Abendausgabe
Nr. 602+ 41. Jahrgang Ausgabe B Nr. 301
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Vorwärts
Berliner Volksblatt
5 Goldpfennig
Montag
22. Dezember 1924
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Geschäftszeit 9-5 Uhr
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Die Räumung der ersten Zone.
Stresemann läßt die Paris , 21. Dezember. ( Eigener Drahtbericht.) Der deutiche Boffchafter v. Hoesch hat bei der franzöfifchen Regierung eine Demarche in der Frage der Räumung der Kölner Zone unter nommen. Er hatte mit dem politischen Direktor des Außenminifteriums Caroche eine längere Unterredung. Botschafter v. Hoesch hat mit besonderem Nachdruck darauf hingewiesen, daß die Mihträrmung der Kölner Zone jum 10. Januar eine offenfundige Berlegung des Friedensvertrages darstelle und daß fie deshalb nicht ohne Rüdwirkung auf die deutsche Er. füllungspolitif bleiben tönne Auf jeden Fall würde die Michfinnehaltung des im Friedensvertrag festgesetzten Termins in Deutschland die Konftitulerung eines kabinetis erschweren müffen, das die von den Alliierten gewünschte Gewähr für die Durch führung des Dawes- Planes bieten würde. Nach dem„ Pefit Parifien foll Direktor Laroche erklärt haben, daß eine Entscheidung über die Räumung von Köln noch nicht g- fallen sei und erst getroffen werden könne, fobald der Bericht der alllierten& ontrol1tommiffion vorliege, da von dessen Inhalt allein diese Entscheidung abhän. gig fei.
Condon, 21. Dezember. ( Eigener Drahtbericht.) Botschafter Sthamer hat dem Außenminister Chamberlain einen längelen Befuch abgestattet, wobei der Botschafter die Stimmung in Deutschland schilderte, die durch Verzögerung der Räumung kölns entstehen müffe.
Ungünstiger Widerhall.
Paris , 22. Dezember.( TU.)„ Ere Nouvelle bestätigt, daß der deutsche Botschafter von Hoesch am Quai d'Orsay die Forderung auf Räumung der Kölner Zone für den 10. Januar erhoben hat. Eine solche Forderung, so schreibt das Blatt anscheinend offizios, taffe fich weder mit rechtlichen noch irgendwelchen tatsächlichen Gründen rechtfertigen. Bom juristischen Standpunti nicht, weil die in den Bestimmungen des Vertrages vorgesehenen Körper faffen, die nach dem Aufbruch der englischen Truppen die Ab. rüstungskontrolle im befeßten Gebiet übernehmen, noch nicht ge bildet feien. Tatsache sei ferner, daß auf der Londoner Ronferenz mit Biffen der Deutschen verabredet wurde, daß die Berbündeten vor dem 10. Januar sich über ein Verfahren verständigen, um die Rüdsicht auf die Berteidigung Frant reichs mit der Auslegung der bestehenden Verträge in Ein. flang zu bringen. Die Forderung der Wilhelmstraße sei daher in diplomatischer Hinsicht un annehmbar. In moralischer Beziehung fei fie aus dem einfachen Grunde nicht anzunehmen, weil fie bei der französischen Regierung ein Gefühl der Schwäche vor aussehe. Das Blatt erinnert an die Verdienste Herriots auf außen politischem Gebiet und führt aus, daß die Politik der französischen Regierung in den letzten Monaten zu einer merflichen Entspannung in Europa geführt habe. Man fönne fich der Erkennt nis nicht verschließen, daß Deutschland nicht Schritt halte und sich von der Versöhnungspolitik abzuwenden scheine.
Was im Kontrollbericht stehen soll. Paris , 22. Dezember.( TIL.) Der Berliner Bertreter des Eho De Paris" teilt folgendes mit: Die interalliierte Militärfontrolltommiffien hat einen neuen Bericht abgefaßt, der heute früh in Baris eintreffen wird. Diesem Bericht ist wegen des Zeitpunktes feiner Absendung eine besondere Bedeutung zugemeffen. Das Echrift tüd ist von sämtlichen interalliierten Militärabordnungen ein timmig gutgeheißen worden. Die Kontrollkommission be fchränkt sich auf die fachliche Darstellung ihrer Beobachtungen bei den Rontrollbesuchen. Das Gewicht wird in dem Schriftftück auf die Freſtſtellung der„ methodischen Obstruktion" gelegt, beren fich die deutschen Verbindungsoffiziere befleißigt haben. Die Bitte um Austunft wurde stets und ständig abgelehnt. Die Kontrolle der Mannschaftsbestände, die die deutschen Militärbehörden nie geduldet haben, hat zu völligen Trugschlüssen geführt. Der Bericht enthält eine Zusammenstellung fämtlicher Tat fachen, die beweisen, daß Deutschland zahlreiche Verfehlungen sich zuschulden kommen ließ. Die Frage des Oberkommandos und der überzähligen Mannschaftsbestände wird ausführlich zur Sprache gebracht. Entgegen dem deutschen Dementi wird fest gestellt, daß der Große Generalstab neu gebildet wurde. Ferner wird nachgewiesen, daß eine besondere Abteilung eingesetzt wurde, um sich mit d müttärischen Flug wesen zu befassen, ob leich Deutschland laut dem Bertrag sich nur Handelsflugzeuge be ſchaffen darf. Die Kontrollfommission hat nicht festzustellen, ob Deutschland eine militärische Bedrohung für heute oder morgen dar. fb: llt. Ihre Rolle beschränkt sich darauf, festzustellen, wie weit die Bertragsbestimmungen ausgeführt sind. General von Seedt und feine Mitarbeiter hätten auf die Mäßigung fpefuliert, bie den militärischen Vertretern von ihren Regierungen anempfohlen worden war. Ihre Berechnungen haben sich als falfdy erwiefen. Die Kontrolloffiziere mußten die Feststellung machen, daß Deutschland ernst hafte Gründe hatte, ihre Forderungen nach Ausfünften ab zulehnen Augenblicklich haben die englischen Offiziere an erster Stelle betont, daß die Kontrolle infolge des absoluten Biberstandes der deutschen Militärbehörden umwirfan_qe worden ist. Deutschland habe teine der fünf Forderungen erfüllt, bie bie Batschofterfonferenz in ihrer Note nom September 1922
aufftellte.
Die Reichsregierung hat bisher immer ben Angaben von Ententeblättern über den Inhalt der Santralberichte entgegen
Botschafter drohen! jo?
gehalten, daß die Kontrollkommission unmöglich deartige Behauptungen aufstellen tönnte, ba fie der Wahrheit entgegengeset feien. Dies wird zweifellos auch im vorliegenden Falle geschehen. Das„ Echo de Paris" fündigt jedoch an, daß, dieser Bericht in den nächsten Tagen veröffentlicht werden wird. Uebrigens hat die offiziöse deutsche Erwiderung gegen den Temps", die wir am Sonntag abgedrudt haben, auch betont, daß die fünf Buntte nichts mit der Generalinspektion zu tun hätten.
Condon, 22. Dezember. ( TB.) Observer" schreibt aur Frage der Räumung des Kölner Gebietes: Nach dem deutsch - französischen Krieg haben die deutschen Truppen Frankreich binnen drei Jah. mit vollem Nach brud aufgestellt wird, hat die fünfzehnjährige ren geräumt, aber nach der franzöfifchen These, die leider wieder Räumungsfrist überhaupt noch nicht begonnen; menn diese These berechtigt ist, warum soll sie dann überhaupt je be ginnen? B.rd Deutschland feines ernsten Verzuges überführt, dann bleibt uns dem Buchstaben nach feine Wahl. als enispredjend dem vorgezeichneten Plan zu räumen. Aber es bestehen prattische Schwierigteiten. Die Frage der Räumung nuß von den Alliierien nach dem Empfang des Berichtes der Kontrollkommission erörtert werden, der nicht vor dem 10. Januar zu er den deutschen Widerstand gegen die Kontrolle". Man fann warten ist. Als Grund für diese Verzögerung nennt Lord Kurzon aber die gleiche Tatsache auch anders darstellen, indem man fagt, daß bei der Ruhrbefehung die Kontrolle preisgegeben und rach dieser fo gut wie abfichtlichen Preisgabe mit Schwierig teiten wieder aufgenommen wurde. Dies ist eine Tatsache, bei der tannien und Frankreich . Herriot bemüht sich, die unfluge Deutschland seine Verantwortlichkeit hat, genau wie Großbri. Bolitit feines Borgängers zu liquidieren. Es liegt im Interesse des französischen Ansehens und der europäischen Stabilität, daß er Erfolg hat. Großbritannien fann nicht zustimmen, unbegrenzte Beit oder unter zweldeutigen Bedingungen in Köln au bleiben. Wenn wir aber unter Berücksichtigung dieser Tatsache die Räumung mehr beschleunigen, indem wir bleiben, als indem teile ihm aus einem Kompromiß erwachsen. wir gehen, bann muß Deutschland fich überlegen, welche Bor
Paris , 22. Dezember. ( WTB) Matin schreibt, zu dem Ge rücht, Frankreich habe die fofortige Ridgabe der Saargruben nur bie fofortige Biedereinfegung der deutschen Berwaltung im Saargebiet angeboten gegen die politische Abtretung der Stadt Saar louis und fieben Bürgermeistereien:" Wir sind autorisiert, diese, faarländische Behauptung formell zu dementieren. Die französische Regierung hat weder dieses Angebot noch ein an deres über das Saargebiet gemacht."
Es ist unbestreitbar, daß die Bendung, die die Frage der Räumung der Kölner 3one neuerdings genommen hat, auf die innerpolitische Lage Deutschlands und auf die Frage der Kabinettsbildung erschwerende Rüdmirfungen haben wird. Das liegt aber vor allem daran, daß vor lauter nationaler Realpolitif" das Außenministerium des nur durch eine mutige und rechtzeitige Initia Herrn Stresemann Dinge an sich hat herankommen lassen, die tive zu meistern waren. Es war nämlich seit der Londoner Konferenz, auf der die Befezung des Ruhrgebietes bis zum 15. August 1925 zugestanden wurde, ganz klar, daß die Kölner Zone schon aus praktischen Gründen am 10. Januar nicht geräumt werden würde. Deutscherfeits hätte daher alles darangesetzt werden müssen, eine freiwillige Berein barung mit den Besaßungsmächten zu erlangen, durch die zwar bie Belegung der Kölner Zone um einige Wochen ver längert, dafür die Besetzung des Ruhrgebiets um ebensoviel Bochen verkürzt worden wäre.
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Man hat dies unterlassen aus purer Feigheit vor der deutsch nationalen Demagogie. Die„ nationale Realpolitik" des Herrn Stresemann, deren oberster Grundsaß stets war, den Deutschnationalen den Eintritt in die Bürgerblodregierung nach Möglichkeit zu erleichtern, war in Birklichkeit eine Bogel - Strauß Politik übelster Art. Nachdem man die Dinge wochenlang hat treiben laffen, hält man sich jeßt für verpflichtet, eine rein formale und im übrigen man sich jezt für verpflichtet, eine rein formale und im übrigen aussichtslose Protestaktion zu unternehmen, die die Dinge eher verschlimmern als verbessern fann; denn wenn Deutschland erst anfängt, sich auf den buchstabenmäßigen Rechtsstandpunkt zu stellen, dann werden auch die Alliierten das gleiche tun was sie bereits durch den Mund Lord Cur3ons angekündigt haben, und sie werden sich hinter einen für Deutschland nicht ungefährlichen Paragraphen des Ber sailler Bertrages verschanzen, wonach die Räumung der einzelnen Ronen von der Erfüllung aller Verpflichtungen aus dem Bertrage durch Deutschland abhängig gemacht werden tann. Ist aber erst die Diskussion auf dieses Gebiet abgeglitten, dann werden zwar die Porographenreiter in den Amtsstuben des Quai d'Orsay, der Wilhelmstroße und der Domningstreet eine Reit der Hochkoriunktur erleben, aber der Bevölkerung des befesten rheinischen Gebietes wird damit nicht im geringsten gedient fein.
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Die Abriftung der anderen. Eine britische Note protestiert in Washington dagegen, daß die neuen amerikanischen chifts. gefüne weiter tragen, als das Baſhingtoner fokommen er laubt. Berhandlungen über Lieferung omerilanicher Schiffs. gefüge on Japan find im Gang
Das Generalstabswerk.
Bon Hermann Schüzinger
Tief erschüttert wird wohl jedermann das deutsche amtliche Generalstabsmert über den Weltkrieg auf die Seite legen, tief erschüttert über den Berg voll taffischer Fehler, strategischer und militärpolitischer Sünden, der den deutschen Zufammenbruch deckt. Es ist richtig: gar vieles, wenn nicht das Allermeiste ist schon befant geworden durch die Memoirenflut der Militärs und Diplomaten, troß alledem wirkt der aus dem amtlichen Material des Großen Generalstabs und der Obersten Heeresleitung mit zwingender Logit und Syste matif errichtete Monumentalbau deutscher Führerschuld so niederschmetternd wie fein Wert vor, ihm.
Dieses amtliche triegsgeschichtliche Bert bringt in feiner Einleitung mit anerkennenswerter Offenheit den selbstverständlich nicht erstrebten aber um so schlüffigeren Beweis, daß schon der deutsche Feldzugsplan im Westen als tomplizierendes den legten Stunden und Tagen vor Ausbruch des WeltElement die Friedensschritte der Auswärtigen Aemter" in frieges illusorisch gemacht und durch die Fundierung der gefamten Aufmarschmaschine auf dem Fundament des Aufmarsches gegen Belgien und der Ueberrumpelung von Lüttich die deutschen Kriegserklärungen geradezu erzwungen hat. Des weiteren geht aus dem Generalstabsmert hervor, daß die Generalstabschefs Deutschlands , Frankreichs und Ruß lands durch ihr ständiges Drängen zum Losschlagen und und der erhöhter Kriegsgefahr" vertappte Mobilisationen durch ihre Verfuche, unter dem Bormand des Grenzschutes" durchzuführen, mitschuldig geworden sind am Ausbruch des Krieges.
alpern Brüssel Okille
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Mons Sombre Maubeuge
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Lutlich
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3. Dincint
Le Cateau StQuentin Pumay Charleville Sedg
Soissons
Chateau- Thierry
Vardhun
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Nancy
Die von der Lu.& deutschen Armée nicht durageführten Hankenslässe Der nicht durggeführte deutsche Epinal Kavallerie- Rankenangriff
Das nicht ausgeführte Rückzugsmandver derin 6. Armee
Dergesafelerie Ricking Joffres Gegenangriff bei Neufchateau .
Deutsche Franzosen
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4
A d'Alsace
Bel
Mühlhate
Diese durch amtliches Material neuerdings erhärtete Ertenntnis muß bei tieferer Durchbringung der Kriegsplan- und Aufmarschmaterie allerdings der Legende ein Ende bereiten, als ob der deutsche Generalstab auf Beranlaffung einer fogenanten Militärpartei" mit Wissen und Billen des Kaisers einen Präventiv Krieg von langer Hand aus vorbereitet, hätte. Die lehte Stichflamme zur Explosion des Weltkrieges, die der deutsche Generalstabschef am Abend des 1. August 1914 dem Kaiser und dem Kanzler abgerungen hatte, entsprang dem militärtechnischen Komplex der Mobilifation und des auf eine Karte( Lüttich ) sezenden Aufmarsches marsches nicht aber einem selbständigen Willen zum Krieg. Der deutsche Aufmarsch plan, wurde seit dem Krieg 1870/71 in feinen Grundzügen zweimal verändert. Bis 1894 galt der rein defensive Aufmarsch des älteren Moltke und feines Nachfolgers, des Grafen Waldersee; in der Denkschrift vom Juli 1894 legte fich General v. Schlieffen auf den zwischen Luremberg und der Schweiz eingerahmten reinen Frontalangriff zur Durchbrechung der Mosel - Sperrfette feft und erst 1898 baute er durch das politisch so gefährliche ,, lmfaffungmanöver durch Belgien " die Sprengfapfel der Bindung an den Ueberraschungstrieg in den Körper des deutschen Generalstabes.
Es ist richtig, daß Ende der neunziger Jahre angesichts der fortschreitenden Isolierung Deutschlands und seiner Bedrohung auf beiden Fronten alles nach einer schlagartigen Durchführung des Feldzugs im Westen und angesichts der Mosel - und Maassperrtette nach einer Verwertung belgischen Bodens zu einer vernichtenden Umfaffungsoperation aus dem Norden förmlich schrie. Und doch durfte es nicht zu einer Sanktionierung bes Schfteffenichen Aufmarschplanes von 1898 durch die politische Spike des Reiches fommen.
Bon den beiden Staaten, beren Gebiet dabei berührt murbe, hatte Buremburg überhaupt feine Mentee und Belgien