Str.490 41.Jahrgang Ausgabe A nr. 249
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Berliner Volksblatt
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Freitag, den 17. Oktober 1924
Stocholm, 16. Oftober.( Eigener Drahtbericht.) Der Rüdfritt der tonservativen Regierung Trygger , der nach dem Willen der Regierungsparteien erft beim Zusammentritt des Reichstags erfolgen follte, ist durch das Verlangen unserer Partei herbeigeführt worden, daß sofort die Konsequenz aus der Boltsentscheidung gezogen werde. Der König hat Genossen Hjalmar Branting ersucht, die Kabinettsbildung zu übernehmen. Die sozialdemokratische Fraktion friff morgen Freitag zusammen, und wird sicherlich beschließen, daß Branting die Kabinettsbildung übernimmt. In der neuen In der neuen Kammer fitzen 104 Sozialdemokraten, 65 Rechtsstehende, 27 freifinnige Volksparteiler, 23 Bauernbündler, 5 Kommunisten, 4 Radikale und 2 Wilde. Da die Freifinnigen in der Militärfrage, die bei der Wahl im Vordergrund stand, mit uns zusammengehen, wird das Kabinett Branting über eine Mehrheit von 16 Stimmen verfügen. Es wird das dritte Kabinett Branting sein.
Der deutsche Standal.
Es wird nichts! Es wird nichts! Wolffbureau meldete gestern abend 8 Uhr amtlich: Das Reichskabinett beriet heute die durch die Stellungnahme der Reichstagstabinett beriet heute die durch die Stellungnahme der Reichsiags. fraktionen gefchaffene innerpolitische Lage und wird morgen diese Das Kabinett hat gestern getagt. Was hat es entschieden? Das Kabinett wird heute wieder tagen. Es tagt, also es ist! Die Volkspartei hat einstweilen ihr den Deutschnationalen gegebenes Versprechen, auszuscheiden, wenn der Bürger: blod nicht zustande kommt, noch nicht wahrgemacht. Sie wird heute eine entscheidende" Fraktionssigung abhalten.
Nichts!
Ihr Plan ist der Bürgerblod auf Raten. Den Deutschnationalen soll zunächst eine Abschlagszahlung gewährt werden durch Ernennung einiger ihnen nahestehenden" Herren zu Ministern, die nach außen als Fachminister", am Ende sogar als Persönlichkeiten" firmieren sollen. Das also wäre die nationalliberale Patentlösung: ein Bürgerblock, der feiner ist und doch einer ist, je nachdem wie man es auffaßt. Erhalten Herr Stresemann und Herr Jarres,
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3. R. 3- Los Angelos. Washington , 16. Oktober. ( WTB. durch Funtspruch.) We das Marineamt mitteilt, wird das Zeppelinluftschiff 3. R. 3 den Namen Los Angelos erhalten. Präsident Coolidge hat De Edener und andere Mitglieder der Besatzung des 3. R. 3 emp. fangen.
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Gegen Zerstörung des Luftschiffbaues. Paris , 16. Oktober..( Eigener Drahtbericht.) In der Information" warnt Jean Herbette die französische Regierung vor einem allzu scharfen Vorgehen in der Frage der Niederlegung der Zeppelinhalle in Friedrichshafen , da sie damit lediglich die Geschäfte der Reaktion in Deutschland betreiben und den Deutschnationalen eine willkommene Wahlparole liefern würde. Bei der Abrüstung komme es nicht so sehr auf die BerStörung von Instrumenten an, die für die Kriegführung verwendet werden könnten, als vielmehr darauf, bei den Völkern den Willen zum Krieg zu unterdrücken. Bon diesem Gesichtspunkt aus habe die Frage der Zeppelinhalle neben der militärischen eine eminent politische Bedeutung.
Wien , 16. Oftober.( WIB.) Protestartikel gegen die drohende Bernichtung der Zeppelinwerft Friedrichshafen bringen alle Wiener Blätter. Die Arbeiter 3eitung" schreibt: Es liegt gar nicht im Wesen des Zeppelinschiffes, ein Kriegsinstrument zu sein. Als solches hat es die Erwartungen vollkommen enttäuscht. Im Frieden aber ist es ein Wegbahner zu umwälzenden Fort schritten. Daher wird die noch aus der Kriegspsychofe geborene Forderung der Zerstörung der Zeppelinwerft hinfällig, wo Deutschland Meisterwerfe der Technit fertigen will, in dem stolzen Bewußtsein, mit ihnen eine Kriegswaffen zu schmieden, fondern nur noch im Einklang mit dem Willen der Arbeiterklasse der Befreiung vom Kriege zu dienen.
Paris , 16. Ofiober.( WTB.)," Figaro" schreibt zum Fluge des 3. R. 3 über den Ozean: Damit wir uns zu dem erzielten Fort schritt beglückwünschen fönnen, müßten wir glauben, daß Deutschland ihn als Friedenswert verwenden wird. Wenn man alles liest, was über die Zeppelinfahrt geschrieben wurde, hat man eher den Eindruck des Gegenteils.„ Eclair" dagegen bemerkt: Eine derartige Tat braucht feinen Kommentar, denn sie verdient, daß man sie mit dem Hute in der Hand grüßt. Wir werden uns hüten, diese Tat zu verringern.
Die Begeisterung in Amerika . New Bort, 16. Oktober. ( WIB. durch Funkspruch.) Die Zeitungen füllen ihre Spalten mit Berichten über die Ankunft des Zeppelin. Ganze Seiten zeigen ausgezeichnete Photographien, die an allen Eden der Stadt während des Ueberfliegens aufgenommen
dem die Rückkehr nach Duisburg noch nicht freigegeben ist, dem Kabinett bis auf weiteres ihre schäzenswerten Kräfte, so ist es mit der Ernennung neuer Minister überhaupt nicht fo eilig. Das Justizministerium ist seit Emmingers Abgang unbesetzt, das Verkehrsministerium fann gleichfalls einstweilen noch von einem Staatssekretär verwaltet werden. Sonst aber gibt es feine Bakanzen.
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Bon Herrn Marr, der noch immer einen Ruf zu verlieren hat, ist zu erwarten, daß er sich auf solche Schiebungen nicht einläßt. Interessant wäre es zu erfahren, ob die Deutsch nationalen, mit denen ja die Bolkspartet stets hand in Hand gearbeitet hat, auch mit diesem neuesten Plan einverstanden sind. Sind sie schon so billig geworden?
Wir haben ein Rabinett, das nicht leben und nicht sterben fann. Wir haben einen Reichstag, der nicht leben und nicht sterben kann. Und so erleben wir seit Wochen und Monaten ein unwürdiges Schauspiel, das Ekel und Berachtung erregt.
Wenn sich eine Regierung scheut, vor den Reichstag zu treten, wenn sie sich scheut, den Reichstag aufzulösen, wenn fie sich scheut, zu demissionieren, so ist das kein parlamenfarisches System. Und wenn das Bolt gezwungen wird, einen Reichstag zu erdulden, den es längst nicht mehr haben will, weil er seine Unbrauchbarkeit hundertfach bewiesen bat, so ist das auch keine Demokratie. Das alles ist weiter nichts als groteste Unfähigteit in der Handhabung des Mechanismus eines modernen Staatswesens.
Macht ein Ende!
Fraktionsberatungen.
Die bemokratische Reichstagsfraktion hielt am Donnerstag nachmittag nur eine furze Sigung ab. Dabei tam zum Ausdrud, daß die Fraktion es nicht für notwendig erachtet, noch weitere Erklärungen abzugeben. Sie habe ihren Standpunkt unzweideutig dargelegt und halte daran fest.
Die Fraktion der Boltspartei tritt am Freitag nach mittag 4 Uhr wieder zusammen.
wurden. Die Blätter heißen das Luftschiff willkommen und rühmen die bemerkenswerte Tat. World" bringt die Ankunft des Luftschiffes mit der Ueberzeichnung der deutschen Anleihe in Vertindung und bezeichnet beides als Borboten für die Wiederherstellung der zerbrochenen Freundschaft. Das Blatt erklärt, die 3 er störung der Friedrichshafener Werft, die, als die Kriegsleidenschaften hochschlugen, beschlossen wurde, würde ein Att des Vandalismus fein. New York Times " erklärt, das Luftfchiff fönne begrüßt werden, sowohl als ein Zeichen des Triumphes des deutschen Genies als auch ein ben Atlantischen Ozean habe sich 3. R. 3 als geeignet für Personen Zeichen friedlicher Arbeit. Während der Ueberfahrt über beförderung und den Transport wertvoller Güter erwiesen. Herald Tribune" führte aus, die Ankunft des Zeppelins in dem Augenblicke, als die Kinder auf dem Schulwege begriffen waren, sei ein denkwürdiger Anblick für die jungen Augen und ein glüdliches Omen für eine neue Zeit gewesen.
Glückwunsch Deutschösterreichs. Bundespräsident Dr. Hainisch hat an den Reichspräsidenten das nachstehende Telegramm gerichtet:
Reichspräsident Ebert, Berlin . Der fühne und stolze Flug des 3. R. 3 über den Ozean erfüllt Defterreich mit Freude und Bewunderung. Eurer Exzellenz, der deutschen Regierung und dem deuischen Volke, das diese Tat vollbracht hat, spreche ich namens der österreichischen Regierung die aufrichtigsten und herzlichsten Glückwünsche aus. Möge diese Fahrt ein neuer Martstein auf dem Wege der Verständigung zwischen den Staaten und Nationen bedeuten. Bundespräsident Hainisch .
Der Reichspräsident hat mit folgendem Telegramm gedankt: Bundespräsident Dr. Hainisch, Wien . Für die freundlichen Glückwünsche zur Ameritafahrt des Zeppelin dante ich Eurer Cxzellenz und der österreichischen Bevölkerung herzlich. Es ist uns eine aufrichtige Freude, daß unser Brudervolt an dem Erfolg deutscher Technik und deutscher Arbeit so innigen Anteil nimmt. wir wissen uns eins mit Ihnen in dem Wunsche, daß dieses stolze Schiff der Verständigung der Völker diene. Reichspräsident Ebert.
Mörder Schulz stellt sich.
Budapest , 16. Oftober.( WTB.) Heute vormittag erschien der steckbrieflich verfolgte Heinrich Förster- Schulz auf der Oberstadthauptmannschaft und erklärte, daß er sich zum Besuche eines Verwandien einige Tage in der Provinz aufgehalten und erst jetzt erfahren habe, daß die Polizei ihn suche, weshalb er sich ihr zur Verfügung stelle. Er wurde in Verwahrungshaft genommen. Wie die Spätabendblätter wissen wollen, beabsichtigt Schulz, nach der Türkei zu gehen,
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Der verkahrte Rechtsstaat.
Monarchist Kahr als oberster Richter. Bon Alwin Saenger .
Bayern " meldete, daß der Regierungspräsident von OberDie amtliche Korrespondenz der„ königlichen Republik bayern , Staatsrat Dr. Gustav Ritter von Kahr zum Präsidenten des bayerischen Verwaltungsgerichtshofes ernannt wurde. Der Beschluß, durch den der Ritter von Kahr zum obersten Berwaltungsrichter seiner Ordnungszelle erforen ist, trägt die Unterschrift des Gesamtkabinetts. So geschehen im Jahre 1924. So geschehen in einem deutschen Lande, in dem Gazetten, politische Barvenüs, fahrbayerische Staatsmänner, Modell Bürgerbräufeller, vier Jahre lang die wider das Reich, seinen Bestand und seine Ein= hinterhältigsten Dolchstöße und Afte armseligster Felonie heit übten und diese traurige Politik im Tage zwei Dutzend mal im Namen des satrosankten Rechtes zu legitimieren verfuchten. Die Mäuler" wir erlauben uns den Tuntenhauser Dialekt des Ministerpräsidenten Dr. Held zu üben- der Ordnungsmannen gingen vor lauter Apostrophierungen des heiligen" und ewigen" Rechtes überhaupt nicht mehr zu. So mußte denn auch Ritter von Kahr in dieser staatlichen obersten Richtersitz der Unordnungszelle erften Ranges Spottgeburt von Ordnung und Recht auf den gehoben werden.
die höchste richterliche Instanz in Verwaltungsrechtssachen; Was ist der bayerische Verwaltungsgerichtshof? Er ist er ist also nicht eine Berwaltungsbehörde, sondern die oberste Rechtsbehörde, seine Erienntnisse sind Rechtsurteile. die zu Nuß und Frommen der Juristen alljährlich öffentlich im Druck erscheinen. Der Präsident dieser obersten Rechtsbehörde ist zudem Landeswahlleiter. Wenn fünftig der Wahlen Tücke es zweifelhaft erscheinen ließe, ob ein früherer bölfischer Kampfgenosse des Richters Kahr oder ein Parteifreund von der Bayerischen Boltspartei in den Münchener Landtag einziehen muß, entscheidet dieser politisch ja ,, vollkommen unbescholtene" Präsident mit.
Ein wichtiges Amt, oberste Rechtsbehörde! Die bayerische Eignung zu diesem höchsten Richteramt besitzt Dr. Gustav von Kahr zweifellos im vollen Umfang. Denn„ wer ist's?" Kahr ist vor allem eine gradlinige, wahrheitsgetreue Persönlichkeit. Im Jahre 1919 schwur dieser jüngste bayerische Richter den Eid: Ich schwöre Treue der Ver= fassung des Freistaates Bayern und Treue der Reichsverfassung, Gehorsam den Gesetzen und gewissenhafte Erfüllung meiner Amtspflichten." In der Nacht vom 13. auf den 14. März 1920 machte er hinter dem Rücken feines Ministers den erst en trodenen Putsch, wie nach dem Ergebnis des Hitler- Prozesses und der letzten Rede Helds feststeht. Nach dem Sturze" der sogenannten sozialdemokratischen Regierung. die Sozialisten waren in der Minderheit ließ Dr. Kahr uns auffordern, in die Regierung wieder einzutreten!
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Bayerns im Herbste 1919; am 30. Mai 1922 schloß er seine Er beschwor die Verfassung des Reiches und an die Staatsbeamten gehaltene Rede mit den Worten:„ Es
lebe König Rupprecht!"
Am 16. März 1920 hatte er das Treuegelöbnis abgelegt, an der Reichs- und Landesverfassung entschieden festzuhalten; ebenso hatte er es am 23. Juli 1920 feierlichst beteuert. Fünf Tage vorher hatte er sich als Mittelsmann der Versöhnung und des Ausgleichs bieder- fromm empfohlen; die mittlere Linie einzuhalten war sein Versprechen im März 1921. Ein wenig später nur befämpfte er mit dummen Sprüchen und Ausnahmemaßregeln die Sozialdemokraten als vaterlandslose Marristen.
Am 10. November 1920 wandte er sich schärfstens gegen Imperialismus, nationalistischen Chauvinismus und Gewaltpolitit. Ein wenig später verbündete er sich treu und bieder mit den nationalistischen Chauvinisten und Gewaltpolitikern erster Ordnung.
Im Juli 1921 trat er restlos. für die Erfüllungspolitik ein; etwas später ließ ihn diese Erfüllungspolitit riegszüge gegen das ,, perjudete" Berlin schmieden. Mit den Juden hielt er es auch auf gute Art. Im September 1923 schimpfte er auf sie, weil sie als fremdes Verbrechergesindel Die alte Verfassung zerschlagen hätten. Als er aber wegen der bayerischen Einwohnerwehren Krieg mit dem Reich führen wollte, traf er feine wirtschaftspolitischen Sicherun gen mit dem Ausland und sagte einem Unterhändler aus dem Osten, dem Herrn Karfunkelstein: ,, Grüß Gott." Wegen dieser Einwohnerwehren mußte Kahr als Ministerpräsident gehen. Er hatte so gewissenhaft als„ Treuhänder des souveränen Voltes" wie sich dieser Monarchist einmal nannte regiert, daß der Landtagspräsident ihn in den letzten Tagen der Ministerherrlichkeit wegen eines drohenden Rechtsputsches in ernsten Worten gemahnen mußte, nach München zurüdzukehren und seines Amtes zu walten. Das war um die gleiche Zeit, da Dr. Held öffentlich Klage erhob, daß Kahr , der Ministerpräsident, trotz aller Bitten den
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