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Nr. ZS �42. Jahrgang

1. Seilage ües vorwärts

Irektag, 25. Januar»425

Cine Irbeitssitzung öer Stadtverordneten.

Mittelstands- und Verkehrsdebatten.

Zu V-ginn der gestrigen Stadtverordnetenversammlung wurde van der Dirtschostsparlei ein bißchen in Mittelstandsretterei gemacht. Anlaß dazu bot die Errichtung und der Betrieb einerGemein- nützigen Verkauissielle". die unter der Regie der städtischen Arbeiter. Angestellten und Beamten an diese allerlei Waren zu besonders günstigen Cinkaussbediugungen abgibt. Der Magistrat hat ein Darlehen gegeben und Räum« für billige Miete zur Verfügung gestellt; das genügte Herrn Müller-Franken, dem Magistrat Borschubleistung unlauterer Konkurrenz" vorzuwerfen. Die Stadt- rät« Wege und Brühl legten die Verhältnisse der Einkaufsstelle dar. Deutschnationale und Volkspartei fange» aus Konkurrenz- gründen das mittelständlerische Lied mit. wobei sich ein interessanter Widerspruch zwischen dem deutschnattonalen Parteiredner und dem deutschnationalen S t a d i r a t Wege ergab. Der deutschnatio- nale Redner forderte«in« Aufbesserung der Einkommen der städtischen Arbeitnehmer, falls ihre Gehälter und Löhne für den Ein- kauf beim Privatkrämer nicht ausreichen sollten. Mittelstände- kagit! Genosse Heitmann vertrat kurz den Standpunkt unserer Fraktion. Die Sache ging an«inen Ausschuß. Ein Antrag der Kommunisten, beim Oberprösidenten darüber zu verhandeln, daß ihnen die gesetzlich zustehende Vertretung im Magistrat endlich be- willigt wird, fand Annahme. Selbstverständlich stimmten die Sozial- demokraten aus prinzipiellen Gründen dafür; die Kommunisien nahmen?lnlaß, sich darüber zu wundern. Bei der am vorigen Donnerstag ausgesetzten Abstimmung über den Manteltarif der städti- schen Arbeiter wurde die Ueberweisung der dazu vorliegenden Ver- besserungsanträge an den Magistrat zur Durchführung bei den kommenden Verhandlungen mit einer einzigen Stimme Mehr- heit beschlossen. Die Autodusunfälle am Schöneberger Ufer riefen eine längere Debatte hervor. Die Kommunisten versprachen sich in einem Antrag von der Bildung einesVcrkehrsausschusses" aus Der- iretern der Kraftfahrer viel bei der Verhütung von Verkehrsunkällen. Genosse Klose zeigte, wie in derBerkehrswacht" bereits eine solche Institution besteht und wirkt. Auf die Ausfälle des Kommunisten Dörr gegen den Polizeipräsidenten einzugehen, lohn nicht; es ist immer dasselbe. Beschlossen wurde Ausfchußberatung. Bei der Be- ratung eines Antrages auf Ueberlaffung der Rathausräumlichkeiten für eine Kolonialausitellung haspelte der Kommunist Venus ein Manuskript feiner Parteizentrale herunter. Er hat« die Sozial­demokraten im Verdacht, daß sie für die Ueberlaffung seien. Um so mehr staunten Kommunisten und auch die Rechte des Hauses, als Genosse Czeminski das Gegenteil verkündete. M llm S Uhr trat die Versammlung in eine geheime Sitzung«in. « Der Beginn der Sitzung war zunächst der Erledigung von A n- fragen gewidmet. Nachdem die Besorgnisse, die die Deutschnatio- nalen im vorigen November wegen der Ansetzung des Termins für die Rattenvsrtilgung gehegt hatten, durch«ine Erklärung des Stadtsyndikus Lange beschwichtigt worden waren, ging man zu der am 18. Dezember von den Deutschnotionalen gestellten Ankrage über, die die Gemeionühige G. m. b. h-, Einkaufskommisston für Beamte. Angestellte und Arbeiter der Stadt Berlin betrifft und ihr nachsagt, daß sie in den Räumen des Rarhaufes und des Magistrats stand, gc Verkauksstellen für Lebensmittel, Konfitüren. Wein-, Terlil- und Modewaren unterhält und solche Waren an jeder- mann abgibt. Es wird gefragt, welche Vergünstigungen der Magistrat der G. m. b. H. gewährt, ob Beamte zur Dtenstleiftung bei ihr beurlaubt sind, ob Miete und Steuern gezahlt werden, ob besonders gümtig« Kredite von der Sparkasse gewährt worden sind tind wie der Mogistrat alleden- gegenüber die Interessen der orts­ansässigen Bevölkerung zu wahren gedenkt.«chon am 27. No­vember hatte die Wirtschaftsparlei«inen ähnlichen Antrag«inge- bracht. Die Verhandlung darüber nahm ausgedehnten Umfang an. da die Vertreter der Wirtschaftspartei wieder in ollen Tonorten dos Klagelied von der außerordentlichen Notlage des gewerblichen Mittel. standes sangen und dieunlautere Konkurrenz" der Stadt

und ihrer Organe in Grund und Boden verdammten. Besonders tat sich hier wieder Müller-Franken hervor, der auch die angeblich für die Straßenbahn in der Bildung begriffenenWaren. Häuser" und die Unterstützung eines privaten Fahrräder-Agentur­geschäfts durch die Stadt in die Erörterung hineinzog. Stadtrat Wege: Die Gemeinnützige G. m. b. H. darf keine U e b e r s ch ü f s e erzielen, sie zahlt auch dem Aussichtsrat keine Tan- tiemen. Die G. m. b. H. hat sehr segensreich gewirkt, minde- stens 6S Proz. der Käufer sind städtische Arbeiter. Die Räume sind gegen angemessene Miete zur Verfügung gestellt. Die G. m. b. H. hat dem Magistrat versprechen müssen, nicht.an jedermann" zu ver- kaufen, sondern jeden Käufer über seine Berechtigung sich ausweisen zu lassen. Vergünstigungen werden nicht gewährt; kein städtischer Beamter ist zur G. m. b. H. beurlaubt; früher war es einer, der mit dem Abbau sofort auch abgebaut wurde. Als anerkannt.Gemein- nützige" zahlt sie keine Gewerbesteuer, wohl aber Umsatzsteuer. Sie hat seinerzeit ein Darlehen von IS OOS M. erhalten. Von.unlaute­rem Wettbewerb" kann keine Rede sein. Der Magistrat hält sich für verpflichtet, die Selbsthilfebestrebungen seiner Beamten, Angestellten und Arbeiter zu Unterstufen. Schwien(D. Bp.) fand diese Auskunst natürlich durchaus unbefriedigend und verurteilt das Vorgehen des Magistrats, wenn e? den Betresfenden helfen wolle, so möge er d i e Gehälter und Bezüge erhöhen, nicht aber dem Gewerbe Konturrenz machen. Die ganze Frage sei nochmals der Ausschuß- Prüfung zu unterwerfen. Genosse Stadtrat Brühl stellte fest, daß mit dem Fahrradgeichöst der Magistrat nichts zu tun habe, daß er nur dafür sorge, daß das für die Veschosfung von Fahrrädern seiner- zeit hergegebene Darlehen von lllv 000 M. nicht verloren gehe. Linke (Dntl.) war für den Antrag Schwien, da die Sache der Nachprüfung dringend bedürfe. Auch Merten(Dem.) sand an dem Verhalten des Magistrats allerlei auszusetzen, einpsohl ihm größere Neutralität gegenüber der G. m. b. H. und schloß sich gleichfalls dem Antrag schwien an. Genosse Heilmann hatte gegen die Nachprüfung nichts einzuwenden, gab aber der allgemeinen Auffassung der Fraktion Ausdruck, daß die Tendenz von Anfrage und Antrag daraus zurück- zuführen sei. daß die Vertreter der bürgerlichen Kreise alle derartigen Einrichtungen so schnell wie möglich beseitigen möchten.(Zustimmung rechts.) Di« Sozialdemokraten unterstützten alle diese im Interesse der städtischen Beamten und Arbeite? geschaffenen Einrichtungen. Her? Schwien habe in der Erhöhung der Bezüge die Abhilfe gesehen; wenn das die Äuifossung der ganzen Deutschen Bolkspartei fei, werde man sie demnächst beim Worte nehmen. Nachdem dann Gäbcl (Komm.) auch diesen Anlaß benutzt hatte, um die Sozialdemokraten mit Varmat, Kutiskcr usw. anzukrakelen. wurden die Anfrage und der Antrag der Ausschußberatung überwiesen. In der hieraus vorgenommenen Abstimmung über den 6. Tarifvertrag für die städlischea Arbeiter wurde die von der Rechten beantragte Wiederherstellung der Ma- gistratsvorlogc mit 93 gegen 94 Stimmen unter dem Beifall der Linken abgelehnt und mik der gleichen Mehrheit der Ausschuß. beschluß, dem Vertrag die Zustimmung zu versagen, mit dem Zusatz angenommen, die kommunistischen Verbesserungsanträge zu Arbeits­zeit, Urlaub usw. dem Mogistratzur Durchführung" bei den kam­menden Reich-tarisvertragsverhandlungen zu überweisen.(Die Worte zur Durchführung" wurden mit derselben Mehrheit an die Stelle der Worteals Materiol" im Ausschußbeichluß gesetzt.) Weiter nahm die Versammlung aus Vorschlag van Dörr ohne Ausspracye den kommunistischen Antrag an, der den Rlagistrat ersucht, mit dem Ober. Präsidenten zu verhandeln, um festzustellen, warum der Oberpräsident verhindert, daß die kommunistische Fraktion die ihr gesetzlich zu- siehende Vertretung durch«inen unbesoldeten Stadtrot im Berliner Mogistrat erhält. Hieraus trat man in die Beratung der Anfrage der Demokraten betr. die Unfälle im Verlmer Straßenverkehr. Ten gleichen Gegenstand betrifft ein kommunistischer Antrag, der, an ! die Betriebsunfälle der A u t v b u f l« anknüpfend, die Bildung eines Verkehrsausschuises vorschlägt, der aus Betriebsräten derAboag", der Kraftfahrer von Miets- und Geschäftsautos, der Straßenbahn, sowie des Speditions- und Fuhrgewerbes bisstehen und bei allen Berkehrsfragen einschl. Lohn- und Arbeitsbedingungen entscheidend mitzuwirken haben soll. Nachdem Merien(Dein.) die Anfrage und Stall(Komm.) den Antrag ausführlich begründet

hatten, entwickelte Stadtbaurat Adler ein umfangreiches Zukunfts- Programm für die Lösung des Berliner Verkehrsproblems und stellte bezügliche Dorlagen in nahe Aussicht. Der Magistrat werde alles tun, um den Verkehr in jeder Beziehung zu bessern und Unfälle soweit irgendmöglich zu verhindern. Vuchwih(Dnat.) hob hervor, daß im vorigen Jahr durch Verkehrsunfälle in Berlin 35 Menschen- leben vernichtet worden sind; eine gründliche Reform tue also dringend not. Berlin sei doch keine Rennbahn. Mit dem kommy- niftischerseits angeregten..VerkehrsausiKuß" tonnte e? sich ebensc wenig befreunden, wie der Verne«? der D. Vp. Veustcr, der ttr übrigen die ganze Materie einem Ausschuß überwiesen wissen wollt?. Genosse Klose führte aus: Bei jedem Auiounglück stell» die Press« fest, daß der Autoverkehr eine Gefahr ist. Dabei wird übersehen. daß die Zahl der Automobile sich vervielfacht hat und daß da? Pv- blikum diesem Verkehr immer noch nicht genügende Ausmerksainkeit zuwendet. Charakteristisch ist, daß man mit jedesmal die Schul> an den Unfällen den Chauffeuren in die Schuhe zu schieben such-. In dieser Beziehung hat sich sogar die den Kommunisten doch nicht zn fern stehenden.Well am Abend" die Denunziation geleistet. daß die Chauffeure derAboag" schuldhafterweise zu schnell fahren Die.Aboag" sollte sich die Arbeitszeit ihrer Angestellten emntat näher betrachten. Durch die Ueberhandnahme des Autoverkehrs werden die Autobusfahrer an allen freieren Stellen zu einen» schnelleren Tempo der Fahrt veranlaßt. Die Löhn« entsprechen den gerechten Anforderungen noch immer nicht, wenn sie mich höher sind, als Herr Stall angeführt hat. Den Polizeiprändemen kann man für die Unfälle nicht verantwortlich machen. Den kommu- nistifchen Antrag lehnen wir ab; ein Verkehrsousschuß ist kein drir.- ocndes Bedürfnis.(Lebhafter Widerspruch am der Zuhörertribüne.'' Dem Antrag Beuster treten wir bei. Die»verkehrswachl" leistet ja zum großen Teil schon, was jener Verkehr-ausfchuß leiste,. soll, sie muß bloß noch größere Befugnisse erHollen.(Da die Tri' büncngöste weiter lärmen, droht der Vorsteher die Entfernung der Störenfriede an. was bei den Konimunisten Empörung und Widerspruch hervorruft.) Mit großer Mehrheit wird, nachdem sich im Schlußwort Dörr noch speziell wegen der Tendenz derWelt am Abend" unter den üblichen Ausfällen gegen unser« Genossen geäußert hat, nach dein Antrage Beuster beschlossen. De? Errichtung eines Rentnerhcims mit 52 Wohnungen in Berlin -W i l m e r s darf stimmte die Versammlung zu. Zu Zwecken der Wochen- sürsorgc wurden 100 000 M. für 1924 zur Dersügung gestellt und unter gewissen Voraussetzungen eine Erhöhung des ZLochen- geldes beschlossen. Nach Erledigung einer Reihe kleinerer Vorlagen rief der Antrag. den Fest- und Märchensaal des Rathaules für«me Kolonialausstel- lung zu überlassen, eine längere Debatte hervor. Unsere Fjaträm erklärte durch den Genossen Cheminski. daß sie gegen diesen Antrag sei. Die Abstimmnna wurde vertagt. Der nssentlichen Sitz, mg folgt? eine geheime. Am Mittwoch, den 21. Januar, fand im Lindenpark Zehlendorf eine von der SPD. einberufene öffentliche Versammlung statt, in der der Genosse Polensko über die Angrisfe desZeh- lendorfer Anzeigers" aus den Achtstundentag und die Arbeitsbedingungen der Zehlendorfer Ge meindearbeiier sprach. Im Anschiiiß an die beifälligen Aus- führungen«mspann sich eine Aussprache, noch deren Beendigung folgende Entschließung einstimmige Annahme fand;Die'Ge meindearbeiier de» 10. Verwaltungsbezirks erheben in der ayi 21. Januar im Lindenpark tagenden öffevtlichen Versammlung schärfsten Protest gegen den am ö. d. ZK. imZehlendorfer Anzeiger" verösfentlichten Artikel über den Achtstundentag und de? sozialen Bergünstigiutgen der städtischen Arbeiter. Sie erblicken in diestm Artikel ein« P r o v a k a i i o n der Reaktion gegen die ge> samtc Arbeitnehmerfchast und beauttragen daher den Verband de? Gemeinde- und Staatsorbeiter sowie die Fraktion der VSPD., bei den kommenden Verhandlungen iow-e-m Scodtparlament mit allen ihnen zu Gebote stehenden Miiieln für Erhaltung des?lchtüi>nden- toges'owie der Soziolnergünsiigungen einzutreten."

.hyzieve der thf. lim Zreilag, den 33. Januar, S Uhr. flnb«? d-r Aula Grüntbale? Bi~. 5 eine Berfübnuta des ob-- genannten tlultu:-

Der Apfel der Elisabeth Hoff. 21 von Wilhelm Hegeler . Als nach einer kleinen Weile Elisabeth immer noch Zahlen halblaut zusammenrechnete, unterbrach Margret sie mit dem Ausruf; ..Wie drollig? Das erstemal in dieser ganzen Zeit, daß ich dich von Preisen sprechen höre." Was glaubst du, was dies für ein Brief ist?" Sieht aus wie eine Bankrechnung. Aber vielleicht ist es ein Liebesbrief. Die sollen sich ja heutzutage oft zum Ver- wechseln ähnlich sehen." Es ist«ine Abrechnung. Mein Bankier schreibt mir, daß meine Aktien tüchtig gestiegen sind." Deine Aktien?" ..Ich spekuliere nämlich." Wöhrend Elisabeth dem Schaukelstuhl einen leichten Stoß gab. so daß sie auf- und niederwippte, sah sie zurückgelehnt die Schwester an, deren erschrockenes Staunen ihr nur ein ergötztes Lächeln zu entlocken schien. Aber der dünne lieber- zug'dieses Lächelns konnte die leise verlegen« Unsicherheit darunter nicht ganz verbergen. Du spekulierst?" ..Wie Hunderte von Frauen es heute tun." ,Daß Hunderte von Frauen es tun. weiß ich. Aber daß du dich je mit solchen Dingen befassen würdest, härte ich me geglaubt. Weiß denn Roland davon: Er weiß nichts und soll auch uichts erfahren. Er würde sofort unseren Ruin vor Augen sehen. Und ich möchte ihn gerade vor unnötigen Sorgen bewahren. Ms ich sah, dah wir mit seinem Gehalt nicht mehr auskommen würden, hatte ich eine längere Auseinandersetzung mit ihm. Er sah unsere Lage vollkommen ein""d war entschlossen, eine Privatpraxis anzufangen. Aber ich bitte dich, von morgens neun bis nach- wit'?gs um vier ist er angestrengt in seinem Institut tätig. Dann sollte er noch Sprechstunde abhalten und Krankenbesuche machen? Der Mann wäre mir ja einfach zugrunde gegangen. Da habe ich kurz entsch'ossen meine überflüssigen Perlen und Brillanten verkauft. Das gab ein ganz hübsches Kapital. Zum Glück kenne ich einen Herrn von der Bant, der mir mit seinen Ratschlägen treulich beigestanden hat. Bis jetzt ist die Sache ganz gut abgelaufen. Ich gewinne immerhin soviel, daß wir uns über Wasser köunen."________.,

sRur schade um deinen Schmuck!" Ist es nicht besser, er hilft uns über die schlimm« Zeit weg, als daß er nutzlos im Kasten liegt? Denn auf Gefell - fchaften, wo ich ihn tragen könnte, gehe ich ohnehin nicht mehr." Gut. Heutzutage soll man feine Werte arbeiten lassen. Aber was sagt denn Roland dazu, daß ihr jetzt auskommt? Wundert er sich nicht?" Manchmal wundert er sich, ober wenn ich ihm dann eine beruhigende Antwort gebe, ist er zufrieden. Ihm ist natürlich die Hauptsache, daß er in seiner Arbeit möglichst wenig gestört wird und daß im Hause olles klavpt." Das sieht ihm ähnlich." Es ist mir ja peinlich." fuhr Elisabeth fort,daß ich ihm manches verheimlichen muß. In großen Dingen würde ich ihm auch immer die Wahrheit sagen. Diese kleinen Notlügen aber sind das Oel, damit die Maschine nicht knarrt." ..Laß sie doch knarren!" erklärte Margret resolut.Mein Prinzip im Geschäft ist: für gewöhnlich liebenswürdig, ober von Zeit zu Zeit gehörig ouftrumpsen. Und vor allem fein Licht nicht unter den Scheffel stellen. Ich an deiner Stelle würde zu Roland sagen; ich bobe mein Perlenkollier und meine Brillanten verkaust. Davon leben wir zum Teil. Das ist ein großes Opfer von mir. Unter zehn Frauen würde kaum eine«s bringen. Erkenne, was du in mir besitzest. Ich bin ein Juwel ein Juwel ohne Juwelen. Mach mal so- fort einen Kniefall." Elisabeth schüttelte lochend den Kopf: Roland und einen Kniefall!" Wäre vom Standpunkt seines Hosenbodens aus sehr ?esährlich. Pom ästhetischen Standpunkte aus vielleicht sin ißche» komisch. Aber vom Ehestandpunkt aus äußerst heil- sam. Roland ist ein prächtiger Mensch. Aber als Ehemann nein! Ich habe ihn doch beobachtet. Die erste kleine Zärt- lichkeit erwies er dir vorhin, als er dir mal den Arm um den Hals legte." Er hat mich trotzdem lieb. Er gehört eben zu den Mannern. die sich ihre Liebe nicht anmerken lassen." Was bab« ich von einer Liebe, die ich nicht merke? Di« ist wie die Perlen im Kasten. Du schadest dir selbst, Elisabech. Durch deine zu große Güte hast du nur seinen Egoismus

JSs ist nicht Güte," erwiderte die Schwester nachdenklich.

Es ist... ich weiß nicht... mein Eharakter. Ich kann über geioisse Dinge nicht mit ibm sprechen." Diese halb scherzhafte, halb ernste Unterlzalhmg wär? noch eine geraume Weile weitergegangen, wenn es Elisabetb nicht eingefallen wäre, daß sie eine notwendige Besorgung vergessen hotte. Da Margret aui den Kofieriräger warter mußte, beschlossen die Schwestern, sich aus dem Bobnhof zu treffen. Als Elisabeth fort war, setzte Margret den Hut auf, legte Mantel. Schirm und Handichühe zurecht und nadm.nieder Platz. Draußen mochte eine der dicken traubenfönnigcn Wolken sich vor die Sonne geschoben haben, denn all das Lichtgefunkel war erloschen, auch ans der nachdenklich im Schaukelstuhl Sitzenden. Zu der Zeit, da Magret noch in jenem schwierigen Ent- wicklungsalter steckte, wo niemand, a n wenigsten man selbst. etwas mit einem anfangen kann, stand die um drei Jahre ältere Elisabeth schon im Glanz ihrer Erfolge. Schm», be- gabt, von einem Temperament, das alle entzuckte, hinriß, be- herrschte, hatten ihre Gaben ihr den Willen, diese Macht auch auszuüben, geradezu aufgezwungen, und wenn die Mütter ihrer Freundinnen sie eine gefahrliche Kokett- nannten, so taten sie ihr nicht ganz unrecht. In den: Kreis der jungen Mädchen, die damals die Geselligkeit belebten, mar sie die tonangebende, und es gab wenig junge Männer, die st« nicht vor ihren Wagen gespannt haue. Noch lange hinterher er zählte man sich von ihren übermütigen Streichen, und wie man aewisse Perioden der Geschichte nach einer hervorragen- den Persönlichkeit benennt, sprach man in der braven kleinen Stadt noch jetzt von der Zeit der Elisabetb Fritsch als von «mer Blütezeit des gesellschaftlichen Lebens. Damals hatte Margret keinen höheren Ehrgeiz besessen, als zu werden wie ihre«chwester. Dann kam Elisabeths Verlobung. Man sagte dem Doktor Host eine große Karriere voraus, was sich auch zu bewahr- hellen schien, denn bald nach bestandenem Examen trat er als Adlatus eines berühmten Gelehrten eine Reis« nach Afrika an, um dort die Schlafkrankheit zu studieren. Damals munkelte man, es sei gefährlich, sich im fernen Afrika mit der Schlafkrankheit zu befassen, wenn man daheim eine so schöne Braut zu bewachen halte. Aber die Lästerzungen be- kamen Unrecht, bald nach Hoffs Rückkehr fand die Hochzeit statt.,, (Fortsetzung folgt.)