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Nr.16 42. Jahtgang

Ausgabe A nr. 9

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Der ,, Borwärts" mit der Sonntags beilage ,, Boll und Beit" mit,.Giebe Yung unb Aleingarten" fomie ber Beilage Unterhaltung und Wiffen" und Frauenbeilage Frauenstimme erscheint wochentäglich zweimal Sonntags und Montags einmal.

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Sozialdemokrat Berlin  "

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Vorwärts

Berliner Dolksblatt

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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands  

Redaktion und Verlag: SW 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Redaktion: Donhoff 292-295 Verlag: Donboff 2506-2507

Amflich wird gemeldet:

Sonnabend, den 10. Januar 1925

Marx gescheitert!

Vorwärts- Verlag G.m.b.H., SW 68, Lindenstr. 3 Boitscheckkonto: Berlin   375 36 Bankkonto: Direktion der Diskonto- Gesellschaft. Devojitenkaffe Lindenstraße 3

Rechtsregierung Luther oder Weimarer Koalition?!

Feststellungen bei der Reichstagsfraktion der Deutschen  Boltspartei haben ergeben, daß fie sowohl gegen ein aus Zentrum und Demokraten gebildetes Kabinett wie auch gegen das durch Staatssekretäre ergänzte bisherige Kabinett in schärfte Opposition treten würde. Da Reichstanzler Marg unter diesen Umständen die Möglichkeit einer Regierungsbildung durch ihn nicht mehr gegeben fah, hat er heute nachmittag den ihm erteilten Auftrag dem Reichspräsidenten zurüdgegeben.

Der Reichspräsident empfing im Laufe des abends den Reichsminister Dr. Stresemann, die Reichstagsabgeordneten Shiele und Hermann Müller   und am Spätabend noch den Reichsfinanzminister Dr. Cut her.

Den entscheidenden Anlaß für den Entschluß des bis­herigen Reichskanzler Marr. seinen Auftrag an den Reichs präsidenten zurückzugeben, bildete eine Besprechung mit den bisherigen Kabinettsmitgliedern Stresemann  , Luther, Brauns, Geßler und Hamm  , in der sich heraus­stellte, daß diese die Fortsetzung der Bemühungen des Reichs fanzlers für auslichtslos erklärten. Es wurde im Reichstag et zählt, daß der Reichsfinanzminister Luther   neben Herrn Stresemann, dessen Stellung ja schon befannt war, bei diesem Vorgang eine entscheidende Rolle gespielt hätte. Bielfach wurde die Auffassung vertreten, daß es nunmehr an Dr. Luther fei, den Versuch einer Kabinettsbildung zu unter­nehmen

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fie hineinschlüpfen fönnte. Sie hat nicht durch unzeitgemäße Aktivität die Entstehung einer republikanischen Regierung- sei es auch ohne ihre Beteiligung gefährdet oder verhindert. Heute muß aber an das Zentrum und die Demokraten die Frage gerichtet werden, ob die 131 Sozialdemokraten meniger find als die 111 Deutschnationalen, ob die 232 Republikaner der Weimarer Koalition sich selber geringer einschäzen als die 216 Abgeordneten, die rechts von ihnen sizen, und ob die 163 Demokraten und Sozialdemo­fraten für Deutschland   und die Republik   meniger bedeuten als die 162 Deutschnationalen und Volksparteiler.

Die Sozialdemokratie hat sich bisher zurüdgehalten. Heute, im Augenblick der Gefahr, fann fie aussprechen, daß sie nicht nur bereit ist, zur Berhütung dieser Gefahr mitzutun, sondern daß sie auch bereit ist, sich soweit vornean au stellen, wie das von den anderen nichtmonarchistischen Parteien etwa gewünscht werden fönnte.

geftanden haben, eine Schande fein? Es ist doch der Sinn des parlamentarischen Systems, daß man nur fällt, um stärker aufzustehen!

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Das republikanische Deutschland   würde es nicht verstehen, wenn die republikanischen Parteien entnerot, matt, mutlos zusehen würden, wie alles zum Chaos und zur Reaktion beide Begriffe bedeuten annähernd dasselbe hinunter­gleitet. Es wird sich mit verstärktem Mut und neuer Be­geisterung den Parteien oder der Partei zuwenden, die in der Stunde der Gefahr die Republik   nicht im Stich läßt. Wo­für und für men sollen aber die Wähler kämpfen, wenn die Gewählten nicht fämpfen wollen?

Die Sozialdemokratische Partei   ist bereit und entschlossen, für die Republik   zu kämpfen in der Regierung oder, wenn Sentrum und Demokraten sich ihr versagen, in der Oppo fition. Diesen zweiten Weg zu betreten, würde ihr eine Regierung Luther fofort Gelegenheit geben. Hat Eine Regierung der Weimarer Koalition müßte jeden Tag es doch schon Herr Marg an Entgegenkommen an die Rechte um ihre Eriſtenz fämpfen, gewiß! Sie könnte sogar gestürzt wehrhaftig nicht fehlen lassen, dennoch hat die Rechte seinen merden, gewiß! Aber das Elend der deutschen   Politik rührt Bersuch einer Kabinettsbildung mit Hilfe des Herrn Luther vielleicht zum großen Teil daher, daß man sich immerzu be- zum Scheitern gebracht, weil ihr eben eine Regierung Marg müht, eine un stürzbare Regierung zu erfinden. Man überhaupt gar nicht rechts genug fein fonnte. Das Vertrauen, follte sich mehr an den Gedanken gewöhnen, daß die Ueber das die Rechte Herrn Luther entgegenbringt, würde die So­nahme der Regierung immer mit einem gemissen Risilo verzialdemokratie ihm automatisch versagen müssen. bunden ist, in Deutschland   für Linkspolitiker sogar mit dem, in einem Sumpf der Berleumdungen erstickt oder aus dem Hinterhalt erschossen zu werden, Warum sollte man sich da fcheuen, vor den Reichstag zu treten aus Furcht, daß man unterliegen fönnte, warum sollte man nicht lieber sagen: Dem Mutigen gehört die Welt!" und Im Anfang war die

Lat  !"

Der Tag vor dem 10. Januar, diesem schweren Schicksals­tag deutscher   Geschichte, hat uns zwei Ereignisse gebracht: den tag deutscher   Geschichte, hat uns zwei Ereignisse gebracht: den Standal im preußischen Landtag und den Fehlschlag des von Herrn Marg unternommenen Versuchs, eine deutsche Reichsregierung zustande zu bringen. den Mut, mit dem er, trog aller schändlichen Manöver der Der preußische Ministerpräsident Braun hat sich durch Für alle Zeiten muß das festgehalten werden: In dem Augenblid, in dem sich ein sozialdemokratischer Minister- Nationalen", nicht für seine Partei und nicht für sein Borte­präsident erhob, um vor aller Welt für das verletzte Recht des deutschen   Boltes einzutreten, haben die nationalen" Bar­teien einen noch nicht dagewesenen parlamentarischen Skandal entfeffelt, indem sie den Saal verließen!

Die Sozialdemokratie hat mit dem alten Regime schwere Kämpfe auszufechten gehabt. Sie hatte ein Recht, aufs tiefste verbittert zu sein. Außerdem aber war sie ja bekanntlich inter­national und vaterlandsios. Aber vergebens wird man in ihrer Geschichte einen Fall suchen, in dem sie den gleichen Mangel an nationalem Taft und nationaler Würde befundet hätte wie am 9. Januar die Deutsch­nationalen und die Deutsche Volkspartei  . Das Wort fällt einem ein, das die ,, Neue Rheinische Zeitung  " einst den Vor­fahren der Nationalen" von heute entgegenschleuderte: " Und diese Elenden nennen sich noch Patrioten!"

feuille, sondern für das Recht des deutschen   Volkes eintrat, den Beifall aller anständig Denkenden gesichert. Viel leicht wird er mit seinem Kabinett fallen. Wird das ihm schaden? Wird das für die Parteien, die bis zuletzt zu ihm

Ob nun Herr Luther den Auftrag erhält, wie schon in einem Teil der geftrigen Abendpreffe vorausgefagt wurde, ob er ihn annimmt, durchführt oder auch mit ihm scheitert, ob sich das Zentrum zur Sache der republikanischen Bolitik zurückfindet oder ob es sie im Stich läßt auf alle Fälle stehen die Zeichen auf Sturm. Auf alle Fälle muß die Masse des arbeitenden Boltes zusammenstehen, sie darf ihre reien, die ja an der Schwächung der Arbeitermacht die größte Einigkeit nicht stören lassen durch kommunistische Quertreibe­Schuld tragen, noch darf sie ihre Aufmerksamkeit von den großen politischen Entscheidungen ablenken lassen durch die Standalhezze von rechts und links.

Die Zeit ist ernst und wird noch ernster werden. Sie

fordert Entschloffenheit und Geschlossenheit!

Deutschland   handelspolitisch frei.

Heute

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Der Termin des 10. Januar.

am 10. Januar 1925- läuft die Frist ab, inner­halb der die Ententestaaten auf Grund des Friedensvertrages Anspruch auf die Meistbegünstigung mit Deutschland   hatten. Deutschland   ist von heute an handelspolitisch frei. Die wichtig sten wirtschaftlichen Paragraphen des Versailler Diktats, die heute außer Kraft treten, lauten:

Artikel 264.

Während die Volkspartei im Landtag dem Minister­präsidenten Braun, mit dem sie drei Jahre zusammen. gearbeitet hatte, zeigte, was bei ihr deutsche Treue" heißt, vollzog sie im Reichstag diefelbe Demonstration gegenüber dem Deutschland   verpflichtet sich, die Waren, Natur- oder Gewerbs. Zentrum und dem bisherigen Reichsfanzler marg. Leider wurde Herr Marr schwach! Statt ein Rabinett erzeugnisse irgendeines der alliierten oder also. Leider wurde Herr Marr schwach! Statt ein Rabinettiierten Staaten bei der Einfuhr in das deutsche Gebiet aus Zentrum und Demokraten zusammenzuraffen und im ierten Staaten bei der Einfuhr in das deutsche Gebiet offenen Barlament feinen Gegnern die Entscheidung zuzu- ohne Rücksicht auf den Abgangsort feinen anderen oder schieben, gab er seinen Auftrag an den Reichs- höheren Gebühren oder Abgaben einschließlich der schieben, gab er feinen Auftrag an den Reichs inneren Steuern zu unterwerfen als denen, welchen die präsidenten zurüd. gleichen Waren, Natur- oder Gewerbserzeugnisse irgendeines anderen der genannten Staaten oder irgendeines anderen frem den Landes unterworfen sind.

Wie stehen die Dinge nun? Wir fönnen in diesem Augen blid nur sagen, wie sie sich für die Sozialdemokra tische Partei darstellen.

Die Sozialdemokratische Fraktion hat durch Beschluß fund getan, daß sie die Wiederherstellung der Koalition von Weimar   als den gegebenen Ausweg aus der verworrenen Lage betrachtet. An diesem Beschluß hält sie fest, mit allen Konsequenzen, die sich daraus ergeben. Sie ist bereit, jeden Schritt zu tun, der mit einiger Aussicht auf Erfolg getan werden fann, um in der Deutschen Republik eine republika nische Regierung zuftande zu bringen.

Sie wäre bereit gewesen und ist auch heute noch bereit, eine republikanische Regierung zu unterſtügen, der sie nicht angehört. Eine solche Regierung war denkbar als eine Regie­rung von Zentrum und Demokraten unter Führung des Zen­trums. fie ist auch heute noch denkbar als eine Regierung von Demokraten und Zentrum unter Führung der Demokraten. Die Sozialdemokratie hat sich, obwohl ftärtite Fraktion des Reichstags und stärkste der republita­nijchen Parteien, wahrhaftig nicht vorgedrängt. Sie hat nicht nach Art der Deutschnationalen die Türen der Reichsministerien Sag und Nacht umlagert, um den Moment zu erspähen, mo

Deutschland   darf gegen die Einfuhr von Waren, Natur- oder Gewerbserzeugnisse der Gebiete irgendeines der alliierten oder affo­ziierten Staaten bei der Einfuhr in das deutsche Gebiet, ohne Rüd. sicht auf den Abgangsort, teinerlei Berbote oder Be fchränkungen beibehalten oder erlassen, die sich nicht in gleicher Weise auf die Einfuhr der gleichen Waren, Natur- oder Gewerbs erzeugnisse irgendeines anderen der genannten Staaten oder irgend eines anderen fremden Landes erstreden.

Artikel 265.

Deutschland   verpflichtet sich ferner, in feinen Grundfäßen für die Regelung der Einfuhr feine unterschiedliche Beband. lung zum Nachteil des Handels irgendeines der affiiierten oder affoziierten Staaten gegenüber irgendeinem anderen der genannten Staaten oder irgendeinem anderen fremden Lande eintreten zu laffen, auch nicht mittel­bar etwa durch seine Zollverwaltungs. ader 3ollabfertigungspor schriften, feine Untersuchungs- oder Anainfiermethoden, feine Bahlungsvorschriften für die Gebühren, feine Tarifierungs- oder Tarijauslegungsgrundfäße oder durch Monopole.

Artikel 280.

Die Deutschland   vorstehend durch Rapitel I und durch die Artikel 271 und 272 des Rapitels II auferlegten Verpflichtungen er­löschen fünf Jahre nach Infrafttreten des gegen. wärtigen Bertrages, sofern sich nicht aus dem Wortlaut das Gegenteil ergibt oder sofern nicht der Rat des Völkerbundes spätestens zwölf Monate vor Ablauf dieser Frist entscheidet, daß die Verpflich tungen mit oder ohne Abänderung für einen weiteren Zeitraum auf­rechterhalten bleiben.

Das handelspolitische System Deutschlands   vor dem Kriege beruhte auf der Meistbegünstigung. Praktisch verfährt die Zoll­politif dabei folgendermaßen: es wird ein sogenannter auto­nomer 3olltarif aufgestellt. Ist der autonome, zu deutsch  selbstgegebene", nur von den eigenen Interessen diktierte Zoll­tarif fertiggestellt, fo läßt sich die Regierung die Ermächtigung geben, auf Grund dieser Säße mit anderen Staaten über andelsverträge zu verhandeln. Bei diesen Verhand= lungen er mäßigt fie gegenüber anderen Staaten einen Teil der Zölle. Jeder einzelne Vertrag wird den gefeßgebenden Körperschaften vorgelegt, die sich dann darüber schlüssig werden, ob den von uns gebotenen Zugeständnissen gleich­wertige anderer Staaten gegenüberstehen. Da es sich dann nur um die Frage handelt, ob der Vertrag als Ganzes angenommen oder abgelehnt werden soll, da ferner neue Berhandlungen die von einzelnen Interessentengruppen dringend geforderte Ber tragsregelung lange Zeit hinausschieben würden, tommen so oft erhebliche 3ollermäßigungen zuftande. Diese Bollermäßigungen gelten zunächst theoretisch nur für den Staat, mit dem der Vertrag geschlossen wurde. In der Braris aber hat sich der Brauch herausgebildet, daß Staaten, die mit­einander Verträge abschließen, sich die Meistbegün­ftigung ausbedingen und daß diese Meistbegünstigung felbft in fürzer befristeten Abkommen vorgesehen wird. In solchen Verträgen mird dann festgelegt, daß der vertrag schließende Staat in den Genuß aller Borteile tritt, die jetzt oder später vom anderen Staat dritten Mächten gewährt