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Jswolski und Poincaré  . Frankreichs   früherer Botschafter Louis beschuldigt in seinen Memoiren Jswolski und Poincaré   der Kriegs­treiberei.

Paris  , 17. November.  ( WTB.) Die Zeitschrift" Europe  " gibt die Memoiren des ehemaligen französischen   Bot. schafters in Petersburg George Louis heraus, der auf Wunsch Is wolstis 1913 von seinem Posten in Petersburg   ent: fernt wurde. Deuvre" ist in der Lage, einige Dokumente bereits zu veröffentlichen.

Nach dem ersten Dokument hatte am 21. Mai 1912 Louis mit dem damaligen französischen   Außenminister Pichon eine Unter­redung. Pichon erklärte, Brincare sei sehr geschickt im Parla­ment, aber anderwärts nicht. Er fönne nicht verhandeln, er sei zu frocken, und für ihn gebe es nur ein Ja oder Nein. Botschafter Louis sprach alsdann seine Verwunderung aus, daß Pichon trotz der angeblichen Anerkennung, die er seiner Tätigkeit zolle, seine De mission verlangt habe. Bichon erwiderte, die Haltung Iswois­fis sei so seltsam gewesen, daß man hierin die Erklärung suchen müsse. Botschafter Louis sagte, man spreche davon, daß der italie­nische Staatsmann

Tiffoni Iswolskis Schulden bezahlt habe. Das habe ihn daran erinnert, daß ein Freund von Edward Grey   zu Clémenceau  , als er Ministerpräsident war, gesagt habe: Beunruhigen Sie sich nicht über Jsmolsti; das werden mir fchon arrangieren." Man habe damals angenommen, daß man auf Jsmolsti finanziell einwirken fönne. Das sei im Oftober 1908 gewesen, als Iswolski   nach London   gereist sei. Pichon habe dann hinzugefügt, daß man in der Finanzwelt nicht daran zweifele, daß Littoni durch derartige Mittel Jswolski in Händen habe. Ein zweites Dokument vom 1. November 1914 bezieht sich auf eine Unterredung, die Louis damals mit dem gewesenen französischen  Botschafter in Berlin   Jules Gambon gehabt hatte. Cambon  faate: Wilhelm II.   hat am 1. Januar 1912( alio nach dem Marokko­Abkommen) zu mir gesagt: Man macht uns unser Abkommen zum Borwurf, aber in 6 Monaten wird man uns Denkmäler er­richten, daß wir es abgeschlossen und den Krieg vermieden haben." Beachten Sie, habe Cambon   hinzugefügt, das Datum vom 1. Januar 1912. Das war das lezz'emal, daß der Kaiser mir in einem ver­trauensvollen Ton von der Zukunft gesprochen hat. Poincaré   war noch nicht Präsident der Republik  . 1913 hat der Kaiser dann anders zu mir gesprochen; er hat erklärt: Ich habe alles getan, um zu guten Beziehungen zu gelangen. Aber das ist zu Ende." Das fei das erftemal gewesen, daß er in diesem Ton mit ihm, Cambon  , gesprochen habe. Aber er habe es nicht nach Paris   berichtet. Dann fei die Warnung gekommen, die der belgische König ihm von Botsdam habe zukommen lassen.

Jules Cambon   habe wörtlich gesagt: Poincaré   ist zum Teil am Krieg schuld. Botschafter Louis habe hinzugefügt: 3 ufammen mit Jswolski. Cambou habe hierauf gefragt: konnte der Krieg verhindert werden? Botschafter Louis antwortete: Nicht Ende Juli, aber wir hätten ihn vermieden, wenn 1912 unfere Regierung in anderen Händen gelegen hätte. Um zur Präsidentschaft der Republik   zu gelangen, mußte die Reise nach Petersburg   gelingen, und man mußte sich mit Hilfe der Geheimfonds der Presse bemächtigen. Poincaré   hat sich zum Instrument 3swols. tis gemacht, und dieser, der gemeinsame Sache mit Tiftoni machte, hat den fripolitanischen Krieg entfesselt und damit den Balkankrieg und den jetzigen Krieg. Jules Cambon   er­widerte darauf: Wir haben uns seit 2 oder 3 Jahren nicht gesehen, aber wir haben dieselbe Ansicht.

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Paléologue ist düntelhaft und Kiderlen- Wächter   hat eine böfe Zunge. Erinnern Sie sich an die Bemühungen Poincarés un Jahr 1912 herum, eine Sonferenz in Paris   zusammenzubringer? Das war ein wenig lächerlich. Botschafter Louis erwiderte hierar: Sawohl, ich erinnere mich noch an das Lächeln Sassonows. Jules Cambon   sagte dararf: Unsere Beharrlichkeit hat Kiderlen- Wächter Deranlaßt, das Sir Edward Goschen  , der es mir wieder erzählt hat, zu sagen. Poincaré   hielt an feinen Urheberrechten fest. Cambon  ha: Kiderlen- Wächter   gesagt: Können Sie sich eine Konferenz denken, an der Iswolsti, Tittoni und Schön teilnehmen? Kiderlen- Wächter  hat nicht viel Aufhebens von seinem Vorgänger Schön gemacht, aber er hat den intriganten Geist der Jswolsti und Tittoni

erkannt.

Die dritte Veröffentlichung betrifft eine Unterredung, die Bichon am 14 Januar 1915 mit Botschafter Louis hatte. Bichon sagte dabei: Wenn Sie in Petersburg   geblieben wären und ich Außenminister gewesen wäre, hätten wir feinen Krieg bekommen. Louis er­widerte: Gewiß, wenn Sie am Quai d'Orsay und Fallières im Elysée gewesen wären, wäre der Krieg nicht ausgebrochen. Bichon fagte Darauf, Duta sta, dessen in'ime Beziehungen zu Clémenceau  man fennt, und der vor 14 Tagen in Petersburg   war, habe das auch Sassono w gesagt, und dieser habe geantwortet: vielleicht wirklich. Im weiteren Verlauf der Unterredung sagte Bichon: Die beiden Botschafter, die Ihnen folgten, find sehr gefährlich gewesen, befonders Paléologue, aber auch Delcassé  .

Baléologue hat die Russen zum Krieg getrieben, worauf Louis erwiderte: das sieht man aus dem englischen Weißbuch. Der englische   Botschafter, der seine Regierung fehr gut unterrichtete, gibt das klar zu verstehen, worauf Bichon erwiderte, auch Delcassé  habe zum Ausbruch des Krieges dadurch beigetragen, daß er die Ruffen gegen Deutschland   aufhette. Die Engländer hätten sich darüber beklagt. Hierauf erklärte Louis:

Das beschädigte Schiller- Denkmal.

Die Akademie der Künste nimmt in fol genden Ausführungen zu der bekannten Angelegen

heit Stellung:

Die in den letzten Tagen verbreiteten Nachrichten, die den Zwed verfolgen, die Deffentlichkeit über den Zustand des Begas  'schen Schiller  - Denkmals nach der jüngst vorgenommenen Reinigung zu beruhigen, entsprechen leider nicht den Tatsachen. Nach der von Sachverständigen vorgenommenen Prüfung ist nicht mehr zu leug nen, daß tatsächlich eine schwere, nicht wieder gut zu machende Schädigung des Dentmals eingetreten ist. Professor Ludwig Manzel   hat den jezigen Zustand des Marmor­werkes im Auftrage des zuständigen Bezirksbürgermeisters fach männisch untersucht. Auch die Akademie der Künste hat sich der Angelegenheit angenommen und ebenfalls ein Gutachten eingeholt, das von Professor Manzel gemeinsam mit Professor August Kraus  , dem Schüler und langjährigen Mitarbeiter von Reinhold Begas   und Profeffor Diederich, dem Lehrer für Steinbildhauerei an der früheren Hochschule für die bildenden Künste, erstattet und von der Akademie dem Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung über­mittelt worden ist.

Das Gutachten hebt hervor, daß für die Begas'schen Marmor­werke die überaus lebendige. geistreiche, nur mit dem Meißel er zielte Behandlung der Oberfläche, die überall, auch bei den größten Feinheiten den Meißelschlag zeigt, besonders charakteristisch ist. Be­rade das Schiller- Denkmal, das in Begas   jungen Jahren entstanden und von dem Meister zweifellos ganz eigenhändig vollendet worden ist, zeigte, wie sich dessen jeder Fachmann erinnert, diese Begas  eigene Technik in höchster Vollendung. Von dieser so charakteristi­fchen Steinbehandlung ist heute nach der Reinigung an dem Den? mal nichts mehr zu sehen. Mag die Statue Schillers selbst noch angehen, weil es fich bei dieser um große, ein­fache Formen handelt, um so schlimmer ist es um die malerischen, reich detaillierten Sockelfiguren bestellt. Diese haben ein weiches, verschwommenes Aussehen bekommen, als wäre ihre Oberfläche ohne jedes Verständnis zusammengeschliffen und geglättet worden. Be sonders empfindlich macht sich das an den Fleischteilen bemerkbar, die leblos wirken. Und die Hände, auf deren intime naturalistische Durchbildung Begas   so großen Wert legte, sind nur noch in ihrer groben Form vorhanden, fie zeigen faum noch ein Detail. Am de­trübendsten aber ist das Aussehen der Köpfe. Sie gleichen jetzt mit Sandpapier überarbeiteten Gipsbüsten. Nur an ganz wenigen ge­schützten Stellen der Gewänder sieht man noch die hand des Meisters und Teile der alten Oberfläche mit der früheren Patina. Daß eine eberarbeitung des ganzen Denkmals stattgefunden hat, be­streitet die Firma, die die Reinigung ausgeführt hat, nicht. Als Grund wird von ihr angeführt, die Oberfläche habe eine förmige, fandsteinartige Struktur gehabt, die Witterungseinflüssen besonders zugänglich sei. Da eine glatte Fläche widerstandsfähiger ist, habe man die rauche Schicht soweit entfernen müssen, bis man auf den festen Marmor gekommen sei. Damit ist aber der verderbliche Ein­ariff in den Marmor zugegeben! Denn das Fortnehmen der rauhen Schicht ist teine Reinigung mehr, sondern eine Ueberarbeitung, die diese Abschleifung der Formen unbedingt zur Folge haben mußte. Wie unnötig die Entfernung der körnigen Schicht mit ihrer Batina war, welch lettere ja schon einen natürlichen Schutz des Steines bildet, zeigen die beiden kleinen nicht überarbeiteten Reliefs, die eine zwar rauhe, aber durchaus feste und gesunde Oberfläche haben. Db bei der Ueberorbeitung Sandpapier oder, wie von anderer Seite behauptet wird, Raspeln und andere scharfe Mittel verwendet wur­den, ist belanglos, die ganze Manipulation ist aufs schärfte zu führt das Gutachten weiter verurteilen. Es sei zuzugeben aus, daß die 16 Jahre, in denen das Denkmal feiner Säuberung unterzogen wurde, nicht spurlos an ihm vorübergegangen sind, aber daß es vor dieser lezten so gründlichen Reinigung ein ganz anderes Aussehen hatte, wird jeder halbwegs Kunstverständige bestätigen, der in den letzten Jahren auch nur einen Blick auf das Werk ge= worfen hat. Die mit der Reinigung betraute Firma wird also den Borwurf faum entfräften können, daß durch ihr Reinigungsverfahren das Dentmal einen nicht wieder gutzumachenden Schaden erlitten hat. Um ähnlichen Vorkommnissen für die Zukunft vorzubeugen, haben die Gutachter im Anschluß an ihre Ausführungen über das Schiller- Denkmal Borschläge für eine fachgemäße Be= obachtung des Zustandes der öffentlichen Denk mäler und für ihre Behandlung bei etwa notwendig werdenden Reinigungsarbeiten gemacht, die bei den maßgebenden Aufsichts­behörden hoffentlich Beachtung finden werden.

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Eine Korruptionsaffäre?

Der Polizeipräsident teilt mit: In der Erpressungsfache gegen den in Untersuchungshaft befindlichen Russen Michael Ho13­mann sind durch die Untersuchung unaufgeklärte Beziehungen des H. zu dem Leiter des Fremdenamtes, Regierungsrat Bar­tels, festgestellt worden. Daraufhin ist Regierungsrat Bartels unter Einleitung des Disziplinarverfahrens feines Postens fofort enthoben worden. Im Berlaufe der Untersuchung ergaben sich weitere Tat­sachen, die den dringenden Berdacht einer strafbaren Hand­Iung nach§ 332 des StGB. begründet erscheinen laffen. Jn­folgedesjen iff Regierungsrat Bartels auf Grund eines richterlichen Haftbefehls gestern vormittag vorläufig festgenommen und dem Untersuchungsgefängnis in Moabit   zugeführt worden.

Antisemitische Schimpfbolde.

Der eine ,, fneift"

Wegen Beleidigung unseres Genossen, des Reichstagsabgeord: neten Rechtsanwalt Dr. Kurt Rosenfeld, war gegen die Rittergutsbesiger Fren und Gröninger Anflage er­hoben worden. Nachdem bereits schon einmal wegen Nichterscheinens der Angeklagten die Verhandlung vertagt werden mußte, fand wiederum ein Termin vor dem Schöffengericht Schöneberg   statt. Der Gegenstand der Anklage bildet eine Anrempelei des Abgeordnetcn Rosenfeld in einem D- Zugwagen bei der Abfahrt vom Anhalter Bahnhof  .

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Die Präsidentschaft Poincarés ist verhängnisvoll gewesen, und Bichon fügte hinzu: und seine Tätigkeit am Quai d'Orsay eben= falls. Als ich( Bichon) wieder Außenminister wurde, ist Paul Com­bon( französischer Botschafter in London  ) zu mir gekommen und hat meine beiden Hände ergriffen und gesagt, er freue sich, daß ich wieder Außenminister sei. Wörtlich hat er hinzugefügt: wenn Poincaré  am Quai d'Orsay geblieben wäre, hätte er uns schließlich mit allen unseren Freunden auseinander gebracht. Louis fügte hinzu: Als Präsident der Republif ist er noch viel gefährlicher gewesen, weil er frei hat den Krieg entfesseln können. Auf ihn hat sich Paléologue in Petersburg   immer bezogen, um die Russen zur In= transigenz zu treiben. Pichon erwiderte hierauf: Die Wahl Beincarés zum Präsidenten der Republif ist von Bourgeois und Briand   gemacht worden, ramentlich aber von dem ersteren. Pichon Der Abgeordnete hatte einen Plak in einem Abteil 1. Klasse, stellte hierauf fest, daß seine Beziehungen zu Poincaré   nicht sehr gut in dem schon zwei Herren faßen, belegt und wollte auf den Gang feien. Poincaré   habe ihn nach 4 Monaten rufen lassen und ihn hinaustreten, als er die freche und anzügliche Frage hörte, ob Reichstagsabgeordnete gefragt, warum er nicht mehr zu ihm fomme, worauf er ihm er gegen Ohrfeigen widerte, daß er seine Politik mißbillige. Botschafter Louis bemerkte, immun feien. Es folgten dann noch eine Reihe antisemi­daß er vor einem Jahr im Begriff stand, den Kampf aufzutischer Ausfälle. Er hörte auch, wie gesagt wurde: Man nehmen, um Dinge zu sagen, die, wie er jetzt erkenne, in diesem müßte solche Schweinehunde aufhängen, oder aus dem Fenster hin­Augenblid hätten gesagt werden müssen. Er habe geschwiegen, cuswerfen" und ähnliches mehr. Der Abgeordnete veranlaßte schließ­weil er nicht mehr im Amt gewesen sei. Die augenblickliche Lage lich die Feststellung der beiden Angeklagten durch den Zugführer. sei sehr gefährlich, aber er glaube an den Endfieg. Aber unten Zu der heutigen Verhandlung war Rittergutsbefizer Gröninger er­welchen Opfern müsse man ihn erfaufen? Pichon scheint weniger schienen, während der zweite Angeklagte, Fren, wiederum ausge­blieben war. Gröninger erklärte, daß er nicht wüßte, wo dieser sei. zuversichtlich gewesen zu sein. Louis habe dan erklärt, unter den Feinden Frankreichs   befände fich auch der deutschfreundliche Batifan. Er habe vor einigen Tagen noch telephonisch mit dem Angeflagten Bichon sagte, das sei auf einen Fehler der französischen   Politik zurüd gesprochen, seitdem aber nichts von ihm gehört. Ihm liege daran, daß die Sache, soweit seine Person in Frage fomme, nunmehr er­zuführen, welche die Anzeige der Papstwahl in einem Brief zur Kenntnis genommen habe, in dem jegliche Höflichkeitsphrase gefehlt ledigt werde. R.-A. Dr. Levy sowie Dr. Rosenfeld, der sich ais Nebentläger dem Verfahren angeschlossen hatte, widersprachen diesem habe. Man habe dem neugewählten Bapst eine lange Herrschaft wünschen wollen. Viviani habe erklärt, das sei gleichgültig, streichen Verlangen und waren der Meinung, daß gegen beide per= handelt werden müsse. R.-A. Dr. Leny brachte auch noch mir diesen Wunsch. zur Sprache, daß angeblich gegen Fren ein Stedbrief wegen Betruges erlaffen worden sei. Dem Staatsanwalt war Don einem solchen nichts bekannt, er will aber Ermittlungen anstellen und beantragte, zunächst einen Haftbefehl gegen Fren zu erlassen, da dieser sich offensichtlich dem Verfahren entziehen wolle, Das Gericht hielt es auch für notwendig. gegen beide Angeklagte zu gleich zu verhandeln und vertagte die Verhandlung. Es wird sich

Die ungarische Sozialdemokratie lebt. Sonntag nachmittag hielt die Sozialdemokratische Partei   im alten Budapester Ab geordnetenhaus eine Versammlung ab, die sich mit der Arbeits­Toftoteit beschäftigen wollte. Diese Versammlung wurde von her Polizei aufgelöst. Die herausströmende etwa 1000 Personen zählende Menge wurde von der Polizzi zerstreut.

noch darüber schlüssig werden, ob gegen Fren ein Haftbefehl oder nur ein Vorführungsbefehl zu erlassen ist. Zunächst soll festgestellt werden, ob es richtig ist, daß gegen Fren bereits ein Steckbrief er= lassen ist.

Der Mörder Hamburgers festgenommen.

Am 30. Oftober wurde, wie erinnerlich, der Rentenempfänger und Briefmarkenhändler Bruno Hamburger in seiner Wohnung in der Elsasserstraße 76 ermordet und bera ubt aufgefunden. Nach den Nachforschungen der Mordkommission unter Leitung der Kriminalfommissare Dr. Riemann und Braschwitz   fonnte als Täler nur ein Mann in Frage kommen, der von verschiedenen Personen in der Wohnung Hamburgers gesehen worden war. Dieser Mair: hatte dann die Wohnung mit zwei Pappfartons unter dem Arm ver­lassen. Nach der genauen Personalbeschreibung und an der Hand eines vorgefundenen Lichtbildes wurde ermittelt, daß es sich um den 29 Jahre alten, aus Minden   in Westfalen   gebürtigen, früheren Kaufmann Harry Merkel, alias Otto Leest, handelte.

Da Leest eine gute Figur macht, war mit der Möglichkeit zu rechnen, daß er Anschluß an eine Frau suchen und finden werde, und auch nach dieser Richtung setzten die Ermittlungen der Kriminalpolizei ein. Es stellte sich nun heraus, daß man die rechte Spur verfolgic. Am Sonntag nachmittag wurde Leeft mit einem jungen Mäd.

en gefehen, als beide das Haus Blumenthalstraße 4 ver ließen. Er wurde nach dem Bilde sofort erkannt und festgenommen. Leest wurde noch im Laufe der Nacht eingehend von der Mordkom mission, den Kriminalkommissaren Dr. Riemann und Braschwitz  , darüber verhört, wie und unter welchen Umständen die Tat begangen worden ist. Personen, die irgendwelche sachdienlichen Mitteilungen machen können, insbesondere auch darüber, wo die geraubten Klei dungsstücke Hamburgers verkauft worden sind, werden ersucht, sich unverzüglich bei der Mordkommission, den Kriminalkommnissaren Dr. Riemann- Braschwitz, im Zimner 83 des Polizeipräsidiums zu melden.

Das Geständnis.

Zu der Verhaftung des Mörders ist noch folgendes nachzutragen: Der verhaftete Kaubmörder Otto Leest wurde in der vergangenen Nacht unmittelbar nach der Verhaftung eingehend verhört. Er be­hauptet zunächst, und blieb dabei, daß er nicht der gesuchte Mörder Leest sei, sondern Harry Merkel heiße. Als man ihm aber Finger­abdrücke vorhielt, bekannte er endlich, nicht Merkel, sondern Leeft zu sein. Der Verhaftete, der 29 Jahre alt i, ist eine große ftattliche Gestalt, macht einen sympathischen Eindruck und stammt aus guten Verhältnissen. Nach seiner ersten Straje, die er in Ham. burg erlitt, ging es mit ihm immer mehr bergab. Den Mord an Hamburger leugnete er anfangs entschieden. Erst unter der Last des Beweismaterials legte er endlich ein Geständnis ab. Danach hatte er Hamburger im Jahre 1919 auf ein Inferat hin kennen ge­fernt. Nach einem Briefwechsel erfolgte die persönliche Bekanntschaft. Hamburger 80g ihn nun an sich, beherbergte ihn wieder­holt, unterstützte ihn und gab ihm Briefmarken, Notgeld und Münzen in Kommission. Mehr als einmal kamen die beiden auseinander, aber immer wieder zufammen. Nach einer längeren Trennung traf Leeft, der wieder ohne Geld war, Hamburger auf der Straße und sprach ihn an. Hamburger nahm ihn denn auch wieder zu sich und gab ihm neues Moteriol zum Handel. Leest vermutete bei seinem Auftraggeber größere Geldmittel und fann schon länger darauf, fie sich zu verschaffen, zumal Hamburger ihm, wie er behauptete, aus früheren Geschäften noch 20 m. schuldete. Am Sonnabend, den 27. Oftober, nahm Hamburger feinen Kommiffionär wieder auf und behielt ihn auch den folgenden Tag und die Nacht lang bei sich. Am Montag morgen wollte Leest Geld haben. Während Hamburger fich anzog, ergriff er eine Bronze figur, die auf einem Spinde stand, und versette ihm damit mehrere Hiebe über den Schädel, so daß er zusammenbrach. Dann pacte er die Leiche in das Bett und deckte sie sorgfältig zu. Nach Beute suchend, hatte er zunächst die Taschen des Ermordeten umgedreht, darin aber nur eine Mark gefunden. Jeht machte er sich an die Behältnisse, das Bertikow usw, aus denen er Wäsche, Gardinen und anderes mehr herauspadte. Hier entdeckte er 35 M. Silbergeld, das er einstedte. Briefmarfen und wertvolles Notgeld sowie Kleidungsstücke padte er in zwei Starions. Dann nahm er den Türschlüssel vom Schlüsselbunde, um später noch wieder in die Wohnung hineinfommen zu fönnen. Als er eben im Begriff war, mit den Kartons wegzugehen, flopfte es. Es war, wie seinerzeit mit geteilt, ein Bekannter Hamburgers, der früher schon wiederholt da­gewesen war, aber feinen Einlaß gefunden hatte. Er wollte warten, bis Hamburger zurückgekehrt sei, weil Leest behauptete, er sei nur nicht in der Wohnung, stellte ihm vielmehr anheim, draußen zu zum Barbier gegangen. Leeft, den er nicht fannie, ließ ihn aber warten, nahm die Kartons, schloß ab und ging wea. Wie sich jetzt ergab, fand der Mörder Unterschlupf bei einem Mädchen in der Blumenthalstraße, dem er sich unter dem Namen Merkel genähert hatte. Das Mädchen hatte keine Ahnung, daß es einen Mörder be­herbergte.

Ein Profest. der Justizwachtmeiffer. Am geftrigen Sonntag fenden im ganzen Reiche Bersammlungen der Justizwachtmeister statt, um gegen die unzulängliche Sicherung der Beamten bei der Ausübung ihres Dienstes Protest zu erheben. Für den Bezirk des Rammergerichts war diese Versammlung in den großen Schimura gerichtssaal des Kriminalgerichts einberufen. Sie war starf über­füllt. Das Referat hatte das Vorstandsmitglied Lange vom Reichsverbande deutscher Justizwachtmeister.

Nach Schluß des Referates nahm die Versammlung, ohne in eine Debatte einzutreten, eine Entschließung an, in der es zunt Schluß heißt: ,, Angesichts der in den letzten Wochen sich häufenden Todesopfer verlangen die Justizwachtmeister energisch, daß die Justizverwaltung ihre bisher eingenommene ablehnende Stellung aufgibt und den realen Notwendigkeiten nachkommend endlich die Justizwachtmeister a Is öffentliche Sicherheitsorgane anerkennt und für eine allgemeine neuzeitliche Bewaffnung Sorge trägt.

Die Stadtverordnetenversammlung hat ihre nächste Sgung am Donnerstag um% 45 Uhr. Da die vorige Gigung nach furzer Dauer in Beschlußunfähigkeit endete, so steht diesmal auf der Tages­ordnung wieder eine lange Reihe von Resten. Für sie wird durch Hinweis auf§ 44 der Geschäftsordnung die Beschlußunfähigkeit aus­geschlossen. Unter den neu hinzugefominenen Beratungsgegenständen find nicht weniger als neun Anfragen.

Zwischen den Puffern. Auf dem Behnhof Gesundbrunnen  geriet der 33 Jahre alte Rangierer Richard Birtholz aus der Dorfstraße 50 beim Zusammenfoppeln zweier Eisenbahnmagen zwischen die Puffer derselben und trug schwere innere Verlegungen bavon. Man schaffte den Bewußtlosen nach der nächsten Rettungs­ftelle, wo er bald noch seiner Aufnahme verst arb.

Parteinachrichten

Einsendungen für diese Rubrik sind Berlin   SB. 68, Lindenstraße 3,

für Groß- Berlin

ffets an das Bezirkssekretariat, 2. Sof, 2 Trep. rechts, zu richten.

Vorständekonferenz.

Heute, Monfag, abends 7 Uhr, im Börsenjaal des Musikere vereinshauses, Kaiser- Wilhelm- Str. 31.

Un diefer Konferenz müffen teilnehmen: Der Bezirksvorstand, die Abteilungsleiter oder deren Stellvertreter und die Abteilungs­fassierer. Es ist unbedingt notwendig, daß jede Abfellung ver­| treten ist.