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Nr.583 41. Jahrgang Ausgabe A nr. 297

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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands  

Redaktion und Verlag: SW 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Redaktion: Donhoff 292-295 Verlag: Douboff 2506-2507

Donnerstag, den 11. Dezember 1924

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ad

Das Reichskabinett wird demissionieren Die Verluste der Kommunisten.

Alsbaldiger Rücktritt beschlossen.

WEB. meldete geffern abend amflich: Das Reichstabinett beriet heute nachmittag die durch die Wahlen zum Reichstag geschaffene polififche Cage. Nach ein­gehender Aussprache hat sich das kabinett dahin entschieden, daß es

alsbald zurüdtreten wird. Der Reichstanzler wird sich mit dem Reichspräsidenten wegen des 3 eitpunttes des Rüd­friffs ins Benehmen sehen.

Das Reichsfabinett hat also gestern in seiner lang aus­gedehnten Sigung den Beschluß gefaßt, als bald seinen Rüdtritt zu vollziehen. Dieser Beschluß sieht nach einem Kompromiß aus zwischen zwei Strömungen, von denen die eine den Rücktritt sofort, die andere überhaupt nicht wollte.

Für den Rücktritt fonnte geltend gemacht werden, daß eine formale Demission der Regierung nach vollzogenen Bahlen dem Brauch mancher parlamentarisch regierten Staaten entspreche und eine Wiederbeauftragung durch das Staatsoberhaupt keineswegs ausschließe. Für den Rücktritt konnte auch entscheidend die Erwägung sprechen, daß eine der bisherigen Regierungsparteien die Fortsetzung des bisherigen Koalitionsverhältnisses, der Ar­beitsgemeinschaft der Mitte, nicht gestattet, eine Umbildung des Kabinetts also so oder so notwendig werden würde.

Gegen den Rücktritt sprach der Umstand, daß die Wähler die Außenpolitik des Reichstanzlers Marg mit über wältigender Mehrheit gebilligt, ihre Innenpolitik zum min­desten nicht mit klar zutage tretender Absicht mißbilligt hatten. Gegen fie sprach auch die lieberlegung, daß eine feste Rich­tung für eine neue Mehreitsbildung noch nicht erkennbar, die Erfekung des bisherigen Kabinetts durch ein anders zusammengesettes also ganz außerordentlich schwierig fei. Diese Ueberlegung hätte dann zu dem Ergebnis geführt, dak man die bisherige Koalition der Mitte zunächst fortgefeßt hätte und das bisherige Kabinett vor den neuen Reichstag ge­treten wäre, der es dann schwerlich ohne weiteres gestürzt haben würde.

Zur Situation, die nun durch den Beschluß des Reichs fabinetts entstanden ist, fönnen wir nur wiederholen, daß das Kabinett Mary nicht durch die Sozialdemokratie, sondern durch

Die Tagung in Rom  . Verhandlungen über das Sicherheitsproblem. Paris  , 10. Dezember.  ( Eigener Drahtbericht.) Der Tagung des Bölferbundrats in Rom   wird in den hiesigen politischen Kreisen um fo größere Bedeutung beigemessen, als nach den übereinstimmenden Meldungen der hiesigen Blätter zwischen den dort anwesenden zum größten Teil in leitender Stellung befindlichen Vertretern der Groß­mächte hinter den Kulissen, d. h. außerhalb des Rahmens der offiziellen Tagung, sehr wichtige Verhandlungen geführt werden. Nach den hier vorliegenden Informationen soll es sich dabei in erster Linie um die Regelung des Sicherheitsproblems handeln. Die Information" läßt sich darüber aus Rom   melden, daß Briand  , der offizielle Bertreter Frankreichs  , am Dienstag barüber mit dem englischen Außenminister Chamberlain eine fehr wichtige Unterredung gehabt habe, deren Hauptgegenstand die bereits in der Zusammenkunft zwischen Herriot   und Chamberlain an­geschnittene Frage der Schaffung einer entmilitarisierten Zone am Rhein   und deren Unterstellung unter die Aufsicht des Bölferbundes gebildet habe. Wenn darüber auch noch keine end­gültigen Beschlüsse gefaßt worden seien, so scheine es doch, daß über das Prinzip selbst das Einvernehmen zwischen beiden Regierungen bereits als definitiv angesehen werden könne und daß das Projekt vielleicht schon in den kommenden Wochen tonkrete Formen an­nehmen werde. Nach der gleichen Quelle soll der Völkerbundrat in einer vertraulichen Sigung dem Borfchlage zugestimmt haben, das Präsidium der beiden Untersuchungsfommissionen des Völkerbundes, die gemäß Artikel 213 des Friedensvertrages an Stelle der inter­alliierten Kontrollkommission die Ueberwachung der Abrüstungs­bestimmungen in Deutschland   und Desterreich übernehmen sollen, mit einem französischen   bzw. italienischen Generai zu besetzen. Allerdings sei dieser Vorschlag zunächst bei mehreren neutralen Ländern auf scharfen Widerstand gestoßen und es habe sehr energischer Vor­stellungen durch die alliierten Vertreter bedurft, ehe dieser Beschluß Annahme gefunden habe.

Mit Bestimmtheit verlautet, daß der Rat des Bölkerbundes be­fchloß, einen französischen   General an die Spize der Militärkontroll­tommission des Völkerbundes für Deutschland   zu stellen. Doch scheint man sich noch nicht über die Person geeinigt zu haben.

Das Untersuchungsrecht des Bölkerbundes. Rom  , 10. Dezember.  ( WTB.) Ueber die heutige Geheimfigung des Bölterbundrales, in der die mit dem Untersuchungsrecht des Rüftungsstandes in Deutschland  , Desterreich, Ungarn   und Bul  garien zusammenhängenden Fragen weiter behandelt wurden, ver­breitet das Sekretariat des Bölferbundes eine Mittellung, in der cs u. a. heißt:

Im Namen der britischen Regierung richtete Chamberlain

eine Partei, die ihm selber angehört, ins Wanten gebracht worden ist. Fällt dieses Kabinett endgültig, so wird es zu nächst Sache der Partei sein, die es zu Falle gebracht hat, für die Bildung einer neuen Regierung Sorge zu tragen. In Berfolg dieser Idee spricht man auch schon davon, daß die Volkspartei ihren Führer, Herrn Strese mann, zum Reichskanzler vorschlagen werde. Herr Stresemann würde sich dann, vorausgesetzt, daß er es schafft, im Verlauf von vierzehn Monaten vom Kanzler der großen Roalition zum Ranzler des Bürger blods entmidelt haben gewiß eine bemerkenswerte Leistung!

--

Damals, als die große Koalition zustande tam, rühmte sich Herr Stresemann, die größte Mehrheit hinter fich zu haben, über die je eine Regierung verfügte. Er hat sie aber nicht einmal fopiel Monate zu halten verstanden, wie der Sozialdemokrat Braun in Preußen Jahre. Auf eine so große Mehrheit wie der Kanzler der großen Koalition würde sich der Kanzler des Bürgerblocks nicht stüßen können. Wie lange er sie zusammenhalten könnte, müßte die Zeit lehren. Herr Stresemann sprach als Kanzler der Großen Koalition auch die düstere Prophezeiung aus, sein Rabinett werde die legte parlamentarische Regierung Deutschlands  sein. Das ist glücklicherweise nicht eingetroffen. Möglich aber, daß feine Bürgerblockregierung die erste unparlamentarische werden wird oder werden will.

Ob sie zustande kommt, unter seiner Reichskanzlerschaft oder unter einer anderen, wird vom Zentrum abhängen. Dessen Beschluß wird in der Sozialdemokratischen Partei mit der allergrößten Spannung erwartet, da von ihm das fernere Berhältnis der beiden Barteien zueinander abhängen wird. Sein Uebergang zum Bürgerblock würde nach diesem Wahl tampf in den Kreisen der Sozialdemokratie Gefühle auslösen, die ein Zusammenarbeiten nach einem etwaigen raschen Scheitern des Bürgerblockerperiments nicht mehr möglich machen würde. lind so könnte dieses Experiment nach seinem Scheitern einen größeren Scherbenhaufen zurücklassen, als mancher ahnt.

an den Rat die Bitte, feststellen zu wollen, ob ein Einstimmigkeits. beschluß notwendig ist oder nicht, wenn der Rat eine Entscheidung zu treffen hätte, 1. über die Zusammensehung der Untersuchungs­fommission und 2. über die Folge, die den Berichten der Unter­fuchungstommission zu geben ist. Der Rat beschloß, daß die Zu­chuk erfolgen foll. Zu dem zweiten Bunft beschloß der Rat nach sammenfegung der Untersuchungsbommission mit Mehrheitsbe einem Meinungsaustausch, an dem sich Chamberlain, Briand  , Benesch und Unden beteiligen, die Prüfung der Frage in der Märztagung fortzusetzen, um so den Regierungen zum Studium der Frage Zeit zu laffen. Die Regierungen, die Ratsmitglieder sind, werden das Brotokoll über den Meinungsaustausch erhalten, der im Rat über diese Frage stattgefunden hat.

fuchungsrechts zusammenhängt, ist von Briand  , dem Ver­Eine dritte Frage, die mit der Aufhebung des Unter= treter Frankreichs  , aufgeworfen worden, der vorschlug, die Kom­miffionen zum Studium der Frage über den Rüstungsstand zu Lande, zu Wasser und in der Luft mit der Prüfung des Problems der entmilitarisierten Zonen zu beauftragen, die in den Friedens­verträgen vorgesehen sind. Bekanntlich ist in der vom Bölker. bundsrat im September geschaffenen Organisation zur Sicherung der Ausübung des Untersuchungsrechtes vorgesehen, daß innerhalb der vom Rat bestimmten Fristen und mit seiner Genehmigung die Bräsidenten der Untersuchungstommiffionen gewisse stable Ele mente nach gewissen Punkten der entmilitarisierten Zonen deta­chieren können, wo die Kontinuität der Untersuchung notwendig sein könnte. Der Rat hat dem Borschlag des franzöfifchen Ber­treters zugestimmt und wird morgen den Tert einer entsprechenden Entschließung festlegen.

Die Hitler- Affäre in der Schweiz  .

Neue Dokumente.

Genf  , 10. Dezember  .( Eigener Drahtbericht.) Eine Meldung aus Bern   bestätigt, daß dem Bundesrat zurzeit neue Dokumente über die Berbindungen Hitlers   mit der Schweiz   zur Prüfung vor. liegen. Der vielgenannte Oberst Bircher   in Aarau  , der nach der Beröffentlichung der Affäre gedroht hatte, gegen die Urheber Klage zu erheben, hat inzwischen darauf verzichtet, nachdem er die Aften eingefehn hat. Der Schweizer Evangelische Kirchenbund bestätigt in einer öffentlichen Erklärung, daß große Summen für Deutschland   gesammelt wurden, bestreitet aber, daß diese Gelder, femeit ihm betannt sei, politischen Zweden gedient hätten. diesen Sammlungen nicht im Zusammenhang. Die Tätigkeit des Reichstagsabgeordneten Eberling stehe mit

durch Mittelspersonen um die Genehmigung einer Aufenthalts Der Genfer Travail" wird aus Bern   gemeldet, daß Hitler  erlaubnis in der Schweiz   nachsuche, da ihn Banern ausweisen wolle. Ebenso habe er in Ungarn   und Italien   entsprechende Schritte unternommen.

Wahlstatistik und

PP

Die Kommunisten haben von den 62 Mandaten, die sie im aufgelösten Reichstag besaßen, 17 verloren, sie sind jetzt nur noch 45 Köpfe start. Ihr Berlust an Mandaten beträgt weniger als ein Drittel, obwohl man allgemein mit einem Berlust von mehr als einem Drittel gerechnet hatte. Auch hier ist durch die größere Wahlbeteiligung, ähnlich wie bei den Deutschnationalen, eine Verschiebung des Bildes einge­treten.

Die Deutschnationalen find, wie schon neulich hier nach­gewiesen wurde, im neuen Reichstag nicht stärker als im alten, denn 111 von 493 find nicht mehr als 106 von 472. Die Kommunisten stehen jetzt mit einer tieineren Fraktion in einem größeren Reichstag. 45 von 493 find meniger als die 45 von 472.

Anteil behalten, jener der Kommunisten ist stark zurüdge­Die Deutschnationalen haben ihren verhältnismäßigen nisten, das heißt, etwa ein Achtel der Plätze war von den gangen. Der aufgelöste Reichstag zählte 13 Proz. Kommu nisten, das heißt, etwa ein Achtel der Pläge war von den Jüngern Moskaus   besetzt. Jetzt sind es nur noch 9 Proz. oder ungefähr ein Elftel.

fratie vordem 21 Broz. oder rund ein Fünftel der Size, jetzt hat sie 26 Broz. oder mehr als ein Biertel. Im aufgelösten Reichstag famen auf je fünf Sozialdemo traten drei Kommunisten, im neuen fommt auf je drei So­zialdemokraten ein Kommunist.

Auf der anderen Seite hatte die Sozialdemo

7. Dezember und 4 Mai ergibt folgendes Bild: Ein Vergleich der Wahlstimmen beider Parteien am

KPD  .

4. Mai Wählerstimmen

KPD  .

7. Dezember Wähler stimmen Sozialdemokraten 6 007 000 Sozialdemokraten 7.859 000 3 692 000 2 698 000 Zusammen 9 699 000 Bufammen 10 557 000 der beiden Parteien fast um eine Million zugenommen hat, Es ergibt sich also, daß die Gesamtzahl der Stimmen obwohl die KBD  . rund eine Million Stimmen periaren hat. Die Sozialdemokratie hat nicht nur diese Million gewonnen, sondern darüber hinaus noch fast eine Million Stimmen hinzu

gewonnen.

Die Verschiebungen, die in den einzelnen Wahl­freisen eingetreten sind, läßt folgende Tabelle erkennen, in der gezeigt ist, wieviel fommunistische Stimmen auf je 100 sozialdemokratische im Mai und im Dezember entfielen:

1. Ostpreußen 2. Berlin  

6. Pommern 7. Breslau  8. Liegniß 9. Oppeln 10. Magdeburg 11. Merseburg 12. Thüringen  

13. Schleswig- Holstein  

14. Wefer- Ems

15. Osthannover

KPD  .

SPD  .

4. Mai 7. Dezbr

100

76

39

100

95

59

4

3. Botsdam II

100

73

41

4. Potsdam I

100

72

40

5. Frankfurt   a. b. D.

..100

34

15

100

46

22

100

25

10,5

100

22

10

100

500

180

100

32

12,5

100

166

120

100

70

46

100

42

22

6

100

37,5

18

100

37

16

16. Sübhannover 17. Westfalen- N. 18. Westfalen- S. 19. Hessen- Nassau 20. Köln- Aachen 21. Roblenz- Trier 22. Düsseldorf  - D.

100

27

13

100

.

54,5

25

100

138

49

100

37

17

100

140

57

100

70

38

100

220

135

23. Düsseldorf  - W.

100

195

89

24. Oberbayern  

100

65

34

25. Niederbayern  

100

76

34

26. Franken

100

26

14

27. Pfalz  

100

58

27

28. Dresden  - Bauten

100

24

17,5

29. Leipzig  

100

52

35

30. Chemnih- Zwickau  

100

72

45

31. Württemberg  

100

72

40

32. Baden

100

66,5

33

33. Hessen- Darmstadt

100

31,5

15

34. Hamburg  

100

66

44

35. Medlenburg

100

40,5

18

Es gibt also nur noch drei Kreise, in denen die KPD  . stärker ist als die Sozialdemokratie: Oppeln  , Merseburg   und Düsseldorf  - O. In weiteren dreien: Berlin  . Köln- Aachen und Düsseldorf  - W. übersteigen die kommunistischen   Stimmen immer noch die Hälfte der sozialdemokratischen. In 29 Kreisen ist die. Sozialdemokratie mehr als doppelt so start wie die KPD  . In einem großen Teil non diejen kommen die Kom­munisten als ernsthafter Faktor überhaupt nicht mehr in Betracht.

Besonders erfreulich für uns ist die Entwicklung in Berlin  . Hier hatte die Sozialdemokratie im Mai nur einen ganz fnappen Vorsprung behalten, im Dezember hat fie die KPD. in weitem Schwung überholt.