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Abendausgabe

Nr. 487 41. Jahrgang Ausgabe B Nr. 244

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Vorwärts

Berliner Volksblatt

5 Goldpfennig

Mittwoch

15. Oktober 1924

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Z. R. 3 am Ziel. Z.R.3

In 79 Stunden von Friedrichshafen nach New York .

New Bort( Funffprudh). 3. R. 3 ist um 1,25 Uhr ( mitteleuropäischer Zeit) über New Bort eingetroffen.

*

Aus Washington wurde um 3 Uhr morgens gefunkt:| von der Insel Fayal ( Azora) bis zu der Position 41 Nord 36 Weft Ein Funtspruch des 3. R. 3 vom Dienstag spät abends meldet, führte. Hier hat das Amerifaluftschiff einen daß das Schiff mit vier Maschinen fährt. Es erreichte trotzdem nur 57 Knoten die Stunde, weil es durch widerliche Südwest­winde von einer Geschwindigkeit von 30 Knoten aufgehalten worden Es herrscht Nebel und starte Bewölfung. Um 8 Uhr morgens besteht Hoffnung, flares Wetter zu finden.

In den Stunden, da unsere Berliner Leser dieses Blatt in die Hand bekommen, wird 3. R. 3 wahrscheinlich schon an feinem Bestimmungsort gelandet oder doch in Landung beift. griffen sein. Seit den frühen Morgenstunden fährt das Luft­schiff bereits über nordamerikanischem Festland. In den Mittagsstunden strebte es auf New York zu, die riesigen Me­tropole der Vereinigten Staaten . Im Laufe des Nachmittags wird es in dem Lufthafen Lakehurst erwartet.

Drei Tage und einen halben nur hat der Zeppelin bedurft, um die Riesenspanne zwischen beiden Kon tinenten zu überqueren, gerechnet vom Ausgangspunkt Friedrichshafen am Bodensee bis zum Landungsplay in Lakehurst.

Dreieinhalb Tage! Die Ozeanriesen der großen Dampf­schiffahrtsgesellschaften durcheilen im besten Falle in einem Zeitraum von fünf Tagen das Weltmeer. Aber der normale Dampferverkehr braucht noch immer eine Woche und mehr für diese Reise.

Schon rein technisch stellt die Fahrt des 3. R. 3 einen Rekord auf und eröffnet damit den Blick in eine Entwicklung, die noch nicht abzusehen ist. Schon eilt die Phantasie, die in den letzten Jahrzehnten eine so ungeheure Möglichkeit hatte, sich an Wundern der Technik auszuwirken, der Wirklichkeit vor­aus, sieht schon ein Heer von Flugzeugen und Luftschiffen den täglichen Post- und Personenverfehr nach und von Amerika vermitteln, sieht jene Ozeanriefen der Ueberseegesell­schaften irgendwelchen Museen überwiesen als Erinnerung an vergangene Zeiten stümperhaften Verkehrs.

So etwa, wie wir heute gelegentlich die Modelle der Raravellen" des Columbus anstaunen, mit denen dieser fühne Abenteurer die erste Fahrt ins Ungewisse antrat, um Indien auf dem Seeweg zu erreichen. Er brauchte fünf Dolle Wochen auf dem weiten unbekannten Meere, bis er endlich Land und damit Amerika fand.

Das stolze Luftschiff, das jetzt als Reparationsleistung den Flug aus der deutschen Heimat nach der nordamerikanischen Union bewältigt hat, wird begreiflicherweise drüben mit unge­heurer Spannung erwartet. Vor einer so großen Leistung schweigen alle anderen Interessen. Zwar ist der Ozean schon einmal von einem Luftfreuzer überquert worden. Aber das hindert nicht, daß man die Reise des Friedrichshafener Riesen mit besonderen Empfindungen folgte. Er ist von deutschen Konstrukteuren und von deutschen Arbeitern hergestellt, mit deutschen Maschinen und deutschen Apparaten aller Art aus­gerüstet. Und er soll jetzt in Amerita einer Siegernation dienen, während der Vertrag von Versailles den Deutschen den ferneren Bau von Zeppelinen verbietet.

Die Kriegspsychose hatte die Zeppeline nur als Bomben­werfer, als Zerstörungsinstrumente gesehen. Die Fahrt über den Atlantik aber zeigt, daß sie zu ganz anderen Heldentaten berufen sind, als zur Zerstörung blühenden Lebens. Sie können und sollen sein Vermittler zwischen Kulturnationen, nicht ihre Bernichter. Wenn in Jahren oder Jahrzehnten wirklich einst der regelmäßige Luftdienst die Kontinente miteinander ver­bindet, wie heute schon der Funkdienst die Weiten überbrückt, dann wird das Gedenken an die Zeppelinbomben und die Zeppelinfurcht aus dem großen Weltkrieg nur eine sehr trübe Erinnerung bleiben.

Der gefahrvolle und erfolgreiche Flug des 3. R. 3 kann deshalb mehr sein als ein sportliches Ereignis. Er weist den Blick in eine Zukunft, die mehr dem Fortschritt und dem Menschenwohle dienen soll, als die Vernichtungswut der kriege­rischen Zeiten, die hinter uns liegen!

*

Nachstehend geben wir in nüchterner Reihenfolge die seit 1 Uhr nachts eingelaufenen Meldungen über die Fahrt von 3. R. 3:

Die letzte Nacht. New York , 15. Oftober. 3. R. 3 haf um 1 Uhr vormittags mitteleuropäischer Zeit mit einer Fahrtgeschwindigkeit von 80 Meilen Sable Island gekreuzt.

£ atehurst, 2 Uhr morgens.( Durch Funkspruch.) Auf Grund der Lageberichte des 3. R. 3 teilt das Kommando des hiesigen Flug­hafens mit, daß das Luftschiff New York wahrscheinlich in den frühen Vormittagsstunden erreichen und vor seiner Can­dung die Städte New Bort, Philadelphia und washing­ ton überfliegen wird.

( Beide Meldungen sind bereits im größten Teil unserer Morgenausgabe erschienen.) Ein weiterer Funkspruch des Zeppelin besagt: Alles verläuft normal. Die Geschwindigkeit des Schiffes be­frägt 110 Kilometer. Wir haben noch die Hälfte des Ben. 3ins an Bord übrig. Das Schiff ist über 2500 Meter hoch ge­fliegen, dann haben wir Gas abgelaffen. Wir überflogen den briff­jchen Dampfer Robert Dollar", der uns einen Flaggengruß fandte.

Ein New Yorker Funtspruch von heute 5 Uhr 25 morgens meldet:

£. 3. 126 65 West, 43 Nord. Danach befand sich der Zeppelin zu

dieser Zeit an der Südfpihe von Neufchottland mit Fahrt richtung auf Boston- New York.

Ein weiterer New Yorker Funkspruch meldet:

6 Uhr mitteleuropäische Zeit. Bei Seal Jsland Motoren­geräusch des 3. R. 3 in Dunkelheit gehört. 600 englische Meilen von New York .

Der letzte Tag.

päischer Zeit 3. R. 3 70 Meilen öfflich von off on. New York , 15. Oftober. 2m 9 Uhr vormittags mitteleuro­

Eine weitere am Vormittag eingelaufene Meldung besagt: 3. R. 3 funft, daß er sich bereits über dem amerita. nischen Kontinent befindet. An Bord ist alles wohl. Die Mannschaft hat lediglich unter der Hitze der letzten Tage etwas ge­litten.

In allen amerikanischen Städten an der nördlichen Westküste herrscht fieberhafte Aufregung. Die Bevölkerung erwartet das deutsche Luftschiff. Die Zeitungen find fast ausschließlich der An­funft des 3. R. 3 gewidmet. So start ist der Einbrud der bevor­stehenden Ankunft des Zeppelin, daß selbst das Interesse an der Be­sprechung der deutschen Anleihe und sogar das an den amerikanischen Präsidentschaftswahlen in den Hintergrund getreten ist.

Ueber den Vereinigten Staaten!

3. R. 3 paffiert Boston . 3eif. 3. R. 3 hat Boston erreicht. Er funkte: Maschinen New Bort( Funttelegramm), 10 Uhr mitteleuropäischer und Schiff in Ordnung. An Bord alles wohl.

Vor New York .

New York . Amtlich wird mitgeteilt: 3. R. 3 paffierte 11,30 mitteleuropäischer Zeif Newportland. Das Luft­schiff ift noch 100 Meilen von New Yo rf entfernt. Das Wefterklärt sich auf. 3. R. 3 würde demnach in etwa einer Stunde New York überfliegen.

New Yort, 15. Oftober.( Durch Funkspruch.) 3. R. 3 überflog 10% Uhr( mitteleuropäische Zeit) Providence ( Rhode Island ), 11 Uhr 40 New London. Flugrichtung Südsüdwest.

schweren Südweststurm zu überstehen gehabt, und die hier sich ergebende Wetterlage veranlaßte die Luft­schiffleitung, der Tiefrinne, die sich von den Bermudas- Inseln bis nad Irland hinzeg. zu entfliehen und auf dem Nordkurs zwischen den beiden Tiefs um Grönland und südlich Neufundland hindurch zuschlüpfen.

3. R. 3 hat von der französischen Küste bis Cap Sable 61 Stun den und 50 Minuten gebraucht und in dieser Zeit rund 6900 Kilo­meter über dem Meere zurückgelegt. Die ganze Etrecke über See,

d. h. von der Girondemündung bis Boston , beträgt rund 7500 Siío­meter.

Der ganze Weg des Luftschiffes von Friedrichshafen bis Boston beträgt dagegen 8600 Kilometer. Mit dieser Riesenleistung ist aber der Aftionsradius des 3. R. 3 noch nicht entfernt erschöpft. Die Brennstoffvorräte an Bord reichen für rund 100 Betriebsstunden. Wenn 3. R. 3, wie dies aus den amerikanischen Meldungen hervor. geht, zum Schluß nur mit drei Motoren gefahren ist, so geschaht dies lediglich aus dem Grunde, meil das Schiff, von einem mittelstarken Ostwind getrieben, aus wirtschaftlichen Gründen die Segelkraft der Oftströmung sich zunuze machte, wie ja auch Dampfschiffe bei gün. ftigem Winde ihre Segeleinrichtungen ausnutzen. 3. R. 3 fann über die bisherige Leistung hinaus noch eine Strecke von etwa 300 bis 4000 Kilometern durchfahren, ehe seine Brennstoffvorräte ihn zum Niedergehen zwingen.

Für den fünftigen europäisch- amerikanischen Luftfahrdienst mit Starrluftschiffen ist die Fahrt des 2. R. 3 wissenschaftlich von höchster Bedeutung. Einmal ist der Beweis erbracht, daß ein mit den legben Hilfsmitteln der Technit gebautes Luftschiff selbst die von der Schiffahrt

gefürchteten Herbststürme auf dem Atlantic

nicht zu fcheuren braucht. Die Theoretifer haben bisher dringend davor gewarnt, beim Uebersceflug den Nordfurs in der Herbstzeit einzuschlagen, da die Wirbel um Neufundland selbst von den Ozean­dampfern gefürchtet sind. 3. R. 3 ist jedoch, wie seine Fahrtenroute auf schnuegeradem Kurs an sein Biel gekommen. Die Möglichkeit beweist, trotz Nebel und Sturm gerade in der Mitte des Atlantic der Funkpeilung zu jeder Stunde des Tages, die Görzschen Appa­rate, die Wirbel oder Sturmbildungen mit fast unglaublicher zision vorhersagen, geben dem Führer, wie sich das hier deutlich gezeigt hat, jederzeit die Möglichkeit, gefährlichen Tiefbrudgebieten

ous dem Wege zu gehen. 3. R. 2 hat den Einwand vieler Theo­

relifer widniegt, daß Luftfchrdienst über dem Ozean nur in ben Sommermoncten möglich sei. Dieser Flug ist alles andere als eine " Schönwetterfahrt" gewesen, und er bringt das Projekt des Luft­dienstes von Kontinent zu kontinens um ein gewaltiges Stück vor­Glückwünsche der Besakung an die Werke. Friedrichshafen , 14. Oftober.( WTB.) Wie die Oberschwä­

wärts.

New London liegt nur noch 180 Kilometer von New York ! bische Volkszeitung" berichtet, sind von 3. R. 3 in Friedrichshafen

Die Fahrt.

In ununterbrochener Fahrt hat 3. R. 3 von Friedrichshafen bis Boston in 75 Stunden und 25 Minuten 8400 Kilometer zurückgelegt. Am Sonntag, den 12. Oftober, morgens 6 Uhr 35 Mi­nuten, stieg 3. R. 3 mit 27 Mann Besagung und 4 Mitgliedern der ameritamischen Kommiffion, zusammen 31 Personen, auf. Mon hatte rund 32 Toneren Benzin und 2% Tonnen Del an Bord genommen, um eine Brennstoffversorgung für rund 100 Stunden zu sichern. Denn der Verlauf der Probefahrten von Friedrichshafen aus hatte gezeigt, daß die 5 Motoren bei voller Kraftentfaltung in der Stunde etwa 2800 bis 290C Kilogramm Benzin verbrauchten. Wenn man das Gewicht der Besatzung mit Gepad, so wie es vorher abgewogen worden war, mit 3 Tonnen, Lebensmittel mit Trinkwasser im Gewicht von 700 Kilogramm, die Poft mit 150 Rilegramm hinzu rechnet, so hat das Luftschiff rund eine Nutzlast ron 40 Tonnen getragen.

Die erste Etappe von Friedrichshafen über die Schweiz und Frankreich hinweg bis zur Girondemündung betrug 1100 Kilometer und der Seeweg rund 7000 Kilometer. Nachstehend ist die Flugzeit des 3. R. 3

in den einzelnen Etappen aufgeführt:

GID.

Entfernung Fahrzeit km 1100

96

folgende Funffprüche eingegangen: An Dr. Maybach­Werte: Herzliche Glückwünsche zur hervorragenden Leistung Ihrer Motoren, die bereits über 60 Stunden ohne jegliche Störung laufen.

An Direktor Dürr und Dr. Arnstein vom Luftschiffbau Zeppelin : Herzlichen Glückwunsch für prächtige Leiftung 2. 3. 126, der heute nacht schweres Wetter spielend meisterte.

Die Börse ist zuversichtlich.

Am Anleihemarkt machte heute die Aufwärtsbewegung weitere Fortschritte. Die geftriger Erklärungen des Reichs­finanzministers im Unterausschuß werden verschiedentlich dahin ge deutet, daß die in Aussicht gestellte Regierungserklärung doch noch gewiffe Wege für eine Aufwertung der alten Anleihen freimachen werde. Dementsprechend schritt die Spekulation heute wieder zu einigen Räufen. Besonderes Intereffe zeigte sich immer noch für die Anleihen der Länder, insbesondere Preußens, auf die Nachricht, daß an der Londoner Börse in diesen Papieren größere Räufe beobachtet werden. Der günstige Zeichnungserfolg der Reparationsanleihe im Auslande, insbesondere die unmittelbar nach der Zeichnung ein­setzenden Kurssteigerungen an der New Yorker Börse machen hier einen sehr günstigen Eindruck und wirken ebenfalls in gewiffem Sinne auf die Bewertung der alten Anleihen zurück. Man handelte bei Beginn der Börse Kriegsanleihe mit 625 bis 630, 3½­gefchwindigkeit prozentige preußische Konfols mit 1225, Schutzgebiete mit 6%, 3mangsanleihe mit 12%, 23er K- Schäße mit 220. Am Markt der Industriepapiere blieb das Geschäft im allgemeinen ruhig bei vor. wiegend fester Tendenz. Hier beachtet man besonders aufmerksam die vorliegenden Berichte aus verschiedenen Industriefreifen und über die Lage des Arbeitsmarktes. Mit großer Befriedigung wird die Tatsache fonstatitert, daß die Arbeitslosigkeit in Deutsch­ land allenthalben zurüdgeht, nachdem bereits eine erhebliche Berringerung der Kurzarbeit stattgefunden hat. Diese günstige wirtschaftlichen Symptome regen naturgemäß auch die Unterneh mungsluft der Börse etwas an, zumal gleichzeitig die Geld marttiage sich zusehends verbessert.

Ctunden­

120 km

900 1800 380

150

14

125

"

8

108

"

790

16

43,5

"

850

61/2 130

"

420

3

140

185

"

"

Friedrichshafen - Girondemündung Girondemündung- Cap Drtegal Cap Ortegal Azoren( Sao Miguel ) Sao Miguel Fayal Nordwestfurs I( Fayal- 41 N 38 W) Westfurs( 41 N 36 W- 41 N 45 W). Nordwestkurs II( 41N 45 W- 48 N 49 W) 12 furs auf Cap Sable( 43 N49 W- Sable) 1700 540 51/2 98 Cap Sable- Boston Wenn man die Durchschnittsgeschwindigkeit betrachtet, erkennt man sofort, ob das Luftschiff fördernde oder hindernde Binde gehabt hat. Besonders arg war ohne Zweifel die Fahrt, die den 3. R. 3