Abendausgabe
Nr. 550 41.Jahrgang Ausgabe B Nr. 275
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NO
Vorwärts
Berliner Volksblatt
5 Goldpfennig
Freitag
21. November 1924
Verlag und Anzeigenabteilung: Geschäftszeit 9-5 Uhr
Berleger: Borwärts- Berlag GmbH. Berlin S. 68, Cindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 2508-2507
Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands
Schützt die Farben der Republik !
Die Deutschnationalen beschimpfen die deutsche Nation.
Die Deutschnationalen haben auf einem Wahlplakat die| Deutschnationalen, die Farben der Nation in den Schmuh ziehen. Farben der Republik beschimpft. Die Behörde ist eingeschritten Wir schützen die Republik gegen den inneren Feind, wir werden und hat das Wahlplafat beschlagnahmt. Die deutschnationale auch ihre Farben schüßen. Wir erwarten, daß die Behörden Presse besitzt die Dreiftigkeit, in dem Schutz der Farben der gegen jeden weiteren Berjuch, die Farben der Nation zu beRepublik eine Bekämpfung der„ nationalen Bewegung" zu schmutzen, mit unnachsichtiger Strenge einschreiten werden. sehen.
Sie spricht von einer Beeinträchtigung der Freiheit des Wahlkampfes. Die Nationalpost", das parteioffizielle Organ der Deutschnationalen, räfoniert gegen die Begründung der Beschlagnahme durch den preußischen Pressedienst:
„ Diese fümmerliche Begründung kann nicht darüber hinweg täuschen, daß es sich hier wie in dem früheren Falle um eine Maßnahme handelt, die die Freiheit des Wahlkampfes in ernstester Weise beeinträchtigt. Wir sehen im übrigen auch diesmal wieder der gerichtlichen Entscheidung mit großer Seelenruhe ent
gegen."
Das Einschreiten der Behörden gegen die Beschmutzung der Farben der Republik hat mit der Freiheit des Wahlfumpfes nichts zu tun. Auch im Wahlkampf ist es die Pflicht der Behörden, den Staat und seine Hoheitszeichen gegen Beschimpfung und Verächtlichmachung durch reaktionäre staatsfeindliche Parteien zu schüßen.
Die Deutschnationalen wagen in diesem Zusammenhang, sich als Träger der nationalen Bewegung" zu bezeichnen. Welche Schmach für das deutsche Volk, wenn diese Partei der Träger der nationalen Bewegung wäre!
Die Nation ist nicht im Lager der Deutschnationalen. Die Nation ist im Lager der Republik . Die Nation will die innere Freiheit, weil nur das Volk die Freiheit eines geachteten freien Bolles unter den Völkern verdient, das seine innere Freiheit zu erhalten und zu schützen weiß. Die Nation hat nichts zu tun mit den finsteren und traurigen Gesellen der Reaktion, die das deutsche Volk zu einem Untertanenvolf machen wollen.
Die Farben der Republik sind die Farben der Nation. Wer sie besudelt wie die Deutschnationalen, beschimpft sein eigenes Volt. Die Partei, die ihre Gesinnung verfaufte, die eine Schande des deutschen Parteisystems ist, beschmutzt die Nation. Belcher Engländer würde es wagen, unter der heuchlerischen Maste der„ nationalen Bewegung den Union Jad, welcher Franzose würde es wagen, die Trifolore zu beschimpfen! Solcher Gemeinheit gegen die eigene Nation sind nur die Deutschnationalen fähig. Wer ein Feind von Schwarz- Rot- Gold, den Farben der deutschen Republik ist, ist ein Feind der Nation. Wir werden nicht dulden, daß die Feinde des deutschen Volkes, die
Die Erhöhung der Beamtengehälter.
Erhöhung um 12% Prozent.
In den Besprechungen des Reichsfinanzministeriums mit den Beamtenorganisationen am geftrigen Donnerstag sind die neuen Gehaltssätze mitgeteilt worden. Zurzeit stehen die ledigen Beamten auf 80 bis 88 Proz. des Nominalfriedensgehalts und auch die bescheidene Erhöhung, die jetzt eintritt, wird nur einen Teil der unteren Beamice 100 Proz. des Nominalfriedensgehalts erreichen lassen, während die mittleren Beamten auf etwa 90 Proz. fommen, die höheren Beamten noch etwas darunter bleiben. Eine stärkere Erhöhung der Gehälter war wegen des Standes der Reichsfinanzen nicht möglich, insbesondere auch mit Rücksicht auf die Eisenbahn.
Benn auch die Eisenbahn vom Reichshaushalt losgelöst ist, so hängen ihre Beam'enangelegenheiten doch noch so start mit der
Reichsbeamtenschaft zusammen, daß hierauf Rüdsicht genommen werden mußte. Die Eisenbahn hat noch große Schwierigkeiten, ins. besondere stehen ihr große Ausgaben für die ehemalige Regiebahn in Aussicht, die in sehr verwahrloftem Zustand zurückgegeben worden ist. Eine stärkere Gehaltserhöhung hätte eine Tariferhöhung notwendig gemacht. Auf diese Weise aber hätte man den Beamten mit der einen Hand nur genommen, was ihnen mit der anderen gegeben wird.
Die Grundgehälter werden in den Gruppen 1 bis 6 um 12% Proz., in den Gruppen von 7 ab um 10 Proz. erhöht. Der Wohnungsgeldzuschuß ist erst zum 1. November neu festgefeßt worden und wird jetzt nicht geändert. Dagegen werden die Frauenund Kinderzuschläge um je 2 M. pro Monat erhöht.
Für die praktische Auswirkung dieser Erhöhung seien folgende Beispiele angeführt: Ein lediger Schaffner, der gegenwärtig 110 M. monatlich bezieht, tommt auf 121 m.( Alle diese Gehaltszahlen ver stehen sich nach Abzug der Steuer.) Das Endgehalt eines solchen Schaffners steigt um 14 M. auf 156 M. Hat er Frau und zwei Kinder, so beträgt die Erhöhung im Endgehalt monatlich 22 M. auf 208 M. In der Gruppe 5- Affiftenten, Zugführer beträgt die Erhöhung im Eidgehalt für die Ledigen 18, das neue Endgehalt also 206 M., bei Berheirateten mit zwei Kindern 24 M. mehr, ajo 259 m. In der Gruppe 8 Infpettoren wird das Endgehalt für Ledige um 28 auf 364, für Verheiratete mit zwei Kindern um 34 auf 422 M. erhöht.
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In der Gruppe 11- ältere Regierungsrate steigt das End gehalt für Ledige um 47 auf 609 M., für Berheiratete mit zwei Kindern um 55 auf 676 M.
Alle diese Gehaiissäge beziehen sich auf die Sonderfiaffe des Dristlassenverzeichnisses. Die Kosten dieser Erhöhung für den gefamten Reichshaushalt ohne Post und Eisenbahn , jedoch mit den Bersorgungsbezügen beträgt pro Jahr 170 Millionen. Die Aenderung
Die vereinigten Reaktionäre. Schwarzweißrotes Wahlbündnis in Oberschlesien . In West oberschlesien haben die Deutschnationalen, die Bolksparteiler, die Nationalsozialisten und die Deutschsozialen ein Abkommen getroffen, in dem sie sich verpflichten, alles Trennende während des Wahkampfes zurückzustellen und den Kampf gemeinsam für die Farben Schwarz- Weiß Rot gegen das Reichs bamer Schwarz- Rot- Gold zu führen. Das fennzeichnet die Situation. Die Sehnsucht nach der Reaktion ist bei den Bolfsparteilern so groß, daß sie überall dort, wo sie es ohne Schaden für die eigene Partei tun zu können glauben, die Deutschnatic..ale Partei unterstützen.
Aber auch die Nationalsozialisten zwingt die Angst vor dem Untergang ihrer parlamentarischen Herrlichkeit dazu, sich zu demaskieren. Noch in den letzten Aufrufen versuchten die Ludendorff und Graefe den Anschein zu erwecken, als sei die Nationalsozialistische Partei eine soziale Arbeiterpartei, die eine Welt wid die deutschnationale Schmach vom 29. August von den Konservativen ganz zu schweigen von der Boltspartei- trenne. Ihr Verhalten in Westoberschlesien zeigt, daß die Nationalsozialisten noch größere Heuchler sind als die Deutschnatio. nalen. In der Not flüchten sie in die Arme der Deutschnationalen und der Volkspartei, der vereinigten Reaktion. Und da gehören sie auch hin.
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Gibt es noch einen Arbeiter, dem derartige Tatsachen nicht die Augen öffnen? Dank der Haltung der kommunistischen Frattion fonnten die Deutschnationalen im letzten Reichstag Fraktion fonnten die Deutschnationalen im letzten Reichstag den Anspruch auf vier Miniftersize erheben. Diese Haltung war richtig!" hat die Zentrale der KPD . erst soeben wieder bestätigt. „ Die Arbeiter dürfen sich nicht vereinigen!" Wer diesen Stumpffinn noch weiter unterstützt, darf sich nicht wundern, wenn die schwarzweißrote Reaktion eines Tages das verwirklicht, was die schwarzweißrote Reaktion eines Tages das verwirklicht, was die Deutschnationalen schon bei ihrem Kuhhandel um die Ministerportefeuilles gefordert haben: eine Entrechtung der Arbeiter trafte fchlimmer als in den neunziger Jahren. Wählen ist Pflicht am 7. Dezember und jeder muß wissen, was er zu tun hat, um den Echwarzweißroten einer diden Strich durch die Rechnung zu machen.
der Ortsklasseneinteilung und teilweise der Wohnungsgeldzuschüsse Anfang November hatte 69 Millionen gekostet.
Arbeiteriöhne bei der Reichsbahn.
Der Berwaltungsausschuß der Reichsbahn hat der Er höhung der Arbeiterföhne um 4 Bf. pro Stunde zugestimmt. Morgen, Sonnabend, dürfte dies den Gewerkschaften mitgeteilt werden.
Das ägyptische Attentat.
General Stack gestorben. & airo, 21. November.( TU.) Der Sirdar Sir Cee Stad ist gestern an den Folgen einer Operation, der er sich unterziehen mußte, im Hospital gestorben. Die Bestürzung in amtlichen ögyptischen Kreifen ist außerordentlich groß. Man befürchtet für die ägyptisch- englischen Beziehungen das Schlimmste.
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Die Folgen des Attentats.
Condon, 21. November. ( WTB.)„ Daily Expreß " erwartet, daß der Tod des Sirtars weitreichende politische Folgen haben werde. Eine starte Aktion der Regierung, die beschlossen habe, einen Teil der britischen Mittelmeerflotte von Malta nach Alexandrien zu fenden, sei wahrscheinlich. Wie„ Times" aus Kairo berichtet, hoffen die Ausländer in Aegypten , daß die britische Regie rung eine drastische Aktion sowohl im Sudan als auch in egypten unternehmen werde.
Die Blätter melden, daß sich ein Rabinettsrat gestern eingehend mit der Lage in Aegypten befaßte. Heute oder spätestens morgen werde eine Mitteilung abgehen an die ägyptische Regierung. Westminster Gazette" tritt dafür ein, daß das Berbrechen in Kairo die Regierung nicht von ihrem Kurse gegenüber Aegypten abbringen solle." Daily News" zufolge dürften strenge Maßregeln ergriffen werden, deren Charakter aber eher präventiv als ftrafend ein werde. Eine Aufhebung der Deklaration vom Jahre 1922, in der die Unabhängigkeit Aegyptens anerkannt wird, tomme nicht in Frage, jedoch sei der Ausschluß der ägyptifchen Untertanen aus dem sudanesischen Dienste möglich.
Rücktritt des türkisd en Kabinetts.
London , 21. November. ( Eigener Drahtbericht.) Die türkische Regierung hat infolge eines Mißtrauensvotums des Barlaments in Angora demiffioniert. Die Bewegung gegen das Kabinett Jsmeds ist unter Führung der einflußreichsten Männer des Landes seit Monaten instematisch gefördert worden und nur der Umstand, daß Mustafa Kemal mit der großen Autorität feiner Beriönlichkeit Jsmed geschüßt bat, bat es verbindert, daß das Kabinett Jemeb schon vor Monaten gestürzt worden ist.
Held und Rupprecht ziehen an einem Strange.
Daß in Bayern die monarchistischen Bestrebun gen noch immer sehr stark sind und bei dem im Lande weilenden Thronprätendenten Rupprecht Wittelsbach starke Unterstützung finden, ist nicht nur in Deutschlond, sondern auch im Auslande hinlänglich bekannt. Hat sich doch der edle Ritter v. Kahr , den ein früheres bayerisches Ministerium zum Generalstaatskommissar, also zum Träger der vollziehenden Gewalt, zeitweilig erforen hatte, offen als Statthalter der Monarchie bezeichnet, ohne daß er dafür von der damaligen Regierung auch nur im leisesten gerügt worden wäre.
Aber selbst nach diesen Erfahrungen bereitet es einige Ueberraschung, daß der gegenwärtige Ministerpräsi= dent Bayerns, der offizielle Führer der Bayerischen Volks partei , der ebenso wie alle anderen Minister den Eid auf die republikanische Verfassung geleistet hat, sich im Landtage offen als Anhänger der Monarchie betennt und sich rühmt, mit dem Wittelsbacher eines Sinnes zu sein.
Am gestrigen Donnerstag antwortete diefer Ministerpräsident held auf Angriffe, die von der sozialdemokratischen Fraktion gegen seine Politit erhoben worden waren. Er rühmte sich dabei seiner Bestrebungen, die„ Eigenstaatlichkeit Bayerns " besonders durch die Aufrechterhaltung eines eigenen Außenministeriums, eigener Gesandtschaften, u. a. beim Batikan, zu betonen. In dem Zusammenhang sprach er sich ganz offenherzig über sein Verhältnis zur Weimarer Verfassung und zur Frage der Staatsform aus:
Das Verhältnis zwischen Bayern und dem Reich sei bedingt durch die Weimarer Berfassung. Diese Berfassung habe in jener Zeit, als fie gemacht wurde, zweifellos dem deutschen Voike gute Dienfe geleistet. Sie habe aber große Mängel und widerspreche in vielen Teilen so sehr der geistigen Berfassung des deutschen Volfes, daß sie im Rahmen des Möglichen abgeändert werden müsse. Aus diesen Gesichtspunkten heraus fei die belannte Dentichrift der borerischen Regierung en.standen. Er stehe als Ministerpräsident voll und ganz auf deren Beden und werde von dieser Denkschrift aus den Bersuch machen, in Verbindung mit der Reichsverfassung durchBufetzen, was möglich ist, feineswegs aber mit den Mitteln res volutionärer Gewalt. Denn das heil des deutschen Volkes fönne nur auf legalem Boden gedeihen.„ Ich bekenne mich nicht nur
als Föderalist, der jeden Untarismus und Zentralismus ablehnt, sondern auch als Monarchist, und ich behaupte, daß für das deutsche Bolk nach seiner geschichtlichen Entwidlung und nach seiner wirtschaftlichen und politisch- geographischen Struftur die Monarchie die bessere Staatsform ist als die Republik . Ich befinde mich hier in derselben Ueberzeugung wie der Kronprinz Rupprecht."
Wo in irgendeinem anderen Lande der Welt ist es möglich, daß ein offizieller Bertreter der herrschenden Staatsform sich zum Um sturz befennt? Das Deutsche Reich freilich unterscheidet sich jetzt wie früher von anderen Staatswesen sehr zu seinem Nachteil dadurch, daß es nicht ein einheitliches Ganze darstellt, sondern noch immer eine Reihe von Einzelstaaten mit mehr oder weniger starten Selbständigkeitstendenzen ausweist. Republiken mit solcher Staatenteilung haben wir nur noch sehr selten. Wer aber tann sich vorstellen, daß etwa einer der Vereinigten Staaten von Amerika " auf die Idee käme, sich innerhalb des Staatenbundes eine Monarchie zuzulegen? Oder wer kann vermuten, daß einer der Einzelstaaten von Brasilien auf eine so närrische Idee käme, trotzdem Brasilien doch noch bis vor etwa zwei Jahrzehnten Monarchie war? Dem Berwalter eines dieser amerikanischen oder brasilianischen Bundesstaaten würde es wahrscheinlich sehr schlecht gehen, wenn er sich öffentlich und amtlich für die Schaffung einer monarchischen Regierungsform
erflären würde.
Solcher Unfug ist nur in Deutschland möglich, weil das deutsche Bolt bei der Neugestaltung seiner Verhältnisse augenscheinlich viel zu gutmütig vorgegangen ist. Es hat nicht wie andere revolutionäre Völker die Thronanwärter des Landes verwiesen, es hat nicht einmal gehandelt wie Bismard bei seinen preußischen Annettionen, indem er die Vermögen der Welfen und Kurhessen einzog, damit die entthronten und vertriebenen Konkurrenten der Hohenzollern nicht etwa diese Vermögen zur Anwerbung von Truppen gegen Preußen verwenden könnten.
Die deutsche Revolution ist mit den Monarchen und den Monarchisten außerordentlich vornehm umgegangen. Die ehemaligen Herrscher und ihre Familien wohnen noch immer in prunkvollen Schlössern halten großes Hofgesinde und unterftühen finanziell und moralisch all die Treibereien gegen die Republik , deren Schuß sie in Anspruch nehmen. Das gilt auch für Rupprecht , den Wittelsbacher, der, seit der Schutz der spanischen Gesandtschaft für ihn nicht mehr in Frage fam, fich wieder in den Schoß seiner bayerischen Untertanen" geflüchtet hat und dort den bärtigen Schwaben Eberhard. zu spielen sucht.
Nun fann man zwar der Meinung sein, daß die Erklärun gen des bayerischen Held nur platonischer Art feien, da er jo doch versichert, von„ revolutionärer Gewalt" nichts wissen zu wollen. Aber seine Betonung der monarchischen Gesinnung und das Zugeständnis der Konspiration mit Rupprecht haben doch ihre sehr bedentlichen Seiten, besonders nach außen hin. Der bayerisch- monarchistische Separatismus gehörte zu den Lieblingen Clemenceaus und seiner Freunde, die schon zur Zeit der Friedensverhandlungen alle Minen springen ließen, um Bayern von Deutschland zu trennen und auch heute