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Nr.52441.Jahrgang

Ausgabe A nr. 266

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Redaktion und Verlag: SW 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Redaktion. Donhoff 292–295 Verlag: Donbon 2506 2507

Donnerstag, den 6. November 1924

Vorwärts- Verlag 6.m.b.H., SW 68, Lindenstr. 3

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Das amerikanische   Wahlergebnis. Das Schicksal der Labour Party  .

Die Börse beantwortet es mit Hausse.

New York  , 5. November.  ( EP.) Die endgültigen Wahl­refultate find die folgenden: Coolidge 389, Davis 129, Ca­follette 13. Es ist schon heute morgen in Washington   bekannt geworden, daß mehr als 300 Stimmen für Coolidge   abgegeben werden werden. Als eine Delegation von politischen Führern Coo­ lidge   diese Nachricht überbrachte, erklärte er: Ich danke Ihnen. Bitte, informieren Sie General Dawes." Sotann teilte der Präfi­dent mit, daß er die ganzen letzten Tage beständig an seiner Buß­tagsproflamation gearbeitet habe, die er am 27. November veröffentlichen werde. Das beweist, daß Coolidge   schon immer die die fefte Ueberzeugung von seinem Siege hatte.

Das neue Repräsentantenhaus wird eine einzige weib­liche Abgeordnete ausweisen, nämlich Frau Mary Norton  aus Jersey City  .

New Yorf, 5. November.  ( WTB.) Die Folgen des repu­blitanischen Sieges war eine Hauffe an der Börse, und das Geschäft nahin einen außergewöhnlichen Umfang an. Der Gesamt­umjah in den ersten 15 Minuten erreichte 100 000 Stück Attien.

Kabinett Baldwin im Entstehen. Unterhauseröffnung am 1. Dezember. London  , 5. November.  ( Eigener Drahtbericht.) Der neue Minister präsident Baldwin hat seine Besprechungen über die Besetzung ein

zeiner Ministerien bis Mittwochabend noch nicht beendet. Bevor er die Viste vollkommen fertig hat, macht er Mitteilungen darüber

Liste veröffentlichen zu fönnen. Das Parlament wird erst am

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Mailand  , 5. November.  ( EP.) Wegen der Veröffent. lidhuna übertriebener Einzelheiten" über die Zusammenstöße der Faschisten mit der Vereinigung Italia libera" sind die Zeitungen " Stampa di Turino"," Avanti" und Unita" beschlagnahmt Um unbehelligt erscheinen zu können, unterdrückte die Turiner Stampa" einen Teil ihres Nachrichtenmaterials.

worden.

Der Fall Nathusius.

( Von Londoner   Rorrespondenten). E. W. London  , 4. November 1924. Die Proportional Representation Society", eine eng­lische Vereinigung, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, dem englischen Volk die Unsinnigkeit seines Wahlrechts vor Augen zu führen und die Einführung eines zeitgemäßen Wahlsystems u propagieren, veröffentlicht im ,, Manchester Guardian" folgende Aufstellung, die die Ungerechtigkeit des Ergebnisses der gegenwärtigen Wahl drastisch verdeutlicht.

Partei Stimmen Mandate

Mandate

bei dem Proport. Wahlsyst.

Stimmen pro Mandat

383

O

261

19 504

5 496 252

141

192

58 980

2954 125 123 629

33

103

89 518

4

5

30 917

Konservativ 7 470 154 Labour. Liberal. Unabhängige.

Diese Aufstellung der englischen Vorkämpfer des Gedan­tens des Proportionalwahlrechts zeigt noch deutlicher und flarer als die ersten in England und auf dem Kontinent auf­überaltetes gestellten Berechnungen, wie durch ein

Paris  , 5. November.  ( Eigener Drahtbericht.) Die außerordent­lich unliebsame. Affäre des bei dem Besuch der Gräber seiner Ange­hörigen in Forbach von der französischen   Grenzpolizei verhafteten deutschen   Ergenerals v. Nathusius wird auch in den der fran­ zösischen   Regierung nahestehenden politischen Kreisen als ein höchst bedauerlicher Zwischenfall angesehen. Nathusius ist, wie sehr viele andere deutsche   Offiziere, die gleich ihm mit auf der Liste der sogenannten Kriegsverbrecher" gestanden haben, auf Grund der Denunziationen von Bewohnern des ehemaligen Kriegs. gebiets von einem französischen   Kriegsgericht unter Anklage gestelita hlsystem, das auf eine andere Konstellation der Par­worden und in Abwesenheit zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt teien und auf eine andere Zusammensetzung der Wählerschaft worden. Man ist sich in hiesigen politischen Kreisen über die Unge zugeschnitten ist, der Volkswille in sein Gegenteil verkehrt heuerlichkeit solcher Urteile nicht im geringsten im Was unter der abwechselnden Herrschaft zweier Bar­teien seine Berechtigung und seinen Sinn hatte, ist im Zeit­3weifel und verweist darauf, daß in den wenigen Fällen, wo a geflagte deutsche   Offiziere sich dem französischen   Gericht gestellt alter des Gleichgewichts der Klassenkräfte zum Unrecht und eine nur durch die sehr dehnbaren Grenzen der Ver­haben, regelmäßig eine glatte Freisprechung erfolgt sei. Auch Unsinn geworden. Die Reaktion erhält da auf Jahre hinaus in dem Fall Nathufius zweifelt man nicht, daß die bereits ange= ordnete Revision des Prozesses zu einer glatten Freisprechung fassungsmäßigkeit eingeengte Blankovollmacht, wo sich die Majorität erhalten konnten,

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nicht. Er glaubt aber, am Freitagmorgen die endgültige führen wird. Wie die Dinge aber nun einmal liegen, ist die fran Das bedeutet aber, daß in allen jenen Fragen der Kolonial daß sich die Minister erst in ihre Aemter einarbeiten, bevor ist, in ein schwebendes Gerichtsverfahren einzugreifen. Nathusius des Volkes über die Volksmehrheit hinweg seine Geseze machen 25. November zusammentreten, weil Baldwin Wert darauf legt, welche Schritte zu tun, da sie ebenso wenig wie in Deutschland   befugt der Wirtschafts- und Sozialpolitik, in denen sich Liberale

Gigung des Unterhauses gilt nur der Bereidigung der Abgeordneten.

Die formelle Eröffnung dürfte erst am 1. Dezember erfolgen. London  , 5. November.  ( EP.) Der Star" veröffentlicht heute abend folgende mutmaßliche Kabinettsliste: Premjer minister Baldwin, Aeußeres Austin Chamberlain  , Schahz Sir Robert Horne oder Neville Chamberlain  . Lordpräsident des Geheimen Rates Lord Curzon  , Lordtan ler Caves, Staats: sekretär für Indien   Lord Birkenhead  , Geheimsiegelbewahrer Lord Salisbury  , Kolonien Herzog von Devonshire, Inneres Neville Chamberlain  , Arbeit Lord Weyer, Krieg Lord Derby, Luftschiffahrt Sir Samuel Hoare  , Marine Lord Amery, Handel Sir Philipp Lloyd Greame, Gesundheit Sir William Higgs, Verkehr Wood  , Post Pool, Landwirtschaft Sir Robert Sander, Generalstaatsanwalt Duglas Hogg, Solneitor general Sir Thomas Instip.

Der Zerfall des Faschismus. Zwischenfälle bei einer Siegesfeier. Rom  , 5. November.  ( Eigener Drahtbericht.) Bei dem Festzug, ter am Dienstag zur Erinnerung an den italienischen Sieg an der Biave über die ausgehungerte Habsburger  - Armee veranstaltet wurde, tam es zu Zuſammenſtößen zwischen den einzelnen Gruppen des Festzuges. Nachdem die Gruppe der Kriegsteilnehmer und Ber­mundeten bereits in den Korso eingebogen war, wollte sich eine Gruppe Garibaldianer und Kriegsteilnehmer der oppofitionellen Bereinigung Italia libera" anschließen. Dabei wurden die Gart baldianer durch eine größere Abteilung Faschisten abgedrängt. Zwischen den Anhörigen der Italia liberia" und den Faschisten fam es zu einem Handgemenge, wobei es einige Verwundete gab. Die Zwischenfälle segten sich später auch auf der Piazza Venezia   fort. Wie groß die Verwirrung und Störung war, geht Daraus hervor, daß eine Schar Kriegerwitmen plöglich mitten auf dem Platz niederkniete, um sich gegen Gefahren zu fichern. Kriegsteilnehmer, die mit der goldenen Medaille dekoriert fichern. Kriegsteilnehmer, die mit der goldenen Medaille dekoriert waren, bildeteten zum Schutz der Frauen einen Kreis.

Mailand  , 5, November.( EP.) Bei der Siegesfeier in Verona  mußten die Faschisten durch eine Kompagnie Soldaten von den Front­fämpfern getrennt werden. Trotzdem überfielen einige Faschisten die Fronikämpfer der Italia libera" mit Stöden und Steinen. Es tam zu einer wüsten Brügelei. Die Garnifion­Sisinen. Es tam zu einer wüsten Brügelei. Die Garnision truppen griffen ein und stellten die Ordnung wieder her. Etwa 10 Personen erlitten Berlegungen.

Rom  , 5. November.  ( WIB.) Einer der Führer der hiesigen maximalistischen Sozialisten, der Abg. Bella, ist bei seiner Rück tehr aus Deutschland  , wie Giornale d'Italia" meldet, von der italie­ischen Polizei an der Grenze vorläufig zurückgehalten wor­den und trotz feines Hinweises auf seine parlamentarische Immunität einer genauen törperlichen Untersuchung unterworfen und alsdann erst wieder auf freien Fuß gefeßt worden.

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Anständige Leute wollen nicht mehr Faschisten sein. Rom  , 5. November.  ( WTB.) Nuovo Paese" verbreitet das noch unbestätigte Gerücht, daß die Inhaber der Goldenen Tapfer­feitsmedaille Viola und Boncio di San Sebastiano, die Leiter der Kriegsteilnehmervereinigung, zum Protest gegen die gestri gen Angriffe der Faschi en( auf nichtfashistische Partei­lotale. Red.) aus der faschistischen Partei austreten werden.

foll bisher von den französischen militärischen Behörden sehr for reft und höflich behandelt worden sein. Das berechtigt vielleicht zu der Hoffnung, daß man ihn bis zum Beginn der Revisionsver­handlung gegen Ehrenwort oder Kaution auf freien Fuß setzen wird. handlung gegen Ehrenwort oder Raution auf freien Fuß setzen wird.

Die Militärkontrolle.

München  , 5. November.  ( Eigener Drahtbericht.) Bei einer Kontrolie der Militärkontrollkommission in der Waffenmeisterei von Ingolstadt   kam es am Mittwoch nach mittag bei der Abfahrt der Kommission zu einem bedauerlichen 3wischenfall. An der Donaubrücke drängte sich eine Menschenmenge unter Drohungen an den Kraftwagen der Entente- Offiziere, ohne daß die Polizei dies verhinderte. Nach den vorläufigen Berichten wurden zwei der Kontrolloffiziere tät lich beleidigt. Die bayerische Regierung hat, wie sie erklären läßt, sofort strengste Untersuchung eingeleitet. Der an Ort und Stelle befehligende Bolizeibeamte ist vorläufig feines Dienstes enthoben worden.

Es ist dies der zweite Fall eines Angriffes der erregten Menschenmenge" auf Kontrolloffiziere, die in Ingolstadt   ihren Dienst ausübten. Wie im ersten Fall, bleibt auch diesmal vor allem zu flären, woher die Menschenmenge Bescheid bekam von der Kon­trolle, die der Deffentlichkeit nicht bekanntgegeben wird. Im ersten Fall ist diese Aufklärung nie erfolgt; es ist zu befürchten, daß die Drahtzieher dieses zweiten Zwischenfalles wieder ebenso gedeckt werden.

Ein neuer Prozeß Herrmann. Ausrüftung der Landespolizei= Unterschlagung! Weimar  , 5. November.  ( Eigener Drahtbericht.) Am Donners­tag beginnt in Weimar   der zweite Prozeß gegen unseren Genossen, den früheren Staatsminister Herrmann und seinen Gehilfen, Regierungsaffessor Kunze. Auch in dem neuen Prozeß hat die Staatsanwaltschaft eine schwere Anflage tonftruiert. Genosse Herr mann soll nicht mehr und nicht weniger als Gelder, die er in amtlicher Eigenschaft empfangen oder in Gewahrsam hatte, unter, schlagen und in Tateinheit damit, als Bevollmächtigter über Vermögensstücke seines Auftraggebers abfichtlich zu deffen Nachteil verfügt haben und Genosse Runze foll ihm bei seinem Vergehen" wissentlich durch die Tat Beihilfe geleistet haben. Aber auch die Staatsanwaltschaft wagt nicht zu behaupten, wie Unfundige aus dieser Anklage folgern könnten, daß unsere Genossen etwa das Geld in die eigenen Taschen gesteckt haben! Selbst in der Anklage wird lediglich der Vorwurf erhoben, es feien aus Staatsmitteln, die für andere Zwecke bestimmt gewesen seien, Waffen angetauft worden, wobei zu beachten ist, daß diese Waffen zur Ausrüstung der Landespolizei bestimmt und in staatlichen Gebäuden unter gebracht waren; außerdem feien an einen früheren thüringischen Beamten noch nach seinem Ausscheiden aus seinem Amt unberechtigt staatliche Gelder ausgezahlt worden.

Die Berteidigung, die auch in dem neuen Prozeß in den Händen des Rechtsanwalts Blüth Eisenach und des Rechtsanwalts Dr. Kurt Rosenfeld Berlin   liegt, wird den Beweis dafür führen, daß unsere Genossen fein Vorwurf trifft.

geplanten Schutzollpolitik, das gilt aber auch von den durch­sickernden Plänen in sozialpolitischer Hinsicht( Antistreitgefeg­gebung!), in der sich Konservative, Liberale und Labour fchroff gegenüberstehen.

Es ist aber im allgemeinen selbstverständlich, daß diese Spannung zwischen den parlamentarischen Möglichkeiten und den außerhalb des Parlaments vorhandenen sozialen und poli tischen Kräften des englischen Volkes für Baldwin früher oder später zu einer ernsten Gefahr werden müssen. Vergegen­wärtigt sich der Führer der neuen Majorität, daß sein Auf­trag auf einer tatsächlichen Minorität beruht, so bedeutet das, daß diese starke Regierung" vom ersten Augenblick an zu einer Schattenregierung" wird, mit dem obersten Prinzip, die Dinge möglichst( im fapitalistischen Sinne) laufen zu lassen und jeden energischen Eingriff ängstlich zu vermeiden. Daß Baldwin zu solcher Auffassung persönlich hinneigt, hat sein erstes Kabinett ja zur Genüge bewiesen. Die notwendige Folge eines solchen Borgehens aber ward: Unzufriedenheit im eigenen Lager; Abbröckeln aller derjenigen, die nur deshalb fonservativ gewählt haben, weil sie die Labilität jeglicher Mino­ritätsregierung satt waren und wieder eine stabile, st arte Regierung wollten. Das bedeutet, daß nach einer Reihe von Jahren zwei Millionen Wähler, die ohne Prinzipien, nur nach Stimmungen entscheiden, nach der anderen Seite hin­streben, wie sie das zwischen Konservativismus und Libera­lismus ein Jahrhundert lang. getan haben. Diese andere Seite aber fann nur Labour heißen.

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Geht Baldwin den anderen Weg, der ihm persönlich un­sympathisch sein mag, auf den ihn aber seine jungen Leute hinzudrängen suchen, indem sie ihm die Wahlrechnung prä­fentieren, leitet er aus dem Sieg im Wahlkampf den Auftrag zu einer reaktionären Innenpolitit ab, so wird wie unschwer vorauszusehen ist sich binnen furzer Zeit eine unhaltbare Situation ergeben. Ernennt er zum Beispiel, wie das ein einflußreiches Londoner   Organ fordert, den ,, stärksten auffindbaren Mann" zum Arbeitsminister, so gehört wirklich nicht viel prophetische Gabe dazu, um vorauszusagen, daß die Regierung Baldwin eine Periode der sozialen Ünraſt, der Streifs, einleiten wird, wie fie England bisher noch nicht fennengelernt hat. Das Selbstbewußtsein des englischen Ar­beiters hat sich in diesem vergangenen Jahr der Regierung eines Arbeiterfabinetts sehr gesteigert, so daß die Anwendung alter Methoden oder gar eines strammen Regiments" unter Umständen für Baldwin recht übel ausgehen kann, ohne daß sich die Arbeiterschaft auch nur einen Schritt von ver fassungsmäßigen Methoden ablenten lassen müßte. Dazu kommt, daß eine starke Regierung im Kolonial amt, vom Standpunkt der Erhaltung des britischen Reiches gesehen, geradewegs ins Blutvergießen hineinführen müßte. Das muß sich nicht heute oder morgen wirklich ereignen. Es liegt aber durchaus im Bereich der Möglichkeit, ja Wahrschein­lichkeit, daß die indischen Probleme in diesen kommen­den Jahren zur chienen Strife reifen werden. Die reaktionäre Presse hat es sich angelegen fein laen, in ihren Berichten aus den Dominions und Kolonien auch die Kolonialpresse in ihren