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Nr. 93.

Erscheint täglich außer Montage. Preis pränumerando: Biertel­jährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 Mt., wöchentlich 28 Pfg. fret in's Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags- Nummer mit illustr. Sonntags- Beilage Neue Welt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30Mt. proQuartal. Unter Kreuz­ band : Deutschland u. Desterreich­Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3Mt. pr.Monat. Eingetr. in der Post- Zeitungs- Preisliste für 1895 unter Nr. 7128.

Vorwärts

12. Jahrg.

Insertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzetle oder deren Raum 40 Pfg., für Vereins- und Bersammlungs- Anzeigen 20 Pfg. Inserate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in Der Expedition abgegeben werden. Die Grpedition ist an Wochen­tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonns und Festtagen bis 9 Uhr Vor­mittags geöffnet. fernsprecher: Amt 1, Nr. 1508. Telegramm- Adresse: Sozialdemokrat Berlin Berliner

Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Der

Sonntag, den 21. April 1895.

Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

Die Kommission hat fleißig gearbeitet. Sie hat fast I treten, wenn jeder der Betheiligten Kaufmann, oder für den zwei Jahre getagt, 93 Sigungen abgehalten, 115 Sach- betreffenden Geschäftszweig in das Börsenregister eingetragen fangreiche Deutschrift und eine Anzahl dickleibiger Bände nach Entstehung des Streitfalles erfolgt. Die neueste Geburt unserer zur höchsten Ehre des als Anlage herausgegeben. Die Kursmakler werden von der Landesregierung nach Klaffenstaates Gesetzesparagraphen ausbrütenden Bureau- Auf den Vorschlägen dieser Kommission fußt der Anhörung der Börsenorgane bestellt und entlassen. Sie tratie ist der Entwurf eines Börsengesetes". Börsergesetzentwurf, der jetzt dem Bundesrathe zugegangen dürfen in den Geschäftszweigen, für welche sie bei der amt­Eigentlich gehört dieses Kind allerdings im wesentlichen ist und durch eine" Indiskretion" der Vossischen Zeitung" lichen Feststellung des Börsenpreises mitwirken, nur insoweit der Börsenenquete- Kommission. Unsere Leser werden sich er- bekannt wurde. für eigene Rechnung Handelsgeschäfte schließen, als dies zur innern, daß diese Kommission, die 31 Mitglieder Ge Bei dem verhältnißmäßig geringen Interesse, welches Ausführung der ihnen ertheilten Aufträge nothwendig ist. lehrte, Beamte, Landwirthe und Kaufleute zählte, im die meisten unserer Leser der Börse und ihrem Treiben Für die Vermittelung von Börsengeschäften findet eine April 1892 zusammentrat. Der unmittelbare Grund für entgegenbringen, ist es überflüssig, an dieser Stelle eine amtliche Bestellung von Handelsmaklern nicht mehr statt. die Berufung war die Aufregung, die unter den Kapital- ausführliche und ins einzelne gehende Besprechung des Dem Bundesrath sind auf dem Gebiete der Kursfeststellung befizern und denen, die es werden wollten, infolge einiger Gefeßentwurfs vorzunehmen. Es mögen nur die wichtigsten weitgehende Befugnisse vorbehalten worden; man weiß großer Bankbrüche" und infolge von anderen Verlusten Punkte hervorgehoben werden. natürlich nicht, in welcher Weise er sie zur Anwendung entstanden war, die vornehmlich mit dem Sturz des Londoner bringen würde. Welthauses Baring Brothers zusammenhingen.

Börsen- Gefehentwurf. verständige vernommen und hat schließlich eine sehr um- ist, oder wenn die Unterwerfung unter das Schiedsgericht

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Die alten Redensarten von den sauer ersparten Groschen der kleinen Leute, die durch den Giftbaum der Börse" um ihr bischen Hab und Gut gebracht werden, bekam man im Ueberfluß zu hören. Die guten Leute dachten nicht daran, oder wollten nicht daran denken, daß es in unserer gött­lichen Wirthschaftsordnung überall so ist, daß das Evan­gelium des Klaffenstaates lautet: Schröpfe Deinen Nächsten so gut und so gründlich Du immer kannst, damit es Dir wohl gehe auf Erden! Ist es doch eine sehr bekannte Wahrheit: Heute fährt der am besten, der beständig mit dem Aermel das Zuchthaus streift.

deren

Der Entwurf zerfällt in sechs Theile:

1. Allgemeine Bestimmungen über die Börsen und Organe;

2. Maklerwesen und Kursfeststellung;

3. Zulassung von Werthpapieren zum Börsenhandel; 4. Börsenterminhandel;

5. Kommissionsgeschäfte;

6. Straf und Schlußbestimmungen.

Die Zulassung von Werthpapieren zum Börsenhandel soll durch eine Kommission erfolgen, die zum dritten Theil aus Personen besteht, die sich nicht gewerbsmäßig am Börsen­handel betheiligen. Vor der Zulassung von Werthpapieren ist ein Prospekt einzureichen; sind hier Angaben unrichtig, so haften die Verfertiger des Prospektes, wenn sie die Un­richtigkeit gekannt haben oder ohne grobes Verschulden Im ersten Abschnitt wird der Landesregierung zunächst hätten kennen müssen, als Gesammtschuldner jedem Be­die Befugniß ertheilt, die Errichtung von Börsen zu ge- figers eines solchen Werthpapieres für den Schaden. Auch nehmigen, bestehende Börsen aufzuheben und die Börsen zu abfichtliche Fortlassung wesentlicher Thatsachen und bösliche beaufsichtigen. Das letztere geschieht vornehmlich durch den Unterlassung einer ausreichenden Prüfung verpflichten zum neu eingeführten Staatskommissar, der von den Vorgängen Schadenersah. Der Ersatzanspruch verjährt in fünf Jahren. Allerdings darf er es nur streifen. Die Gauner an der Börse fortlaufend Kenntniß zu nehmen, über etiva Auch hier ist der Bundesrath befugt, weitere Bestimmungen müssen es bis zu einem solchen Grade von Geriebenheit hervortretende Mißstände zu berichten und Vorschläge zu über die Aufgaben der Zulassungsstelle und die Voraus­gebracht haben, daß sie nicht in den Maschen des Straf - deren Beseitigung zu machen hat. Zur Begutachtung über segungen der Zulassung zu treffen. gesetzes hängen bleiben, das eben nur für die Stümper die durch das Gesetz der Beschlußfassung des Bundesraths Der Börsenternminhandel ist dem Belieben des Bundes­geschaffen ist. überwiesenen Angelegenheiten ist als Sachverständigen- Organ raths vollständig ausgeliefert. Der Bundesrath ist be­ein Börsenausschuß zu bilden, der aus mindestens 30 Mit- fugt, den Börsenterminhandel in Waaren oder Werth­gliedern besteht und zu zwei Dritteln durch die Organe der papieren zu untersagen oder von Bedingungen abhängig deutschen Börsen ernannt werden soll. Die Börsenordnung zu Die Börsenordnung zu machen, auch die Lieferungsqualität des Ges und ihre Handhabung entspricht im wesentlichen den jezigen treides zu bestimmen. Alle Personen, die sich mit Zuständen. Höchst kurios ist die Schaffung von Ehren- Termingeschäften in Waaren oder Werthpapieren befassen gerichten, die über die kaufmännische Ehre" der Börsen­besucher in Zukunft wachen und solche Frevler zur Ver­antwortung ziehen sollen, die im Zusammenhange mit ihrer Thätigkeit an der Börse sich eine unehrenhafte Handlung Aber die weitesten Voltskreise" waren ja haben zu schulden kommen lassen. Die Strafen für Ver­erregt, und die Interessen dieser Volkskreise bekanntlich legung der Standesehre" bestehen in einem Veriveis und über Mangel an Theilnahme in den höheren Regionen nicht in zeitweiligem oder dauerndem Ausschluß von der Börse. zu flagen haben, so sollte die Gesetzgebungsmaschinerie in Um den Instanzenzug zu wahren, soll auch noch eine Bewegung gesetzt werden. Berufungskammer eingerichtet werden, an welche die Besagte Börsenenquete- Rommission wurde deshalb bejenigen appelliren können, die der Ansicht sind, daß das Marktpreis unter Mitwirkung amtlicher Organe feft­auftragt, die Börsenverhältnisse zu studiren und auf grund Ehrengericht ihnen Unrecht gethan habe und daß gestellt wird. dieser Studien Vorschläge zu machen, die geeignet wären, ihre Standesehre noch rein und makellos sei. Das Der letzte Abschnitt enthält drei Strafandrohungen. die Auswüchse des Börsenwesens zu beseitigen. Börsenschiedsgericht endlich soll fünftig nur in Aktion Mit Gefängniß und Geldstrafe ev. Verlust der bürgerlichen

Hier waren nun einige Stümper hängen geblieben, und sofort erhob sich ein allgemeines Zetergeschrei. Als ob die Wolf, Sommerfeld und Konsorten nicht typisch wären für alle unsere profitwüthigen Bourgeois! Als ob es diesen nicht ganz gleichgiltig wäre, woher der Profit kommt, den sie zu ergattern suchen und der an ihren schmutzigen Fingern tleben bleibt; als ob sie sich darum fümmerten, welche Noth und welches Elend, welche Thränen und welch' bitteren Kummer ihr Thun zur Folge hat!

Feuilleton.

[ Nachdruck verboten.]

Zu Tode geheht!

Eine Erzählung nach dem Leben von Franz Held.

( Schluß.)

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Und die Emma Robolska daneben!" rief Kendelmann schmunzelnd, indem er mit ihm anstieß. " Na, na!" wehrte der neugebackene Amtsrichter ab; er hatte eine bedenkliche Miene aufgesetzt und kragte sich hinter dem Dhr. Und in Deklamationston sprach er: Denn die Alimente hassen

Das Gebild der Menschenhand!" " Hat ein großes Wort gelaffen ausgesprochen, der olle

wollen, werden in ein öffentliches Börsenregister eingetragen, wofür eine Gebühr von 300 M. und dann eine jährliche Zahlung von 50 M. erhoben wird. Gegen dieses Register wehren sich die Börsenleute am meisten, da es geeignet sein soll, ihre Thätigkeit in Verruf zu bringen.

Der Kommissionär soll fünftig in das Geschäft als Käufer oder Verkäufer nur eintreten dürfen bei Waaren, welche einen Börsen- oder Marktpreis haben und bei Wechseln und Werthpapieren, bei denen ein Börsen- oder

pußten Elend nicht gern an ihre Vergangenheit erinnert. Erst recht nicht von Landsleuten!

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Ein letzter Rest von Scham und Stolz trieb sie, zu verhindern, daß ihre gegenwärtige Kondition unter ihren einstigen Mitschülerinnen bekannt würde. Und sie wollte dies Gerede auch ihrem alten Vater ersparen. Sie hatte ihn seit ihrer Flucht von den Eltern nicht wiedergesehen und vermied das auch auf das peinlichste; sie wußte weder Jm Gebäude des Ausstellungs Parks beim Lehrter von ihm, noch von der Mutter das geringste sie mochte Bahnhof war um dieselbe Zeit eine landwirthschaftliche ehrliche Schiller!" den guten Eltern nicht so weh thun, mit ihnen als Dirne Ausstellung untergebracht. Fahnen wehten, Musikkorps Er that einen tiefen Schlud, befriedigt über sein wißiges wieder in Verbindung zu treten. schmetterten, die Stadtbahn rollte rauschend, polternd und Bitat. Im besten Schlürfen sezte er aber plötzlich das Glas Vom Tode beider hatte sie infolge dessen keine dampfschnaubend in der Luft vorbei. nieder und stierte auf eine mehr wie elegante junge Ahnung Dame, die sich soeben an dem ihnen benachbarten Tischchen Sie war schon entschlossen gewesen, sich schleunigst zu niedergelassen hatte. Auch die Dame starrte unverwandt entfernen. Aber aber sie mußte ja doch erst ihren Kaffee zu den beiden Herren hinüber. Aber nicht kokettirend, nein, bezahlen und während sie dem Kellner die Nickel hin­mit einem unverkennbarem Ausdruck von schreckhafter Ver- schob, überlegte sie, daß sie übermorgen die hohe Zimmer­blüffung in dem hübschen, etwas abgelebten Gesicht. miethe zu entrichten hatte. Und ihre Kasse war gerade Zwiebel stieß den anderen heimlich in die Rippen. ziemlich schmal. Denn obgleich sie ein hübsches Sie! Schauen Sie doch nur," raunte er, Augen Mädchen war und meistens viele Meter" pro Tag links! Ist das nicht-?!" einkassirte( allerdings war die Konkurrenz in den Blumen Kendelmann sah hin und fuhr leicht zusammen. sälen " sehr groß!) so wurde doch fast alles von der " Wahrhaftig!" brachte er nach einer halben Minute Schneiderin, dem Hutgeschäft, dem Friseur und hauptsächlich unangenehmer Verwirrung heraus." Man sollte sagen: von ihrem Zuhälter verschlungen. Schwarz' Annchen!"

Vor den guirlandenumwundenen Portalen des Glas­palastes standen Restaurationstischchen unter freiem Himmel. An einem dieser Tischchen saßen zwei sehr gut gelaunte Herren bei einer Flasche Rheinwein.

2

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Sie hatten beide Grund, gut gelaunt zu sein. Dem einen, Kendelmann, war für sein ausgestelltes Mustervieh( eigent lich hatte an dem stroßenden Aussehen der Rinder mehr die Pflege schuld, die Schwarz ihnen hatte angedeihen laffen, als sie noch ihm gehörten) eine große filberne Medaille erhalten, die er stolz an buntgestreiftem Bande, wie einen Orden, im Knopfloch trug. Sein Zechkumpan, Amtsvorsteher Zwiebel, war auf Ersuchen des Justizministeriums nach Berlin ge­Sie fneipten also zu Dreien weiter, ganz gemüthlich kommen. Denn die Zeitungen hatten ihn der anti- Sie war es in der That. Und sie lächelte jetzt, nach- und unbefangen. Dann machten sie in einer offenen sozialistischen Wahlbeeinflussung bei Gelegenheit der letzten dem sie sich von dem ersten Schreck erholt hatte, so ge- Droschke erster Jüte" einen Bummel" durch den Thier­Reichstagswahl geziehen. Es war ihm nun diesbezüglich winnend zu den beiden hinüber, daß diese sich überzeugten, im Ministerium eröffnet worden, man müsse ihn freilich gewisse unliebsame Vorgänge seien ihnen huldreich verziehen. der Presse wegen angesichts des nicht wegzuleugnenden," Na, das ist ja schnell gegangen mit der!" flüsterte ihn schwer belastenden Thatbestandes versetzen, aber er solle Kendelmann. eine Stelle als Amtsrichter erhalten. Er war also befördert worden, weil er, wie der Minister ihm unter vier Augen sagte, so schneidig für Kaiser und Neich gegen den Um­fturz" eingetreten sei.

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" War doch' ne feudale Zeit, in dem ollen Nest!" sagte er zu seinem Gefährten. Prost! Allenfeld soll leben!"

Anrempeln! In dubio immer anrempeln!" gab Zwiebel aus dem Schatze seiner Prinzipien leise zum besten. und indem er höflich den Zylinder abzog, ging er auf das Tischchen zu.

garten.

Es war ein weicher Vorfrühlingstag, der dem Mai Ehre gemacht hätte. Die Wasserspiegel schimmerten wie Sammet, die Zweige sahen im warmen Sonnenschein wie vergoldet aus und ihre Rinde schien so gelockert, als müßten jeden. Augenblick die Knospen herausspringen.

Und diese selbe Frühlingssonne( dachte Anna) lacht jetzt wohl schon über den dampfenden Feldern und end­losen Wälderstrecken Ostpreußens . Ueber der Stelle, wo unser Gehöft stand

Anna's erster Antrieb, als sie die wohlbekannten Ge­sichter aus ihrer Heimath neben sich sah, war gewesen: spornstreichs fortlaufen! Sie wurde in ihrem jezigen ge- Sie unterdrückte einen Seufzer.