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Abendausgabe

Nr. 562 41. Jahrgang Ausgabe B Nr. 281

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Vorwärts

Berliner Volksblatt

5 Goldpfennig

Freitag

28. November 1924

Berlag und Anzetgenabteilung: Geschäftszeit 9-5 Uhr.

Berleger: Vorwärts- Verlag GmbH. Berlin SW. 68, Cindenffraße 3 Fernfprecher: Dönhoff 2500-2507

Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Rebellion bei den Deutschnationalen .

Neue Spaltung der Schwarzweißroten.

ählt deutschnationall

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Der Bölkische Pressedienst verbreitet ein Flugblatt Mag| Haben die Wähler das noch immer nicht begriffen? Also: Maurenbrechers an alle Deutschnationalen, in dem er auf fordert, die Deutschnationale Partei zu verlassen und am 7. Dezember die nationalsozialistische Liste zu wählen. Er erhebt die heftigsten Angriffe gegen die Partei­leitung der Deutschnationalen. Es gelte eine Entscheidung der Ehre und des Gewissens, der Wahrhaftigkeit und Echtheit. Die Parteileitung habe die alte Fahne sinten laffen. Es heißt in dem Aufruf:

Die Reichsliste der Deutschnationalen Bartel bringt die Entscheidung, daß unter der heutigen Parteileitung dieje Par­tei als Vertreterin solcher Gedanken nicht mehr in Frage kommt. Hergt ist Spitzenkandidat der Reichsliste geblieben; er ist das mit der Namensträger der Partei; es ist selbstverständlich, daß er damit auch zum Vorsitzenden der zufünftigen Fraktion vor­bestimmt ist.

Sein Rücktritt vom Borsiz der Partei bei Ausbruch

des Wahlkampfes war demnach nur eine Finte. Schon, daß er in der Parteileitung blieb und damit doch alle Fäden in der Hand behielt, war, went auch nicht gegen den Wortlaut, so doch gegen den Sinn des vor dem Vertretertage gegebenen Versprechens, nach Erledigung der letzten Regierungskrise von der Leitung der Bartei zurüdireten zu wollen. Auch als er in Tübingen erklärte. um der Einheit der Partei willen, sich selbst geopfert" zu haben, bat er objektiv eine unwahrheit ausgesprochen; denn, da er trotz seines Rücktritts vom Vorsitz doch in der Leitung blieb und da er jetzt wieder als Spizenkandidat der Reichsliste er­fdjeint, tan von einer Opferung feine Rede sein.

Die nächsten aber, die auf der Reichslifte nach Hergt folgen. Fürst Bismard, Margarete Behm , Großadmiral von Zirpiz, Lambach und mancher andere, find die Führer der Ja Sager vom 29. August. Zum Teil waren sie von ihren Landesverbänden abgelehnt worden, weil sie eine Werbung für die Partei ummöglich machten. Jest erscheinen fie auf der Reichsliste an führender Stelle, während die bezeichnendsten Bertreter der rationalen Oppofition im Hintergrund bleiben oder ganz verschwinden.

Kurz: Alles, was wir seit Jahren bekämpft habent, ist doch ge­blieben, alles, wovor mir gewarnt haben, ist doch geschehen. Jede Gewähr dafür, daß in der neuen Fraktion die nationale Opposition noch irgendeinen maßgebenden Einfluß hat, ist geschwunden. Nun hat die nationale Oppofition daraus die Folgerungen zu ziehen...

Dann müssen wir diesmal die einzige Liste wählen, die jeden­falls, mag fie sonst sein wie sie will, nur Männer enthält, die auf diesem Punkte unerschüttert gestanden haben und stehen: Die Liste der Nationalsozialistischen Freiheits­ partei .

23. November 1924.

bis 1. Oftober 1924 Leiter der Deutschen Zeitung", Berlin . Dr. Mag Maurenbrecher, Berlm- Lichterfelde, Elisabethstr. 29." Ob damit eine weitere Spaltung der Deutschnationalen Bartei eingeleitet ist, muß abgewartet werden. Mauren­brecher hat jedenfalls sein Ziel erreicht: es gibt feine Partei mehr, der er nicht schon angehört hätte. Innerlich zerrissen, von neuer Spaltung bedroht, schwankend und unehrlich wie ihre ganze Politit, so gehen die Deutschnationalen der Ent­scheidung vom 7. Dezember entgegen. Die Wähler müssen vollenden, was in der Deutschnationalen Partei von innen heraus begonnen hat: den 3usammenbruch der Partei der Halbheit und der Charakter losigkeit, die sich am 29. August selbst ihr geschichtliches Todesurteil gesprochen hat.

Das englische Beispiel. Die letzte Hoffnung der Deutschnationalen. Je näher der Tag der Abrechnung rüdt, besto nervöser werden die Deutschnationalen. Reine Torheit ist groß genug sie wird benut bei dem nachgerade tomisch wirkenden Bersuch, die deutschnationalen Wähler an die Wahlurne zu treiben. Man läßt auch die letzte Maske fallen. Hieß es bis. her: Schwarzweißrot gegen Schwarzrotgold ist die Parole, so fagt jetzt die Nationalpost", Schwarzweißrot genügt

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nicht:

Braktisch handelt es sich aber am 7. Dezember nicht so

Denn sonst auch das weiß die Nationalpost" ganz genau, obwohl sich der deutschnationale Prophet Hergt augen­blicklich auf Wahlreisen befindet. Eine Regierung Wirth Breitscheid, ja eine Regierung Scheidemann droht dem guten Bürger, und das bedeutet... Aber man tann das nicht beffer sagen, als es die Nationalpost" tut:

Eine solche Regierung birgt die Gefahr einer Dittatur des Proletariats oder, wenn man will, des Reichsbanners Schwarz Rot Gelb in sich. Diesmal aber werden diese Herrn, wie sie schon deutlich genug ausgesprochen haben, nicht mehr so fäuberlich fahren, wie einst im Mai." Wer das noch nicht wußte, der weiß es jetzt, und wer das bei vor Schreck auf den Rücken gefallen ist, der wähle Mampe.

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Barum auch nicht? Die Nationalpoft" hat eine sehr tröstliche Entdeckung gemacht. Auch in England herrscht das parlamentarische System, und es ist dort bei den letzten Wahlen für die Konservativen gut abgelaufen. Warum soll in Deutschland nicht möglich sein, was in England möglich ist? Die Amerikaner können zwar weder schwimmen noch fliegen, aber weiß man es denn? Und deshalb setzt die National post" auf diese Karte:

"

Die Erfinder des Parlamentarismus, die Engländer, haben, uns ja auch gerade noch rechtzeitig vor unseren Wahlen ein außerordentlich lehrreiches. Beispiel gegeben, wie man auch mit der Parlamentsmaschine ein großes Reich, regieren fann. Sie haben alle Macht in die Hände der Rechten ge­legt, mit dem in England felbstverständlichen Vorbehalt, fie gelegent­lich auch wieder in diejenige der Linfen zu übertragen, wenn etwa die Rechte das ihr entgegengebrachte Vertrauen nicht rechtfertigen sollte."

Also auch die Parlamentsmaschine ist unter Umständen eine schöne Sache, wenn man nur mit ihr zu regieren versteht! Nun, nach deutschnationaler Anschauung hatte das Bolt bei den letzten Wahlen die Macht in die Hände der Rechten gelegt, die deutschnationale Fraktion war nach deutschnationaler Auf­fassung die stärkste. Aber hat die Rechte etwa bewiesen, daß sie mit der Parlamentsmaschine zu regieren versteht, hat sie das ihr entgegengebrachte Vertrauen gerechtfertigt? Deshalb fort mit der Parlaments maschine, wählt deutschnational!

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Rheinbaben erleuchtet den Matin".

Die Bürgerblockpolitik der Volkspartei. Herr v. Rheinbaben, Stresemanns Adjutant zu Zeiten der Großen Koalition, hat Herrn Sauermein vom Bariser Matin" ein Interview gegeben, in dem er sagte, Deutschland brauche, um bezahlen zu fönnen, eine starte Re­gierung, die die Ordnung aufrecht erhalte und Vertrauen ein­flöße. Er fuhr dann fort:

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Diese Regierung fönne von denjenigen gebildet werden, die die Lasten zu tragen haben. Wenn man die Sozialdemo­fraten an's Ruder bringe so würden sie als Gegner alle Bro­duzenten des Landes haben: nämlich bie Industrie, der sozialen Gefeße wegen, und den Aderbau wegen der Zollfragen. Die Bolts. portei mit ihren 40 Stimmen brauche Unterſtügung, die aber nicht von der Sozialdemokratie fommen fönne. Wir wollen gern, sagt Rheinbaben, die Unterstüßung der Dem fraten, aber vor allem auch der Deutschnationalen. Diese 3usammenarbeit ist zu folgenden Bedingungen möglich

1. Die Deutschyrationalen würden drei Bortefeuilles erhalten, barunter aber weder die Reichskanzlerschaft noch das Ministerium des Aeußern,

2. die Deutschynationalen bestätigen ihren Entschluß vom 30. September, morin sie erklärten, daß der Dames- Plan Ge­

fegestraft hat unter Vorbehalt der Revision. Jede Propaganda gegen die Berfaffung müßte natürlich imterbleiben.

Mit den Alliierten, insbesondere mit Frankreich , würden wir uns zu verständigen haben über die Grundlage einer runden Summe, die eine einmalige Striegsentschädigungszahlung darstellt, und weiter über eine vernünftige Lösung der Räumungsfrage der besetzten Gebiete.

Es ist recht niedlich, daß die Deutschnationalen aus einem franzöfifchen Blatt erfahren, unter welchen Bedingungen fie

Um Berlin .

Reichstagswahlen und Berliner Gewerkschaften.

Bon Wilhelm Reimann.

Wohl in feinem anderen Ort Deutschlands ist der Aus­gang der Reichstags- und Landtagswahlen von so entschei­dender Bedeutung für die fünftige Gestaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen wie in Berlin , das mit seinen 4 Millio­nen Einwohnern den fünfzehnten Teil des deutschen Volkes darstellt. Hier sind die Zentralen der Arbeitgeberverbände und damit die Stellen, von wo die Gewerkschaften am wütendsten bekämpft werden; hier sammeln sich an der Uni­versität, Hochschulen und anderen Jugendbildungsstätten die Kräfte, die den Unternehmern die Stichworte gegen die Ar­die reaktionäre Bresse ihre voltsfeindliche Tätigkeit aus, in­beiterschaft und gegen die Sozialpolitik liefern, von hier übt dem sie die volksvergiftenden, aufgebauschten Nachrichten über die ,, verworfene Gesinnung" der Großstadtarbeiter in die Bro­stellen und Ministerien bequem beeinflußt, was um so leichter vinzpreffe lanciert. Von hier aus werden die Regierungs­fällt, wenn diese Regierung im Sinne der Arbeitgeber zu­fammengesetzt ist. Bekannt ist die Beeinflussung der Lohn­und Arbeitsbedingungen nicht nur in Berlin durch die über­ragende Stellung des Verbandes Berliner Metallindustrieller. Dieser Einfluß geht soweit, daß er bei jeder Tarifverhand­lung in anderen Industrien dem Eingeweihten fühl­bar wird. Je mehr sich die Arbeiterschaft zersplittert und da­durch ihre Stellung schwächt, desto anspruchsvoller und reaktionärer gebärdeten sich die Berliner Unternehmer und iht Anhang Gradmesser waren von jeher für sie die Wahlen. mehr als einmal fonnten bei Tarifverhandlungen Arbeiter und Verhandlungsführer offene und versteckte Hinweise hören, daß, wenn die Wahlen nach den Wünschen der Unternehmer aus fallen, Schluß der Berhandlungen mit den Arbeitern als gleich­berechtigter Faftor sein würde.

Einen Wall gegen diese Bestrebungen bildeten einzig und allein die Gewerkschaften, unterstützt durch die parlamen tarische Arbeit der Sozialdemokratie.

Inflation und tommunistische Mühlarbeit haben zwar vermocht, die Berliner Gewerkschaften numerisch zu schwächen, aber die Hoffnung der Kommunisten, die Verwaltungen der Berliner Gewerffchaften in ihre Hände zu bekommen, hat sich nicht erfüllt. Wohl haben sie hier und da wilde Streits zu eniseffeln vermochterinnert sei nur an den Auguststreif 1923 die regelmäßig mit einer schweren Niederlage der Arbeiterschaft endeten. Sie haben dadurch dem Unternehmer­tum Gelegenheit gegeben, die verkaßten Funktionäre der Ge­wertschaften zu maßregeln. Es ist eine typische Erscheinung bei diesen Rämpfen, daß die Unternehmer, wohl wissend, daß ihnen die größte Gefahr aus der zähen Arbeit der reformisti­fchen" Cewerkschaftsfuntiionäre erwächst, diese Streits als willkommene Gelegenheit zur Maßregelung dieser Funktio= näre benutten. Der Einfluß der Kommunisten auf die Ge­wertschaften ist, sehr zum Leidwefen der Unternehmer, nach dem eigenen Eingeständnis ihrer Gewerkschaftszentrale, heute gleich Null. Alles hrsterische Geschrei der Roten Fahne" ver­mag nichts mehr daran zu ändern. Kommunistisch wählen bedeutet für den Gemerffchaftler Stärkung der Unternehmer.

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Die legten Borgänge haben immer wieder bewiesen, daß fich gerade hier in Berlin Deutsch nationale und kom munisten, in die Hände arbeiten. Die Deutsche Volkspartei macht schon aus Angst vor der Konkurrenz der reaktionären Rechten alle reaktionären Maßnahmen mit. Das trifft auch bedingt für Demokraten und für die Wirtschaftspartei zu. Erinnert sei nur an die Zusammenarbeit der Bürgerlichen und Kommunisten Feim Abbau sozialistischer Magistratsmit­alieder und Stadträte. Bezeichnend war, daß sich in allen Fällen die gemeinsame But besonders gegen die Dezernenten der Arbeitsämter der Bezirke richtete. Diese waren fast durch­meg mit alten Gewerkschaftlern besetzt, weil sie über die nöti gen Fachkenntnisse verfügten.

Was hat die Berliner Arbeiterschaft von einem Steg ber Reaktionäre zu erwarten? Der Ausfall der Wahlen vom 4. Mai gab bem deutfcnatio­nalen Pfarrer Roch in der Berliner Stadtverordnetenver jammlung Gelegenheit triumphierend zu verkünden, daß mit dem Einfluß der freien Gewerkschaften auf die Gestaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen der städtischen Arbeiter Schluß gemacht werden muß. Das war das Stichwort. An die Ar­beiter wurde in der nachfolgenden Zeit die ungeheure Zu­mutung gestellt, in den Abbau fozialer Vorteile ihrer Tarif­verträge zu willigen. Nur dem starken Widerstand der freien Gewerkschaften und der Sozialdemokraten im Stadtparlament zember im Sinne der Bürgerlichen ausfallen, diese Angriffe unterliegt feinem weifel, daß, wenn die Wahlen am 7. De­fich wiederholen werden. Die Rückwirkung niedriger Löhne und schlechter Arbeitsbedingungen ist bekannt. Weiter aber werden die interessierten Kreise versuchen, die Betriebe, bie sich heute in den Händen der Stadt befinden, dem Brinat­Papital aus liefern. Auch das würde nicht ohne Rückwir fung auf andere Gemeinden bleiben. Diese Gefahr fann ab­gewendet werden, wenn die Berliner Arbeiterschaft sich in ihrer überwiegenden Mehrheit am 7. Dezember zur Sozia demokratie betennt.

wohl um Schwarzweißrot oder Echwarzrotgold, fondern follen. Bedauerlich ist nur, daß Herr Rheinbaben, der im ist es zuzuschreiben, wenn der Angriff abgeschlagen wurde. Es

barum, ob die Deutschnationale Boltspartei ihre bis­hrige Stärke behauptet und vermehrt oder ob die Gezialdemokratie Den überwältigenden Gieg erringt, den der Borwärts" täglich im

voraus auspofaunt."

Ein sehr nüzliches Eingeständnis! Brattisch ist den Detschnationalen nämlich die schwarzweißrote Frage hot gel hgültig, fo gleichgültig, wie das zweite Versailles ", dos fie in Aussicht auf ein paar Ministerseifel zu schlucken bereit waren. Praktisch kommt es ihnen nur darauf an, wieder bie alleinigen Herrscher in Regierung und Berwaltung zu sein. Monarchie, Schwarzweißrot und nationalistische Phrasen sind ihnen nur Mittel zum 3 wed, Mittel, die man gebraucht, um die Bähler einzuseifen, und die man, wie die deutsch nationalen Kuhhändel der letzten Jahre des öfteren bewiesen haben, hübsch beiseite stellt, wenn die Futterkrippe winft.

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Matin" schon die Portefeuilles verteilt. aus Bescheidenheit Matin " schon die Portefeuilles verteilt. aus Bescheidenheit verschwiegen het. welches Portefeuille er für sich selbst in An­fpruch nimmt. Offenbar ist es das des Auswärtigen. wozu er durch Intelligenz und Tatt gleichermaßen voraus bestimmt zu fein scheint.

Wir sehen die' er Lung mit Bergnügen entgegen. Um fomehr als noch der Logit des Herrn n. Rh- inboben nicht die Sozialdemokraten. fondern die Träger der Leften und die Produzenten zur Regierung berufen sein werden. Die Sozial­demokraten brauchen also weder Lasten zu tragen noch zu pro­buzieren, sie werden unter dem Bürgerblod ein Leben führen, wie der Herrgott in Frankreich oder wie die Hohenzollern in der Republik .

Ein Grund mehr, sozialdemokratisch zu wählen!

Groß ist in Berlin mit seinem vielgestaltigen Wirtschafts­leben die Zahl der Unternehmer, die mit allen Mitteln ver­fuchen, die für die Arbeiterschaft erlassenen Schutzbestimmun gen zu umgehen. Nicht immer ist es in den vielen Mittel- und