Abendausgabe
Nr. 93 42. Jahrgang Ausgabe B Nr. 46
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Berliner Volksblatt
5 Pfennig
Dienstag
24. Februar 1925
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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands
Ein Führer der Sfodholm, 24. Februar. ( WTB) Der gewesene schwedische Ministerpräsident Branting ist heute mittags 12,37 Uhr gestorben.
Mit Hjalmar Branfing verschwindet wieder eine der großen Gestalten der internationalen sozialistischen Bewegung aus den Reihen der Lebenden, einer von denen, die mit Jean Jaurès , August Bebel , Viktor Adler in einer Reihe gestanden und für ein Land nicht weniger bedeutet hatte als sie für das ihre. Schweden , das weite schwachbevölkerte Land mit feiner fich spät entwickelnden Industrie schien für die sozialdemokratische Propaganada ein wenig fruchtbarer Boden. Daß die Sozialdemokratie dort im Lauf eines MenSchenalters zu einer führenden Stellung aufsteigen konnte, schien beinahe ein Wunder, es war auch bis zu einem Grade ein Wunder der Persönlichkeit, der Persönlichkeit Hjal mar Brantings. Der Führer der schwedischen Sozial demokratie besaß nicht nur das rückhaltlose Vertrauen der Arbeiterschaft, sondern auch die sich oft bis zur Bewunderung steigernde Achtung der Gegner.
Branting und die ihm Gleichstehenden hatten zweifellos viel von der deutschen Sozialdemokratie gelernt. Unter ihrem Einfluß vollzog sich im Gleichschritt neben der Aufrichtung der Parteiorganisation auch die der Gewerkschaften und der Presse. In letterer Beziehung hat Schweden fogar Deutschland überflügelt. Der idealistische Schwung der Eewegung und ihre großen Zukunftsperspektiven trübten niemals den Blick für die Notwendigkeiten praktischer Gegenwarisarbeit.
Schweden ist im Verhältnis zu Deutschland ein durch und burch demokratisches Land. Auch das Vorhandensein einer monarchischen, nur auf Repräsentation beschränkten Spize ändert daran nichts. Eine Junkertaste ist nicht vor. handen. Wohl aber gibt es eine ſtarfe, auf den Grundbefiz und auf Teile des Bürgertums sich stüßende tonservative Partei, die mit dem alten Deutschland durch starte Beziehungen verbunden war.
Dies und die gemeinsame Gegnerschaft gegen Rußland rief zu Beginn des Weltkriegs eine aktivistische Bewegung herDor, die für eine Beteiligung Schwedens am Krieg auf Seiten Deutschlands lebhaft eintrat. Daß Branting diese Bewegung auf das schärfste bekämpfte, war nicht nur begreiflich, sondern auch berechtigt; dieser Kampf lag nicht im Interesse Schwedens , sondern auch im wohlverstandenen Interesse Deutschlands , das aus der schwedischen Neutralität wohl manchen Bors teil ziehen konnte, dessen Schicksal zu wenden aber die Kräfte Schwedens weit überſtieg. Leider aber hatte die prodeutsche Strömung in Schweden auch starte ententiſtiſche Strömungen ausgelöft; die Begeisterung der befizenden Klassen für das alte Deutschland war für dieses bei den Arbeitern eine schlechte Empfehlung. Für die deutsche Sozialdemokratie aber war es ein harter Schlag, daß Branting sich nicht darauf beschränkte, Schwidens Neutralität zu verteidigen, sondern daß er sogar lebhafte Enmpothien für die Gegner Deutschlands im Welt
frieg an den Tag legte.
Der Frieden von Bersailles hat auch ihm wie so vielen anderen, die geglaubt hatten, mit der Entente für Frei heit und Gerechtigkeit zu fämpfen, eine bittere Enttäuschung gebracht. Seitdem hatte Branting seinen großen internationalen Einfluß oft zugunften Deutschlands eingesetzt, so daß mir heute nicht nur als Sozialdemokraten, sondern auch als Deutsche fagen fönnen, daß wir an Branting einen Freund verloren haben.
Hjalmar Branting hinterläßt der jetzt wieder regierenden sozialdemokratischen Bartei Sch we dens ein großes Erbe. Sie befigt viele ausgezeichnete Männer, aber feinen, der wie Branting bis in die bürgerlichen Barteien urd weit in das Ausland hinein wirkt. Als Zeichen edler und fie'er Trauer werden sich die roten Fahnen und die blaugelben Nationalflaggen, die längst gewohnt sind, einig neben einander zu wehen, auf das Grab des großen Führers senten. Mit der schwedischen Arbeiterschaft, mit dem schwedischen Bolf trauert die ganze sozialistische Internationale über den Tod dieses außerordentlichen Mannes.
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Gelehrter Agitator- Staatsmann.
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Karl Hjalmar Branting , der langjährige Führer der und nicht zum wenigsten dank Brantings Arbeit möchtigen Sozialdemokratischen Partei Schwedens , war geboren om 23. November 1860 in Stockholm a's der Sohn eines Lehrers der in Schweden so sehr gepflegten Heilgymnaftit. Seine Mur er entstammte einer reichen Adelsfami'ie. In einer Stocholmer Schule der„ oberen Zehntau'end", in der die Religion Grundlage allen Rehrens war, hatte der junge Branting den heutiger König Gustav zum Schulfameraden. Brantings Intereſſe wandte fich der Astronomie zu, vad nach dem Studium an der Universität Upfela er er Assisten an der Stocholmer Sternwarte . Eine Reise ins Fusland brachte ihn mit den führenden Soziafiften Europes in Verbindung, uid a's et 1884 nach Hau 'e zurüd fehrte, gob er die wissenschaftliche Laufbahn auf und widmete fich penz der fozialistischen Propaganda. 1886 begründete er bie Tageszei und„ Socialdemokraten", deren Hauptredakteur er jahrzehrt lang b'ieb und die die Mutter zahlreicher Parteiblätter in den Brovinzen reworden ist. Der Aufbau der Parteiornanisation, bie Grtämpfung des allgeminen gleichen Wahlrechts find zum großen Teil der Kompfesenergie und Ueberzeugungskraft zu danken, tie die meistig und körperlich machine Berförlichkeit Brentinas ausübte. 1888 mußte er megen Religionsstörung ins Gefängnis,
Internationale.
Für ehrliche Steuerleistung.
Die Offenlegung der Steuerlisten.
Staatssekretär Popis hat fürzlich im Steuerausschuß des Reichstages festgestellt, daß die Steuermoral in fchon 1896 wurd er, als erster Sozialist, in den Reichstag gewählt. Deutschland start gefunten sei. Es ist wertvoll, daß das fratischen Regierung das Finanzministerium, trat aber daraus die eigentümliche Folgerung gezogen, daß die SteuerIm Herbst 1917 übernahm Branting in der liber al- sozialdemo- von so hoher Stelle aus anerkannt wird. Dr. Popig aber hat Ichon im Januar 1918 wegen Krankheit zurüd. Nach dem sozialleistung gesenkt werden müßte. Wir halten diesen Weg, die demokratischen Wahlerfolg von 1920 bildete er das erste Kabinett Steuermoral zu bessern, für falsch. Durch ihn wird zwar Wahlen mit fonfervativem Erfolg, zurücktrat, da die Liberalen eine mäßigt wird. Reinesfalls aber ist er ein Schutz des Reiches Branting, das aber im Herbst desselben Jahres, nach erneuten erreicht, daß die Steuerleistung des gesamten Besizes er Lintstoalition nicht schließen wollten. Die Septemberwahlen von 1921 stä tien die Sozialdemokratie wieder vor unehrlicher Steuerzahlung und ebenso wenig wird durch das zweite Kabinett Branting trat ins Leben und blieb bis zum August 1923 am Ruder; ihn der ehrliche Steuerzahler geschützt. die Zunahme der Konservativen in der Ersten Kammer veranlaßte den Rüdtritt. Die jüngsten schwedischen Wahlen, deren großer Erfolg für unsere Genoffen noch in aller Erinnerung ist, brachten bas dritte Kabinett Branting ins Amt: Abrüstung nach dem Bei piel der danifchen Arbeiterregierung Stauning ist das nächste Ziel auch der schwedischen Arbeiterregierung
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Abbau der
Adels- und Gedsadvorreche im Reichsrat ein weiteres Ziel. Seit mehreren Jahren gehörte Branting als Vertreter Schwe. bens dem Bölferbundrat an, und hier ist er wiederholt für die deutschen Minderheiten in den neuen Staaten Mitteleuropas ein getreten.
Branting war ein unbedingter Gegner jedes Wortradifalismus, und dhon gar der Mostaver Spaltungs- und Butschhehe. Die letzten Schwedischen Wahlen brachten ihm die Genugtuung, daß auch jener kleine Teil der Arbeiterschaft, der sich von den Kommunisten hatte einfangen lassen, wieder zur Sozialdemokratie zurückkehrte.
Die Krankheit des Reichspräsidenten .
Sein Befinden zufriedenstellend.
Am heutigen Bormittag find folgende Meldungen ausgegeben worden: 10 Uhr vorm. Reichspräsident Ebert ist im Laufe der vergangenen Nacht durch Geheimrat Prof. Dr. Bier in einem hiesigen Kankenhaus am Blinddarm operiert worden. Die Operation, die über eine Stunde dauerte, ist gut verlaufen. Das Befinden des Reichspräsidenten ist befriedigend.
1 Uhr mittags. Schon aus der Dauer der Operation von elner Stunde ergibt sich, daß die Operation schwierig war. Es lag eine Berwachung des Blinddarms vor und auch bereits eine fleine Perforation. Trohdem ist es gelungen, die Opetution noch gerade im lehten Augenblid vor der größten Gefahr vorzunehmen. Wenn auch die Krije noch nicht ganz überwunden ist, so ist doch das Befinden des Pafienten befriedigend
Das ist aber eine der wichtigsten und dringendsten Aufgaben. Jeder Steuerpflichtige hat ein Recht, zu verlangen, daß die Steuerleistung bei gleichen Voraussetzungen gleich hoch ist und daß der unehrliche Steuerzahler nicht besser gestellt ist als der ehrliche. Bei der heutigen ftarten steuerlichen Belastung ist die Verschiedenheit in Der Steuerleistung sonst wirtschaftlich und moralisch unerträglich. Wie die Erfahrungen der letzten Jahre aber gezeigt haben, ist eine ehrliche Steuerleistung mit den bisherigen Methoden nicht zu erzielen. Die Neigung, durch falsche Angaben, besonders aber durch völlig unübersichtliche Organifationsgestaltung der Unternehmungen, die Steuerleistung zu vermindern, ist so tief eingefressen, daß sie nur mit den schärfften Mitteln zu beseitigen ist.
Die sozialdemokratische Reichstagsfraf, tion hat deshalb einen Antrag auf Offenlegung der Steuerliften gestellt. Sie wiederholt, damit eine alte Forderung, die bisher immer von den bürgerlichen Parteien abgelehnt worden ist, zuletzt bei der Beratung des Geldent wertungsgesetzes im März 1923.
Der oberste Grundjaß jeder modernen. Steuergesetzgebung, die Verteilung der Steuerlasten nach der Leistungsfähigkeit, fann nicht allein durch eine entsprechende Gestaltung der einzeinen Steuergefeße verwirklicht werden. Kein Steuergesetz fann fo fein ausgearbeitet werden, daß feine Lüden mehr bleiben, die dem findigen Steuerpflichtigen nachher eine Umgehung ermöglichen. Deshalb müssen Garantien geschaffen werden, daß auch die Anwendung der Gefeße bei der Steuerveranlagung die gleichmäßige Steuerleistung sichert. Diese Garantien fönnen die Steuerbehörden allein nicht übernehmen. Während es ihnen bei fleinen Steuerpflichtigen leicht möglich ist, die Bestimmungen der Steuergesetze streng durchzuführen, find sie dieser Aufgabe gegenüber großen Steuerpflichtigen und den Konzernen meist nicht gewachsen. Die steuerlichen Verhältnisse großer Aus der vorstehenden neuesten Meldung ersieht man, wie Einkommen und Bermögen sind meist überaus fompliziert. gewissen los die Verbreitung ungünstiger Nach Aber auch die gesellschaftliche Macht solcher aroßen richten über das Befinden des Reichspräsidenten war, mit Steuerpflichtigen schüchtert vor allem in fleineren Städten denen heute Bormittag- wahrscheinlich von übelwollenden und auf dem Lande die Steuerbehörden oft ein, so daß fie die ganze Stadt erfüllt war. Der neueste gar nicht wagen, die Gefeße streng anzuwenden. Die Folge Elementen die ganze Stadt erfüllt war. Situationsbericht gibt durchaus keinen Anlaß zu Beiff dann, daß diese Steuerpflichtigen geringer zu den Steuerforgniffen und alle Republikaner werden sich in der Hoff lasten herangezogen werden wie die kleinen Einkommen und nung nicht beirren lassen, daß der Reichspräsident die Folgen Vermögen. der Operation überstehen und in einigen Wochen in voller Gesundheit wieder in sein schweres und hohes Amt zurück- Steuergelege auch gegenüber großen Steuerpflichtigen zu
fehren wird.
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Konflikt im Tscheka - Prozeß. Ein kommunistischer Verteidiger durch Schutzpolizei aus dem Saal geführt.
Ceipzig, 24. Februar. ( WTB) Jn der heufigen Sihung des Tscheta- prozesses tam es wiederholt zu scharfen Auseinandersehungen zwischen der Verteidigung und dem Borsigenden Als Rechtsanwalt Dr. Sa mfer eine Erklärung abgeben wollte, die der Vorfihende ablehnte, da sie eine Krifif der Berhandlungsweise enthalte, widerjehte sich Rechtsanwalt Dr. Samter den Anordnungen des Borjihenden wiederholl. Er fuhr fort, seine Erklärung zu verlesen, obgleich ihm der Borsitzende das Wort entzog, und überreichte die Erklärung auch dem Gerichtsschreiber. Der Vorsitzende forderte ihm darauf kraft feines Hausrechts auf, den Saal zu verlassen. Da Rechtsanwalt Dr. Sam ter fich mehrmals weigerte, wurde er schließlich durch zwei Schuhpolizeibeamte aus dem Saal geführt.
Die fommunistischen Verteidiger erklärten, sie würden sich sofort beschwerdeführend an das Juffizminifterium wenden. Um 12 Uhr frat die Mittagspause ein.( Siehe den ausführlichen Bericht auf Seite 3.)
APD.- Politik.
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den Laften
Es bleibt hier nur ein Weg, die strenge Durchführung der fichern: Durch Beteiligung der Deffentlichkeit an der Veranlagung im Wege der Offenlegung der Steuerliſten. Die Offenlegung der Steuerlisten zwingt den Steuerpflichtigen, sein Einkommen und Vermögen richtig zu versteuern, um nicht vor aller Welt als Steuerhinterzieher dazustehen. Die Deffentlichkeit hat ein besseres Urteil für die Leistungsfähigkeit auch bei bedeutenden Einkommen und Vermögen, und zwar um so mehr, weil die Offenlegung aller Steuerlisten entsprechende Bergleiche mit anderer Steuerpflichtiger ermöglicht. Ueberall wo man daher zur Offen'egung der Steuerlisten übergegangen ist, hat sich aufs deutlichste gezeigt, in welchem Maße bisher gerade die wohlhabendsten Klassen sich ihrer vollen Steuerpflicht ent20gen. Ein letztes Beispiel dafür bieten die Bereinigten Staaten von Amerika , in denen neuerdings die Offen legung der Steuerliften erfolgt ist. Das Ergebnis war dort geradezu ungeheuerlich und löste gerechte Emvörung aus. Denn es zeigte sich mit einem Schlage, wie verhältnismäßig gering die Steuerleistungen der großen Steuerpflichti gen waren, in welchem Umfange die reichen Leute bisher Steuern zu hinterziehen wußten.
Die Verhältnisse in Deutschland aber machen die Offenlegung der Steuerlisten noch viel nötiger. Mehr als in anderen Ländern bedeutet sie bei uns die Beseitigung eines Sonderrechts der befizenden Klassen Denn dank der Lohnsteuer gibt es für den deutschen Arbeiter feit langem fein Steuergeheimnis mehr. Aber während die Arbeiter jabraus jahrein ihre Steuern bis auf den letzten Pfennig zahlen mußten, hat das Steuergeheimnis der Befizenden zu einer immer größeren Korruption, zu einem immer stärkeren Sinken der Steuermoral geführt Die ängstliche Wahrung des Steuergeheimnisses hat bisher verhindert, betrug bei uns angenommen hat. Nur ein paar markante Fälle sind in die Deffentlichkeit gedrungen. Anfang 1924 ist nach 2% jährigem Verfahren der deutschnationale Abgeordnete van den Kerkhoff vom Landgericht in Elberfeld wegen Mangel an Beweisen von der Steuerhinterziehung freigesprochen worden, da alle be aftenden tien vorher geftohlen waren. Kerkhoff ist daraufhin nicht mehr als Kandibat aufgestellt worden. Aber bei den Bürgerschaftswahlen
Lärmszenen im Dortmunder Stadtparlament. Dortmund , 24. Februar. ( WTB.) Gleich zu Beginn der geftrigen Stadtverordnetenversammlung verlangten die om munisten in lärmender Weise das Wort zur Geschäftsordnung, und als ihnen dies nicht sofort zugejagt wurde, sekten sie den Lärm fort Hierauf beschloß der Stadtverordnetenvorstand nach einer halbstündigen Beratung, die Sigung abzubrechen. Im Border Deffentlichkeit zu zeigen, welchen Umfang der Steuerraum des Sigungsfaales fam es dann zwischen dem Hauptwort führer der Kommunisten Wünnenberg und einem erregten führer der Kommunisten Wünnenberg und einem Zentrums. abgeordneten zu einem Wortwechsel, in dessen Verlauf Wünnenberg von dem Zentrumsabgeordneten einen heftigen Schlag ins Gesicht erhielt, der bas Auge verletzte. Weitere Tätlichteiten wurden von den fraflionsgenossen der betreffenden Parteien ver. binbert.