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Der Mordprozeß Haarmann. Am Ende des Wahlkampfes.

Hannover , 6. Dezember. ( Eigener Drahtbericht.) Zur Ver­haftung Witttomsfis erfahren wir noch, daß eine Festnahme durch die gleich vom Gerichtssaal entfandten Kriminalbcamten zu­nächst nicht gelang, weil Wittkowski in seiner Wohnung nicht ge funden wurde. Im Laufe des Nachmittags stellte sich der Gesuchte selbst der Polizei. Er bestritt ganz entschieden bisher, irgend etwas mit Hennjes( nicht Hennies) zu tun gehabt zu haben.

Der heutige dritte Verhandlungstag begann mit der

Erörterung des Falles Nummer 13,

des Mordes an dem 17½jährigen Adolf Hannappel Dessen Bild wird von Haarmann erfannt, von Grans dagegen nicht, obwohl gerade dieser in diesem Fall von Haarmann der Anstiftung zum Morde beschuldigt wird.- Borf: Haarmann, Sie waren bisher boll in diesem Falle geständig, den Hannappel getötet zu haben. Haarmann: Jawohl, Herr Präsident, ich habe eine Bitte an die Presse. Ich will mich nicht verschönern, aber es muß auch wahr heitsgetreu berichtet werden, damit nicht die Defentlichkeit mein Gegner wird. Haarmann schildert dann, wie er die Bekanntschaft Hannappels gemacht habe. Auf dem Bahnhof habe Grans ihn auf einen hübschen jungen Menschen aufmerksam gemacht, der so schöne Bridges Hosen anhatte, die Grans gern haben wollte. Der Junge faß auf einer Zimmermannsfise im Wartesaal. Grans fnüpfte mit ihm ein Gespräch an und meinte zu Haarmann: Friz, nimm ihn doch mit. Haarmann lehnte zunächst ab und ging fort. Grans fam aber mit dem Jungen nach und Haarmann nahm Hann. appel mit in seine Wohnung. Am Tage ging er mit ihm zur Stellen vermittlung, doch fand Hannappel teine Arbeit. Früh am Morgen war dann Grans gelommen. Er kam immer gleich früh, um zu schen, ob was passiert sei. Bors.: Heißt das, ob Sie ihn getötet haben? Haarmann: Ja, er wollte die Bridges- Hofen haben. Er sagte: Es kostet doch zu viel Geld, menn du ihn folange bei dir behälft. Grans wollte, es sollte immer schneller gehen mit dem Asmurkjen.( Bewegung.) Mir lag ja gar nichts an der Tötung, es

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war ein netter, hübscher Mensch. Bors: Haben Sie Hannappel

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noch am selben Tag getötet? Haarmann: Nein, er blieb noch einige Lage bei mir. Als er dann tot war, fam Grans und sagte, wir müßten doch die Kiste holen, die auf dem Bahnhof stand. Wir holten sie dann, brachen sie auf und Grans durchwühlte alles, es war aber nicht viel wert. Haarmann werden dann die Sachen Hannappels vorgelegt. Auch die Kiste wird vor dem Gerichtstisch niedergestellt. Haarmann gibt an, daß einige dieser Sachen nicht von Hannappel stammen, die Bridges- Hosen dagegen habe Grans sofort angezogen. Vorf.: Grans, stimmt das nun? Grans: Nein, ich weiß nur, daß der mit der Kiste bei Haarmann war. Grans behauptet dann weiter, daß Haarmann zuerst die Bekanntschaft des Hannappel gemacht und ihn gefragt habe, ob ihm nicht die Bridges passen würden. Vori. Ein Zeuge erflärt aber, dak gerade Sie Hannappel angesprochen und dann Haarmann einen Wink ge­geben haben. Grans bleibt aber bei seiner Darstellung, will auch das Bild des Getöteten nicht wiedererkennen. Vorf. Und am nächsten Morgen waren Sie bei Haarmann wegen der Hose. Grans: Ich traf ihn einige Tage später und er beauftragte mich, nom Bahnhof die Kie zu holen. Auf meine Frage, wo denn der Junge sei, fagte er, der sei abgereift und er habe ihm für Kost und Logis die Sachen abgenommen. Haarmann: Ich bin ja nervös, aber er( auf Grans zeigend) hat noch seine fünf Sinne. Das glaubt er ja selbst nicht, daß der Junge seine guten Sachen bei mir läßt. Das ist ja Unfinn( auf Grans zeigend). Der ist ja so helle.( Bewegung im Saal.)

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Bei der weiteren Vernehmung des Grans wird dann die ge­fpannte Stimmung zwischen den beiden Angeklagten immer ge­reizter. Grans erklärt plöglich triumphierend, Haarmann habe die Unmahrheit gefagt, wenn er behauptete, er fann feine besohlten Stiefel tragen. Die hartnädigtet, mit der Grans cuf diese angeb lich n Lügen hinweist, gibt dem Oberstaatsanwalt Anlaß zu der Fest­stellung, daß Grans offenbar ein sehr intelligenter Mensch fei, denn durch seine Angaben ziehe sich wie ein roter Faden der Versuch, Scarmann als unglaubwürdig hinzustellen. Oberstaatsan walt: Gibt Grans zu, daß er Haarmann junge Leute zugeführt habe? Grans: Nein.

Als nächster Fall wird Nummer 14, der Mord an dem Arbeiter Adolf Hennjes, erörtert. Haa.mann bestreitet entschieden, den Hennies umgebracht zu haben und wiederholt seine gestrigen Aussagen, wonach er Grans und den Hugo Wittowski des Mordes beschuldigt. Haarmann fchildert ausführlich die Vorgeschichte und unterstreicht wiederum, daß ihm die Leiche in die Wohnung gelegt war, als er nach Hause fam. Saarmann teilt weiter mit, daß Grans Gift bei sich gehabt habe und daß Hennjes vergiftet sein müsse, denn er habe feinerlei Wunden und Berlegungen gehabt. Hoarmann habe die Leiche weg­räumen müssen, weil Grans behauptet habe, Haarmann sei der Mörder und ihn zynisch aufgefordert habe, nun zu sehen, we er mit dem Radaver bleibe. Rechtsanw. 2 oße, der Vertreter des Grans, wünscht, daß Haarmann darüber vernommen wird, wie es möglich gewesen ist, baz Grans einen so überwiegenden Einfluß auf Haar mann ausgeübt haben solle. Bors.: Aber Herr Verteidiger, wenn man hier in Ruhe zuhört. fann man mohl zu dem Einbrud fom men, daß Grans der geistig Ueberlegene und Kompliziertere ist. Bert: Aber nicht, wenn man von der Voraussehung ausgeht, Seß Haarmann teilweise nur den Schwachsinigen marficrt. Als nächster Fall wird Bunft 15 der Anflage, die Ermordung des 18jährigen Schlossers Ernst Spieder, besprochen, ber ein fünftliches Auge gehabt haben foll. Haarmann will dos Bild und die Sochen des Getöteten nicht fennen, meint aber, wenn die Eltern die Sachen anerkennen, so ist Spieder wohl auch unter seinen Opfern Unumwunden gibt Scarmann Fall 16, den Mord an bem 20jährigen Arbeiter Heinrich Rodh, zu, dagegen bestreitet er ganz entschieden Fall 17, nämlich die Ermordung des Arbeiters Paul Senger. Die Verhandlung geht weiter.

Reichsbanner Schwarz- Rot- Gold. Der Gauvorstand ersucht die kameraden, bis zur beendigen Wahl nicht mehr rereinzelt auf den Straßen zu gehen, um sich nicht unnötigen Ueberfällen durch die Gegner, auszusehen.

Deutschnationale auf dem Kinderfang. Am Freitag mittag ging ich, so schreibt uns ein Leser, nach Schuchuk tie Kaiser- Friedrich- Straße in Neukölln entlang, vor mir eine Anzahl Kinder aus der weltlichen Schule. An einer Straßenede standen inmitten einer Schar onderer Kinder einige Männer und teiten schwarzweißrote Fähnchen aus. Auch Kinder der weltlichen Schule eilten hinzu, nahmen die Fähnchen, riffen sie aber entzwei und warfen sie auf das Pflaster. Einer der deutschnotio­nalen Rinderagitateren versuchte nun, auf offener Straße die Kinder zu fassen. Als es ihm nicht gelang, eilte er mit lautem Schimpfen zur Polizei. Ich fühlte mich nun veranlaßt einen der anderen tapferen Männer" auf das Lächerliche ihres Verhaltens aufmerk­fam zu machen, worauf der Führer des Trupps wie tollmütig auf mich eindrang und mir vorwarf, ich hätte die Kinder aufgehezt. Als ich ihn um seiner Namen fragte, antwortete er nur:" Sie junger Mann." Worauf ich ihm mit dem Bismardwort entgegnete: Es gibt auch alte Esel" Erst die Schuhpolizei stelle nachher in einem Lokal, in dem er noch tätlich ge en mich vorging. fest, daß der soubere Herr der Bezirksverordnete Paul Werner aus Neukölln. Donauftr. 105, war. Die Deutschnationalen schreien täglich über die politische Berh zung der Kinder, insbeson dere in den weltlichen Echulen. Was fagen fie zu der unpolitischen" Kinderpropaganda ihres raufiuftigen Mitaliedes, des fich rühunt, zwei Deutschnationale Söhne als Lehrer zu haben? Es ist doch eigent­lich nett von den deutschnationalen Helden, daß sie sich lächerlich

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Gegen die Heuchler.

Wenn es noch eines Zweifels bedurft hätte, daß der Marsch der Soz aldemokratie unaufhotsam vorwärts geht, so wäre er da­durch erbracht, daß die Versammlungen in den Stadtteilen Berlins , die bisher als Hochburgen der Kommunistischen Partei galten, von unferen Anhängern start übe: füllt sind und daß die Kommu­ nistische Partei es nicht mogt irgendwelche Diskussionsredner in diesen Versammlungen vorzusch.den. Gestern abend sprach in den Bharus sälen in der Müllerstraße Genoffe Heimann in einem bis auf den legten Play besetzten Saal. noch einmal die heuchlerische Politik der Deutsch­Genosse Heimann geißelte notionalen. Auch die Kommun sten seien nichts weiter als eine Hilfstruppe diefer Reaktion. Sie hätten ja auch ausdrücklich das Anerkenntnis für ihre Hilfe mehrfach von dieser Seite erhalten. Ge nosse Heimann verwies darauf, az im verflossenen Reichstag einer der größten Hauptscharfmacher, der bekannte volksparteiliche Abg. Baeder, ausdrücklich anerkannt hätte, daß den Kapitalisten durch die Kommunisten wertvolle Unterstützung zuteil gemorden sei. Mit einem Hoch auf die Sozialdemokratie endete die wirkungsvoll ver­laufene Versammlung.

Der Bezirk Treptow veranstaltete im Saal von Nitschke eine fehr gut besuchte Wählerversammlung, bei der Genosse Bernstein als erster Referent mit großem Applaus begrüßt wurde. Wenn der Wahlruf an das Volk ergeht, fagte er in seinen Ausführungen, so habe es eine Pflicht an sich selbst zu erfüllen. Sklavengesinnung sei es, nicht wällen zu wollen. Wenn ein Volt seine Freiheit wolle, dann müsse es auch feine Vertreter wählen. Ohne Kampf feine Freiheit! Genosse Bernstein ging dann zu den wirtschaftlichen Fragen über, die die Sozialdemokratie zu lösen gedenkt. Das Volk aber müsse am 7. Dezember wieder gut machen, was es am 4. Mai vers fäumt hat. Genoffin Anna Geyer appellierte an die deutschen Wählerinnen. Die Ausgestaltung der Sozialpolitik sei von höchfter Bedeutung. Die verelentete Messe müsse zu ihrem Vorteil Ge schlossenheit zeigen, am 7. Dezember für die Sozialdemo fratie stimmen, deren Grundgedante die soziale Gerechtigkeit ist. Die Versammlung wurde mit einem braufenden Hoch auf die Sozialdemokratie geschlossen.

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In einer überaus stort besuchten Versammlung in Lighten. berg sprach Genosse Lempert, der scharfe Abrechnung hielt mit den Rechts- und Linksparteien. In der Diskussion amüsierte ein Bertreter der Freien Wirtschaftlichen Vereinigung. In einem furzen Schlußwort über das Wirtschaftsprogramm der Sozialdemokratie wies Genoffe Lempert treffend nach, daß die Sozialdemokratische Partei die beste Vertreterin des Partei die beste Bertreterin des Wirtschaftspro gramms ist.

Die letzte öffentliche Versammlung unserer Partei in Noma. we's war die am fiärtsten besuchte Wählerversammlung in Nowa­mes überhaupt. Schon lange vor Beginn der Versammlung mar der große Eaal des Restaurants Turnhalle" bis zur legten Ede brechend voll. An Stelle des durch plötzliche Erkrankung am Sprechen verhinderten Genossen Ebert jr. sprach Genosse Ieus bert zu dem etwa 1500 Erschienenen, die seinen Ausführungen begeistert zustimmten. Die Kommunisten, die hier in ihrer einstigen Hochburg zu einem unscheinbaren Häuflein geworden sind, hatten sich aus Potsdam und Berlin einen Haufen junger Menschen geholt, die durch lümmelhaftes Betragen anscheinend die fommunistische Weltrevolution demonstrieren sollten. Ihre Störungs­perfuche zerschellten an dem geschlossenen Willen unserer Partei­freunde und der Wachsambeit des Reichsbanners. Mit einem Hoch auf die Partei und die Republik schloß die Versammlung.

Im Moabiter Gesellschaftshaus, Wicleffstraße, war der riesige Gaal bereits lange vor Beginn der Versammlung völlig überfüllt. Ganze Pyramiden von Stühlen wurden herbei gefchafft, um neue Singelegenheiten zu schaffen. Trotzdem mußten Hunderte in den Gängen und am Saaleingang stehen. Der Refe rent, Genosse Otto Meier , gab noch einmal ein Bild der inneren und äußeren Politt der letzten Jahre, insbesondere der von uns mit aller Konsequenz betriebenen Reparationspolitit, die im Lon­ doner Abkommen eine gemissen Abschluß fcnd. Ein paar fommu­rift fche Diskussionsredner versuchten, ihre Tiraden an den Mann zu bringen, sie wurden doch von den Genossen Zimmer­i mann und Umlauf abgefertigt. Einige Kommunisten, die die Spren gung der Versammlung provozieren wollten, wurden furzerhand an die frische Luft gefeßt. Die Bersammlung war ein voller Erfolg unserer Partei und eine vernichtende Niederlage für die Kommu nisten, die am Abend zuvor im Ariushof" zu Moabit nur einige Dutzend Besucher in ihrer Verfamantung hatten.

In Lantwit sprach Genosse Schulz in der letzten Wähler perfammlung diefes Wahlkampfes. Er zeichnete mit deutlichen Zügen de Lage und feffelte seine Zuhörer durch eine glänzende Rede. Er begann mit der Gegenüberstellung der Erziehung der Messen zum politischen Denker. durch die Sozialdemokratie und des bis zum Jahre 1918 politifa völlig indifferenten Bürgertums, das, seitdem ihm von der Sozialdemokrate der Weg in die Politik geöffnet mor­den ist, sich mit Phrasen vollstopft und so politisch geschult au fein glaubt. An den Ptrafen, die am meisten im Schymunge find, zegte er die wahren Gesichter der Parteien. In der Diskussion

machen. Birkt es nicht wie eine Karikatur, die den Stift des Zeich ners geradezu herausfordert wütend bemüht, fleine Kinder zu jagen, um sich an ihnen für einen mein ein redenhafter Teutone fich verdienten Reinfall zu rächen?

Wahnsinnstat eines Betrunkenen. Der Kampf auf dem Treppenflur.

Ein furchtbarer Auftritt spielte sich gestern abend in der Bürger­Straße 20 in Reinidendorf ab. Ein Flei chermeister Wilhelm Krupp fam angetrunken nach Hause und mißhandelte feine Frau und seine Tochter so schmer, daß fie um Hilfe riefen. Hausbewohner benachrichtigten die Polizei, und das 291. Revier entsandte sofort zwei Beamte. Diese redeten dem Büterich gut zu, und es gelang ihnen scheinbar auch, ihn zu beruhigen. Kaum aber hatten sie den Rücken gewandt, da ergriff K. ein Schlächter. messer und versetzte einem der Hausbewohner, die sich auf das Geschrei und den Lärm auf dem Treppenflur angesammelt hatten, zwei schwere Stiche in den Arm und einen in den Kopf. wieder gellten Hilferufe durch das Haus. Einige Leute ficfen hinaus, um die Polizei zurückzurufen. Den Wachtmeister Stapel, der zuerst wiederfam, empfing RK. mit dem gleichen Schlächtermesser. Er brachte ihm Berlegungen am Kinn. einen Lungenstich und einen Stich in das Genid bei. Trotzdem versuchte der Wacht­meister, ihm das Messer noch zu entreißen. Während des Kampfes fam auch der zweite Beamte zurück, um seinem bedrängten Kame raden beizustehen. Von der Schußwaffe wollte er feinen Gebrauch machen, weil der ganze Treppenflur belagert war, be­fonders von Frauen und Kindern. Endlich eilte der Wüterich die spärlich erleuchtete Treppe hinauf und verbarritadierte sich im Dachgeschoß. Während die Verletzten nach dem Kranken­hause gebracht wurden, um sich verbinden zu lassen, kamen noch mehrere Beamte dazu. Sie ließen, um weiteres Unheil zu verhüten, K. in seinem Bersted sitzen, überwachten ihn die Nacht hindurch. holten ihn heute morgen um 6 Uhr heraus und brachten ihn nach der Wache. um ihn später der Kriminalpolizei zuzuführen. Der Bolizeiwachtmeister Stapel liegt schwer verfest im Kranken­haus.

Großfeuer fam heute früh in der fünften Stunde aus noch nicht ermittelter Ursache in den Rungewerfen, chemische Fabrik, Lazarusstraße 19, in Spandau zum Ausbruch.

sprach der Vorfigende der Lantmizer Boltspartei= schaft und forderte die ate Fahne der Monarchie zurüd. Ihm wurde. gruppe. Er lagte über das Reichsbanner, pries die Volksgemein­schen Sak: Alles, was im letzten Jahre erreicht ist. hat die Deutsche die richtige Antwort zuteil Schallenbes Lachen. Nach dem Lassi­Bolfspartei erreicht!" verließ er den Gaal unb tam so um das Schlußwort, daß der Referent ihm zugedacht hatte. Wer wird na diefer Leistung wohl noch Boltspartei wählen und sich dabei für einen ernstzunehmenden Menschen halten?

Völkische Judenangst.

Am fpärlich erleuchteten Ranafufer, unfern vom Bahnhof Bellevue, liegt etwas versteckt das Café Gärtner, in dessen Meinem Tanzsaal sich die Anhängerschaft der Nationalsozialisten vers sammelt hatte, um Herrn Wilhelm Kube zu hören. Das Publikum befland aus einer Reihe älterer Herrschaften, darunter zahlreiche rabiate Damen in weit über heiratsfähigem Alter. Dazu gefellte sich ein Saalschuk, der durch eine übergroße Jugendlichkeit das Durch schnittsalter der Anwesenden wohl auf eine mittlere Proportion bringen follte. Es ist festzustellen und an Hand der gemachten Notizen einwandfrei nachweisbar, daß die Rede des Herrn Rube sich, was verlogene Demagogie anlangt, unter dem Niveau bewegte, das in Wahlversammlungen irgendeiner anderen Partei in diesem Wahlkampf bisher zu finden war. Beschimpfungen des Staats. Bemerkungen gerichtshofes als Partei gerichtshof, unflätiaſte gegen das Reichsbanner, sachlich falsche und obendrein ordinär ver zerrte Wiedergaben aus dem Davids Gutachten, wie Herr Kube geistreicherweise das Dames Gutachten nannte, wechselten ab mit

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der bekannten Infinuation, der Reichspräsident verschiebe aus wahl­tattischen Gründen einen Beleidigungsprozeß betreffs feiner angeb flissentlich seinen Hörern verschwieg, daß diese Angelegenheit bereits lichen Teilnahme am Munitionsarbeiterstreif, wobei Herr Kube ges schon einmal gerichtlich mit einer absoluten Klarstellung und einem schmählichen Abzug des Beleidigers geendiat hatte. Es heißt Herrn einginge. Nachdem er durch entsprechende liebenswürdige Vor Rube zuviel Ehre antun, wenn man auf seine Ausführungen näher bereitungen, wie etwa: Wenn hier einer von diesen Sozial­demokraten, diesen Lumpen, sprechen sollte, vergeßt nicht, daß in 3offen neulich Jungdo- Leute vom Reichsbanner niedergeschlagen worden sind und ähnliche freundliche Ermunterungen eine ge nügende Siedehize in der Versammlung angeschürt hatte, liek er nach 2½stündiger Rede gütigst unseren Parteigenossen Günthei einige Minuten zu Worte tommen, der in ebenso fnappen wie treff. lichen Darlegungen unsere Stellung gegenüber den internationalen Rapitalsmächten fennzeichnete und auch die Ausführunnen des Herrn Rube richtigerweise als nationalötonomische Belletristi fennzeichnete. Als dann noch gar ein Jude und Sozialdemokrat, nämlich Genosse Dr. Friedländer, es sich erlaubte, auf der Rednertribüne zu erscheinen, kannte die Wut der Versammlung feine Grenzen mehr, und auch Herr Rube, von unserem Genossen darum ersucht, Ruhe im Saal zu schaffen, bat das in der Weise, daß er erklärte, er freue sich über die Stimmung der Versammlung und auch er sei der Meinung, daß Juden prinzipiell nicht das Wort erteil werden soll. Es scheint demnach, daß die Angst dieser Herrschaften vor einem einzigen Juden, der keine andere Waffe bei sich trägt als die Argumente feines Wissens und seiner Ueberzeugung, so groß ist daß weder der Herr Redner noch die Versammlung den Mut hatten ihn anzuhören.

Sie klirren weiter!

Unter der Ueberschrift Mit Echwertgeflirr und Mogenorail veröffentlichten mir vor einigen Tagen einen gloffierenden Berich über eine sogenannte Studentenfeier in ber Technischer Hochschule", bei der General Reinhard, Graf von der Golh_un! Egreftor Roethe ihrem gepreßten Herzen Luft machen mußten Gestern mun verteilte man unter den Berliner Studenten Flug biätter, von deren unbekannten Vätern im Parteiburcau der Deutschnationelen Volksrartei" man zwar fagen tann, daß fit mehr verfaßt als erfaßt haben, daß sie sich aber wenigstens redlid -Sowei toiese Leute überhaupt redlich sein tönnen bemühen fehlende Wahrheit durch e'n llebermaß von Lügen und Gemein heiben auszugleichen. In diesem Flugblatt, das feiner Form und feines Inhalts wegen besser Fluchbl tt" heißen würde, wettern fir gegen die Parteien der" goldenen Mitte", insbesondere gegen Dit goldene Geldfad- Demokratie" und gegen die Deutsche Bolfsrartei, die Partei der goldenen Worte", und meil sie nach Feststellung dieses Blödsinns für sich selbst festzustellen nergessen. daß Schweigen schon nach einem alten Sprichwort Gold ist, schreien fie noch über diefe terroristische jüdisch- demokratische Klique", die um Deut'dy lands Eintritt in den Bölkerbund buhlt, freischen sie über das Ver föhnungsgefafel mit jener Kulturnation, die noch jetzt e'nen deutschen General a's Kriegsverbreder verurteilt", toben sie noch gegen die Prätorianergarde des jüdisch- demokratischen Kapitalismus, das Reichsbaner Schwarz- Rot- Gelb".

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Diese Verächtlichmachung durch Verächtliche wundert uns nicht Diese Herrschafben haben eben schon jetzt die Schwarzrot. gelbfucht vor Reib auf den republikanischen Sieg am 7. Dezember.

Der Brand muß dort schon längere Zeit unbemerkt gemütet haben großer Lagerschuppen mit Altgummi vollständig in Flammen. Diest denn als er der Feuerwehr um 4% Uhr gemeldet wurde, stand ein hatten so reiche Nahrung gefunden, daß bereits bei Ankunft des Spandauer Löschzüge der Lagerfchuppen mit seinem reichen Inhall ein Flammen meer bilbete. Es gelang trok der außergewöhn lich großen Qualmentwidlung und Hiße die Flammen auf den Lager. schuppen, der vollständig niedergebrannt ist, zu beschränken und die übrigen sehr gefährdeten Fabriträume und Rontorgebäude zu schüßen. Nach etwa fünfftündiger Tätigkeit fonnte die Feuerwehe

mieder abrüden.

Ein ungewöhnlicher Selbstmordversuch. Mit Messer und Revol ver versuchte sich in der vengongenen Nacht ein etwa 50 Jahre alter Ingenieur in Ebeglik das Leben zu nehmen. Er brachte sich zwe! Stiche in die Brust bei, fchoß sich dann noch zwei Kugeln in die rechte Schläfe, bleb aber trotzdem am Leben und wurde nach dem Lichterfelder Krantenhaus gebracht Nach den bisherigen Ermittlungen wurde der Mann durch Nede reien, die ihn gesellschaftlich bloßstellten, zur Verzweiflung getrieben.

Sport.

Der geftrige Borabend im Sportpalast brachte außer dem bereits im heutigen Morgenblatt mitgeteilten Bunttsieg Breiten. fträters über Goddard eine Reihe anderer interessanter Kämpfe Im ersten Treffen stand Walter Funte dem Engländer Andrew Newton gegenüber, zwei äußerst harte und flinke Leute. Dem mit guter Technit ausgestatteten Engländer stand Funte nicht nach und es gelang ihm nach acht Runden den Punkt fieg zu erfämpfen. Der Kampf Adolf Ser bold gegen Sergt. Sid Pape- England wurde von den Gefundanten des ersteren schon in der ersten Runde aufgegeben, da Seybold schon beim ersten Schlag zu Boden mußte und im Verlauf der Runde nicht imstande war, den Kampf weiterzuführen. Ernst Rosemann stand im nächsten Kampf dem Engländer Arthur Townleŋ gegenüber. Hart und mit viel Blut murde dieses Treffen geführt. Den mi riesigem Stehvermögen ausgestatteten Engländer rettete der Gong der lekten Runde ver tem Auszählen. Heinz Domgörgen und Joe Bloomfield England fämpften unentschieden.