Der Beprkepcrrtei:--? Brandenburg nahm gestern die Auf. stellung der Kandidaten für die kommenden Wahlen vor. Genosse Dreilscheid hielt zuvor an Stelle des Genossen Wels das Referat über:„Die Partei und die Wahlen." Die Krise der letzten Monate, so führte er aus, hat sedem dos klare Bild der politischen Tatsachen gegeben. Wir sind in Deutsch . lond gewohnt, daß Krisen in Deutschland recht lange dauern. Aber ein« Krise wie diese hat es kroch nie gegeben. Ich habe die Krise vom Auslände her beobachtet, und man mußte sill) dort in dieser Hinsicht schämen,«in Deutscher zu sein, denn man nahm im Auslande die deutsche Politik nicht mehr ernst. Man kam dort zu der An. sicht, daß es in Deutschland erheblich cm der nötigen politischen Reif« fehle. Schon die Wahlen vom 4. Mai ließen diesen Zweifel ent> stehen. Wir müssen natürlich ein gewisses Verständnis für die Ge- fühlsmomsnte aufbringen, die-den Ausschlag bei diesen I n- flationswahlen vom 4. Mai geben. Die Kreise, die durch die Inflation verdient hatten, erreichten große Vorteile bei der Wahl dadurch, daß die große Masse des deutschen Volkes sowohl wirtschaftlich als auch seelisch eben durch die Inflation geschwächt war. Gerade die Teile des Volkes sind von dieser Jnflationswirkung ersaßt worden, die nech nicht das Wesen der gesellschastlichen Eni- Wicklung erfaßt hatten. Im letzten Reichstag haben sich Nationalsozialisten und Kommunisten nur in gewissen Aeußerlichkeiten unterschieden. Ihre Politik unterschied stch in nichts van ein. ander. Sie haben sich in diesem Reichstag sowohl nach der politisch- sachlichen Seite als auch nach der taktischen Seite in nichts unter- schieden. Der Reichstag wurde allmählich zum Schauplatz wüster Szenen. Di« beiden Gruppen auf der äußersten Rechten und Linken gingen bewußt daraus hinaus, den Parlamentarismus zu diskreditieren, aber wir dürfen hoffen, daß sie sich selber dabei dia- kreditiert haben, wir dürfen hoffen, daß die Wohl am 7. Dezember ihnen die Q u i t t u n g geben wird. Trotz aller noch bestehenden Not haben wir durch die Schasiung der Rentenmark einen solideren Boden gemonnen. Partei und Gewerkschaften sind gefestigt, und so können wir den nächsten Wahlen mit großen Hoffnungen entgegensehen. Die Wahlen vom 4. Mai sollten ja die Vernichtung der Sozialdemokratie bringen. Gewiß, diese Wahlen zeigten, daß ein Teil der Wählermassen nicht der Sozialdemokratie ihre Stimme gaben. Aber von einer Vernichtung der Sozialdemo- krati« war nichts zu merken. Die Partei ging mit ihren 6 Mil- sie neu Wählern als st ö r k st e Partei hervor, trotzdem sie sich in einer Verteidigungsstellung befand. Heule befinden wir uns in der Angriffsstellung. Aber mit dem Wachsen der Sozialdemokratie ist noch nicht olles er- reicht. Wir müssen«inen Reichstag schaffen, der im Inland« und Auslande angesehen werden kann als der Willensausdruck des deut schen Volkes zur Demokratie, zum Varlam-ntarismus und zur Re- publik. Die Krise der Regierung hat an dem Tage der Geburt dieses letzten Reichsiags eingesetzt. Schon damals hat Herr H e r g t, der verflossene Führer der Deuts chaationalen, in einem Interview im .Lokalan zeigec erklärt, daß die Deutschnatinnalen bereit seien,;n die Regierung einzutreten. Der Wahlkampf ging um das D a w e s- Gutachten, für das nur die Sozialdemokratie eintrat, während es die Deutschnationalen als ein zweites Versailles lenn- .zeichneten. Aber nach der Wahl waren sie zu Zugeständnissen in dieser Frage bereit.— wenn man ihnen M i n i st e r s e s s e l gewähr«. Sie waren nicht bescheiden. Sie wollten den Reichskanzler stellen. Sie präsentierten Herrn Tirpitz, dessen Kandidatur im Aus- lande gern gesehen wende. Wenn ein Arbeitervertreter im Auslande für das deutsche Volk wirbt, bezeichnet man ihn als„Landesver- räter". Wenn Deutschnationale für ihre reaktionären Zwecke i« Auslande werben, ist das natürlich etwas ganz anderes. Luch Herr Stresemann war damals Gegner des Regierungseintritts der Deutschnationalen , die ihn wahrscheinlich nicht länger in der Regierung geduldet hoben würden. Sie hatten ja gefordert, daß er sowohl wie der Reichskanzler vor den Staatszerichtshof gestellt werden sollte. Bei den entscheidenden Abstimmungen im Reichstag über das Dawes�Lutachten stimmten die Deutkchnationalen zu 5 0 P r o z. für das Ciseubahngesetz, weil sie die Reichstaqsauflölung fürchteien. Gsnosie Breitscheid kennzeichnete das Verhalten der Deutschnationa- len und des Herrn Stresemann sowohl in dieser Frage, als in der Frage der Regierungsevweiterung und erklärte, daß die Sozial- demokrati« hei diesen Abstimmungen unter allen Umständen für das Gutachten gestimmt hätten. Die Deutschnationalen hätten auch ohne die Zugeständnisse des Herrn Stresemann so gestimmt, wie sie g«. stimmt haben. Im Auslände schlägt man über diese Politik, die einer innerlich bankerotten Partei die Türen zur Regierung öffnet, die Hände über den Kopf zusammen. Wir wisien, daß Herrn Stresemann die Reichsverfassung gerade nicht ans Herz gewachsen, ober politischer Charakter ist gerade nicht der Ballast, mit dem er am meisten belastet ist. Vielleicht sehen wir ihn»"ch noch einmal als Weiheredner beim Reichs- banner„Schwarz-Rot-Gold".(Sehr gut und Heiterkelt.) Derselbe Mann, der einmal erklärte, es fei ein Unding ohne die
Sozialdemokratie zu regieren, war bereit den Bürgerblock zu machen. um seinen Ministerposten zu erhallen. Ich würde mich mit der Person dieses Mannes nicht beschäftigen, wenn er nicht an so expomerter Stell« stände. Nach dem Ausspruch eines Philosophen setzt ssch m der Politik auf die Dauer nicht der durch, der Talent besitzt, sondern der. der Charakter besitzt.(Sehr gut.) Wir werden Strese- mann in Zukunft so beobachten, wie wir eine Wetterfahne beob- achten, die zeigt, woher der Wind weht. Wir empfinden Anerkennung für das feste Verholten der Demokraten. Wir sind, soweit es sich um den Schutz der Republik handelt, bereit, sowohl mit ihnen als mit dem linker-' Flügel des Zentrums, der imier Wirths Führung steht, z u- sammenzuarbeiten. Natürlich gehen diese Parteien nicht so well wie die Sozialdemokratie, die den Sozialismus erstrebt und hierin nicht die Gegenliebe irgendeiner anderen Partei finden kann. Di« Sozialdemokatie hat im Reichstage außerordentlich geschickt operiert. Si« hat sich ein großes Derdienift um das Richtzustanidekommen des Büryerbllocks und um die Erreichung der Reichstwzsauflösung er- worden. Es gibt Leute, die der Meinung find, daß man den Deutsch - nationalen einmal die Möglichkeit zum Rezieren geben solle. Sie würden sehr schnell abgewirtschaftet haben. Darüber ließe sich reden. wenn es die allgemeine Lage gestattete. In normalen Zeite i könnt« man dieses Experiment vielleicht machen, ober im gegen- w ä r t i g e n Augenblick wäre der dafür zu zahlend« Preis Zu teuer. Wer Bürgerblockregierung will, will die Belastung der breiten Massen des Volkes, der arbellet gegen die Ratifikation de- Washingtoner Abkommens, der bekämpft den Pveisabbau. Vürgerblockotgierung bedeutet die Zerstörung der Verständigungs- Möglichkeit mit dem Auslände, bedeutet neuen Krieg. Es gibt Leute, die- auf die Wahlen in England hinweisen und sagen, daß wegen des Sieges der Konservativen in England in Deutschland eine deutschnationale Regierung ans Ruder kommen müßte. Aber ein englischer Konservatioer würde es sich sehr oerbitten, mit einem Deutschnationalen auf eine Stuf« gestellt zu werden. Eine deutschnationale Regierung gebe dem Auslande tausend neue Gründe. um Deutschland neue Schwierigkeiten zu bereiten. Welche Mittel hätte eine Bürgerblockregierung, diesem entgegenzutreten? Der Völkerbund ist nicht ideal, aber er ist das einzig st« Mittel, dessen wir uns bedienen könnten, um unsere Lage erträg« lich zu machen. Daher war es verbrecherisch, in einem Augen- blick, da der Weg für Deutschland , in den Völkerbund einzutreten, frei war, die Krieges chuldfrage aufzuwerfen. Dabei steht im Vertrag von Versailles kein Wort von der Alleinschnld Deutschlands . Wir wollen das deutsche Volk aufklären. Wir gehen in den neuen Kamps mit der Entschlossenheit und Zähigkeit, die sozio- listische Kämpfer immer ausgezeichnet hat. Unser kampfesmut aver wird noch eine Steigerung erfahren, wenn wir wissen, daß es in diesem Wahlkamps um mehr geht als es jemals gegangen ist.(Leb- hafter Beifall.). Auf eine Diskussion wird verzichtet. Sodann wurde zur Laadldakemnifstellung geschritten. Sie hatte folgendes Ergebnis: Reichstagswahlvorschlog Votsdom I: 1. Rudolf Wifsell, 2. Dr. Breitscheid, 3. Marie I u ch a c z, 4. Wilhelm Staad. 6. Hermann Müller (Lichtenberg ), 6. Adolf W u s ch i ck, 7. Dr. Salomon, 8. Dr. Karl Herz , 9. Fritz Thurm, 10. August Langnickel. Reichstagswahlvorschlog Frankfurt a. d. O.: 1. Otto Wels , 2. Oswald Schumann, 3. Karl Giebel, 4. Franz Kotzke. 5. Anna Matschte, S. Richard Schmidt, 7. Maria Karch. 8. Oskar Wegen er. 9. Dr. Ostrowski. Landlagswahloorschlag Poksdam I: 1. Handelsminister Sie- ring, 2. Konrod Haenisch, 3. Wilhelm Krüger, 4. Elfriede Ryneck . 5. Richard Wende, 6. Ar cur Richter, 7. Paul S z i l l a t, 8. Johannes Bauer, 9. Reiner LI e m p k e n s, 10. Aug. Moriaschk, 11. Paul I u d r i a n , 12. Alfred John. Landeswahlvorschlag Frankfurt a. d. O.: 1. Emil. F a b e r, 2. Wilhelm P a« tz el, 3. Ernst H e i l m a n n, 4. Eugen Brückner. 6. Wilhelm Schadow. S. Theodor Ulmer, 7. Georg Steinbrecher, 8. Rieschatt, 9. Karl Freier, 10. Karl Stall, 11. Fritz Kudemeh. Für den Landeswahlvorschlag bringt die Provinz Brandenburg den Genossen Emil Slahl in Vorschlag. Nach einigen Ausführungen des Bezirksfekretärs Genossen W. Krüger, der verschiedene Winke organisatorischer Art gab, und nach einem anfeuernden, von Siegesbewußtsein getragenen Schlußwort des Bezirksvorsitzenden Genossen Stahl wurde der Bezirksparteitag mit einem dreifachen Hoch auf die Sozialdemokratisch« Partei geschlossen.
Gerichte in Briefmarken. Das Driefmartensammeln hat sich besonders in Deutschland zu einer Wissenschaft herausgebildet, die fast exquisit genannt werden muß. Man möchte sagen leider, denn was jetzt in der großen Aus- stellung deutscher Marken im ehemaligen Herren- haus gezeigt wind, ist mit solcher Liebe und mühseligster Sorgfall zusammengestellt, daß man die Kenntnis dieser Dinge auch weiteren Kreisen zukommen lassen möchte. Den Grundstock der Ausstellung bilden wieder die berühmten deutschen Sammlungen der Weymann, Birnbach , Ott. Bungerz, Günther, Opitz, Baron v. Scharfenberg u. a. Außer Wettbewerb haben Kalhoff, Pirl und Kosak ausgestellt. Besonders in dieser letzt- genannten Sammlung beobachtet man die Hinneigung zur systemati- 'scheu Erforschung des gesamten deutschen Bviefnmrkenwesens. Man sieht, wie lange probiert wurde, bis«ine Marke entstand, die sich einigermaßen sehen lassen konnte. Di« Farbe wird durch alle Stufen geprobt, um festzustellen, in welcher Nuance sie mit dem Druck konform geht. Außerordentlich prächtige Probendrucke alter sächsischer Marken 1851 bis 1863 zeigt Günther-Chemnitz. Es ist mvhl mit das Kostbarste, was an altdeutschen Markensammlungen wirklicher Forscherwert hat. Dag erlesenste Stück der Ausstellung ist«in aller Brief mit sechs Stück Baden-Landpost-Marken a 12 Kreuzer, ein Weltunikum, dessen Wert heute auf 50 000 M. geschätzt wird. In- teressant ist ferner die Ausstellung des Berliner Polizeipräsidiums, in der Kriminalkommissor Gennat ungeheure Mengen raffiniert her- gestellter Fälschungen zeigt, ein Gebiet, das auch heute noch ei« ganze Fälscherindustrie zu ernähren scheint. Auf welche Abweg« be- geisterte Sammler geraten können, ersieht man auch hier, da ist der eine, der eine Verbindung zwischen Herbarium und Briefmarken her- stellt. Er umrandet närrtlich seine Marken mit den zarten Blüte, und Blättern aus Feld und Garten, Was dabei zustande kommt. wag den Reiz der Neuheit haben, schön ist es nicht. Ein ar derer wieder, ein Holländer, malt auf seine Albumseiten schwarze vieleckige Sternchen, umrandet sie mit den schirrsten Farben, so ihm seine Phantasie eingibt und klebt mttten in das Sternchen eine Brief- marke. Was da herauskommt, fft weder«ine Briefmarkensammlung noch ein Bilderbuch. Die sehenswerte Ausstellung, mit der ein« Briefmarkenlotterie verbunden ist, wurde gestern' vormittag in Gegenwart des Ober- bürgermeifters und des früheren Postministers Giesberts eröffnet.
Anschläge auf Cifenbahnzüge. Lei Fürstenberg und auf der Sladkbahu. Einem mit Raffinement vorbereiteten Eiffubahvattentat ist gestern der Personenzug Reubrandenburg— Verlin nur mil knapper Rot entgangen. Kurz nachdem der Zug die Statton Drögen, die erste hinter Fürstenberg , um 8.20 passiert hatte, muß er durch«ine Strecke fahren, die zu beiden Seiten von hohen Waldungen umqeben ist. Hier hatten verbrecherische Hände«in« lange starke Eisen- schiene, die eine Warnungstafel trug und neben der Strecke an einem Wege stand, ausgegraben und quer über die Schienen gelegt. An der einen Seite hatten die Verbrecher einen Pschl eingeschlagen, auf der anderen Seite wollten sie offenbar dasselbe tun, srnd aber dabei gestört worden. Als nun der Zug gegen das Hindernis fuhr, gab die Schien« nach und zerspliitene. Der Zug wurde sofort zum Halten gebracht. Unter den Reisenden entstand zuerst eine Panik. Nachdem das Hindernis vollends beseitigt worden war, setzte der Zug feine Fahrt fort und kam mit großer Verspätung in Berlin an. Die Polizeibehörden wurden sofort benachrichtigt und nahmen die Ermittelungen nach den bis jetzt nech unbekannten Verbrechern auf. >i> Die Beschießung eines Stadtbahnzuges beschäftigt wieder die Kriminalpolizei. Der Zug, der um KLS Uhr ftüh von Nikolassee an der Aousbahn vorbei nach Grunewald fährt, erhiell heute morgen in der Nähe der Südschleis« mehrere Schüsse, die einig« Fensterscheiben zertrümmerten, zum Glück aber keinen Fahrgast trafen. Di« Absuchung des Geländes nach den Tätern blieb erfolglos. Auf ihre Ergreifung hat die Eisenbahn- direktilm eine Belohnung ausgesetzt— Schwer gefährdet wurde auch vor einigen Tagen der Verkehr zwischen dem Bahnhof Schöne- berg und Großgörschen st raße , Hier wurde an der Ueber- führung ein drei Meter langer Gasständer quer über«in Gleis gelegt. Ein Zug zertrümmert« den schweren Ständer, so daß Stücke und Splitter 30 Meter weit flogen. Auch für die Auf- klärung dieses Anschlages ist eine Belohnung zugesichert. Mittet- hingen an Kriminalkommissar Dr. Riemann im Zimmer 83a des Polizeipräsidiums.
Der Mörüer öes Kaufmanns Hamburger festgestellt. Eise Photographie als VerrSkerin. Die unausgesetzten Nachforschungen der Kriminalpolizei haben fetzt zu dem Ergebnis geführt, daß man über die Person des Täters. der den Geschäftsmann Hamburger in der Elsasser Straße heim- tückisch ermordert hatte, Gewißheit bekommen hat. Er steht jetzt fest als«in 1885 in Minden in Westfalen geborener Otto Leest. der den Mord schon seit langem vorbereitet hatte. Wie noch erinnerlich sein dürfte, hatte ein Zeuge,«in Freund des Ermordeten, Sonntag und Montag vormittag vergeblich oersucht, Hamburger zu sprechen. In der Mittagsstunde Hatte er das erwähnt« Zusammentreffen mit dem Mann«. Dieser Unbekamir« hatte ihm auf sein Klopfen geöffnet und chn abgewiesen. Später sah der Zeuge den Unbekannten mit zwei Paketen in der Richtung nach der Artilleriestrab« fortgehen. Da die gesamten Kleidungsstück« Hamburgers fehlten, war anzunehmen, daß der Mörder versuchen würde, sie zu Geld zu machen. Die Beamten der Mordkommission forschten nun in allen Trödlerläden der Kleinen Hamburger, Artilleriestraße bis zur Münzstraße hinunter nach jenem unbekannten Paketträger. In der genau durchgesehenen Äorrespon- denz fand man auch das Schreiben eines Mannes, der sich als Reisebegleiter anbot, und von dem«in Bild beilag. Bei einem Händler in der Kleinen Hamburger Straße wurde ermittelt, daß zu ihm zwei Personen gekommen waren, die ihm Anzüge und Gardinen zum Kauf angeboten hatten. Er konnte die Beschreibung eines dieser Männer geben. Es gelang der Kriminalpolizei, diesen in der Person eines arbeitslosen Händlers Emil Konig zu ermitteln. Er wollte zuerst von nichts wissen. Schließlich gab er aber zu, die Bekanntschaft eines anderen Händler« gemacht zu haben, mit dem er gemeinsam die Sachen oerkaufen wollt«. Diese wurden nach der Beschreibung als Eigentum Hamburgers erkannt. In einem Lokal in der Mulackstraße hatte„Emil", wie er kurzweg in den Kreisen seiner Fachgenossen genannt wird,«inen Käufer gefunden. An ihn wurden die beiden Kartons mit Jichast und der Mantel Hamburg «? zusammen für 100 Mark verkauft. Die Kriminalbeamten eilten sofort in die Wohnung dieses Käufers und fänden hier auch noch tatsächlich den mit Seide abgefütterten Mantel Hamburgers. Als „Emil" und dem anderen Käufer das Lichtbild jenes„Reise» begleiters" vorgehalten wurde, erkannten sie in ihm den Mann, der zuerst im Besitz der Hamburgerschen Sachen gewesen war. Es ist der am 30. Oktober 1895 in Minden in Westfalen geboren« Otto Leest, der allgemein als„Otto" bekannt ist. Jetzt hatte man ein« genaue Beschreibung des Mörders. Di« Mordkommission durch- forschte nun alle Lokale, die für seinen verkehr in Frag« kommen. So gelang es, viel« Personen zu ermitteln, die„Otto" teil» längere teils kürzere Zell kannten. Di« Vernehmung dieser Leute hat nun ergeben, daß Leest diesen Mord schon'seit langem vorbereitet hatte. Arbeitsscheu und infolgedessen auch arbeitslos trieb er ssch überall
herum und machte dunkle Geschäft«. So ist festgestellt worden, daß er zu einem Zeugen sagte, er wisse einen Händler in der Elsasser Straße, bei dem er gut angeschrieben sei. und von dem«r stets Geld bekomme. Zu einem anderen äußerte er vor einigen Tagen, als er kein Geld hatte, daß er„ein Ding drehen" werde, komm« es, wiees wolle. Leest hat unzweifelhaft am Sonnabend und am Sonntag in der Wohnung des Hamburger geschlafen. Es ist kaum anzunehmen, daß er Berlin schon ver- lassen hat. Der Mörder fft 1,64 Meter groß, hat dunkles Haar, dunkle Augen und vollständige Zähne. Besonders kennzeichnend ist seinschwererfchlürfenderGang und seine abgenagten Fing ernägel. Neichsbonnertag in Spandau . Nun hat auch Spandau feinen ersten großen republi- konischen Tag gehabt. Und wenn es auch nicht das glanzvolle Wetter de» Potsdamer Tages war. und wenn es auch nickst die Zehntausend waren, die'sich vor acht Tagen durch Potsbants Straßen bewegten, so war es doch in der Gesamtheit ein überraschendes und srfreuliches Bild, das Len Teilnehmern noch lange in der Erinnerung bleiben wird. Es waren immerhin an die 1500 Reichsbannerleute, die mit ihren Fahnen nach der ehemaligen allen Havelfest« Spandau gezogen waren und dort fteundlich und herzlich bewillkommnet wurden. Mit Mustkchörni ging es vom Izauptbohnhof zum Festlokal von Seitz in der Schützenstrvße. wo der Festakt zur Weihe des Banners vor sich ging. Die Fahnenkompagni« hatte vorn im Saale Ausstellung genommen. Auch die Bühne war ein Fahnenwald. Der Saal war dicht gefüllt. Dr. Hirsch seid» Spandau begrüßte die Gäste mit warmeu Worten. Ein markanter Prolog von Friedrich Boege, den der Monteur WM Jacob vortrug, schnitt mit Sartasmus scharf die geschichtlich« Vergangenheit des ruhmlos untergegangeaen letzten Kaiserreichs von der republikanischen Neuzeit und Gegenwart. Die Festrede hiell Bürgermeister M i e l i tz. Er kennzeichnete die Ziel« des Reichsbanners und erklärte mit Nachdruck:„Solange das Reichsbanner besteht, wird jeder Versuch, von recht« oder von links den Bürgerkrieg zu ent. fesseln, im Keime erstickt werden." Unter ungeheurem Jubel der Anwesenden forderte« alle Republikaner auf, am 7. De
zember die Reaktion und die Kommunisten so zu Boden zu drucken, daß sich di« Republik in Freiheit entfallen könne. Ii, den frühen Nachmittagstunden bewegte sich ein großer Fest- zug unter Mitführung zahlreicher schwarzrotgoldener Fahnen durch die Straßen der Stadt, lebhast begrüßt von der zahlreich herbeige- eilten Bevölkerung. Einig« Mitglieder des Jungdeutschen Ordens hielten es für angebracht, stch recht provozierend zu benehmen, was zu einem aufgeregten Intermezzo führte. Nach Beendigung des Festzuges begaben sich die Fahnenträger mit etwa 100 Johnen auf Lastautomobtlen nach Berlin , wo sie auf dem Rcichsparteitag der Deuffchdemokratischen Partei, der im Sportpalost ein Volks- Meeting veranstaltet hatte, mit großem Jubel oegrüßt wurdrn. * Völkische Provokakeure. Drei Mitglieder des Iungdeutfchcn Ordens in Spandau hatten die Dreistigkeit besessen, die Teilnehmer des Zuges durch herausforderndes Benehmen auf dos schwerste zu provozieren. Unter anderen beschimpften diese Jung- edlen unser« Staatsform wiederholt als„Iudenrepublik". Eis wandten den Trick an. den Zug einmal unter Hohn- und Schimpf- reden an ssch vorbeipassieren zu lassen, ihn dann durch Neben- st&aßen oorauszuläufen und dann dasselbe freche Manöver noch einmal zu wiederholen. De? Disziplin und der Langmut der Reichs- bannerleute war es zu danken, daß dies« Lümmel nicht schon vorher energisch abgeschüttelt wurden. Ihr Benehmen wurde aber schließ- lich so überheblich und ftech. daß ein paar Spandauer Reichsbanner- jugendleuisn die Geduld riß: sie sprangen, was an sich nichr gut geheißen werden kann, aus dem Glied und beschäftigten sich etwas eingehender mit den völkischen Provokateuren, die dabei natürlich „Senge" bezogen. Wenn die Berliner Polizeikorrespondenz diesen Vorfall so darstellt, als ob die Iungdo-Leute von Rnchs- banner-Leuten„überfallen" und„schwer oerletzt" worden seien, so entspricht das durchaus ntchi den Tatsachen. Die Generalversammlung der Arbeiterjugend. Die Bezirks- VorstandSwahlen batten folgende? Ergebms: Vorsitzender: Max W e st p b a l; Jugendvertreter: L. Diedericb. Käihe Fröhbrodt. Karl Birnbaum . Alfred Lowack. Hans Märiens: H a u p l- spediteur: Werner Meister: Parteivertreter: Lisa Albrecht . Mar Westphal, Rudolf Mroham. Max Hodann , Walter Lutz. Philipp" Hummel; Revisoren: Otto Jänichen. Gertrud Koppen. Walter Schmaudra. Willi Siixdorf, Arthur GeSwig.