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Nr.309a. 35. Jahrg.

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Telegramm Abreise

Sozialdemokrat Berlin ".

Extraausgabe.

Vorwärts

Berliner Volksblatt.

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Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutfchlands.

Redaktion: Sw. 68, Lindenstraße 3.

#ern breder: Am: Merisblas, Rr. 151 90-151 97.

Sonnabend, den 9. November 1918.

Expedition: Sw. 68, Lindenstraße 3. Fernidrecher: Ami Misrisvlas, Rr. 151 90-151 97.

Die rote Fahne über Berlin .

Das war ein Tag, der in der Geschichte Deutschlands ewig leben wird, ein Ehrentag des Volkes, ein Ehrentag der Sozialdemokratie. Ein vollständiger, überwältigender

Ebert Reichskanzler!

Berlin . Meldung des Arbeiter und Soldatenrates. Sieg ist errungen, das arbeitende Volf in Zivil und Waffen- Ebert ist mit der Bildung der Reichsregierung beauftragt. rock ist Herr der Situation. Und was das schönste ist, dieser Sieg ist fa ft ohne Blutvergießen erreicht worden. Die herrliche Haltung unserer feldgrauen Brüder, die sich Regiment auf Regiment der Volksregierung zur Verfügung stellten, hat diesen schönen Ausgang ermöglicht. Dank ihnen, dant allen, die zu diesem Ausgang beigetragen haben.

Der Kaiser hat abgedankt!

Amtlich.

Der Kaiser und König fat fich entschlossen, dem Throne

Restlos ist das alte System verschwunden. Wilhelm II. , einer der schuldbeladenen Miturheber des Welt­frieges, hat abgedankt; sein Sohn, dieser Typus des zu entsagen. schnoddrigen und brutalen Andeutschtums, hat auf den Thron verzichtet. Aber noch hofft Wilhelm, seine Dynastie zu retten; er plant eine Reichsverweserschaft. Davon kann natürlich feine Rede mehr sein. Dynastien und Dynastiechen, Throne und Thrönchen haben mit dem heu tigen Lage zu verschwinden. Es gibt nur noch eins, was das Herz jedes Deutschen höher schlagen läßt; das ist die Deutsche Voltsrepublit. Sie lebt, und fie Tabel

TO

Der Reichskanzler bleibt noch so lange im Amte, bis die mit der Abdankung des Kaisers, dem Thronverzichte des Kron prinzen des Deutschen Reichs und von Preußen und der Ein. fchung der Regentschaft verbundenen Fragen geregelt sind. Er beabsichtigt, dem Regenten die Ernennung des Abgeordneten Ebert zum Reichskanzler and die Vorlage eines Gefeß entwurfes wegen der

fofortigen Ausschreibeng allgemeiner Wahlen für eine verfassunggebende deutsche National­

versammlung

Der Reichskangler: Mar Prinz von Baden.

Es ist klar, daß die Regierung der Deutschen Volks. republik nur eine sozialistische sein kann. Von dem Prole­tariat geht die große Bewegung aus, sie muß den Sieg des borzuschlagen, der es obliegen würde, die künftige Staats­Proletariats verwirklichen. Der heutige Tag hat gezeigt, form des deutschen Volkes einschließlich der Volksteile, die daß die Arbeiterschaft im Innern einig ist und hoffentlich ihren Gintritt in die Reichsgrenzen wünschen sollten, endgültig wird diese Einigkeit auch bald wieder in ihrer Organi- festzustellen. Berlin , den 9. November 1918. sation den langersehnten Ausdrud finden. Wie dieser Tag die Parteispaltung innerlich überwunden hat, so möge sie auch äußerlich recht bald beendet werden. Wo der Ge­danke der Wiederherstellung der Einigkeit erörtert wurde, da fand er jubelnden und begeisterten Beifall. Schritte zur Herbeiführung dieses Zustandes sind im Gange mit Aussicht auf Erfolg. Wer sich heute nicht von dem Gezänk und der Streiterei vergangener Tage Losreißen fann, der versündigt sich an der Arbeiterschaft und schadet der Sache. Der alte Streit muß für alle Zeiten begraben sein.

Der Sieg in Berlin ist entscheidend für das Reich. Auch dort hat die Bewegung schon immer weiter um sich ge­griffen, sie springt wie Flugfeuer von Stadt zu Stadt, von Dorf zu Dorf. Der Sieg in Berlin wird dazu beitragen, daß auch die Orte, die bisher noch nicht in der Hand der Volksregierung find, ihr nunmehr baldigit zufallen.

Das Bolf hat die Macht. Aber es muß nun auch zeigen, daß es dieser Macht würdig ist und sie zu gebrauchen weiß. Sobald der erste Freudenrausch sich gelegt hat und wir können uns nur den Lurus eines sehr furzen Freudenrausches ge­statten heißt es an eine sehr ernste und sehr schwere Arbeit gehen. Die BolfBernährung darffeine Stodung erleiden, ebenso darf die Versorgung der Städte mit Licht, Wasser nim. feine Stunde ausgesetzt werden. Ungeheure organisatorische Aufgaben erwarten uns, für die es die ganze Kraft reftios einzuseßen gilt. Selbstverständlich ist, daß alle Ausschreitungen bermieden werden müssen. Lichtscheue Elemente, die im Trüben fischen wollen, werden mit der größten Strenge unterdrückt werden.

Bei allen Handlungen ist zu bedenken, daß Waffenstillstand und Friede noch nicht abgeschlossen sind. Unser Angebot, bis zum Abschluß des Waffenstillstandes wenigstens tatsächliche Waffenruhe eintreten zu lassen, ist von den blutgierigen imperialistischen Generälen der Entente, die noch un letzten Augenblick einen Siegeslorbeer auf Rosten vieler zehntausend toter Soldaten erhaschen wollen, abgelehnt worden. Es wird Sache des englischen, französischen und amerikanischen Prole­tariats fein, mit diesen Mordgesellen wegen des nußlos ver­gossenen Blutes abzurechnen.

Eine ist freilich gewiß: Soweit es am deutschen Bolfe liegt, wird der Abschluß von Waffen stillstand und Frieden nicht um eine Minute berzögert werden. Das deutsche Volt geht nicht nur als freies Bolf, es geht jetzt als das freieste Volk der Welt an den Tisch der Friedensverhandlungen. Könnten wir hoffen, auf der Gegenseite die Vertreter ebenso freier Völker zu finden, wir brauchten nicht in Sorge zu sein. Leider haben wir es vor­fäufig auf der Gegenseite mit Vertretern des Kapitalismus und Imperialismus zu tun. Aber auch deren Stunde wird schlagen. Deutschlands Freiheit ist die Freiheit der Welt! Aus der Freiheit entsteht Friede, aus dem Frieden Glück. Glickauf, neues Deutschland , Glückauf, junge Volksrepublik!

Arbeiter, Soldaten, Mitbürger!

Der Arbeiter- und Soldatenrat hat heute mehrere Auf­

rufe an die Bevölkerung erlassen, die vom Vorwärts" in Ertraausgaben berbreitet wurden. Der Aufruf vom Vor­mittag lautet:

Der freie Bolfsstaat ist da!

Kaiser und Kronprinz haben abgedankt!

Frit Ebert, der Vorsitzende der sozialdemokratischen Partei, ist Reichskanzler geworden und bildet im Reiche und in Breußen eine neue Regierung aus Männern, die das Vertrauen des werk­tätigen Volfes in Stadt und Land, der Arbeiter und Soldaten haben.

Damit ist die öffentliche Gewalt in die Hände des Volkes übergegangen. Eine ver fassunggebende Nationalversammlung tritt schnellstens zusammen.

Arbeiter, Soldaten, Bürger! Der Sieg des Voltes ist er­rungen, er darf nicht durch Unbesonnenheiten entehrt und ge fährdet werden. Wirtschaftsleben und Verkehr müssen unbedingt aufrecht erhalten werden, damit die Volksregierung unter allen Umständen gesichert wird.

Folgt allen Weisungen der neuen Volfsregierung und ihren Beauftragten. Sie handelt im engsten Einbernehmen mit den Arbeitern und Soldaten.

Hoch die deutsche Republik! Der Vorstand der Sozialdemokratie Deutschlands . Der Arbeiter- und Soldatenrat.

Generalstreit!

Der zweite Aufruf erging einige Stunden darauf als der Sieg der Berliner Arbeiterschaft feststand, sein Wortlaut ist folgender:

Der Arbeiter und Soldatenrat von Berlin hat den Gene­rasstreit beschlossen. Alle Betriebe stehen still. Die notwendige Versorgung der Bevölkerung wird aufrecht erhalten.

Ein großer Teil der Garnison hat sich in geschlossenen Truppenförpern mit Maschinengewehren und Geschützen dem Arbeiter und Soldatenrat zur Verfügung gestellt.

Die Bewegung wird gemeinschaftlich geleitet von der Sozial­demokratischen Partei Deutschlands und der Unabhängigen sozial­bemokratischen Partei Deutschlands .

Arbeiter, Soldaten, jorgt für Aufrechterhaltung der Ruhe umb Ordnung.

Es lebe die soziale Republik! Der Arbeiter- und Soldatenrat.

Berlin in den Händen des Arbeiter- und

Soldatenrats.

Das vom Arbeiter- und Soldatenrat kontrollierte Wolffiche Bureau hat unter dieser Ueberschrift abends 6 Uhr folgenden richt über den gewaltigen Sieg des Volkes der Arbeit ausgegeben:

Heute morgen um 9 Uhr traten die Arbeiter der größten industriellen Betriebe in den Generalstreit. In 3ügen, denen rote Fahnen vorangetragen wurden und an deren Spitze bewaffnete Soldaten aller Waffengattungen schritten, eilten fie von allen Vororten dem Innern der Stadt zu. Die ersten Züge tamen von der Ader- und Brunnenstraße nach dem Innern der Stadt. Anfangs wurden die Soldaten und Offiziere fernen; in weitgehendem Maße geschah es freiwillig aufgefordert, die Kokarden und Achselstüde zu ents Eine allgemeine Verbrüderung der Matrosen, Soldaten und Ar beiter vollzog sich. Man drang in die Kasernen ein und fand auch hier begeisterte aufnahme bei den Soldaten. Die auch hier begeisterte aufnahme bei den Soldaten.

militärischen Besaßungen der Fabriken hatten mit den Arbeitern gemeinsam die Werkstätten, berlassen und handelten mit ihnen gemeinsam. Soweit bis jetzt bekannt, fam es nur bei der Besetzung der sogenannten Maifäferfaserne" zu einent 3usammenstoß zwischen den Massen und der bewaffnetca Macht. Aber auch hier waren es nur zwei Offiziere, die hoffen. Drei Tote und ein Verwundeter sind zu beklagen. Die Inbesißnahme der meisten öffentlichen Gebäude Anstalten vollzog sich ohne Schwierigkeiten, nach­dem flar war, daß das Militär zum Bolle übergegangen war. Der Bug der streikenden Arbeiter der Gesellschaft für drahtlose Tele­graphie fam gegen 22 Uhr

an.

vor dem Reichstage

Gine Abteilung Jäger besetzte die Freitreppe, vor ber die Wenge sich sammelte. Abgeordneter Scheidemann hielt eine Ansprache:

ist gestürzt. Ein herrlicher Sieg des deutschen Volkes. Gbert ist Der Kaiser und der Kronprinz haben abgedankt, die Dynastie beauftragt, die neue Regierung zu bilden unter Beteiligung jämtlicher Richtungen der sozialdemokratischen Partei. Verfügungen der Regierung haben nur Gültigkeit mit Eberts Unterschrift, Verfügungen des Kriegsministers nur bei Gegenzeichnung eines jozialdemokratischen Beigeordneten.

des

Scheidemann fordert die Menge auf. Ruhe zu bewahren und Zwischenfälle zu vermeiden. Von einem Lastkraftwagen sprechen der Abgeordnete Vogtherr und einige Soldaten. Ein Delegierter Offizierkorps eines Gardebataillons teilt mit, daß die Offiziere auf feiten des Volkes stehen. Stürmischer Beifall und Jubel be­gleiten alle Reden.

Die Frist zur Bildung des Ministeriums ist bis 6 1hr ver= längert. Die Ruhe ist ungestört.

Der Tag des Volkes!

Einem auf und ab wagenden Meer begeisterter Menschen glich gestern Berlin . Die Proflamierung des allgemeinen Generalstreiks hatte sämtliche Verkehrsmittel auf eine gewisse Zeit zum Still­stand gebracht, fein Wunder, daß die weltbewegenden Ereignisse in aller Munde und Herzen waren. Geradezu überwältigend waren die Vorgänge, die sich an den verschiedensten Stellen abspielten.

Es ist hals zehn Uhr morgens. Vor den Toren der Fabriken von Ludwig Loewe , der Berlin - Anhaltischen Maschinenfabrik und der Turbinenfabrik stehen einige hundert Arbeiter und Arbeite­rinnen. Zögernd folgen andere nach. Noch sind es wen ge. Einige von den Draußenstehenden gehen hin und überreden die noch Un­entschlossenen. Bald wächst die Menge der Feiernden. Zu Tausen­den schwillt sie an. Das vollzieht sich alles mit einer Ruhe, die in die Erregung der letzten Tage nicht recht hineinzupassen scheint. Mit einer Selbstverständlichkeit, wie sie es täglich nach Schluß der Arbeitszeit zu tun pflegen, verlassen die Feiernden die Fabrik. Ohne jede Störung Polizei war meit und breit nicht zu sehen- bewegten sich die Tausende in der Richtung nach der inneren Stadt. In der Umgebung des Schlosses mogte am Nachmittag eine freudig erregte Menge. Immer neue Massen strömten aus allen Stadtteilen heran. Gegen 4 Uhr öffnete sich im Lustgarten das große Mittelportal und ein Zug Soldaten marschierte heraus. Ihren Abzug begleitete großer Jubel, in den die Soldaten, ihre Helme schwenfend, einstimmten. Bald darauf wurde über diesem das. Portal im ersten Stocivert das große Fenster geöffnet selbe, von dem aus in der Stichwahlnacht des Jahres 1907 Wil­ helm II. seine Mitternachtsrede gegen die überwundene" Sozial­demokratie hielt. An die Brüstung des Balfons traten vier Ge­

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