Einzelbild herunterladen
 

Abendausgabe

Nr. 485 41. Jahrgang Ausgabe B Nr. 243

Bezugsbedingungen und Anzeigenpreife find in der Morgenausgabe angegeben Redaktion: Sw. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-295 Tel.- Adreffe: Sozialdemokrat Berlin

Vorwärts

Berliner Volksblatt

5 Goldpfennig

Dienstag

14. Oktober? 924

Berlag und Anzeigenabteilung: Geschäftszeit 9-5 Uhr

Berleger: Borwärts- Berlag GmbH. Berlin Sm. 68, Lindenstraße& Fernsprecher: Dönhoff 2506-2507

Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Dem Ziel entgegen!

Der Zeppelin in voller Fahrt auf die amerikanische Küste.

wohl sei.

Mit erstaunlicher Sicherheit und mit einer bewunderns-| schwindigkeit 110 Rilometer betrage und daß an Bord alles werten Präzision zieht das stolze Luftschiff seine Bahn. Stunde für Stunde fommt es seinem Ziele näher. Die lezte Stand­ortmeldung, die heute vormittag bekanntgegeben wurde, lautet:

Nur noch 3000 Kilometer von Amerika entfernt. Um 10 Uhr vormittags geht von der Radiostation New York

Aus New York wird von 10,26 gemeldet: 3. R. 3 9 Uhr vor­mittags mitteleuropäischer Zeit 41,10 West 38 Nord. Schiff und Ma­schinen in Ordnung. An Bord alles wohl. Wetter gut.

Danach scheint die Meldung vom heutigen Nachmittag, daß sich der Zeppelin im Sturm befinde, sich nicht zu bestätigen, denn die Geschwindigkeit von 110 Rilometern in der Stunde ist als durchaus normal anzusehen. Bei stärkerem Gegenwind und bei sonst un­

günstigen Witterungsumständen würde er diese Geschwindigkeit wohl

nicht erreichen.

folgendes Telegramm des Kapitänleutnants Flemming ein: Junt­Rom, 13. Oktober. ( WTB.) Die Blätter interessieren sich sehr spruch vom 3. R. 3 an die Telunion Berlin . 9 Uhr vormittags für die Fahrt des 3. R. 3. Die Tribuna" veröffentlicht auf der mitteleuropäische Zeit. Stehen nach 2 Tagen Fahrt etwa 3000 kilo- erfben Seite eine ausführliche Korrespondenzmeidung aus Friedrichs meter vor amerikanischer Küste. Schiff, Maschinen, Befahung in hafen und bringt drei Abbildungen des Luftschiffes. Telegramme Form. 3. R. 3., über den Verlauf der Fahrt werden mit großer Spannung erwartet. New York , 14. Oktober. ( Durch Funkspruch.) 5,15 Uhr mittel­europäische Zeit fing die Station in Lakehurst Funksprüche auf, bindung aufzunehmen versuchte. 3. R. 3 funfte an die Detroit " aus denen sich ergab, daß der Kreuzer Detroit " mit 3. R. 3 Ber. zurück, daß die Sprüche aufgenommen feien, der Kreuzer möge weiter funten. Offenbar erhielt die" Detroit " diese Funksprüche jedoch nicht, Station in Lakehurst ein, benachrichtigte die Detroit ", daß 3. n. 3 denn der Kreuzer setzte seine Anrufversuche fert. Daher griff nun oie ihre Funksprüche erhalten habe, und gab Weisung, 3. R. 3 weiter

Aus diesen Meldungen geht hervor, daß das Luftschiff in regelmäßiger Fahrt und fast unveränderter Geschwindigkeit fich der amerikanischen Küste nähert. Die Kursrichtung über die Bermudasinseln ist danach offenbar nicht bei behalten. Das Schiff fliegt in gerader Richtung nach Westen, ohne die Ausbuchtung über die Bermudainseln vorzunehmen. Eine direkte funfentelegraphische Verbindung mit deutschen Stationen ist zurzeit nicht zu erreichen, während der Nacht haben einige deutsche Stationen, vor allen Dingen Nordeich, Funtsprüche des Schiffes aufgenommen, ohne mit ihm in Ber­bindung treten zu fönnen. Zurzeit erfolgt die Berbindung nur über Amerita, wo eine Reihe amerikanischer Kriegs­schiffe und die östlichen Küstenstationen Annapolis und Chatam mit dem Schiff die Verbindung aufrechterhalten. Die Nachrichten, daß der Zeppelin durch starke sturmartige Gegenwinde gehindert werde, scheint sich nicht zu bewahrheiten. Im einzelnen liegen über die Fahrt noch folgende Meldungen

por:

800 Meilen westlich der Azoren .

Latehurst im Staate New Jersey , 14. Oftober. Nach den hier eingetroffenen Funtsprüchen befand sich der Zeppelin 7,30 Uhr abends ( amerikanische Zeit, also 1,30 Uhr nachts mitteleuropäische Zeit) 800 Meilen westlich der Azoren .

New York , 13. Oktober. ( Funkspruch.) Gegen 8 1hr abends ( mitteleuropäische Zeit) meldete 3. R. 3 im Funkverkehr mit der amerifanifchen Funkstation Marion, daß seine augenblickliche Ge­

Die Regierung foll bleiben. Einmütiger Beschluß des Zentrums.

Die Reichstagsfraktion des Zentrums trat heute um 10 Uhr vormittags zusammen und faßte gegen Mittag bei fast vollzähliger Befehung es fehlten nur drei Abgeordnete einmütig den Beschluß:

-

-

" Nachdem die Erweiterung der Koalition nach rechts und links leider gescheitert ist, ist die Zentrumsfraktion einmütig der Auf­fassung, daß mit Rücksicht auf die gegenwärtige politische Lage die bestehende Regierung beizubehalten ist."

Dieser Beschluß ist, wie ausdrücklich hervorgehoben wird, einstimmig gefaßt, und zwar auch ohne Stimmenent­haltungen.

Die Zentrumsfraktion lehnt also durch diesen Beschluß den Bürgerblock für den Augenblic ab und schließt die Tür für Verhandlungen nacht rechts, wie man an nehmen muß, endgültig.

Die Demotraten treten heute nachmittag um 2 Uhr zusammen. Ihr Beschluß wird zweifellos dem des Zentrums entsprechen, wenn er auch nicht über ihn hinausgehen sollte. Um 4 Uhr hält dann die Boltspartei Fraktionssizung ab. Sie wird jedenfalls versuchen, die geschlossene Berhand­lungstür wieder zu öffnen. Wenn ihr das nicht gelingt, wird fie vor die Frage geftellt sein, ob sie sich mit dem Fortbestand der Regierung Marr abfinden oder den Versuch unternehmen soll, die Regierung durch Zurückziehung ihrer Minister zu fprengen. In diesem zweiten Fall wäre die Reichstags auflösung die selbstverständliche Folge.

Bor der Fraktionssihung des Zentrums im Reichstag hatten bie demokratischen Abgeordneten Dr. Haas und Erte lenz eine Besprechung mit dem Zentrumsabgeordneten Fehren­bach. In dieser Besprechung betonten die Demokraten, wie die TU. erfährt, erneut, daß ihre Fraktion einen Bürgerblod nicht mitmachen werde.

Wie die Telegraphenunion erfährt, ist der Beschluß des Sentrums den Fraktionen der Deutschen Volkspartei und der Demokratischen Partei zugesteilt worden. In parlamentari­schen Kreisen wird der Beschluß dahin ausgelegt, daß das 3entrum die Entscheidung damit namentlich der Boltspartei zuschiebt. Der Fraktionsvorstand der Deut­ schen Volkspartei hält augenblicklich eine Beratung ab, die Fraktion selbst wird um 4 ühr zusammentreten, die der Demo­fraten um 2 Uhr. Das Zentrum wird zunächst die Antwort beider Fraktionen abwarten und sie dann in einer weiteren Fraktionsfizung heute abend um 6 Uhr beraten.

|

anzufunken.

Auf der drahtlosen Station in Boston sind, wie die Bostoner Radiogesellschaft mitteilt, seit 11 Uhr fast dauernd Funksprüche vom 3. R. 3 aufgenommen worden.

" Daily News" schreibt in einem Leitartikel, die Deutschen könn­ten sich mit dem Gedanken trösten, daß sie weiterhin die besten Luftschiffbauer der Welt feien und daß, wenn 3. R. 3 feine Reise nach Amerita ohne Unfall vollendet habe, diese Tat als Triumph der deuischen Intelligenz und der deutschen technischen Ge­schicklichkeit gelten werde.

Maschinendefekt des Zeppelin? Berringerung der Geschwindigkeit auf 40 Meilen. Die Funkstation der Telegraphenunion hat um 1 Uhr mit. fags einen Funtspruch aus New York aufgenommen, dessen Anfang verstümmelt ist und in dem es dann weiter heißt: Heufige Morgenmeldungen widersprechen sich und Times" jagt, 3eppelin habe Maschinendefert, der Berringerung der Schnelligkeit auf 40 Meilen nötig mache.

Wie wird aufgelöst?

Tritt der Reichstag noch einmal zusammen?

In einer Meldung der Zeit", die wir heute morgen wieder gaber, war gesagt, daß für den Fall der Auflösung ein vorheriger Zusammentritt des aufzulösenden Reichstags voraussichtlich über. haupt nicht mehr in Betracht täme. In der gestrigen Sitzung des Aeltestenausschusses tam Genosse Hermann Müller auf diese Gerüchte zu sprechen. Der volksparteiliche Abg. Rießer sagte da­bei in einem Zwischenruf, daß nach der Verfassung ein Busammen­treten des Reichstages im Falle der Auflösung nicht notwendig sei. Genoffe Hermann Müller verwahrte fich energisch dagegen, daß ver­sucht würde, den Reichstag aufzulösen, ohne daß die entsprechende Botschaft im Reichstag verlesen würde. Das würde nicht nur der Tradition des Deutscher Reichstags widersprechen, es sei auch in anderen Ländern nicht üblich.

Die Darlegungen des Genossen Müller fanden, außer bei der Volkspartei, feinen Widerspruch. Mit ihm scheint danach die große Mehrheit der Abgeordneten der Auffaffung zu sein, daß eine Auf lösung ohne vorherige Versammlung des Reichstags unftatthaft und

unwürdig ist.

Gegen den Bürgerblock.

Die Kölner Zentrumsentschließung.

Köln , 14. Oftober.( Ill.) In einer Mitgliederversammlung des Kölner Zentrums wurde am Montag abend nach einer Rede des 3entrumsabgeordneten Leo Schwering über die Frage der Re­gierungsumbildung einstimmig folgende Resolution angenommen: Die Mitgliederversammlung der Kölner Zentrumspartei blidt mit ernster Gorge auf die durch das Vorgehen der Deutschen Boltspartei herbeigeführte Regierungstrije. Sie sieht feinen sachlichen und wendigkeit einer Kursänderung des gegenwärtigen Rabinetts be­insbesondere feinen staatspolitischen Grund, der die Not­gründet. Gie dankt der Reichstagsfraktion des Zentrums für ihre bisherige Arbeit, spricht ihr volles Bertrauen aus und gibt der Er martung Ausdruck, daß sie in voller Einigkeit und Entschloffenheit für die notwendige Entscheidung eintritt. Die Kölner Zentrums­bisherigen Regierungsfurs, insbesondere außenpolitisch, än­partei erwartet auf das Bestimmteste, daß nichts geschieht, was den bern fönnte. Sie stellt sich einmütig hinter den Reichskanzler Marg, dessen Politik und Persönlichkeit für sie ein politisches und mora lisches Programm bedeutet.

Remscheid wird geräumt.

Remscheid , 14. Oftober.( Eca.) Nach einer amtlichen Mitteilung werden die französischen Truppen Remscheid am 20. Oftober ver­werden die franzöfifchen Truppen Remscheid am 20. Oftober ver­lassen. Die deutsche Polizei wird dafür verantwortlich gemacht, daß die Bevölkerung den Abmarsch nicht stört.

Der Sinn der englischen Wahlen.

Warum hat Macdonald aufgelöst?

London , 12. Oktober.

Unmittelbar nach der Auflösung des Unterhauses hat der Wahlkampf eingesetzt. Die Parteien haben ihre Wahlaufrufe veröffentlicht, die Parteiführer haben sich mit Feuereifer in den Wahlkampf gestürzt, die Wellen der Wahlagitation breiten sich über das ganze Land aus, denn schon nach zwei Wochen findet die Wahl statt.

der

Zunächst trat die Frage in den Vordergrund: Warum hat Macdonald aufgelöst? Man weiß aus den Berichten über die denkwürdige Unterhausfizung Dom Mitt­moch nachts, daß die rischen Niederlage mit spielender Leichtigkeit hätte ent­die Regierung parlamenta gehen können; man weiß, daß Asquith in letter Stunde durch die Ankündigung des eventuellen Berzichts auf die liberalen Size in der Untersuchungsfommiffion das Aeußerste getan hat, was er überhaupt tun fonnte, ohne die liberale Partei in fritischer Stunde völlig lächerlich zu machen. Warum hat Macdonald trotzdem auf die Zurückziehung fequenzen einer parlamentarischen Niederlage getragen, als des Antrags bestanden und schließlich lieber die schweren Kon­nachzugeben?

Die Frage wird heute tausendfältig, wird im kommenden donald die Entscheidung erzwungen? Man hat sich bisher in Wahlkampf millionenfach gestellt werden. Warum hat Mac­den liberalen und tonservativen Blättern die Antwort- unter der Wirkung der Wahlpsychose recht leicht gemacht. Bon den Zahnschmerzen angefangen, die Macdonald während der historischen Sizung gehabt haben soll, bis zur Anschuldi= gung einer Kapitulation vor dem Radikalismus in der eige­nen Partei haben die lächerlichsten Erklärungsversuche her­halten müssen. Man hat schließlich in der Haltung der Re­gierung nicht mehr und nicht weniger als die Flucht vor den ungeheuren außenpolitischen Proble men sehen wollen, vor die sich jede englische Regierung in diesem Augenblick gestellt sieht: Indien in ewigem Aufruhr, gespannteste Beziehungen zur Türkei , die irische Frage troß ihrer gefeßlichen Erledigung in einem fritischen Stadium. Nicht zuletzt wurde Macdonalds Haltung am Mittwoch als ein frivoler Bersuch" betrachtet, aus heiterem Himmel die ahnungslosen bürgerlichen Parteien jählings zu überfallen. Nichts ist falscher als diese Behauptungen. Mac= donald hat diese Wahl nie gewollt, er hat nie­mals einen anderen Wunsch gehabt als seine große außen­politische Aufgabe der Befriedung Europas weiterzuführen. Er hat um dieser Aufgabe willen, trotz des Geheuls der poli­tischen Gegner, zehn parlamentarische Niederlagen im Laufe von acht Monaten auf sich genommen, ohne die letzten parla­mentarischen Konsequenzen zu ziehen. Es entbehrt nicht der Pifanterie, daß dieselben Blätter, die Macdonald nach jeder dieser Niederlagen parlamentarische Dickhäutigkeit, Kleben an der Ministerpräsidentenschaft usw. vorwarfen, heute mit heuchlerischem Bedauern seine Ueberempfindlichkeit, seine Reizbarkeit feststellen und ihm aus dem gleichen Verhalten einen Strid zu drehen suchen, das man ihm als Gebot poli­tischen Anstands monatelang angeraten hatte.

Es muß um der geschichtlichen Wahrheit und Gerechtig­feit willen festgestellt werden, daß Macdonald folange jeder Versuchung, den Weg der Auflösung und Neuwahlen zu gehen, Widerstand geleistet hat als diese parlamentarischen Zwischenfälle und Bufälligkeiten ihn und seine Minister­follegen nicht in der Ausübung ihrer verantwortlichen als sich die beiden bürgerlichen Parteien mit ihrer Aemter behindert haben. Das war so lange der Fall, gemeinschaftlichen Gegnerschaft gegen die Arbeiterregie­Sobald es aber flar rung nicht gefunden hatten. wurde, daß die Liberalen und Konservativen ent­schlossen waren, es auf dem Boden des englisch - ruffischen Ver­trages zur Entscheidungsschlacht fommen zu lassen, änderte sich auch für Macdonald und seine Regierung natur­gemäß die Lage ungeheuer. Es begannen sich jene Wider­stände bei der Führung der Geschäfte, insbesondere in der äußeren Politik einzustellen, die die Folge einer geschwächten parlamentarischen Position zu sein pflegen. Die Autorität der Regierung war vermindert, ihre Handlungsfreiheit einge­schränkt. Die schleichende Krise war da. Als Mac­donald erkannte, daß das Schicksal seiner Regierung besiegelt war, daß die bürgerlichen Parteien nur noch um einen mög­lichst günstigen Kampfplay manövrierten, die Zwischenzeit dazu benutzend, ohne Rücksicht auf das nationale Interesse niedrigen und zu demütigen, da gab es für ihn fein Zögern und auf die außenpolitischen Folgen die Regierung zu er­mehr. Er zerschlug mit fühnem Entschluß das In­trigenspiel der Gegner und führte die unabwendbar ge­wordene Entscheidung herbei, ehe ihm die Führung der Ge­fchäfte und die Initiative entglitten und ehe das gute Schild der Aibeiterregierung befleckt war.

Nichts ist selbstverständlicher, als daß die politischen Gegner nunmehr die beleidigte Unschuld mimen und Mac­donald der frivolen Entfesselung eines Wahlkampfes be­zichtigen, den sie felbst auf lange Sicht eingefädelt hatten, während der Premier im höchsten Grade patriotisch handelte, als er dem Land eine monatelange, wirtschaftlich und politisch unfruchtbare Periode der Ungewißheit erspart hat. Sie sind wütend, weil Macdonald und die Seinen vor die Wähler treten, ehe es den vereinten Bemühungen der bürgerlichen Parteien gelungen ist, gestüßt auf einen ungeheuren Presse­apparat, jenes Moment des psychologischen Umschlages gegen