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Beilage zum Vorwärts" Berliner Volksblatt.

Nr. 119.

Eisenbahnunfälle und Signalwesen.

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Dienstag, den 26. Mai 1891.

Dieses Urtheil über unsere Eisenbahn- Signaleinrichtungen ist sehr hart, aber, wie uns scheinen will, gerecht. Ungerecht aber wäre es, nun durch eine rigorose Justiz einen Beamten für Das­jenige verantwortlich zu machen, was eigentlich das ganze herr­schende System der Verwaltung zu tragen hat.

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Lokales.

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8. Jahrg.

reden ließ sich der Knabe dazu bewegen, taumelte jedoch bald darauf heftig weinend mit aufgelaufenem Gesicht aus dem Zimmer zurück; der robuste Bäcker hatte sich an dem schwächlichen Kinde vergriffen. Die laute Entrüstung der versammelten Menge wird den Herrn Bäckermeister wohl darüber belehrt haben, daß er fein Recht hatte, den Knaben zu züchtigen, außerdem ist die Sache von einem Schuhmann notirt worden, so daß sie wohl auch noch ein gerichtliches Nachspiel haben wird.

Entwickelung des Signalwesens eine normale gewesen ist. Es ist S. Falkenberg, Pächter des Rathstellers, verpachtet haben. Da schwer, alle diejenigen Unglücksfälle richtig zusaminen zu stellen, das Schloß Schönholz" auf unserer Lokalliste verzeichnet ist, die, wie z. B. der entsetzliche Unglücksfall in Wannsee , wird es hoffentlich den Pankower Genossen und der Lokal­auf die ungenügende Entwickelung unseres Signalwesens zurück- Kommission gelingen, in dieser Angelegenheit Aenderung zu Vei jedem größeren Eisenbahnunglück sind an die Mitthei- geführt werden können; es soll hier nur der Unglücksfall in schaffen. Die Mißhandlung eines schwächlichen Knaben von ca. lung über die Einzelheiten des Unfalls auch zugleich die unver- Bergedorf am 17. Oktober v. J. als charakteristisch für das meiblichen Nachrichten über die von den Strasbehörden getroffenen System unseres Signalwesens hervorgehoben werden. In Berge 7 Jahren durch den Bäckermeister und Hauseigenthümer Schulze Maßregeln gegen die angeblich schuldigen Beamten geknüpft, durch dorf fuhr ein durchgehender Expreß Güterzug in einer Weiche veranlaßte gestern in den Vormittagsstunden einen größeren deren Versehen der Unfall geschehen sein soll. So wird auch über auf eine Rangirmaschine mit dahinter befindlichen Wagen, Auflauf vor einem Laden in der Rosenthalerstraße 43, am den Eisenbahnunfall, welcher auf der fleinen Station Kirchlengern weil der dienstthuende Stationsbeamte das Durchfahrtssignal Saate 'schen Markt. Ein anderer Knabe hatte dem Kleinen den den Ertrazug des Birkus Carré betroffen hat, sehr prompt be- gab, ohne an die Rangirmaschine zu denken. Jeder mit den Hut vom Kopfe genommen und in den offenen Laden des Schulze richtet, daß der Stationsassistent, welcher, den bestehenden Vor- englischen Signalvorrichtungen etwas vertraute Ingenieur wird geworfen. Trotz verschiedentlicher Fürsprache gab Sch. den Hut schriften entgegen, beide Züge hat gleichzeitig einfahren laffen, nun fragen: warum waren die Signaleinrichtungen nicht solche, nicht wieder heraus, sondern verlangte, daß der Kleine sich den fofort seines Dienstes enthoben und verhaftet worden ist. Gegen daß auf den Durchfahrtsgeleisen wenigstens 5 Minuten vor An- Hut aus seinem Hinterzimmer selbst holen sollte. Auf vieles Bus den Lokomotivführer des Personenzuges, welcher letteren nicht funft des Buges überhaupt nicht rangirt werden konnte? Das rechtzeitig und an richtiger Stelle zum Halten gebracht hat, ist völlig verfehlte deutsche System, das auch hier zum das Strafverfahren ebenfalls eingeleitet. Unglück geführt hat, besteht darin, daß sich die Eisenbahnen zu Es ist bei dieser Gelegenheit wirklich nöthig, auf die völlige sehr auf die Erfüllung komplizirter Instruktionen durch viel Entartung hinzuweisen, die dem Begriffe der fahrlässigen Tödtung feitig in Anspruch genommene Beamte verlassen. in unserer Strafrechtspflege droht. Jeder, auch der geringfügigste Gerade das Gegentheil ist in England der Fall; die Signale Buminel, der dem Beamten unzählig oft passirt, ohne die geringste und Weichen sind dort zum großen Theil derartig mit einander Folge zu haben, bringt diesen Mann auf Jahre hinaus ins Ge- verbunden, daß eine nicht unwesentliche Geschicklichkeit dazu ge­fängniß, sobald sich an diese an sich sehr unerhebliche Nachlässig hört, einen Unglücksfall herbeizuführen." feit Folgen knüpfen. Lediglich nach diesen Folgen, nicht aber nach dem Maße des Verschuldens pflegen die Gerichte bei Be­urtheilung der Strafbarkeit sich leiten zu lassen. Damit wird ein Element in die Strafrechtspflege eingeführt, welches das gesunde Rechtsgefühl schwer erschüttern muß. Kein Mensch versteht, wie er für Zufälligkeiten verantwortlich gemacht werden kann, die sich an sein Versehen knüpfen und wie seine Verantwortlichkeit ihrem Umfange nach abhängen kann von der Größe und dem Umfange dieser Zufälligkeiten. Werden Versehen von einem Beamten in Ausübung seines Dienstes begangen, so soll man das Versehen, aber nicht die Folgen strafen, oder noch besser: Maßnahmen treffen, welche das Wiedervorkommen des Versehens ausschließen. Noch richtiger wäre es, wenn eine Verwaltung, die, wie die preußische Staatsbahn Verwaltung, viele Millionen Jahresüberschuß ergiebt, einen Theil dieser Ueber schüsse zu Einrichtungen verwendete, die ein Vorkommen der artiger Vergehen verhindern. Nach dem Bericht des Reichs­Anzeigers" ist das vorerwähnte Unglück geschehen, weil das Einfahrtssignal vorschriftswidrig gegeben war. Da sich derartige Versehen neuerdings häufiger ereignet haben, so liegt die Frage nahe, ob das Signalwesen auf den deutschen Eisen­bahnen den heutigen Bedürfnissen noch entspreche. Einer fachmännischen Schrift über diesen Gegenstand ent­nimmt die Voss. 3tg." folgende Mittheilungen: " In England ist die Entwickelung der Signaleinrichtung auf den Hauptbahnen eine ausgezeichnete, in einzelnen Fällen sogar eine großartige. Auf der Waterloo- Station der South- Western, auf der in den Stunden des lebhaften Verkehrs zwischen 8 und 11 Uhr Morgens und 2 bis 6 Uhr Nachmittags in 4 Minaten 3 Züge antommen und abfahren, enthält die Signalstation nicht weniger als 209 Hebel. Um das richtige und gefahrlose Ein­fahren oder Ausfahren eines Zuges herbeizuführen, sind durch­schnittlich 22 Hebelbewegungen oder im Jahre im Ganzen 4 848 700 Hebelstellungen nöthig. Indessen ist diese Signal­station inzwischen noch vergrößert worden, weil der Verkehr jetzt so groß ist, daß er nur noch durch sechs Geleise statt der früheren vier bewältigt werden kann. Der Verkehr auf der Waterloo- In dem den meisten Berlinern bekannten Restaurant Schloß Station ist zweifellos einer der gefährlichsten und großartigsten Schönholz" erregte es am 2. Pfingstfeiertag vielfach Ver- Der muthmaßliche Mörder der Arbeiterin Scherbarth ist der Welt, weil die Züge von siebzehn Perrons auf vier Geleise wunderung, daß zum Aufräumen der Tische und Einsammeln am Sonnabend aus dem Spaudauer Gefängniß nach dem Unter­zusammenkommen. Nicht weniger großartig ist die Brighton - der Biergläser Soldaten angenommen waren. Auf Befragen fuchungsgefängniß in Moabit transportirt worden. Es ist dies Signalstation auf der London - Brücke mit 200 Signalhebeln. Aber erzählte einer derselben, daß sie für diese Dienstleistung ein Arbeiter" Jerezint, welcher es beim Elisabeth- Regiment bis nicht nur in London , überall auf den Hauptstationen ist das Signal- 1,50 M. pro M ann erhielten, wobei er noch mit einer gewissen zum Unteroffizier gebracht hatte. Am Sonnabend wurde er vom wesen in dieser Weise entwickelt. Auf der St. Pauls- Station Freude betonte, daß weder er noch seine Kameraden von diesem Spandauer Schöffengericht noch wegen Hausfriedensbruchs und in London werden die Seitenstränge von der Signal- Gelde Etwas an die Kompagnie abzugeben brauchten. Für Sachbeschädigung zu 3/2 Monat Gefängniß verurtheilt. station aus durch Eisenstücke gesperrt, welche mit den Signalen eine Arbeitszeit von Mittags bis Nachts( jedenfalls von 1 bis war nächtlicher Weise in die Wohnung seiner getrennt von ihm in Verbindung stehen, so daß tein Wagen von einem Seiten- 11 Uhr, also 10 Stunden) am Pfingstfeiertag einen Lohn" von lebenden Frau eingedrungen und hatte Wirthschaftsgegenstände strange unbeabsichtigt auf die Hauptstränge gelangen fann. Das 1,50 M., damit fann allerdings ein Arbeiter, der seinen Unter- zerschlagen. Wegen des Mordes liegen sehr schivere Verdachts­Eisenbahn- Unglück vor dem Bahnhofe Wilmersdorf bei Berlin halt verdienen muß, nicht konkurriren. Abgesehen davon giebt momente gegen ihn vor. An dem verhängnißvollen Abend ist er wurde durch einen solchen beim Rangiren weggelaufenen Wagen es in Berlin eine ungeheure Anzahl Arbeitsloser, welche mit wiederholt in der Gegend. des Thatortes gesehen worden; er verursacht, der in der Dunkelheit nicht bemerkt werden konnte. Freuden selbst diesen geringen Verdienst mitnehmen würden. leugnet zwar seine Thäterschaft, hat sich aber bereits in Wider­Dieses Unglück auf einem Bahnhofe mit lebhaftem Verkehr, nahe Gegenüber dieser Thatsache ist es schwer zu verstehen, wie man sprüche verwickelt.

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Ein äußerst originelle Wette wurde am vergangenen Sonntag zum Austrag gebracht. In einem Kreise von jungen Leuten hatte nämlich ein Herr die Behauptung aufgeworfen, man tönne in Hauskleidung, Pantoffeln u. s. w. durch ganz Berlin gehen, ohne daß dieses auch nur im Geringsten auffällig bemerkt werde. Da der Herr trotz gegentheiliger Behauptung seine Worte aufrecht erhielt, ging man eine Wette ein, die wie bemerkt, am vergangenen Sonntag zum Austrag kam. Punkt 7 Uhr Abends verließ der Herr R. in Begleitung zweier Betheiligten seine Woh­Ueber einen abscheulichen Unfug, der mehr und mehr um nung, bekleidet mit einem Schlafrock, türkischem Fez und gestickten sich greift und immer gemeingefährlicher wird, schreibt man uns: Pantoffeln; zum Ueberfluß hatte er auch noch eine lange Pfeife Wer einen Stock trägt, soll vor allem ihn auch tragen lernen. mitgenommen, welcher er mächtige Rauchwolten entlockte. Bu Gegen das geradezu frevelhafte Tragen der Stöcke unter dem nächst nahmen die Wettenden ihren Weg durch die Oranien- und Arm ist die Polizei schon eingeschritten wenn auch lange nicht Jerusalemerstraße zum Dönhoffplay, wobei sie schon während mit dem Nachdruck, den die dedrohten Augen des Publikums be- dieses Ganges die Beobachtung machen konnten, daß sich trotz anspruchen dürften. Noch verbreiteter und taum minder gefähr- des starten Sonntagsverkehrs kein Mensch um den Beschlafrockten" lich ist die Sitte, den Stock nach zuschleifen oder doch so zu kümmerte. Auf dem Dönhoffplatz verweilten die Herren eine tragen, daß ein hinter hinter dem Träger Gehender darüber Zeitlang und gingen dann durch die Leipziger - und Friedrich­strauche In kann. Wir sahen gestern, wie auf diese Weise eine straße zum Bellealliance- Play. Als sie sich hier auf einer Ruhe­Dame schwer zu Fall kam und sich eine schmerzhafte Verlegung bank niederließen, meinte einer der dort Sitzenden mit einem auzog. Jeder Stocktragende Mensch sollte soviel Rücksicht auf Anflug Neid: Na, Sie haben's gut. Wohnen hier in der Nähe feine Mitmenschen nehmen, daß er stets, wo er mit solchen zu- und brauchen nur ein paar Schritte zu gehen, wenn Sie Abends fammen geht, auf belebten Straßen und namentlich im Gedränge, im Freien sigen wollen!" Durch die Königsgrätzer- und Leipziger­den Stock mit gesentter Spige vor sich herträgt. straße zurück ging es nun zum Spittelmarkt und von dort durch Das schließt jede Belästigung oder Gefährdung Anderer aus. die Seydelstraße nach Hause, und während der ganzen Fahrt war Die Beschäftigung von Soldaten als Arbeiter in Privat- der junge Mann für einen aus der Nachbarschaft gehalten worden. diensten sollte in lezter Beit verboten worden sein und gewisse Die Wette war somit glänzend gewonnen. Anzeichen sprachen auch dafür, daß dies Verbot befolgt wurde. So sah man schon seit wenigstens einem Jahr bei den Umzügen an den Terminen zum Wohnungswechsel nur noch wenige Sol: daten beschäftigt und dies gewöhnlich nur dann, wenn es sich um den Umzug eines Offiziers handelte. Neuerdings scheint die Beobachtung des bisher vermutheten Verbotes, wonach aktive Soldaten den Arbeitern keine, sie in ihrem Erwerbe schädigende Ronkurrenz machen sollen, weniger streng genommen zu werden, oder das Berbot, falls es überhaupt bestanden hat, aufgehoben zu sein. Wir erhalten nämlich folgende Mittheilung:

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Das Schauspiel eines Bergfturzes bieten am Mittwoch, den 27. Mai, Nachmittags 1/24 Uhr, die Rüdersdorfer Kaltberge. Jm dortigen fiskalischen Tiefbau wird am genannten Tage eine größere Steinwand( 10-12 Pfeiler) mittelst Pulver- und Dynamit sprengung zum Absturz gebracht. Freunden dieses interessanten Schauspiels sei bemerkt, daß die beste Fahrgelegenheit die um 11 Uhr 31 min., 12 Uhr 30 Min. und 1 Uhr 30 Min. vom Schlesischen Bahnhof fahrenden Züge bieten. Von Erkner bis Saltberge per Dampfschiff bis Station Hinterberge. Von da ab führt ein Weg in 10 Minuten zum Tiefbau, woselbst die Akazien­Allee den besten Beobachtungspunkt abgiebt.

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der Hauptstadt des Reiches, deutet schon darauf hin, auf welchem Soldaten, welche doch während ihrer Dienstzeit wenigstens der Die Plünderung des Schankaftens des Juweliergeschäfts Niveau sich das Signalwesen auf unsern Staatsbahnen befindet, drückendsten Sorgen um ihre Existenz überhoben sind, zu dieser Wagner u. Ko., Dranienstraße 63 gelegen, verursachte am wenn auch in feiner Weise in Abrede gestellt werden darf, daß Arbeit heranziehen kann. Bekanntlich ist das betreffende Lokal gestrigen Vormittag großes Aussehen in der dortigen Gegend. in einzelnen Fällen, wie z. B. auf der Berliner Stadtbahn , die Eigenthum der Berliner Schützen, welche es an Herrn Zwei Männer hatten sich den Kasten, den das genannte Ge­Den Herren Jahnke und Schirmer, von denen die Be- rolle zu gewaltiger Wirkung. Offenheit und Konsequenz find Freie Volksbühne. arbeitung der Reuter'schen Dichtung für die Bühne gemacht ist, menschliche Tugenden, denen es in ihrer Vereinigung nie an Für das Publikum des Vereins Freie Voltsbühne existirt fehrten sich hieran nicht. Ihr Ziel war auch gar Anerkennung mangeln wird. das, was das obere Zehntausend, jene gebildete" Minorität, nicht die dramatische Bearbeitung im tünstlerischen Sinne, Da Herr Jahnke von Beruf nicht Schauspieler ist, so spielte welche 6 M. für ein Theaterbillet zahlt, Saison" nennt, nicht. sondern die theatralische Ausschlachtung zu geschäftlichen Zwecken. er, obgleich er ebenfalls die offene Erklärung" unterschrieben Während es in unseren Luxustheatern flau und immer flauer und so erschien ihnen der grimmige Ernst der Neuter'schen hatte, nicht mit. Die Rolle des alten Daniel war von Herrn Er schuf daraus zugeht, hat die Freie Voltsbühne gerade jetzt erst ihren größten Ratastrophe ebenso wenig opportun, wie die furchtbare Anklage, Wirth vom Thomas- Theater übernommen. Triumph gefeiert. Der nahende Sonimer hat das fortwährende die das revolutionäre Epos gegen die göttliche Ordnung" erhebt ein Rabinetstück. Die Art, wie er im dritten Akte den Gebet­vers: Wo findet die Seele die Heimath, die Rub..." brachte, Steigen der Mitgliederzahl nicht aufzuhalten vermocht, und gestern, gegen die Theilung der Menschheit in Herr und Knecht. am 24. Mai, fand vor dichtgedrängtem Haufe die Darstellung So dichteten" sie denn dem Drama, wie es sich aus Rein gehört zur echten, großen Schauspielkunst. Einfachheit und eines Voltsschauspiels statt, das, wie fein anderes der Hüsung" mühelos ergiebt, einen mühevollen eigenen Schlußatt charakteristische Natürlichkeit! Auch dem Spiel des Fräulein Rosen bisher im Verein gespielten Dramen, einen geradezu an, einen Aft der Versöhnung. Früher, ja früher da als Marie sind diese vornehmen Schauspielereigenschaften zuzu überwältigenden Eindruck machte und das zweifellos ging es ja toll zu. Aber jetzt, im neuen Deutschen Reich, feit sprechen. in noch höherem Maße als alle Stücke vorher neue Mitglieder 70, da leben wir nun definitiv in der besten aller Welten. Und Ein bedeutendes Lob gebührt wiederum der Regie des Herrn dem Verein gewinnen wird. wem haben wir das zu verdanken? Niemandem anders als Cord Hachmann. Es war ersichtlich, daß er, ein großer Verehrer Es war aber auch ein großer Dichter und dieses großen Seiner Majestät, unserem erhabenen, hochseligen Raiser und und selbst mit Vorliebe Interpret Reuter's, diesmal mit be­Dichters größtes, ernstestes Wert, welches gestern auf das Pu- Herrn, Wilhelm, dem Siegreichen. Amen." sonderer Hingabe an den durchaus stimmungsvollen Arrangements blikum der Freien Volksbühne also wirkte! Frizz Reuter's düst're, Dies die Idee" des vierten Aftes der Jahnke- Schirmerschen gearbeitet hatte. revolutionäre Dichtung Kein Hüsung" war es, deren Gestalten Bearbeitung. Der Vorstand der Freien Volksbühne" besaß die Otto Erich Hartleben . über die Bühne schritten. In keinem seiner anderen Werke hat literarische Pöbelhaftigkeit, wie Herr Otto Neumann- Hoser zu sich der große Dichter des niederdeutschen Gemüthes je wieder zu sagen pflegt, diesen vierten Aft nicht aufzuführen, es bei der Wir werden um Aufnahme folgender Erklärung ersucht: so wuchtiger Tragit erhoben, zu solch' innigem Zorn gesammelt, natürlichen Ratastrophe und dem heiligen Ernst der Neuter'schen Sehr geehrte Redaktion! als in dieser, feiner ersten größeren Dichtung. Erst nach diesem Dichtung zu belaffen. In einer Offenen Erklärung" protestirten die Herren Schrist. grandiosen Protest gegen Willtür und Gewalt schrieb sich der Keineswegs soll es den Herren Jahnke und Schirmer indeß steller Jahnke und Schirmer, Verfasser des vieraftigen Dramas Dichter die Bitterfeit seiner überstandenen Leiden in dem rührend groß- bestritten werden, daß ihnen die drei ersten Akte ihrer Bearbeitung Kein Hüfung" dagegen, daß der Ausschuß des Vereins Freie herzigen Buche ut mine Festungstid" möglich von der Seele fehr gut gelungen sind und daß sie wider ihren Willen mit Boltsbühne" das genannte Stück ohne den vierten Akt aufführen damals, als er in Kein Hüsung" das Elend der sozialen Unter- diesen drei Akten ein in sich geschlossenes revolutionäres Volks wolle und hierfür ihre Einwilligung nicht nachgesucht habe. drückung seiner Landsleute malte, hatte der Humor seinen Groll schauspiel haben schaffen helfen, das seine unerhört packende Zur Berichtigung erklären wir nun, daß der Ausschuß be­noch nicht bemeistert das Pathos des unterdrückten Hasses Wirtung gestern zum ersten und sicherlich nicht zum letzten Mal schlossen hat, die Einwilligung der Autoren zur Aufführung des stand ihm noch zu Gebote. erwiesen hat. Sie haben sich aber in diesen drei Akten Stückes ohne den vierten Aft nachzusuchen, sich zu diesem Zwecke Die Handlung der Reuter'schen Dichtung ist von einer möglichst streng an den Dichter gehalten und sich im mit Herrn Jahnke und darauf auch mit Herrn Schirmer in Ver­genialen Einfachheit. Der Herr, der in der Magd eine natürliche übrigen sichtlich bemüht, in dem ihrerseits Hinzugethanen bindung setzte und die Ueberzeugung gewann, daß die Autoren Beute seiner Sinnlichkeit erblickt, der Knecht, der diese Magd nicht allzu geschmacklos zu sein. Der folossale Stoff und die allerdings die Verkürzung ihres Stückes bedauerten, immerhin aber und die Magd, welche sich dem Herrn versagt und dem Gemüthstiefe der Neuter'schen Dichtung wirken eben aus sich so die Aufführung desselben auch ohne den vierten Att einer Nicht­Knecht aus Liebe hingiebt das sind die drei Per- elementar, daß schon ein Genie von Ungefchicklichkeit dazu gehörte, aufführung vorzögen. sonen, aus deren Stellung zu einander sich der Konflikt sie um die Wirkung zu bringen. Dieses Genie besitzen die Herren einfach und mit Nothwendigkeit ergiebt. Die Tragödie Jahnke und Schirmer nicht. des Knechtes" in ihrer typischen Gestalt. Der Ausgang, zu dem Reuter diefe Tragödie führt, geht über die Katastrophe derselben, den Todtschlag hinaus. Der geflüchtete Knecht holt sein Kind in die Freiheit nach: Amerita gilt als das Land der Frei­Das ist episch. Bei einer Bearbeitung der Reuter­fchen Dichtung für die Bühne mußte diese Ueberschreitung der Ratastrophe wegfallen und die lettere an ihren natürlichen dramatischen Play, nämlich an den Schluß treten.

heit.

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Nicht wenig zu dem großen Erfolge der gestrigen Aufführung trug diesmal die schauspielerische Darstellung bei. Sie war die beste, die bisher auf der freien Volksbühne geboten ist.

Der Mitverfasser, Herr Schirmer, erklärte" vorgestern bekanntlich, offen", daß er gegen die willkürliche und tenden­ziöse Verstümmelung, welche sein Werk" auf der freien Volks­bühne erfahren würde, energisch protestire. Gestern verhalf er eben dieser Verstümmelung" durch die Darstellung ter Haupt­

Infolge einer heute erfolgten Rücksprache mit den Autoren scheint es uns möglich zu sein, daß ein Mißverständniß seitens des Herrn Jahnke vorgelegen hat. Wir bemerken noch, daß wir aus Rücksichten der Duldsamkeit entschlossen sind, den Autoren eine öffentliche Aufführung ihres Stückes in völlig un­verkürzter Gestalt anzubieten.

Der Vorstand der" Freien Voltsbühne" Dr. Bruno Wille, Otto Erich Hartleben , Vorsitzender. Schriftführer. Carl Wildberger, Kassirer.