut nicht verstehen, daß Deutschland in dem Augenblick, wo ihm die Türen zum Völkerbund geöffnet werden, so furchtbar spröde tut und feinen Eintritt von verschiedenen Borbedingungen abhängig macht. Die ausgezeichnete Stimmung, die für Deutsch land in Genf herrschte, sei schlechter geworden. Die Frage, auf die alles hinauslaufe, sei die: Wird Deutschland eine Demotratie, eine Republik , eine friedensliebende Republik sein? Oder wird Deutschland nur dem Namen nach Republit, in Wirk lichkeit aber das alte Kaiserreich sein, aus dem der Kaiser nur herausgegangen ist?. Wird Deutschland wieder das alte junkerlich militaristische Deutschland sein, das von Revanche träumt? Trifft das zu, dann wird sich die ganze Welt wieder gegen Deutschland erheben. Wollt Ihr das? fragte der Redner leidenschaftdurchbebt. Stürmisches Rein, nein!" der ganzen Versammlung tönte ihm entgegen. Und dieselbe stürmische Zustimmung wurde dem
Die Anleihe perfekt. Auflegung noch vor dem 15, Oktober. Condon, 1. Oftober.( Eigener Drahtbericht. Wie die Abendblätter melden, haben die von der Bank von England eingesetzten Sachverständigen die vom Reichsbankpräsidenten Schacht in Gemeinschaft mit dem Bankhaus Morgan formulierten Bedingungen der Anleihe gutgeheißen und ihre Uebereinstimmung mit dem Dawes Bericht und dem feinerzeit in London gemachten Borschlag festgestellt. Der amerikanische Anteil sei definitiv mit 100 mil lionen Dollar, also der Hälfte der Anleihe, festgesetzt. 3n zwei Tagen wird die Festlegung des Anteils europäischer Länder etwartet. Der brißische Anteil foll 10 bis 15 millionen Pfund Sterling betragen, ffeht jedoch noch nicht ganz fest. Schacht verhandelt gegenwärtig mit Schweizer , holländischen und schwedischen Banfiers. Die Anleihe wird für Amerika in Dollars, für europäische Länder in Pfund Sterling aufgelegt. Man hofft sie noch vor Mitte Ottober aufzulegen. Reichsfinanzminister Luther ist heute zweds Abschlußverhandlungen und Unterschrift unter die Schuldverschreibungen des Reichs in Condon eingetroffen.
In China leistet die Armee Ticheliange helbenmütigen Wider. ftand gegen die Angriffe der Kiangfu- Truppen, die ständig und mit immer größeren Formationen wiederholt werden, um in den Besitz bon Shanghai zu kommen. Nach einer dreitägigen Schlacht mußten sich die Verteidiger der Stadt langsam zurüdzieben. Die Berluste auf beiden Seiten werden auf rund 2000 Mann beziffert.
härung von Stresemann zurückwies, daß man eine Brüde bauen müsse zwischen Deutschland von heute und dem Deutschland von gestern. Ich sage nein," rief Basch aus, man kann nicht das Kaiserreich und die Republik verheiraten, man fann feine Brücke bauen zwischen Reaktion und demokratischem Fortschritt. Wenn eine Brücke geschlagen werben soll, dann muß es eine Brücke sein, zwischen dem Deutschland von heute und dem Deutschland von vorgestern, dem Deutschland von Schiller und Goethe, vor Kant und Hegel, von Beethoven und Mozart . Dann wird das neue republikanische Deutschland wieder zu einem der Mittelpunkte der europäischen Kultur merden."( Stürmischer, langandauernder Beifall.)
Ms zweiter Redner des Abends ergriff. o. Gerlach das Wort, die Stellung Deutschlands zur Frage der deutsch - franzöfischen Verständigung zu fizzieren. In dieser Frage gebe es feine fifchen Verständigung zu sbizzieren. In dieser Frage gebe es feine Dertleisterung, fein Kompromis. Hier müsse die Bernunft über die Gefühlspolitik fiegen, sonst tüme Europa nicht zur Ruhe und zum Frieden. Wir fagen offen, roenn ein Teil der deutschen Bourgeoisie von Haß- und Rachegefühlen erfüllt ist, so trifft das auf die große Masse des Voltes in Deutschland nicht zu. Diese Masse will Frieden und Berständigung mit Frankreich , in ihr leben tiefere und edlere Gefühle als in jenen Schichten, die unter dem Einfluß des typischen deutschen Oberlehrers stehen. Es muß auch gejagt
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Marx zur Regierungsfrage.
Die Verhandlungen nach beiden Seiten.
Der Reichstanzler Marr hat der Redaktion der Ger mania " über sein Borhaben bei den heute beginnenden Ber handlungen eine längere Erflärung gegeben, in der er es als ein Ziel bezeichnet, auf dem Boden bestimmter Richtlinien alle Barteien zusammen zu führen, die willens find, dem deutschen Bolf den Weg in eine bessere Zukunft zu bahnen". Zu diesem Zwed wolle er jetzt an die Parteien herantreten ,,, durch deren Hilfe der Reichsregierung die Durchführung ihres innen- und außenpolitischen Programms möglich gewesen ist". Der Reichskanzler fährt dann wörtlich fort:
Ich bin daher entschlossen, mich sowohl mit der sozialdemokratischen, wie auch mit der deutschnatio. nalen Partei in Berbindung zu sehen, um von ihnen zu erfahren, ob sie entschlossen sind, die Lösung der wichtigen, in den kommenden Monaten zu erledigenden Aufgaben gemeinsam mit den bisherigen Koalitionsparteien durch tätige Mithilfe in der Reichsregierung mitdurchzuführen. Mich leitet dabei der Gedanke der Volksgemeinschaft, die alle die Kräfte und Kreise des deutschen Voltes umfassen soll, die durch die Tat bewiesen haben, daß ihnen die Rettung des deutschen Voltes und der Wiederaufbau unseres Baterlandes auf dem Boden der bestehenden staatlichen und unferes Baterlandes auf dem Boden der bestehenden staatlichen und gefellschaftlichen Ordnung Aufgabe und Pflicht ist.
Man tann nicht verkennen, daß es im letzten Jahre shne die entscheidende Unterstühung der sozialdemokrati.
werben, daß Poincaré mit seiner Tube besetzung der wahre Mähr schen Fraktion nicht möglich gewesen wäre, durch die der Re
vater des deutschen Nationdismus war. Das fagen wir unseren französischen Freunden, die selbst gegen Poincaré gefämpft haben, zu unserer Freude mit Erfolg. Wir sagen auch, und das soll im Ausland gehört und erkannt werden, daß die deutsche Republit end fich angefangen hat, an ihre Sicherheit zu denten. Das Reichsbanner Schwarz- Rot- Gold, dessen Mitgliederzahl die dritte Million erreicht hat, ist ein Bollwert des Friedens und der Demokratie in Deutschland. ( Stürmischer Beifall.)
Der Redner machte dann noch sehr interessante Mitteilungen über einen Brief schitscherins, der in Berlin eingetroffen ist. In diesem Brief beschwört Tschitscherin die deutsche Regierung, nicht in den Bölferbund einzutreten, nicht den„ Canoffa- Gang" nach dem eften zu tun, da es sonst die Verbindung mit dem Often verlieren würde. Dieser Brief beweise, fuhr p. Gerlach fort, daß von gewissen Stellen ein starter Druck auf die Regierung ausgeübt merde, nicht in den Bölferbund einzutreten. Aber eine noch größere Gefahr als dieses hinterliftige Spiel Rußlands sei die Gefahr einer Regierungsbildung mit den Deutschnationalen. Alles werde geopfert, wenn die Deutschnationalen in die Regierung aufgenommen würden. Sie seien Wölfe im Schafspel, die haupt fächlich danach strebten, die Macht in die Hand zu bekommen und vor allen Dingen Preußen an die Reaktion auszuliefern. Dem Bloc der Reaktion müßten alle Demokraten und Republikaner auch i ben bürgerlichen Parteien einen Block der Linken, einen ( Stürmischer Beifall.) Blod der Republik entgegenstellen.
Bayerische Bürgerblockdiplomatie.
Bom Vorsitzenden der Bersammlung wurde mitgeteilt, daß die Polizei in Nürnberg einen für Montag angefehten Bortrag von Prof. Basch verboten habe. Gegen dieses Berbot, das den wahren Charakter der Bürgerblockpolitik drastisch offenbart, erhob bie Versammlung lebhaften Protest. In diesem Sinne wurde auch eine Kundgebung an den bayerischen Ministerpräsidenten Held beschlossen. Ferner wurde mitgeteilt, daß an Stelle der in Nürnberg verbotenen Versammlung am fommenden Montag eine Bersamm lung in Potsdam abgehalten werden würde, in der Prof. Basch und Genosse 2öbe sprechen werden.
gierung gegebene Ermächtigung auf dem Berordnungswege Deutsch land vor dem wirtschaftlichen und sozialen Chaos zu bewahren und verständigengutachtens und ferner die von der Regierung geführte Polifit hinsichtlich des Sachverständigengutachtens und der Londoner Abmachungen zu sichern. Ich erachte es darum als meine Pflicht, an die Sozialdemokratie heranzutreten und sie zur Mitarbeit in der Reichsregierung auf3 ufordern.
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Andererseits liegt es aber auch im dringenden vaterländischen Interesse, daß die starken nationalen und wirtschaftlichen Kräfte, die in der Deutschnationalen Bolts partei geborgen sind, für pofitive Regierungsarbeit fruchtbar gemacht werden. Die Deutsch nationale Volkspartei hat bislang in Opposition zu allen Regierungen geftanden, die seit Weimar Deutschlands Geschäfte führten. Um so aufrichtiger begrüße ich den Beschluß maßgebender Kreise dieser Partei, fortan nicht mehr abseits zu stehen, sondern gemeinsam mit uns den Weg zu beschreiten, der noch meiner Ueberzeugung allein zur Rettung Deutschlands führt. Ich verstehe, daß auf manchen Seiten starke Hemmungen und heftiges Wiberdankens der Volksgemeinschaft gutzuheißen. Eine andere Art ftreten überwunden werde i müssen, um diese Durchführung des Gewahrer Boltsgemeinschaft ist aber für mich nicht denkbar, und ich hege das Bertrauen, daß es angesichts der zwingenden Anforderungen der Stunde möglich sein wird, alle Kräfte bes deutschen Boltes zusammenzufassen, um Deutschland wieder groß und frei zu machen.
Die Besprechungen des Reichskanzlers mit den Parteien über die Frage der Regierungserweiterung nehmen, wie nunmehr feststeht, am Donnerstagnachmittag um 5 Uhr mit 45 einer Konferenz der Führer der Regierungspar feien beim Reichskanzler ihren Anfang. Am Freitag soll dann die Besprechung des Reichskanzlers mit den Sozialdemofraten folgen, am Sonnabend die Konferenz mit den Deutschnationalen.
Es soll uns wundern, wenn es gelingen sollte, die Beratungen der bisherigen Regierungsparteien schon heute soweit zu fördern, daß ein weiteres Berhandeln am folgenden Tag möglich werden sollte. Die Meinungsverschiedenheiten find doch allzu offenfundig und allzu groß.
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Das schwedische Wahlergebnis. Möglichkeit einer sozialdemokratischen Regierung. Die Bolkspartei hat unter dem täuschenden, für die NichtStocholm, 1. Oktober. ( Eigener Drahtbericht.) Das Gesamt: beteiligten tief verlegenden Namen einer Boltsgemeinschaft" ergebnis der Reichstagswahlen zeigt, daß die Sozialdemokraten fünf den Bürgerblock proflamiert. Sie erstrebt die einseitige Mandate gewonnen haben, davon drei von den Kommunisten. Im neuen Reichstag fizen 104 Sozialdemokraten Erweiterung der Regierung nach rechts. Demokraten und lintes Zentrum lehnen aber eine gemeinsame Regierungsgegen 99 im alten Reichstag und 4 Kommunisten gegen 7 bisher. Die Fraktionsstärke der Konservativen und der Liberalen ist noch bildung mit den Deutschnationalen ab. Nun kommt der nicht genau bekannt. Jedenfalls haben die Sozialdemokraten die Reichskanzler mit dem taktischen Gegenzug, an Stelle der absolute Mehrheit zwar nicht erreicht, sind aber die stärkste Fraktion. ,, Bolfsgemeinschaft" zwischen Deutschnationalen und VolksDa ein Flügel der Liberalen( Demokraten ) in der Militärparteilern die Volksgemeinschaft" von den Deutschnationalen frage, die im Vordergrund steht, mit den Sozialdemokraten weit- bis zu den Sozialdemokraten zu fordern. gehend übereinstimmt, erscheint die Bildung einer sozialdemo fratischen Regierung unter der Führung Hjalmar Bran tings nicht unwahrscheinlich.
Stocholm, 1. Oftober, mitternachts.( Eigener Drahtbericht.) Die Konservativen haben 2 Size gewonnen( 64 gegen 62), der rechtsstehende Bauernbund gleichfalls 2( 23 gegen 21), ba gegen find die Liberalen und Freifinnigen von 41 auf 35 zurüd gegangen. Die Bildung der Regierung ist vollkommen zweifelhaft, doch ist sicher, daß die fonservative Regierung zurüd
treten wird.
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Metta bedroht. Die Stadt Metka ist vollständig der Gnade der aufständischen Ba habiten ausgeliefert. König Huffein soll die Britische Regierung um Hilfe gebeten haben. Gerüchtweise verlautet, daß in Stairo Friedensverhandlungen begonnen haben.
Es gibt also in der Frage der Regierungsumbildung innerhalb der Regierungsparteien mindestens dreierlei verschiedene Meinungen, über die man sich erst recht gründlich aussprechen sollte, bevor man andere Parteien zu ben Berhandlungen heranzieht.
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Was diese anderen Parteien betrifft, so gibt die ,, Kreuz zeitung " dem Reichskanzler heute schon die deutschnatio nale Antwort, indem sie sich mit folgenden Sägen gegen die Germania " wendet:
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