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Der neue Reichstag hat die gerechte Lastenverteilung vor­zunehmen. Die Sachverständigen haben nach dem Studium des ihnen von der Reichsregierung vorgelegten Materials über die deutsche Steuergejezgebung geschrieben:

daß die reicheren Klassen in Deutschland in den letzten Jahren von dem in Kraft befindlichen Steuersystem nicht in an gemessener Weise erfaßt worden sind, weder in einem Maße, das sich mit Rücksicht auf die Besteuerung der arbeitenden Klaffe rechtfertigen würde, noch in einem Maße, das mit der Be­lastung der reicheren Klasse in anderen Ländern vergleichbar

wäre".

Und jetzt besorgen sich Herr Borsig und seine Freunde Zweimart- Abgeordnete, die in entsprechendem Verhältnis" dafür zu arbeiten haben, daß feine gesunde Steuer reform möglich wird, daß die Sozialgefeßgebung au fein totes leise gerät, daß der Profit ungeschmälert bleibt. Und die Agrarier, die auf den mäßigen Schußzöllen" auf ein totes Gleise gerät, daß der Profit ungeschmälert noch im Monat Oktober wieder 19,2 Goldmillionen Mart Landabgabe( opfert für Rhein und Ruhr!) auf andere Steuern angerechnet, also praktisch zurückgezahlt worden sind sie wollen ihre Mampe- Bolitiker- halb ja und halb nein- im Reichstag und in Preußen zu den Industriesubventionisten stoßen lassen. Das gibt die geschlossene Front für Ausbeutung und Unrecht.

Jeder Wahlberechtigte muß darauf hingewiesen werden, daß er am 7. Dezember seinen eigenen Steuerzettel

für das nächste Jahr wählt.

Es geht um Macht und Einfluß. Kapitalistische Einflüffe in den bürgerlichen Parteien. Mit allen Mitteln arbeiten die kapitalistischen Kreise aus der Industrie und dem Handel daran, sich im neuen Reichstag den ge= bührenden Einfluß zu sichern. Ausnahmslos betrachten sie die Politik und die Parteien nur als ein Mittel zum 3wed: thre Syndicis follen den Reichstag beherrschen. Geld spielt da bei feine Rolle. Aus Mitgliedsbeiträgen fönnen bekanntlich die bürgerlichen Parteien nicht existieren, denn sie tennen nicht wie die Arbeiterbewegung die aufopfernde, unermüdliche Kleinarbeit Taufender von Mitgliedern. In den bürgerlichen Parteien wird auch die Politik zum Geschäft. Die Mecklenburger Warte" veröffentlicht ein vertrauliches Rundschreiben des Tertileinzelhandels, der sich für ben voltsparteilichen Spitzenkandidaten einsetzt.

" Zu unserer Freude fönnen wir mitteilen, daß das geschäfts. führende Borstandsmitglied unferes Bundes, Herr Dr. Deite, im Wahlkreis Medienburg- Lübed als Spitzenkandidat der Deutschen Boltspartei für die Reichstagswahl aufgestellt worden ist und die Kandidatur angenommen hat. Andere aussichtsreiche Randidaturen uns nabestehender Bersönlichkeiten bei bürgerlichen Parteien be finden sich in Borbereitung. Aber der Wahlkampf erfordert nicht mur geistige Kräfte, fondern auch erhebliche finanzielle mittel. Die Kaffen der polififchen Parteien haben sich von den Mai- Wahlen noch nicht ausreichend erholt und verfagen teilweise gänglich. Soll es den Kandidaturen unserer Berufsvertreter nicht an ausreichen­der Propaganda fehlen, so dürfen wir gelbliche Opfer nicht scheuen. Bu solcher Wahlhilfe rufen wir jedes einzelne unserer Mitglieder auf. Es geht nicht um die Unterstützung dieser oder jener politischen Partei wir sind als wirtschaftliche Interessenvertretung partei­politisch völlig neutral, es geht um Macht und Einfluß unseres

Standes.

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Dieser Gebanße und die Erwägung, wie sehr das wirtschaftliche Schid al auch des Tertileinzelhandels von der Zusammenlegung des tommenden Reichstages abhängt, sollte jebemt von uns großzügige Gebefreudigkeit als eine Pflicht gegen fich selbst erscheinen lassen. Bir rechnen auf Sie, und wir erwarten, daß Sie opferwillig ein­treten für

unfere Wahlparole: Textileinzelhändler in den Reichstag !" Bumenbungen erbitten wir mit der Bezeidmung für Wahlzrede" an unser Bostichedtonto Berlin Nr. 33 947 ober an unser Konto bei der Darmstädter und Nationalbant, Depofitentaffe, Berlin W. 8, Charlottenstraße 29/30.

In vorzüglicher Hochachtung Reichsbund des Tertl- Einzelhandels e. V. Der Vorsitzende: Rudolph Herzog.

Totentag.

Bon Walther G. Oichilemsti.

am Ende der Stadt wartet der Kirchhof auf uns. Gegen die graue Band des Novemberhimmels gelegt, ist er wie ein Bruder im gleichen härenen Gewand. Wenn Sonte fich mattgelb darüber faltet, glaubt man, ber Staub riesele von den fahlen Zweigen.

Gorgias Baldus stand am Grab seiner Mutter und meinte nicht, obwohl faum der Brunnen versiegt war; es war ihm nur, daß er nicht weinen dürfte, da ja bas Berlorene nur Beispiel unferes eigenen Lodes ift. Und es widersprach nun einmal Georgias' Wesen, über sich selbst zu weinen.

Früher, in den gesprungenen Nächten, schrie er nach Gott, feften löfte sich das Gebet aus seinem Munde- jest war ihm nur die tote Mutter Stecken und Stab. Sollen wir erzählen, wie bies tam? Wir wiffen, es wird teine besondere Geschichte geben, doch vielleicht ein Gleichnis für die Dürstenden der Zeit.

Als Gorgias achtzehn Jahre alt war, fannte er das Alte und Neue Testament wie die Tageszahlen feiner Geburt. Als er neun­zehn geworden, nannte er Gott seinen Bruder, aber Gott wußte nichts von ihm. Während Gorgias teine Nacht in den Morgen gehen ließ, ohne zu rufen, zu stöhnen, zu bitten um Brosamen vom Tische des Herrn, um Del für das Wund seiner Seele, um nur einen Tropfen aus dem Blute des allmächtigen Baters, ver­gnügte sich das Angebetene irgendwo als ein grinsendes Nichts oder irgendwo abseits als eine blecherne Mufit Sand, Sand, Schall und Rauch!

So tam die Zeit, da auch die Gesundheit seines Schreies ver lorenging; an einem Morgen war er frant zusammengebrochen. Aber schon in den späteren Tagen des gleichen Monats war er wieder gesund, und alle, die ihn kannten, waren freudig bewegt, daß das Unfriedliche seiner Stimme geschwunden, sein Inneres fristallener und feine Seele ein helles Segel ward. Erst pries er Gott in jedem Stein, Berge waren ihm nicht weniger mahnende Finger Gottes als die Kirchtürme der Städte, Gras, das zwischen den Lieren wuchs, lobte er als Geschenk aus den Sternwäldern, die des Himmels Fuß umlagerten und alle Fracht, die die Wolken trugen, war ihm Zeugnis vom Dasein der allumfassenden Macht. Das war onfangs. Bald darauf vernahmen wir, daß ganz wunder­fam alle Zweifel und alles Drängen zu dem Unwirklichen abfiel und Gorgias einen heimischen Weg zu seiner Mutter fand. Gie war das wirkliche, obgleich fie tot war. Aber nie vergaß er diese Frau mit dem schmalen Lächeln aus Sorge und Wunsch, nie dieses Herz, das aus Liebe und einem irdischen Gebet gebildet war! Es täuft nicht: Gott, selbst oder irgendein Ungewiffes muß geholfen haben, der Frau dies Herz zu geben. Ihre Stimme hatte den

Db Herr Rudolf Hertzog, der Inhaber eines großen| Nach einer Darlegung der militärpolitischen Entwicklung bis arenhauses, gerade der richtige Mann zur Vertretung der zum Frühjahr 1918 tommt er zu folgenden Schlüssen: Interessen des Einzelhandels ist, das mögen die beteiligten Inter­effenten untereinander ausmachen. Sicher gehört der Besizer eines

großen Warenhauses in die Deutsche Volkspartei . Die Parte: des Herrn Stresemann, der ja auch als Unternehmersyndikus begonnen hat, sprengt ja befanntlich so gern die roten Wetten im Interesse der Großkapitalisten. Daher auch der Name Volks": partei. Die Mecklenburger Warte" veröffentlicht noch ein zweites vertrauliches" Rundschreiben des Zentralverbandes des streng vertrauliches" Rundschreiben des Zentralverbandes des Deutschen Großhandels. Darin heißt es:

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Wir stchen vor neuen Wahlen zum deutschen Reichstag. Es dürfte für unsere Mitglieder, gleichgültig welcher Partei sie ange­hören, fein Zweifel darüber bestehen, daß im Interesse der Belange feit, daß unsere Sp zenorganisationen auch weiterhin im Reichstage des deutschen Großhandels und angesichts der absoluten Notwendig durch unser Präsidiaimitglied, Herrn Otto Reinath, vertreten wird, derselbe auch in den neuen Reichstag wiedergewählt werden muß.

Führende Mitglieder unseres Berbandes sind bemüht, Herrn keinath nach feinem Austriff aus der Demokratischen Partei für die Deutsche Boltspartei zu gewinnen.

Wir bitten auch Sie, falls Sie der Deutschen Boffspartei nahe stehen, sich sofort dafür einzusehen, daß Herr Keinath am Sonn­abend, den 8. November, in Dessau an sicherer Stelle auf die Reichsliste der Deutschen Volkspartei gesezt wird.

Bleichzeitig bitten wir Sie, im Interesse unseres Großhandels und unabhängig davon, ob Sie für die Reichstagswahl eine andere polit fche Partei noch unterstützen, sich auch mit Geldmittel dafür ein­zusetzen, daß Herr Keinath in den Reichstag gewählt wird. Es sind fehr große Mittel notwendig, die wir umgehend auf das von unferem Zentralverband eingerichtete Separatkonto, und zwar auf das Konto des Schahmeisters des Zentralverbandes des Deutschen Großhandels, Herrn Arthur Cohn, Depofitentonto. Darm­ städter und Nationalbant, Dep.- kasse, Charlottenstraße 29/30, Berlin , schnellmöglichst einzuzahlen bitten.

Nach Brest Litowsf war es der Welt flar, das Deutschland feine parti- remis, sondern nur einen überwältigenden Sieg wollte. War der im Jahre 1918 noch möglich?

Ludendorff hatte nur eine einzige strategische Karte: den Durch­bruch über Amiens bis zum Meer. Selbst wenn er gelang, und das englische Heer wäre ins Meer geworfen worden und das deutsche Heer in Paris eingezogen, hätte die Entente, hätte Amerika Frieden gemacht, so wie ihn Ludendorff dann wahrscheinlich gefordert hätte?

Auch diese Frage zu beantworten, wird kaum weiter als bis zu einem Bielleicht" tominen. Wahrscheinlich ist es nicht. Die Blockade wäre weiter aufrechterhalten worden, und Deutschland endlich doch dem Hunger erlegen.

Aber was fonnte noch fommen, nachdem die Märzoffenfive vor Amiens hängen geblieben war? Die Antwort fann nach gewissen­hafter Prüfung nur lauten: die Niederlage."

Mit Recht fragt General Schoenaich, warum Ludendorff trotzdem weitergefämpft und sogar noch veranlaßt hat, daß Staatssekretär v. Kühlmann verabschiedet wurde, weil er nach der mißglückten Mai- Offensive das Wort aussprach, daß der Krieg durch die Waffen allein nicht beendet werden könnte. General Schoenaich billigt Ludendorff die besten Absichten zu. Er stellt aber fest, daß er sich über die damalige Lage in der verhängnisvollsten Weise getäuscht und nicht nur unzählige nußlose Opfer gebracht, sondern auch einen erträglichen Frieden verhindert habe.

Darum muß es ausgesprochen werden, daß die 250 000 deutschen Männer, die nach dem 1. April 1918 ihr Leben gelassen haben, es für ein Phantom gelassen haben. Ein wirklich ehrlich vor der März­Offensive gemachtes Friedensangebot hätte erträgliche Bedin­gungen bringen fönnen, und selbst noch ein am 1. April 1918 ge­Borstehende Tatsache und die ganze Persönlichkeit unferes machtes Friedensangebot häfte uns nicht die demütigende Niederlage führenden Präsidialmitgliedes dürften auch diejenigen unserer Mitgebracht, unter der wir heute seufzen. gleder mit diesem Aufruf versöhnen, welche anderen politischen Bar­feien angehören.

In der Hoffnung, Beine Fehlbitte zu tun, begrüßen Sie mit follegialer Hochachtung

Carl H. Th. Cordes in Fa. Carl Cordes A.-G. Adolf Mittag in Fa. Heinrich Mittag. Wilhelm A. Priem in Fa. W. Priem u. Co. G. m. b. H.

Herr Reinath hat es nun allerdings in Dessau nicht geschafft. Dafür darf er an zwölfter Stelle auf der Reichsliste der Bolts partei parabieren. Die Boltspartei ist jedenfalls dadurch genügend gekennzeichnet. Sie ist die Partei der Großtapitalisten, der Generaldirektoren, der Aufsichtsratsporfizenden, der Unternehmerinnbizi, der Großbourgeoisie schlechthin. Die schönen Rebensarten, mit denen Herr Stresemann und ondere den nackten, rein fapital stischen Charakter dieser Politik ent­fleiden, können daran gar nichts ändern.

Schoenaich gegen Ludendorff .

Eine vernichtende Kritik.

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Diesem vernichtenden Urteil eines militärischen Sachver­ständigen braucht nichts hinzugefügt zu werden. Es stellt eine moralische Hinrichtung jenes Mannes dar, der es trotz seiner am deutschen Bolte verübten Verbrechen noch immer magt, mit verleumderischen Antlagen an die Deffent­lichkeit zu treten und den Bestand der deutschen Republik zu unterhöhlen, die es allein zuwege gebracht hat, aus dem Trümmerhaufen, den Ludendorff und Wilhelm hinterlassen haben, zu retten, was noch zu retten möglich war.

Das stolze Banner. Bölkische für Schwarz- Rot- Gold.

Nun drauf ohn' Wanten, ohn' Befinnen, Das stolze Banner ist entrollt.

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Wie leuchten hell im Sonnenglanze Die heil'gen Farben Schwarz- Rot- Gold! Von wem fönnen diese Strophen stammen? Sie sind nicht etwa im Jahre 1848 entstanden, sie sind 1924 erschienen im 211 deut­fchen Zeitweiser" im Hammer- Verlag, Wien . Die German a", der wir diese Angabe entnehmen, weist darauf hin, daß der Zeit­meifer" dazu noch mit einem Bld und einer persönlichen Widmung 2udendorffs geschmückt ist.

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Gegenüber den Bersuchen der Völkischen und der Deutsch­nationalen, die genialen" Leistungen ihres Halbgottes Ludendorff Lindström zu verherrlichen, muß immer wieder barauf hingewiesen werden, daß nicht nur seine per Man sieht, wenn die Bölkischen außerhalb der deutschen hängnispolle Politit von allen fachkundigen Leuten zurüd- Grenzen von Deutschtum reden, wissen fie die Farben Schwarz- Ret­gewiesen wird, sondern daß auch seine militärischen Leistun Gold sehr wohl zu schätzen, missen sie sehr genau, daß es die Farben gen im Kriege von fompetenter Seite auf das schärfste triti- des großdeutschen Gedankens sind. Wenn jetzt die Bölkischen und fiert worden find. Wir erinnern nur an die vernichtende mit ihnen im Bunde die schwarzweißrote Volkspartei höhnisch Kritit, die Professor Hans Delbrüd, eine Autorität auf fragen, was denn die Republikaner in Deutschland für den groß dem Gebiete der Militärwissenschaft somie General off deutschen Gedanken getan hätten, fo fönnen wir ihnen mit Recht mann, einer der nächsten Mitarbeiter Ludendorffs, an entgegenhalten, daß unter ihrem Zeichen, unter dem Banner feinen militärischen Leistungen geübt haben. Jegt unterzieht Schwarz- Weiß- Rot, der großdeutsche Gedanke niemals petmirf im auch Generalmajor Freiherr v. Schoenaich in seiner im licht werden wird. Wenn schon die großdeutschen Böfifchen in Bering Ernst Oldenburg , Leipzig , erschienenen aufschlußreichen Ausland sich zur schwarzrotgoldenen Fahne bekennen, weil nur in Schrift Die Front in den Krisen des letzten Kriegsjahres" ihrem Zeichen alle Deutschen geeinigt werden können, dann haben die Haltung General Ludendorffs einer eingehenden Kritik.| wir in Deutschland erst recht die Pflicht, dieses Banner hochzuhalten.

Glanz einer Gnade, die irgendwie ein Geheimnis war. Auch ihr| nicht immer wußte, wo die Grenze zwischen dem Weichlichen und Gesicht leuchtete von einem Halleluja göttlichen Geschenks. dem Wizigen lag.

Ob Gorgias nun glaubt, Gott sei gefunden? Wir wisse nur, baß er jegt seine Mutter oft auf einer Wolke sieht. Das gibt seiner Ruhe ein neues Maß. Geht ein Schatten neben ihm, so ist es der der Mutter. Fällt ein Stern durch die Nacht, so ist es ihre sträh­lende Träne. Anfang und Ende der Tage, Schritt und Wandlung ber Seele, ja, wir wagen zu sagen, ewige Form des siegreichen Guten, die fein Zeitliches zu zerstören vermag: Gorgias Baldus fand alles dies in dem mitwandernden Tod seiner Mutter.

So ist auch der Tod dein hinüber, sondern ein Sein. Went wir an diesem Novemberbage zu den Friedhöfen unserer Mütter gehen, so gedenten wir auch der heimischen Fahrt Gorgias. Gott , der Herr, ben die tönerne Kanzelſtimme der Kirchen preift, Gott, der Herr, der auf den Schlachtfeldern des Lebens gleichfalls ge­fallen scheint, ist nicht mehr die Nahrung für unseren Traum. Hängen wir unser Gebet an den Kelch des Jrdischen, zwischen dem braunen Geruch der Scholle, zwischen Segen und Schuld der feurigen Erde. Der Gott unserer Kindheit, den sich die Hungrigen und Zornigsten unter uns zu erschlagen bemühten, der Gott aller Wölfer und der inbrünstigen Gewalt der Hände, ist ja nur das ins immer eine Macht da sein, die uns dahin folgen läßt. Alles Hinauf Ueberfinnliche gesetzte Gleichnis des Guten im Menschen. Es muß ist die Wurzel der Seele. Denn wir wollen das Gute. Auch die im Streit des Zornes, auch die im Kniefall am Turm des Herrn. Wir sollten es immer wissen: Gott lebt auf der Sandbait wie im bergenden Schoß. Aber warten wir nicht, bis der Sohn aus dem Himmlischen fährt; heute, morgen, in den Novemberſtraßen, in deiner Rammer, an den Gräbern rufen uns die Toten an ihre Brust.

Unsere Mütter rufen so. Sie gaben uns unter der Schale ihrer Herzen frei, fie hoben uns in Stolz und Schmerz in das Licht der Welt und legten das Mal der Liebe auf den Weg heilig sei solches Tun.

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Was kann darum mehr sein: der Schmerzensgürtel um den Leib der Mütter ober Gottes urfernes enthobenes Angesicht? Reine Frage; nur die Uebersetzung ins Diesseits: Gott ist in den Müttern und in den Müttern ist Gott .

Tribüne: Wölfe in der Nacht". Im zweiten Att dieser Komödie regnet und donnert es. Man hört in der Tribüne mehr als deutlich das Bellblech, auf dem der Theaterdonner erzeugt wird. Die schabende Regenmaschine zerstört die Illusion und auch der Blig ähnelt mehr einem theatralischen Kolophoniumfeuer als der groß­artigen Erleuchtung der Natur. So ein Theaterbonnever, Kolopho­niumbligschleuderer und Kulissenmaschinenmeister war auch der jeg schon verstorbene österreichische Komödiendichter Ta ddäus Ritt ner. Aber er besaß Geist, er fannte sein Handwert, wenn er auch

Wölfe in der Nacht das sind die leibhaftigen und ein­Der Staatsanwalt, gebildeten Gewissensbisse des Staatsanwalts. möchte einem Mörder an den Stragen. Aber die eigene Gattin, die fehr forreft, immer bärbeißig, niemals vom Paragraphen abbiegend, Geliebte, Beugin seiner etwas schlüpfrigen Bergangenheit, ein liebes Kind, das aus dieser Zeit übrig blieb, schließlich der Herr Mörder selbst und der Gerichtspräsident in erlauchtester Person kommen dem Staatsanwalt in die Quere. Er muß die strengen Rinnbaden auf­reißen und lachen und dem Sündenfind einen Kuß auf die frischen Lippen drücken. Es scheint, daß dieses Lachen des Staatsanwalts Die Erzeu die Wölfe , die draußen in der Nacht heulen, verjagt. gung dieses staatsanwaltlichen Gelächters geschieht in der Komödie auf eine durchaus ergößliche Art. Immer literarische Feinheit, die arbeitet, manchmal nur ein Abstieg in lyrische Berlogenheit, aber balb kehrt der Humor wieder, und sogar dem Zuschauer gehen nicht die Gedanken aus.

An diesem Abend spielte Charlotte Schult, eine Rünstle rin, der mir schon oft begegneten, fich frei. Sie war im Ernsten und Ausgelassenen, auch in den gefährlichen Szenen, da zuviel Honig trieft, eine vorzügliche Mischerin der fröhlichen und fraulichen Eigen­fchaften, oberflächlich und gefühlvoll zugleich, verfahren und sogar Die Rolle der Abenteuerin, die mit der Lebensgemeinheit gut um­in Tragit verftüdelt. Frau Else Heims ist immer am luftigsten, wenn sie von der geraden Trauernatur ins Grotesfe abbiegen darf. springen muß, ohne daß an ihr allzu viel Straßendred fizen bleibt, gelang ihr vorzüglich. Eduard von Winterstein , Mag Landa und Theodor Loos , Staatsanwalt, Gerich' spräsident und heldenhafter Mörder, brachten nicht soviel Ueberraschung wie die beiden Frauen, deren schauspielerische Entfaltung mit Freude zu Max Hochdorf . genießen war.

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Wenn ein Dichter liest Wenn ein Dichter lieft, dann ist ein Vorverkauf nicht nötig, wenn ein Dichter lieft, bann gibt es fein Gebränge an den Türen, wenn ein Dich er lieft, dann ist das loge nannte beffere" Bubiitum nicht zu sehen wenn der Dichter nicht gerade Gerhart Hauptmann heißt. Aber es war nur Alfred Wolfenstein , der sich im gemütlichen Bürgerfaal des Rathauses den Freunden der Volksbühne vorstellte. Ich fürchte indessen, daß das nur" den Protest der ach so wenigen Gäfte hervorrufen wird, denn die Dichtungen, die der junge Autor las, bewiesen Wachsen und Werden. Geiner Lyrit fehlt meist noch letzter Gottesglanz, seinen dramatischen Versuchen höchste Zielsicherheit, aber ein modernes Weltempfinden, das die Nacht der Gegenwart mit Scheinwerfern des Glaubens erhellt padt auch den Gleichgültigsten. Nun, gleich­gültig famen fie gewiß nicht, die Voltsbühnenfreunde, eher neugierig. Bon dem Gelefenen bestärkte die Szene Der Versucher" schon an sich Go. gerechtfertigte Erwartungen. Eraufführungen der Woche. Mittw. Staatsoper: Die Nächt lichen.. Die Komödie: Der eingebildete Stranke" Releines b.: gräger Str.: Der Tolaier. " Papa". Freit. Lustspielhaus: Die Orientalin". Th. i. d. König Stomödienhaus: Der Mann ohne Moral". Sonnab. effingt5.: Das weite Land".- Mont. Staats­theater: Eduard II ..

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