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Nr.92 42. Jahrgang Ausgabe A nr. 47

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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands

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Dienstag, den 24. Februar 1925

Reichspräsident Ebert schwer erkrankt.

Eine Blinddarmoperation. Reichskanzler Luther Stellvertreter.

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WIB. teilt furz vor Mitternacht mit: Reichspräsident Ebert ist an einer Blinddarment. zündung erfrankt und muß sich einer Operation unfer­ziehen, die Profeffor Bier noch heute nacht vornehmen wird.

Die verfaffungsmäßige Vertretung des Herrn Reichspräfi­denten ist dem Reichstanzler Dr. Luther übertragen.

Die Nachricht von der plöglichen schweren Erkrankung des Reichspräsidenten wird in den weitesten Kreisen des deutschen Bolts Bestürzung und tiefe Teilnahme wecken. Der Reichs­präsident litt seit Jahren an einem Gallensteinleiden, das ihm in der letzten Zeit besonders heftig zusetzte. Nach der Erklärung der Aerzte erforderte fein Gesundheitszustand schon längst eine Behandlung im Sanatorium. Der Reichspräsident fonnte sich aber auch jetzt noch so menig wie bisher in den sechs Jahren zu einer Kur entschließen, die ihn für längere Zeit seinem Pflichtenfreis ferngehalten hätte. Nun hat ihn ein Leiden auf das Krankenbett geworfen, von dem nur der rasche Zugriff des Chirurgen Rettung bringen kann. Ihm wird es hoffent lich gelingen, ein Leben zu erhalten, das nicht nur den Ange­hörigen und persönlichen Freunden, sondern dem ganzen deutschen Bolt wertvoll bis zur Unerseßlichkeit ist.

Mit der plötzlichen Erkrankung des Reichspräsidenten ist zum erstenmal der Fall eingetreten, den der Artikel 51 der Reichsverfassung vorsieht. Dieser besagt:

Marx in Hamm . Einmütige Vertrauenskundgebung der Zentrumswähler.

Hamm , 23. Februar.( Eigener Drahtbericht.) Der Pro vinzialausschuß der Westfälischen Zentrums. partei beschäftigte sich am Montag in Gegenwart des preußischen Ministerpasidenten Dr Marg mit der allgemeinen politischen Lage und dem Berhalten des von ihm in den Breußischen Landtag dele gierten Abgeordneten v. Bapen. Dr. Marg hielt ein aus­

führliches Referat, in dem er die Haltung der Zentrums: frattion im Reiche und in Preußen begründete. Um Schluß der Tagung stimmte der Provinzialausschuß einmütig einer Entschließung 3u, in der Dr. Marg und den Fraktionen des Reichstags bzw. Land­tags das Bertrauen ausgesprochen wurde.

Der Abg. v. Pa pen war auf der Tagung nicht anwesend, obwohl es seine Pflicht gewesen wäre. Er hatte in einem Brief, den er dem Provinzialausschuß übermittelte, den Antrag gestellt, in der Montagssigung feinen Beschluß zu faffen und vorher das Urteil des landwirtschaftlichen Beirats der Westfälischen Zen trumspartei zu hören. Dieser Beirat tritt am Dienstag auf Bunsch des Herrn v. Papen zusammen. Die Konferenz lehnte jedoch den Antrag des Herrn v. Papen ab. Damit haben die politischen Bertreter der Westfälischen Zen­trumspartei, als deren Delegierter Herr v. Papen zu betrachten ist, das Urteil gefällt, und dieses Urteil entspricht der Auffassung der preußischen Landtagsfraktion, die laut ihrem letzten Beschluß feine Möglichkeit mehr sieht, mit Herrn v. Bapen zusammenzuarbeiten. Die Rundgebung des Provinzialausschusses des Westfälischen Zen­trums ist eine Mißtrauensfundgebung für Herrn v. Papen .

dem

Es ist jedoch zweifelhaft, ob Herr v. Papen , der übrigens den wesentlichen Teil der Germania Aftien besitzt, aus Beschluß des Ausschusses die erforderlichen Konsequenzen zieht. Er hat die Absicht, sich hinter den landwirtschaftlichen Beirat zu verschanzen, der ihm wahrscheinlich am Dienstag das Vertrauen aussprechen dürfte. Da aber dieser Beirat nur beraten den Charakter hat, dürfte sein Urteil über die politische Frage, um die es sich im Falle Papen zweifellos handelt, für das Zentrum nicht maßgebend sein. Es ist infolgedessen zu erwarten, daß die 3en­trumspartei Heren v. Bapen noch im Berlauf dieser Woche aus. schließt, wenn er sein Mandat nicht niederlegt.

Außer dem Zentrumsabgeordneten v. Papen gehört der Abg. Loenary, der im Rheinland gewählt ist, zu den re­bellierenden Mitgliedern der preußischen Zentrums­frattion. Die Reise des Ministerpräsidenten Dr. Marr nach Hamm hat gezeigt, daß Marr als Parteivorsitzender und die preußische Zentrumsfraktion sich diese Rebellion zum Schaden der von ihnen für gut gehaltenen Bolitik nicht gefallen laffen. Im Falle Papen hat der Provinzialausschuß der westfälischen Zentrumspartei als zuständige Instanz inzwischen gesprochen.

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Im Falle Loen art wird nun, wie wir erfahren, eben­falls in den nächsten Tagen die zuständige Instanz ein Urteil abgeben. Leonark hat sich bereits gegenüber dem Fraktions­vorstand des preußischen Zentrums in einem Schreiben zu rechtfertigen verfucht, porläufig aber aus teftischen Gründen auf die Beröffentlichung dieses Briefes verzichtet. Es scheint, baß er sich für die Zukunft der Frattionspolitit des

regeln.

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Caillaux' Rückkehr.

Kampfansage an Reaktion und Großkapital. Am vergangenen Donnerstag veranstaltete in Paris die französiche Liga für Menschenrechte ein Riesenbankett zu Ehren der beiden prominentesten Opfer des französischen Nationa lismus während des Weltkrieges, Joseph Caillaur und Jean Malvy, die erst kürzlich durch eine besondere Bestim­mung des Amnestiegesetzes begnadigt, in Wirklichkeit rehabili­solchen Amnestierung, um wieder aktiv in die Politik seines Landes eingreifen zu fönnen, da das offenkundig rechts­beugende Urteil des Staatsgerichtshofes gegen ihn im Früh jahr 1920 ihn für die Dauer von 10 Jahren der politischen Ehrenrechte beraubt und ihm den Aufenthalt in einer ganzen Reihe von Städten, darunter Paris , ausdrücklich unter­fagt hatte.

Der Reichspräsident wird im Fall seiner Berhinderung zunächst durch den Reichstanzler vertreten. Dauert die Berhinde rung längere Zeit, so ist die Bertretung durch ein Reichsgejez zu Danach ist, wie amtlich bereits gemeldet wurde, die Bertiert worden waren. Insbesondere Caillaur bedurfte einer tretung des Reichspräsidenten dem Reichskanzler Dr. Luther übertragen worden. Dr. Luther ist somit von heute ab nicht nur Reichskanzler, sondern auch Stellvertreter des Reichspräsidenten .

Man muß von seiner Loyalität erwarten, daß er das überaus schwere und verantwortliche Amt in einem Geist führen wird, der den Absichten des Reichspräsidenten selbst entspricht. Nur so wird zu vermeiden sein, daß sich die schwere Beunruhigung, die die Krankheit des Reichs­ präsidenten hervorruft, auch in politischer Richtung auswirkt.

Reichspräsident Ebert wurde nachts gegen 11 Uhr in einem Auto in das Sanatorium gebracht. Da die Krankheit in ihren Anfängen erkannt wurde, hofft man auf einen gün stigen Verlauf der Operation, die gegen 1 Uhr nachts begann. Guter Verlauf der Operation.

Aber mit

preußischen Zentrums zu fügen gedenkt. diesem Anschein wird sich, wie der Sozialdemokratische Par: lamentsdienst erfährt, der Vorstand der Zentrumsfraktion nicht begnügen. Er fordert Klarheit, und zu diesem 3med werden die zuständigen rheinischen In­stanzen in den nächsten Tagen zusammen mit einem maß gebenden Mitglied der Zentrumspartei zu einer Beratung über die politische Lage zusammentreten.

diese

Dieses Urteil ist seinerzeit von allen wirklich demokratisch empfindenden Teilen des französischen Volkes als ein Rache­att Clemenceaus betrachtet worden, aber es schien, als würde es der politischen Laufbahn des ehemaligen Minister präsidenten endgültig ein Ende bereiten. Caillaur hatte be­reits vor dem Kriege sehr schwere Tage durchgemacht und als Defaitismus denunziert, als Verräter gebrandmarfi, als er auf dem Höhepunkt der Kriegsspychose als das Haupt des deutscher Agent eingekerfert und fast ein Jahr in Untersuchungshaft behalten wurde, da konnte man meinen, daß der nahezu sechzigjährige Mann furchtbare Prüfung weder physisch noch geistig würde aushalten fönnen. Als er jedoch vor seinen Richtern stand, den Senatoren, die bereits gegen seinen Freund Um 2 Uhr morgens wird uns gemeldet, daß die Ope- Malvy auf Befehl Clemenceaus die tollste Rechtsbeugung ration günstig verlaufen ist. verbrochen hatten und von denen man wußte, daß sie von vornherein in ihrer Mehrheit entschlossen waren, auch an ihm einen Justizmord zu verüben, da verteidigte er sich mit der gleichen ungebrochenen Kraft wie ehedem und rüttelte durch seinen mehrwöchigen, unerschrockenen Kampf gegen feine politischen Verfolger immer weitere Kreise der franzöfifchen Demokratie auf. Auch das schwere, infamierende Urteil des Staatsgerichtshofes, das ihn wegen Einverständnisses mit dem Feinde" politisch endgültig erledigen sollte, schien seine Kampfeslust nur zu vermehren. Dabei zeigte es sich, wie grundsäglich verfehlt es ist, wenn Machthaber ihr vorüber­gehendes Uebergewicht rücksichtslos wider ihre Gegner aus­nügen und dadurch Märtyrer schaffen. Caillaug, gegen den bis dahin in weiten Kreisen der französischen Demokratie, nicht zulegt unter der Arbeiterschaft, wegen seines etwas hoch­mütigen Auftretens und wegen seiner engen Beziehungen zu gewissen Kreisen der Hochfinanz schwere Bedenken vorhanden waren, wurde plötzlich zum Symbol alles dessen, was vom regierenden Nationalen Block Clemenceaus, Millerands und Poincarés bekämpft und verfolgt wurde. Da er nicht mehr als Parlamentarier auftreten fonnte, schrieb er aus der Berbannnung Bücher und Aufsäge für republikanische Zeit­schriften. Sein Buch Meine Gefangenschaft" war ein er­leidenschaftliche Anklage gegen seine Berfo'ger. Sein anderes Wert Wohin geht Frankreich , wohin Europa ?" war eine überaus flare Widerlegung aller Irrtümer und Selbst­täuschungen der ursprünglichen Reparationspolitik der Alliier­ten und eine eindringliche Mahnung an die Völker des Konti­nents, fich endlich auf ihre solidarischen Interessen zu besinnen. Im übrigen hielt er hin und wieder in solchen Städten, deren Aufenthalt ihm nicht versagt war, Vorträge, die jedesmal Anlaß zu heftigen Gegenfundgebungen der Na­tionalisten ja sogar zu Attentatsversuchen gaben. Aber nach jedem Buch, nach jedem Vortrag, nach jedem Anschlag wuchs sein Ansehen in der französischen . Demokratie immer stärker, und er war, obwohl künstlich von der Politik ferngehalten. der eigentliche Schrittmacher des Linkskartells auf dessen Siegeslauf vom 11. Mai vorigen Jahres.

Die Zentrumsarbeiter gegen den Rechtskurs. Eine Niederlage Stegerwalds.

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Köln , 22. Februar.( Eigener Drahtbericht.) In einer Polemik mit der Kölnischen Zeitung " stellte cm Sonnnabendabend die Kölnische Volkszeitung" fest, daß Adam Stegerwald , der am vergangenen Sonntag in Köln in einer großen Bersammlung der Arbeiterzentrumswähler versuchte, eine Rechtsorientierung seiner Partei zu rechtfertigen, mit seinen neuen Ideen und politischen Linien keinerlei Antlang. gefunden hat. Nur ein einziger Diskussionsredner habe sich auf die Seite Stegerwalds geschlagen, mährend die erdrückende Mehrheit der sehr stark besuchten Verschütterndes Plädoyer in eigener Sache und damit zugleich eine fammlung die von Stegerwald vertretene Auffaffung ausdrücklich ablehnte.

Mit dieser Feststellung ist abermals bewiesen, daß die christliche Arbeiterschaft Westdeutschlands, vor allem in der Metropole Köln , wo die christliche Gewerkschaftsbewegung von jeher sehr stark mar, in den Streit Stegerwald- Imbusch sich zu den Auffaffungen Imbus chs, der bekanntlich im Gegensatz zu Stegerwald auf dem äußersten linken Flügel der Zentrumspartei steht, bekennt

Die Rebellion der landwirtschaftlichen Beiräte. Köln , 23. Februar.( TU.) Der Landwirtschaftlich Beirat der rheinischen Zentrumspartei beschäftigte sich auf feiner Kölner Tagung sehr eingehend mit der Maßregelung der beiden Abgeordneten von Papen und Loenarz durch die Zentrums: fráftion des preußischen Landtags. Die Versammlung erklärte, daß fie sich mit aller Entschiedenheit auf die Seite der gemaßregelten Ab. geordneten stelle. Der Beschluß soll der Parteileitung mitgeteilt werden. Inzwischen hat sich auch der Landtagsabgeordnete Bau­mann mit den beiden Gemaßregelten solidarisch erklärt. Auch der Landwirtschaftliche Beirat der westfälischen 3entrumspartei wird sich auf seiner Tagung in Hamm mit dieser Frage beschäftigen.

Der Reichspräsident ans Reichsbanner. hat an die Bundesleitung des Reichsbanners Schwarz- Rot- Gold Magdeburg, 23. Februar. ( WTB.) Reichspräsident Ebert folgendes Telegramm gerichtet:

Den zur Feier des einjährigen Bestehens des Reichsbanners Schwarz- Rot- Gold in Magdeburo versammelten deutichen und öfterreichischen Volfsgenossen danke ich für ih Treugelöbnis und ihre Grüße. Dem Reichsbanner spreche ich an seinem ersten Jahres­tage me'ne besten Wünsche aus für seine Weiterentwicklung und die Erfüllung seiner großen staatspolitischen Aufgaben.

gez. Reichspräfident Ebert

Infolgedessen wird Caillaur weit mehr noch als Herriot, Blum, Painlevé und die übrigen Führer der jetzt regierenden Linken von der Reaktion gehaßt und gefürchtet. Nur ein Mann ist in den letzten Jahrzehnten von den französischen Nationalisten so gehaßt und gefürchtet worden: Jaurès . Und wenn es nach den Wünschen der Reaktion ginge, so hätte man ihm schon längst das gleiche Schicksal bereitet wie dem großen sozialistischen Führer. Sie dachte nun. ihn auf faltem Wege zu erledigen, eben durch die Tortur der Landes­verratsanklage und der Verurteilung, aber da es ihr mißglückt ist, muß man stets mit der Möglichkeit rechnen, daß er eines Tages das Schicksal derer erleidet, die der Reaktion allzu ge­fährlich sind,

Indessen konnte feine Drohung und keine Hezze die Re­gierungsmehrheit in beiden Kammern davon abhalten, Caillaur durch gesetzliche Rehabilitierung die Möglichkeit aur Wiederkehr in die aftive Politik seines Landes zu geben. Seine politischen Freunde dürften ihm demnächst einen sicheren Siz in der Kammer verschaffen, mas allerdings nach dem he stehenden Wahlgesetz das Ausscheiden von mindestens zwei Abgeordneten eines Wahlbezirks durch Tod oder Verzicht er fordert. In Erwartung deffen hat jedoch die Liga für