Nr. 12«42. Jahrgang ��0 0�11�0 ��0 Vsnnerstag, S. Januar 1�25
Das Zkrim<mzlmus«um Im PollzelpräMum ist keines der ver» gestenen Museen der Großstadt. Es ist auch kein Museum, das in seinen Räumen Altertümer birgt— sein Inhalt ist so aktuell wie das Leben selbst—. ja, mehr nach, es ist ein Stück des togtäglich sich vollziehenden Lebens mit all seinen JrrgSngen und Ungeheuer- lichkeiten. Dieses Museum ist nicht jedermann zugänglich. Wollte man es für Eintrittsgeld dem Publikum freigeben, es er- gäbe ein« gut« Einnahme und hätte vielleicht eine nicht geringere Besucherzahl aufzuweisen als des seligen Kastan verklungen«? Po- noptikum mit seinen Schreckenskammern. Anschauungsunterricht. Es kann ein« lehrreiche und angeregte Stunde werden. Las Museum soll in erster Linie dem Anschauungsunterricht für die an- gehenden Kriminal, und Polizeibeamten dienen, chier sollen sie die Formen des Kampfes des Verbrechers gegen Leben und Eigentum seiner Mitmenschen einerseits und die Wege und Mittel zur Be- kämpfung der Verbrecher anderseits kennen lernen. Ein ähnliches hervorragendes Kriminalkabinett, das speziell für den Anschouungs- Unterricht geschaifen worden ist, das best« in der Welt, besitzt das Dresdener Kriminalmuseum— man findet hier alles was nur annähernd in der Kriminalistik von Bedeutung ist, imd die Polizeischüler erhalten so für ihr« zukünftige Tätigkeit die mannigfaltigste Anregung. Das Berliner Museum ist Neiner, dafür aber kompakter, übersichtlicher, besitzt äußerst wertvolle Stücke, weckt Erinnerungen an berühmt« Verbrechen und Verbrecher. Man sieht hier, wie mit der Entwicklung der Technik auch die Technik der Diebe und die des Schuhes gegen sie vorschreilel, man bewundert die Intelligenz und Raffiniertheit, die Schlauheit und Dreistigkeit der Ritter fremden Eigentums und entzückt sich in noch höherem Maße an der Gewandtheit, geistigen Biegsamkeit und Anposiung»- fähigkeit der Kriminalbeamten, die hinter alle Schliche kommen. Es durchschauert einen kalt beim Anblick der Werkzeuge menschlicher Grausamkeit, die nicht selten im Zustand« höchster Ekstase gehand- habt werden..., Dlebe. Es ist selten auf bloßen Zufall zurückzuführen, ob jemand Dieb oder Raubmörder wird. In beiden Fällen ist allerdings das treibende Motiv die auf das Eigentum des anderen gerichtet« Be- gierde: Gewalttätigkeit des Charakters, Grausamkeit, Mißachtung dem fremden Leben gegenüber, ein« gewiss« Stupidität und Un- geduld und auch noch manches ander« lassen den Eigentumsoer- brecher zum Raubmörder werden. Der Dieb ist um sein eigene» Leben ängsisich besorgt. Er scheut vor dem Angrist aus fremdes Leben behutsam zurück und fährt dabei bester als der Raubmörder. Auch der schwer« Junge, der Einbrecher, kann brutal und gewalt- tätig sein, auch er schießt oder fchtogt unier Umständen meder. wenn man ihm in die Quere kommt, in der Regel aber zieht er es lieber vor. fein« Instrumente im Stiche zu lasten und sich schleunigst aus dem Staube zu machen. Ja. die Instrumenie— welch wunder. voll« Sammlung, was man da nicht alle« zu sehen bekommt: vom primitivsten Stemmeisen hinaus bis zum feinsten Bohrer— das cherz eines Schlosters würde bei ihrem Anblick vor Freude im Leib« lo.hen. Für die Sprengung von Gittern find besondere Apparate vorgesehen, die unwiderstehlich sind; zum Knacken von Eisen- schränken— Schneidebrenner. Der Eisenbeton hat aber dem Be- werbe der Geldschrankknacker doch den Todesstoß gegeben. Hier merkt man erst die Entwicklung der Technik. Das augenfälligste Beispiel dafür bilden aber die Spihbubcnlampen! neben der trüben Kerze in der Konservenbüchs« läßt die clekttische Taschenlampe ihr Helles Licht leuchten. Aber List geht vor Gewalt. Was will dies« ungehobelt« Kiste hier? Es war das Domizil eines Eisenbahndiebes
— zwei Jahre lang machte er fein« Reifen darin: st« war auch sehr komfortabel eingerichtet. Als aber der Kompagnon, der sie abholen sollt«, eines Tages zu lange auf sich warten ließ, entstieg der Pastagier, der dieses sonst nur im Gepäckwagen zu tun pflegte, seiner Behausung, um nach feinem Spießgesellen Ausschau zu halten und wurde gefaßt.— Tonst würde er wohl noch heut« seine Reise machen. Und hier eine andere Kiste: Ihr Eigentümer wurde halb erstickt aus ihr herausgeholt— und war schließlich seinen Ledens. rettern dafür noch dankbar. Hier der schön verschnürte Karton, der an den Ladentisch angeiehnt wird und in dessen ousschlagbare obere Schmalseite der Warenhausdieb unbemerkt seine Beute verschwinden läßt. Da«in Bleistift, der an einem Ende ein Wachstlümpchen be» fitzt: er eignet sich vorzüglich zum Brillanten— kaufen. Dort ein« Zigarrenkiste ohne Zigarren, die für ähnliche Zwecke gedient hat. Und dies« Kommode! Sie besitzt kein« Rückwand. Sie war an die Zimmerwand angelehnt und diente dem Verbrecher al» vortreff- liches Versteck. Die Polizei fand ihn niemals zu Hause: er saß näm- lich stets in der Kommode. Sie schauen verwundert auf die Krone an der Wand? Hier berühren wir eigentlich schon das Gebiet des Betrügers. Sie gehört« einem eigentümlichen Wohltäter, der die Gewohnheit hatte, sein« Mitmenschen um erhebliche Geldbeträge zu prellen, um mit ihnen die Armen königlich zu beschenken. Natürlich veigaß er dabei auch sich lelber nicht. Und hier haben wir Sammel- kästen für Hungerhilf«: es handelt sich aber um eine Hilf« für die Sammler selbst. Setrüger und Fälscher. Die Betrüger und Hochstapler sind die eigentliche Lebenskünstler — sie meistern vortrefflich die Kunst, die Schwächen ihrer Mit- menschen für sich nutzbar zu machen: Gier und Leichtsinn, Einfältig- keit und Leichtgläubigkeit, die mancherlei Suchten und Leidenschaften. St« sind zuweilen fast gefährlicher als die Diebe, weil sie oft mtelli- genter als dies« sind und weniger Spuren ihrer Tätigkeit hinterlassen. Der Kampf mit Ihnen s:cl!t cm die Beamten noch höhere Anforderungen al» der Kamps mit den Dieben. Zu allererst kommen die ziemlich Harmlosen, die Eigentümer von Glücksspielen— verschieden« Exemplar« derselben sind hier zu finden: serner auch falsche Kartenspiele, falsch« Würfel mst zwei Dreien, mit denen auf den Rummelplätzen und Jahrmärkten dem Mann mit den kleinen Leiden- ichasten sein Geld entlockt wird. Es folgen die falschen fertigen Paket« der Wäscheverkäufer— Hemdenteile find nur an den Enden derselben verpackt, in der Mitte befinden sich nur Lumpen. Goldene Ring« und Ketten, natürlich Ausnahmeangebote, die für billiges Geld zu erftehen sind, falsche Maße und Gewichte, falsche Gold- und Platinabarren. eine Sammlung von Orden für Ordensschwindler— die letzteren harren mit Ungeduld des Augenblickes, wo der Ordens- rummei für die Ordensnarren wieder aufkommt u. dal. m. Weniger harmlos sind schon die Schmuggler, aber auch nicht immer. Als Unikum bestaunt man im Museum ein« Pyramide au» Zehniauseud- marks cheinpoketen— Gewicht 3 Zentner. Papiermarkwert 2 Milliarden 76 Millionen. Goldmarkwert 0,00276 Mark. Altpapierwcrt 7,50 M.— deshalb sollte das.(Bell)' als Packpapier nach Holland .verschoben" werden. Zu den Betrügern kann man auch dl« falsche» Kriminalbeamten rechnen, die, ausgerüstet mit falschen Erkennung»- marken, ihr« dunkeln Geschäfte getrieben haben. Daß im Fall« Haarmann ein falscher Ausweis eine Roll« gespielt hat, ist noch gut erinnerlich. Es ist amüsant zu sehen, was nicht alles genügt, um den leichtgläubigen Bürger vor der Autorität des Kriminalbeamten erzittern zu lasten: selbst«in Schlüsseiblech mit der Aufschrist .Klosett" erfüllte vorzüglich diesen Zweck. Di« Reihe der Fälscher beschließt der hantschiistensälscher. Ein Musterbeispiel seiner Kunst Kellt der Handschriftensachverständig« der Dresdener Polizei vor: nter anderen Beweisen seines Könnens bekommt man im Dtesdener Museum ein Heft zu sehen, in welchem er all« Aus-
Der Mittelweg. Von Sir Philip Gibbs . Es waren außer den Bauern noch andere Derkäufer da, die hinter den Buden aufgereiht standen. Männer und Frauen, von letzteren die Ueberzahl! Aber nein, wenn man diese un- glaublich abgerissenen Leute näher ansah— Herren und Damen! Die Gesichter trugen den unverkennbaren Stempel guter Abstammung und guter Erziehung. Diese Damen hielten die letzten Ueberbleibsel ihres früheren Standes feil. Hermelinstolas, Pelzkragen, gestickte Schuhe. feines Linnen, Kleider. Mäntel, seidene Röcke. Juwelen, be- setzte Kleinigkeiten, goldenen Schmuck, Spitzen, Parfüm in ge- schliffenen Flaschen. Manche von ihnen waren so schwach und abgemagert, daß sie sich kaum noch auf den Beinen halten konnten. Bertram betrachtete ihre Hände. Zart und schmal �laufende Finger, aber schmutzbedeckt von harter Arbeit und Mangel an Seife. Sie schienen über seine Gegenwart er- staunt und schreckten unwillkürlich vor ihm zurück, denn sie erkannten ihn als einen Mann jener Klasse, der sie auch«inst angehört hatten. Ein junges Mädchen wurde unter seinem forschenden Blick feuerrot und wandte, sichtlich bekümmert, den Kopf weg. Um ihren Stolz zu schonen, sah er nicht wieder hin und hatte fast ein Gefühl der Beschämung, als er so an der Reihe dieser Frauen entlang ging, ihre Gesichter prüfte und Zeuge der ofsentlichen Demütigung chres Stolzes war. Was für Ge- schichten hätten sie erzählen können! Was für Qualen mußten sie erduldet haben, ehe sie auf diesem Marktplatz angelangt waren. Er stand gerade vor einer älteren Frau, welche ein kleines Tablett vor sich her hielt, auf welchem ein vergoldetes Kruzifix log. Sie hotte ein abgemagertes Gesicht und er- grautes, fast weißes Haar, das unter ein« kleine schwarze Haube gestrichen war. Er fragte sie auf französisch nach dem Preise des Kruzifixes, und bei seiner Frage zitterten ihre Hände so sehr, daß ihr das Tablett fast entglitt. .Warum sprechen Sie fraftzösisch mit mir?" fragte sie. .Weil ich mir dachte, d-eß- �j« es oerstehen. Ich kann kein einziges Wort russisch." ..Sind Sie rein Franzose?" fragte sie schüchtern zu ihm aufblickend. .Ich bin Engländer." .Das dachte ich mir gleich." antwortete sie in seiner Muttersprache..Wie kommen Sie denn nach Rußland ? Es werden doch so wenige Ausländer hereingelassen." »3ch bjn Zeitungskorrespondent und beabsichtige, über
die Hungersnot zu berichten, wenn ich so weit durchgelassen werde." .Ach, man braucht nicht erst an die Wolga zu reisen, um Elend zu finden. Auch hier in Moskau hungern viele. Ich gehöre auch zu ihnen." .Darf ich Ihr Kruzifix kaufen?" Sie sah sich nervös nach allen Seiten um und fuhr dann leise fort, wieder in französischer Sprache..Wir werden beobachtet. Es ist sehr gefährlich für mich, hier auf dem Markt m sieben. Man liebt meinen Namen nicht. Nielleicht haben Sie die Güte, weiterzugehen." Jetzt bemerkte auch Bertram einen jungen Offizier der Roten Armee, der horchend und beobachtend ein paar Schritte von ihnen entfernt stand. .Auf Wiedersehen, Madame." Er verließ sie, starrte dem lauschenden Offizier kalt ins Gesicht und ging weiter, die Reihe entlang. Das Mädchen, das bei seinem Blick so flammend rot ge- worden war, stand noch da und warf ihm einen trauritzen, flehenden Blick zu, als er vorüberging. Dann, als er näher kam, verließ sie ihren Platz, wandte sich der Dame zu, welche Berttam eben verlassen hatte und flüsterte mit ihr. Die Frauen hatten noch immer Angst, trotz der.Reuen Wirtschaftsgesetze" Lenins , die den Privathandel freigaben. Sie waren auf den Markt gekommen, fühlten sich aber ihrer Freiheit noch nicht recht sicher. Vielleicht waren sie schon ein- mal durch solche Schein-Erlaubnis in die Falle gelockt worden. Nach langem Umherwandern beschloß Berttam, statt den weiten Weg ins Gästehaus.zurückzufahren, in irgendein Speise- haus zu gehen. Er entdeckte ein Restaurant, in dessen Schau- fenster eine rohe Hammelkeule ausgesteltt war. Ueber der Tür stand mit russischen Lettern:.Angliske Restaurant". Als er einttat, sah er einen kohlen Raum, in dem einige Tische und Holzstühle standen. Dazwischen aber befanden sich, hier und da verstreut, Louis-XV. -Möbel, und an den Wänden hingen vergoldete Spiegel. Eine ärmlich gekleidete Frau mit Pantoffeln an den Füßen, aber von unverkennbar eleganter Gestalt und Haltung, rührte über dem Holzfeuer etwas in einem Topfe. Weiter nach dem Hintergrunde zu saß ein weißhaariger Mann hinter dem Samowartisch und schälte Kartoffeln, neben ihm stand ein junges Mädchen, so ärmlich gekleidet, wie Aschenputtel, und ebenso schön, dunkelhaarig und mit großen, braunen Augen. Drei Paar Augen beobachteten Bertram mißtrauisch. Die Frau kam etwas näher und sagte etwas auf Russisch . Er antwortete französisch und erkundigte sich höflich, ob er hier essen könne.
spräche und Unterschriften berühmter Kriegsanleiheunterzeichner nachgeahmt hat. Auch unter den Verbrechern findet man solch« her» vorragenden Künstler: ihre Fälschungen sind mit einfachen Augen nicht zu erkennen, nur die photographische Vergrößerung offenbart den Unterschied zwischen der wirklichen und g<sälsch!«n zzandschrift. Es ist ja bekannt, welch ausschlaggebende Bedeutung der grapho- logische Sachverständig-: in so manchem Prozeß gespielt hat und heute noch spielt. Dies war auch in der berühmten Drcysus-Affär« der Fall. Gewalttäter. Es sind fast ausschließlich Raubmörder— für die anderen, die Astektmörder, interessiert sich hauptsächlich nur der Kriminal- pjycholog«. Viele alle Bekannte sieht man da cm den Wänden hän- gen: vom Jahre ISIS an sind sie hier alle in Photographien ver- ewigt-, für den Physiognomiker ein wertvolles Material. Hier die Bruder Strauß und der berüchtigt« S t« r n i ck e l. dort S ch u» mann und Großmann— welche Gefühle mögen wohl diesen grauenhasten Menschen, der sein ganzes Leben hinter Zuchthaus- mauern verlebt hat, in der letzten Nacht durchwühlt haben,«he er sich mit seinem Taschentuch das Leben nahm. Sein kunstvoll modellierter Kopf blickt einen fast vorwurfsvoll an:.Weshalb habt ihr mich zu solch«inem Ungeheuer werden lassen?" Die Schlacht. dank seiner Opfer steht auch da und spricht«ine beredt« Sprach« von den Qualen der Unglücklichen. Haarmcmns.Opferbett" würde sich ihr würdig anreihen. Die Werkzeuge des Massenmörders Schu- mann mahnen cm seine Untaten: auch die Handschuhe findet man hier, die dl« Abdrücke der Finger verhindern sollten. Und als Gegenstück zu den Mordinstrumenten sieht man ein anderes gesetzlich sanktioniertes Mordinstrument, das die irdisch« Gerechtigkeit präsentiert— das Modell einer Guillotin«. Schade nur, daß neben den Photogravhien der Mörder nicht auch die Photographien der Henker aller Zeiten Höngen — wer weiß, vielleicht wären dann interessant« phnsiognomistische Parallelen möglich. Unter alle dies« Mörder und Mordinsttumenle hat sich der brave Hauptmann von Köpenick verirrt, der alte Zuchthäusler und Schuhmacher Bogt: er schaut ganz verwundert auf die seltsame Gesellschaft, in die er ge- roten ist. Als Wachspuppe in voller Uniform, nur mit einem Sporn und falschem Achselband, erweckt er ganz den Eindruck, als wollt« er sich eben aus den Weg begeben, um«in Possenspiel aufzuführen, das seinerzeit das homerische Gelächter der ganzen Welt heraus- gefordert hat. Wie dieses lebensgroße Modell stammt auch das der Giftmörderin Tesche Gottsried aus dem Nachlaß des Castanschen Panoptikums. * Hiermit wären wir am End« unseres Rtmdgonges angelangt. Das weite Gebiet des Erkennungsdienstes, der Antropometrie, d. h. der WIffenschaft von den Massen der menschlichen Körpermerkmale, durch die er von seinen Mitmenschen sich unterscheidet, der Daktyloskopie, d. h. der Lehre von den Fingerabdrücken, der Photo- graphi« usw. wollen wir für ein anderes Mal lassen. Der Kriminal- kommissar G ahmig. der Leiter des Museum», ist gleichzeitig auch Leiter der Dermißtenzentrale.
Stille im Straßenhanöel. Das Abbaufieber grassiert bekanntlich immer noch, der Abbau- unfug scheint kein Ende nehmen zu wollen, und Beispiele von Ab- baupfychos« sind ja an dieser Stell« wiederholt und bis in die letzte Zeit hinein ausgezählt worden. Vom Abbau, wenn man das so nennen darf, st ad bei Beginn des neuen Jahres auch die Straßen- Händler betroffen worden, ein Abbau allerdings, den höher« Ge- walten gewissermaßen vorgenommen haben,«in Abbau, der auf die allgemeine wirtschaftlich« Loge zurückzuführen rft. Ein großer Teil des Straßenhandels ist stillgelegt, und wenn man durch die Straßen wandert, findet man das bestätigt. Diel« der»Fliegenden" mit ihrem Kram auf den kleinen Wagen sind von den Straßen verschwunden. Am meisten und augenfälligsten tritt das in die Erscheinung in der Gegend um die Zentralmarkthall«. Im Dezem- der noch ein wahres Gewühl von Straßenhändlern mit allerlei Lebensmitteln, heut« Geschöstsstille und das Fehlen vieler„Flie- genden". Fragt man den einen und den anderen der Händler nach der Ursach«, so erfährt man allgemein, daß die Geschäfte auch um die Weihnachtszeit so schlecht gegangen sind, daß man nicht genügend Geld zum Einkauf neuer Waien aufbringen kann. All« Lebens«
»Sie verstehen nicht russisch?" fragte sie argwöhnisch. „Rein, leider kein Wort. Ich bin Engländer, kaum erst in Moskau angekommen." „Engländer!" fuhr sie freudig überrascht auf Englisch fort..Warum haben Sie England verlassen und sind in dieses elende Land gekommen?" .Um den Hungernden in Rußland zu helfen, wenn ich kann." Sie rief den weißhaarigen Mann.„Richolas, Katja, kommt doch, hier ist ein Herr, der eben erst aus England kommt." Der Mann ergriff Bertrams Hand und drückte sie..Ich kannte und liebte England. Ich war Maler. Katja war da- mals noch ein kleines Kind." Sie trugen ihm eine Borschtsuppe und Fleisch auf, und während er aß, erzählte ihm die Dame, was sie erduldet hatten. Ibr Gatte war Hofmaler gewesen. Di« Tscheka hatte ihn verhastet und ins Gefäntznis geworfen unter dem Vorwande, er hätte sich gegenrevolutionärer Handlungen schuldig gemacht. Achtzehn Monate hatte er, halb verhungert, in einer feuchten Zelle gesessen, zusammen mit anderen Gefangenen aus der guten Gesellschaft. Täglich waren einige von ihnen abgefühtt und erschossen. Warum er verschont wurde, wußte er nicht.— Unterdessen war ihr schönes Haus der Roten Armee als Quartier überwiesen und sie und Katja wurden in die Küche verbannt. Während die Soldaten sich damit vergnügten, die Bilder ihres Mannes zu durchstechen und in den schönen Zimmern unaussprechlichen Schmutz anzuhäufen, verhungerte'sie fast mit dem Kinde. Dann wurde auch sie auf einige Wochen verhaftet, weil sie einer Bauernfrau Ihren Ring für ein paar Kartoffeln ver» kauft hatte. Damals war ihr Mann entlassen worden. Ein- fach auf die Straße gestoßen mit den Worten:„Du kannst gehen, Tawarischl" So hatten sie das große Glück gehabt, wieder beisammen zu sein. „Unsere Freunde sind von den Halsabschneidern und Räubern, die jetzt unser Land regieren—" .Um Gotteswillen sei still!" flüsterte der Mann, denn in diesem Augenblick betraten zwei Männer, die den Sowjetstern auf der Mütze trugen, das Restaurant. Die Frau wurde toten- blaß, aber sie forderten Borscht und sprachen eifrig aufeinander los, ohne sich um die andern zu kümmern. Die Frau ging in die Küche, der einstige Hosmaler schalle Kartoffeln, und keiner traute sich mehr ein Wort zu sprechen. (Fortsetzung folgt.)