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Nr. SSZ 41.?ahrsang

! ÖC0 �0�GJOti0 donnerstag.ll. Dezember 1424

Klar zum Weihnachtsmarkt.

i}mtberöoufenJ)c von Kinderannen strecken sich sehnsüchtig den Schätzen entgegen, die in den eleganten Laden der Geschäftsstraßen aufgestapelt liegen und einen Reichtum von Spielsachen offenbaren, von dem man wirklich sagen kann: So etwas ist noch nicht da- gewesen. We Errungenschaften der Technik: Dampfmaschinen, Eisen- bahnen, chäuserbau, sind in Duodezformat vertreten: all« raffinierten Bekleidungs- und Ausstatwngscfickte vertreten. Aber neben diesem Epielzeugmorkt der Reichen existiert noch der bescheidener« Platz, den der Straßenhandel zur Weihnachtszeit einnimmt. Seit der Inflationszeit, die so viele Kleinrentner wieder zum Erwerb« zwang. ist der fliegende Handel in Berlin in immer stärkerem Maß« ge> wachsen: so mancher fetzt seine Hoffnung auf den Erbos der vom Engroshändler frisch gekauften Ware, und namentlich zu Weih­nachten, wo den meisten Menschen dos Geld lockerer in den Taschen sitzt als gewöhnlich, kommen sie hervor, um ihren Anteil am silbernen" undgoldenen" Sonntag zu hoben. Sie werden froh fein, mit ein paar Rentenmark Ueberfchuß abzuschließen. v!e veröienftsponne im StraftenhanSel ist nicht sehr groß: vielfach schreibt der Grossist oder der Fabrikant den Deiailverkaufspreis vor; eine Spanne von 25 Proz. ist schon belrächtlich. Die War« wird bar verkauft: sieh zu, wie du sie los wirft. Meist handelt es sich ja um keine sehr hohen Einzelbeträg« TeiÄybären oder Puppen, die 4 M. kosten und mit 5 M. verkauft werden, sind Ausnahmen: aber die Mass« der Waren, die doch gleich im Dutzend erworben werden muffen, setzt ein nicht ganz geringes Anlagekapital voraus. Freilich: Zehr.-Pfennig-Arlikel grhen immer am besten, und zwar ist diese Wciehcil ein« sehr alte; der genial« Berliner Schriftsteller Faucher hat schon vor zwei Mnischen- altern den Satz geprägt:In Berlin glücken immer nur Sachen, die'n Groschen kosten." Einen Beweis aus jüngster Zeit liefert folgendes: Bor Jahren gab es boxende Kerle aus Metall. Preis 1 M.: jetzt sehen wir dieselbe Sache aus Holz und Poppe, P'-eis lg Pf. Der Mann verkaufterasend". Die Hakibarkeit hängt de- kanntlich bei diesen Dingen von der Behandlmrg des gekauften Gogenftandes durch den Käufer ab. Rur im Augenblick des Ber- kaufes muß dos Ding tadellos funktionieren das ist Ehrensache. Uebrtgens trifft dies auch bei den beweglichen Gegenständen aus teuren Geschäften zu. In Mitteldeutschland , Thüringen , Sonneberg und in Nürnberg fitzen immer noch un-ählige heimarbeiler, die nicht nur solche bewegliche» Figuren herstellen, sondern auch erfinden. Ist eine neue Konstruktion geglückt, so kaust sie der Fabrikant, nimmt Musterschutz und läßt sie herstellen. Eine Summ« oon geistiger Arbeit steckt zweifellos in diesen Seinen Erfindungen, selbst wenn

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st« nur geschickte Ueberlragungen schon vorhandener Konstruktions- Prinzipien aus neue Stoffgebiete sind. So war vor einiger Zeit die pickende Gänsesamilie ein beliebtes Spielzeug: die Figuren wurden durch den Boden gezogen« Fäden bewegt Jetzt taucht dieses Prinzip in anderen Formen auf. Hauptfache ist. daß alles oder etwas sich bewegt, und daß Musik oder wenigstens ein musikähnliches Ge- rausch hervorgebracht werden kann. Haben die Kinder dann, dem

Wissensdrange der Jugend folgend, die Ursache der Bewegung oder der Musik ergründet, so ist dadurch meist der Mechanismus gestört, das Ding kaputt und die geplagten Eltern sind erlöst. das Neueste vom Neue»". Heute ist jetzt ein« billig« Harmonika mit sich bewegenden Figuren, alles aus Pappe, zu bewundern. Die Musik ist ganz angenehm, was man vom Geheul des Hundes, den man in der Hand ein wenig preßt, gerade nicht lagen kann. Kann man keine Musik'hinein- zaubern, so ist Bewegung durchaus notwendig: wer würde sich

Etageren stehen hier die Muster, Menschen, Tiere, Kirchen. Häuser, Wagen, aus allen möglichen Metallen, Stoffen und Hölzern. Viel- fach hat derselbe Grossist auch neben dem Weihnachtsfchmuck und den Spielsachen noch Wolle, Woll- und Kurzwaren aller Art, damit die Händler, die das Herz der Weiblichkeit durch solch«praktischen" Gaben erfreuen wollen, nicht noch einen zweiten Gang nötig haben. Dutzend- oder paketweise wird hier geliefert, und in diesem Vor- weihnachtmachen ein Umsatz erzielt, der sehr hohe Betrag« erreicht.

heute noch mit einem Vahschäfchen vergnügen, das. auf einer Holz- platte mit vier Rödern stehend, an der Strippe fortgezogen wird? Nein, das moderne Schaf läuft entweder selbst oder ist wenigstens so beweglich, daß es all« Viere ausstrecken oder an sich ziehen kann, daß es den Kopf bewegt usw. Ja, dies« Sucht, die Spielsachen Puppen und Tiere gewässermasten zu Gefährten des Menlchen zu machen, feiert erst dann den höchsten Triumph, wenn man solch eine Figur in alle ihr« Test« zerlegen kann. Man zieht dem kleine» Menschen die Arme aus, nimmt ihm die Beine fort; kurz, behandelt ihn wie eine Schöpfung aus Metallklötzern nach eigener Laune. Wo obige Ueberrafchungsprinziplen Bewegung und Geräusch nicht möglich sind, geht man von dem Grundsatz aus: Laß dich nicht verblüffen. Man hält dir einen Revolver vor die Nase; och. du siehst schon an dem Druckknapf, daß die gefährliche Form nur eine Attrappe ist, unter der allerlei neckische Schätze verborgen sind Und richtig: eine Lupe kommt zum Borschei*: ein Opernglas läßt sich auch noch konstruieren usw. Da ist derSchirm in der Tasche", die Zusammenlegung eines Regenschirmes zu einem kurzen Zylinder: «in Waisenknabe hinsichtlich ingeniöser Ausnutzung des Raumes. die Sorfe derEchiaaer". Die Geschäfte, di« die Zwischenstelle zwischen dem Fabrikanten und den Händlern bilden, sind in der Rilkerstraße und der Reuen Arledrichstraße zu finden. Aus langen Tafeln und in langen

Do natürlich auch Leute einkaufen, die in die Provinz hinausgehen, so hausen sich vor diesen ganz« Berge von Waren aus; der in Berlin und Umgegend handelndeWeihnachtsmann" kann seinen Bedarf jederzeit neu decken. Bold wird Berlin wieder sein Weihnachtsaepräge haben: grüne Tannen stehen aus den Plätzen und in den Bitten locken die Herr­lichkeiten einer Welt die Käufer an. Aber neben dieser Aristokratie des Strahenhandeis stehen die Mitläufer, di« sich ohne einen Schutz den Unbilden der Witieruna aussetzen müssen, um ihre Ware an- bieten zu können. Und die" Sprechorgane dürfen sie nicht schonen, vielmehr nach Leibeskräften in die Welt hinausschreien, daß sie das Beste und Schönste zu einem Preise geben, derniemals wieder- kehrt". Wer möchte mit ihnen taufchen? Höchstens das Kind an deiner Hand, daß sich an den bunten Figuren, den kletternden Affen und den Stehaufmännchen sich nicht satt sehen kann. Und auch sein Wunsch, Herr über all diese Schätze zu sein, wird sich in dem Augenblick verflüchtizen, wo du in di« Tasche gveifft und ihm«inen der bezehrten Gegenstände kaufst.Den Pojazz bauen wir aber zu Weihnachten buf", sagte der kleine Junge, um die Ausgab« zu rechkserlizen. Ach, bis Weihnachten wird der Clown längst das Zeil- liche gesegnet haben. Und das ist gut so denn von was sollten sonst die Straße ii Händler leben? voUstänüige Aufhebung öer Hunöefperre. Das Polizeipräsidium teilt mit: Nachdem die Tollwut im Polizeibezirk Berlin erloschen ist, hat der Polizeipräsident die durch die viehseuchenpolizeilichen Anordnungen vom 6. November ds. Is. erlaffenen Maßnahmen aufgehoben. Das gesamte Gebiet der Stadtgemeinde Berlin ist also nunmehr von der sogenannten Hundesperre befreit. Es bleiben aber die Bestimmungen der viehseustenpolizeilichen Anordnungen vom 27. Oktober ds. Is., durch welche die Genehmigungspslicht für die Abhaltung von Hundeausstellungen und ähnlicher Veranstaltungen vorgeschrieben wird, vorläuiig weiter in Kraft. Ebwffo müssen nach wie vor alle Hunde, auch die an der Leine geführten, aus dem Arm getragenen oder eingespannten aus� öffentlichen Straßen oder an Orten, wo Menschen oerkehren, mit einem b e i h s i ch e r e n Maulkorb und, sofern sie frei umherlaufen, mit einem Hals- band, das die genaue A d r e s f e des Besitzers des Tieres oder eine gültige Stcuermarke trägt, versehen sein. Auslösung gefangener Tiere kann entweder an Ort und Stelle durch Zahlung einer Ber- waltungsgebühr, die vorläufig auf drei Mark festgesetzt ist, an dcn

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Der ZNiitelweg.

Von Sir Philip Gibbs . Aber jetzt fühlte er sich nicht einsam. Janets Kamerad- schaff tat ihm so wunderbar wohl. Es war herrlich von ihr, die Tore dieses kleinen Heiligtums zu öffnen und eine er- schauernde Seele in diese Helligkeit und Wärme einzulassen. Sie erwähnte sein Buch jetzt zum ersten Male und nannte die Verleger dumm« Schafe. Lassen Sie es in der Tat ein Jahr ruhen. Dann werden sie sich alle heiser danach schreien. .Wir wollen die Wahrheit hören über den Krieg! werden sie rufen,.wir können gar nicht genug davon bekommen! Wir hungern danach!'" a Ja, aber was soll ich inzwischen anfangen? Das überlassen Sie gefälligst Ianet Welford, lachte sie. Die hat schon Männer an die merkwürdigsten Plätze gebracht, sie zu edlen und helligen Taten angespornt und sie auf die Höhen des Ruhms und Reichtums geführt. Machen Sie sich -nur keine Sorgen, denn Sie sind zu der rechten Dame ge- kommen, zur Feenpatin der Herren ,Mit mir ist's aus'." Ich glaube wirklich. Sie können erreichen, was Sie wollen", sagte Bertram warin. Alles, bis auf einige Kleinigkeiten!" Und die wären?" Sie schüttelte lächelnd den Kopf und schwieg. So plauderten sie bis zwei Uhr. Dann legte Ianet den Kopf zur Selle und lauschte auf den fernen Klang der tiefen Glocke. Gott bewahre! Schon zwei Uhr eines Maimargens, und zu zehn Uhr habe ich mich bei St. Dunston verabredet." Sie zeigte auf das Sofa.Wenn Sie schläfrig sind, schlafen Sie! Ich verfüge mich dorthinein auf mein tugend- Haftes Lager." Bertram erhob sich, ergriff ihre beiden Hände und sagte mit tiefer Rührung:Sie haben mich heute abend gerettet. Sie haben mir wieder Mut gegeben. Sie waren der beste Kamerad." Er zog ihre Hände an sich und würde sie geküßt haben. Aber sie beugte sich zurück und sagte:Rein, nicht jetzt. Nach Mitternacht gehe ich solch Wagnis nicht ein." Dann machte sie sich los. schlüpfte zur Tür. wandte sich noch einmal fröhlich lachend zu ihm und verschwand in ihrem jlutc Nacht, Sie treuer Rllteri" Damit schloß sie ihre Tür und dreht« den Schlüssel zwei- mal im Schloß.

Bertram legte sich auf das Sofa und war in kurzer Zeit eingeschlafen. Aber er träumte nicht von Ianet, sondern von Joyce. Er suchte nach ihr in einem dichten Walde, und immer sah er sie vor sich hergaukeln, konnte sie aber nie erreichen. 36. Eine Karte kam von Bernhard Hall von derNeuen Welt", die Bertram zu einem Besuche aus der Redaktion �auf- forderte. Er begrüßte Bertram mit der ihm eigenen Kühle, die die Flamme in seinem Herzen verbarg. Bitte, setzen Sie sich!" Bertram setzte sich in dem mit Papieren und Büchern übersäten Zimmer nieder. Eine ältere Person mit grauem, glattgescheiteltem Haar ging mit Bürstenabzügen, maschinen­geschriebenen Bnefen und Visitenkarten ein und aus. Ich habe jetzt eine halbe Stunde zu tun, Miß Doe. Die Leute müssen warten oder wiederkommen." Verlram war neugierig, ob ihm diese halbe Stunde ge- widmet würde, und zu welchem Zweck. Bernhard Hall starrte ein paar Augenblicke sein Papier - messer an und sah dann düster aus Bertram. Ianet Welford sagte mir, daß Sie mehr oder weniger in Verlegenheit sind!" Also war's Ianet gewesen! Das machte Bertram ver- legen, und er errötete leicht. Bedeutend mehr in Verlegenheit als weniger," ant- wartete er. Bernhard Hall lächelte eisig, worauf fein Gesicht wieder seine gewohnte melancholische Maske annahm,lllliß Wel­ford und Christy haben beide mit höchstem Lobe von Ihrem Kriegsbuch gesprochen. Es wundert mich ga- nicht, daß Sie es nickt angebracht bekommen. Die Leute"möchten diese Zeit der Tollheit vergessen. Sie sangen an. sich ihres eigenen Wahnsinns zu schämen. Meine Aufgabe und Ihre ebenfalls, denke ich, besteht darin, sie mit Gewalt daran zu erinnern, damit es nicht sobald wieder geschehen kann. Stimmt." sagte Bertram. Wieder starrte Hall auf sein Papiermesser, als wäre das ein geheimnisvolles Symbol.Es wird ak-er doch wieder ge­schehen, wenn wir in die Köpfe des Durchschnittsmenschen nicht ein bißchen Verstand hineinpfropfen. Die Politiker sind ge- rade dabei, einem neuen Kriege die Wege zu bereiten, der viel entsetzlicher sein wird als dieser. Mich will es bedünken, als würde es ibnen gelingen. Die einzige Rettung wäre die Erziehung der Völker zur internationalen Idee. Wir müsien versuchen, uns mit allen tätigen Köpfen Europas in Verbin- dung zu setzen, we'che für Frieden und gestmben Menschen­verstand arbeiten. Es sind ihrer eine ganze Anzahl, aber mit

versprengten Kräften, und für den Moment machtlos gegen­über der furchtbaren Kraft der Reaktion und des Militaris- mus. Wer weiß denn etwas von den tatsächlichen Zuständen in Deutschland , ob es vor dem Bankerott steht oder reich wird? Welches ist der geistige Zustand des deutschen Volkes nach seiner furchtbaren Niederlage, seinem Blutbad, seinem zu Boden geschmetterten Stolz? Hegen sie die Hoffnung auf Re- vanche, beten sie ihre gestürzten Götter an. ober berftten sie den Weg zum Heile vor? Und Frankreich ? Was ist's mit Frankreich ? Oder Paris ? Was denkt das Volk? Wollen sie wirklich die Ruhr besetzen und dadurch die ungeborenen Kinder zu einem neuen Kriege zwingen, der dann so sicher kommt wie das Schicksal? Wissen Sie's, Pollard Nein." Na also! Dann finden Sie's heraus!" Und damit mar er zum Kernpunkt der Unterredung ge- kommen. Seine Idee war, daß Bertram Europa durch- wandern solle, die alten Schlachtfelder, Paris , nicht das Paris der Boulevards, sondern das Paris der Hinlerstraßen, der kleinen Läden, das Studentenviertel, die intellektuellen Klubs dann Deutschland , seine Bauernschaft, die dunklen Viertel von Bersin, die Häuslichkeiten des Mittelstandes. Dann Ruß- land, wenn er Lust hätte. Er könnte sich In Moskau mit Christy zusammenfinden, verschiedene Artikel schreiben, ja keine Statistik oder hohe Politik, sondern die menschliche Seite der Dinge. Wie die Leute lebten und starben, was sie aßen, wie sie sich kleideten, und was sie dachten. Er könnte vielleicht selbst ein bißchen Russisch lernen und auf solche Weise etwas von der wirklichen Wahrheit erfahren. Hall war durch Bertrams ArtikelWie die Arbeiter den- ken" auf ihn aufmerksam geworden. So etwas brauchte er. intime Skizzen des Lebens, Gesehenes. Gehörtes, die allge- meine Ansicht, aufgefangene Gespräche, kleine Blitzlichter, welche die Herzen des Volkes beleuchteten. Gefällt Ihnen diese Idee?" fragte er. Sie gefiel Bertram außerordentlich. Hier war endlich der Ausweg aus seinem zwecklosen Leben, aus dem brennen- den Problem, fein Brot zu verdienen, aus seinen geistigen Röten, die ihn so niedergedrückt hatten wie Joyces Tre�ulosig- keit. Das würde ihr Zeit geben, sich über dasEntweder oder" zu entscheiden. Hier gab's Arbeit, die ihn von sich selbst erlöste, die ihm wieder den Ausblick auf das lebendige Leben gab statt des brütenden Rückblicks auf sich selbst. Dies würde ihm helfen, Janets Heilmittel gegen Gram und Verzweiflung anzuwenden: nämlich Interesse für das Woh'ergehen des an- deren und sympathisches Mitgefühl ohne Selbstsucht. (Fortsetzung folgt.)