Einzelbild herunterladen
 

Donnerstag 26. Februar 1925

Unterhaltung und Wissen

Wie steigert man die Leistungen der Pflanzen?

Bon Dr. A. Barlabean, Hohen- Neuendorf  .

Mendel bat uns in feinen Bersuchen über Pflanzen hybriden ein Werkzeug in die Hand gebrüdt, das wir dem Hebel des Archimedes vergleichen können." Prof. C. Correns- Berlin  .

Dem französischen   Forscher Blaringhem ist es gelungen, nach zwanzigjährigen mühevollen Untersuchungen aus dem Kultur- und Wildweizen eine neue Weizenart zu erzeugen, die in Ertrag, Wider­standsfestigkeit gegen Kälte und Krankheiten, Frühreise und sonstige Qualitäten alle bis jetzt befannten Weizenarten übertrifft. Der neue Weizen ist außerdem im Wuchs üppiger, liefert ein steinhartes Korn und reift auch in Nordfrankreich, wo in der Regel teine Hart weizenforte zur Reife gelangt. Das Landwirtschaftsministerium hat Maßnahmen getroffen, um den neuen Weizen in ganz Frankreich  schleunigst einzuführen. Die Kultur dieses neuen Getreides wird zur Folge haben, daß Frankreich   in nächster Zukunft imftande sein wird, seine Bevölterung selbst zu ernähren und von der weiteren Getreideeinfuhr Abstand nehmen wird. Das durch jahrelange Arbeit erzielte Forschungsergebnis ist wohl eine Kulturtat ersten Ranges. Wie tam er dazu? Wie ist es gelungen, die Leistungen unserer wichtigsten Brotpflanze so zu steigern? Wie steigert man die Leistungen der Pflanzen überhaupt? Das sind wohl die Fragen, die beim Lesen dieser Nachricht bei jedem auftauchen.

Die Steigerung der Leistungen der Pflanzen oder die Züchtung der Pflanzen, wie sich der Wissenschaftler ausdrückt, beruht auf cinigen Grundtatsachen der modernen Bererbungslehre, die hier nur in aller Kürze und schematisch stizziert werden.

Die Sorten oder Rassen unserer sämtlichen Kulturpflanzen sind nicht einheitlich zusammengesetzt, wie man sich bis vor kurzem vor­stellte, sondern sie bestehen aus Hunderten, sogar aus Tausenden von Formen. Beim Saatweizen z. B. zählt man über 3000 verschiedene Formen, bei der Gerste 700, beim Hafer 600, bei der Bohne( nur nach der Kornbeschaffenheit) 750 verschiedene Formen. Anders ausgedrückt, fönnen wir wohl sagen, die Sorten unserer Kultur­pflanzen find Gemische von weiter nicht zerlegbaren Formen oder, wie man diefe jetzt in der Biologie nennt, aus reinen Linien.

Diese Formen sind, sowohl in wirtschaftlicher Hinsicht als auch in bezug auf die Umweltverhältnisse nicht gleichwertig. Brüft man z. B. die reinen Linien des Kulturweizens auf die Ertragfähigkeit, so ist leicht festzustellen, daß fie bei jeder Form verschieden ist. Jede reine Linie einer Pflanzenforte unter gleichen Bedingungen liefert einen verschiedenen Ertrag. Die eine Linie liefert einen ganz hohen Ertrag, die zweite einen mittleren, die dritte einen ganz nie­drigen und die übrigen überhaupt keinen. Will man die Leistungen ciner Kulturpflanze steigern, so zerlegt man fie in die einzelnen reinen Linien, und für die weitere Zucht wählt man nur diejenigen Exemplare, die einen höheren Ertrag liefern oder einen anderen wirtschaftlichen Wert aufweisen fönnen. Die höheren Ernten in den letzten Jahrzehnten wurden zum größten Teil auf diese Weise erzielt. Die Steigerung der Leistungen der Pflanzen auf einem solchen Wege ist nur so lange möglich, als die Möglichkeit por handen ist, aus dem gegebenen Sortengemisch die reinen Sorten zu Jolieren, die noch bessere Erträge geben. Ist das geschehen, so er. cheint ein weiterer Fortschritt so gut wie ausgeschlossen. Zur wei­teren Steigerung der Leistungen unserer Pflanzen gibt es noch einen anderen Weg, den uns die moderne Vererbungslehre, die sogenannte Mendelsche Bererbungsregel, gezeigt hat.

Die moderne Bererbungsforschung hat unter anderem folgende Tatsachen experimentell festgestellt, die für die Steigerung der Leistungen der Pflanzen von eminenter Wichtigkeit sind, nämlich: 1. Das Gesamtbild eines Individuums fegt sich aus lauter felb­ständigen vererbbaren Einzelzügen oder Eigenschaften zusaminen in der Art eines Mofaits; die fleinen Teilchen bilden zusammen cin Ganzes, das Gesamtbild.

2. Es vererbt sich nicht das Gesamtbild des Individuums, fon dern seine Einzelzüge.

3. Jeder Einzelzug oder Eigenschaft vererbt sich getrennt und unabhängig von den anderen Eigenschaften.

Bei der Steigerung der Leistungen der Pflanzen finden diese Grundtatsachen auf folgende Weise praktische Berwendung: Kommen gemiffe vorteilhafte Eigenschaften in verschiedenen Sorten getrennt vor, so tann man sie auf dem Wege der Kreuzung,

3]

Das wilde Tier.

Bon Heinrich Steiniger. ( Schluß.)

Der aber hatte mittlerweile des Tieres feineswegs vergeffen, fondern bei fich ermogen, wie er feinen glorreichen Sieg über die teuflische Bestie dem Ruhme Gottes darbringen möchte, um dessen Macht vor allem Volfe zu offenbaren. Da nun das Fest des Schuß­patrones der Stadt, des heiligen Korbinian, heranrüdte, erbat er fich vom Abt des Klosters die Erlaubnis, sich des Tieres bei dem üblichen feierlichen Umzuge zu einem besonderen Zwecke zu bedienen, was ihm denn auch gerne zugestanden wurde. Und zwar hatte er fich ausgebacht, es an den Wagen zu schirren, der das holzgeschnitzte Bildnis des Heiligen trug, um auf solche Art die Ohnmacht des höllischen Feindes darzutun, der durch sein eigenes. Werkzeug zu ver­herrlichen gezwungen würde, was er am meisten fürchtete und haßte. Alls daher der Tag des Festes gekommen war, begab sich der Pater in Begleitung eines erfahrenen und geschichten Handwerksmannes zu dem Tiere, der ihm die Krallen und Rückenstacheln gar fünftlich vergolden mußte. Hierauf ließ er ihm eine prächtige Dede von blauem Samt umlegen, an deren Saum zahlreiche goldene Glöckchen angenäht waren, und zog ihm über den Kopf eine feidene Haube, die von einem mächtigen Federbusch getrönt war, wobei er es eifrig er­mahnte, des äußerlichen Glanzes wegen nicht fündiger Hoffahrt an heinzufallen. Nachdem das Tier also prunthaft geschmüdt war, wurde es an die Deidfel des Wagens gespannt, und der Pater Loquatius nahm die Bügel selbst in die Hand, da er sie feinem anderen anvertrauen mochte. So bewegten fie fich in langfamem und feier­lichem Zuge durch die Stadt, und die Menschen, die in dichten Massen die Straßen fäumten, sahen fast mehr auf das Tier als auf den heiligen Korbinian, wie es doch an feinem Ehrentage ihnen geziemend und ihrem ewigen Heile gewiß förderlicher gewesen wäre. Und es gab nicht wenige unter ihnen, die in Unkenntnis der kirchlichen Regeln und Gebräuche der Ansicht waren, der Pater Loquatius, der fie alle aus so fahrecklicher Not und Bedrängnis befreit hatte, müßte noch zu seinen Lebzeiten heilig, zum mindesten aber selig gesprochen

werden.

Das Tier aber brachte, während es mit Mühe den schweren Wagen zog, mcht aus dem Sinne, mas es von dem argen Frater Brophyrius gehört hatte. Es schaute fleißig durch die Augenschlige der seidenen Haube nach rechts imd links und fah, daß die Starken und Mächtigen aufs herrlichste gekleidet maren und das Glück des Stolzes auf ihren Mienen erfirahlte, die Schwachen und Niedrigen aber in elenden Lumpen gingen und wenig Freude, desto mehr je doch Bekümmernis und Trübjal in Haltung, Gesicht und Gebärden anzeigten. Als das Tier solches bemerkte, wurde es in seinem Herzen

die man Kombinationsfreuzung nennt, in einer einzigen Sorte ver­einigen. Nehmen wir z. B. einen winterfesten, aber wenig ertrag reichen Landweizen einerseits und einen hochertragreichen, aber nicht winterfesten westeuropäischen Dickkopfweizen andererseits, so fönnen mir durch Kreuzung die guten Eigenschaften dieser zwei Formen in einer Pflanze vereinigen. Oder nehmen wir noch ein anderes Beispiel: Die Winterfestigkeit einiger Weizensorten ist durch einen besonders zuderreichen Bellstoff verursacht, der andere dagegen durch eine besonders dicke Zellwand der Hautschicht und starke Kutifula. Kreuzen wir diese beiden Sorten, so bekommen wir Pflanzen, die start zuckerhaltig sind und eine starke Epidermis haben, also burch

und

Die Organisationsgenies.

Organisation ist das A und das O der deutschen   Politit, darauf verstehen wir Deutschnationalen uns vorzüglich." So, was organisiert ihr denn eigentlich?" Ja, Ministertrijen!*

Bereinigung der guten Eigenschaften dieser zwei Sorten erhalten wir eine neue Pflanzenart, die doppelt gut gegen Ausmintern geschützt und deshalb noch minterfefter ist als die Ausgangsformen.

Den Weg für solche Bereinigungen einzelner Eigenschaften hat uns, wie gejagt, Mendel gezeigt. Dieser Weg war auch von Blaringhem eingeschlagen, dem es gelungen ist, die wertvollen Eigen schaften der Bild- und Kulturweizenarten auf dem Wege der mühe­vollen Kombinationsfreuzungen in eine neue Weizenart zu ver einigen.

In den letzten Jahren sind in allen Rulturländern besondere Institute gegründet, die sich die Aufgabe stellen, die Leistungen unserer Stulturpflanzen auf Ertragfähigkeit und sonstige Eigen fchaften, die einen wirtschaftlichen Wert haben, zu steigern. Das be tannteste ist dasjenige in Svalöv( Schweden  ).

Bellage

des Vorwärts

Mer selbst auf dem Gebiete der Kombinationszüchtung Er­fahrung hat, wird sich des Eindrucs nicht erwehren fönnen, daß un­gefähr ebensoviel wie die züchterische Arbeit der letzten fünf Jahr tausende uns vorwärts gebracht hat, fünftig auf dem von Mendel geöffneten Wege in einem Jahrhundert etwa erreicht werden kann." ( G. Baur- Berlin  .) Daß das keine Träumerei ist, hat uns Prof. Blaringhem be­wiesen.

Wie ein Spionagebureau eingerichtet ist.

Der militärische Spionagedienst blühte besonders während des Krieges, aber auch heute noch dauert er unvermindert fort, da ja die Rüstungen der Militärmächte immer weiter gehen. In die Me­thoden der Spionage furz vor dem Kriege, die in Erwartung des Weltbrandes mit fieberhaftem Eifer betrieben wurde, leuchtet ein padend geschriebenes Buch hinein, das Egon Erwin Risch im Ber­lag der Schmiede" zu Berlin   erscheinen läßt und das den ,, Fall des Generalstabschefs Red" behandelt. Hier werden die dramatischen Borgänge der berüchtiafften österreichischen Spionage­falls aufgeklärt, bei dem ein hoher Offizier, der selbst lange an der Spike des Kundschafterdienstes gestanden, des Berrates überführt wurde und Selbstmord begehen mußte, um die Affäre zu vertuschen. Redl hatte das Wiener Spionagebureau mustergültig eingerichtet: ,, Das Bureau war modern organisiert, jeder geheime Besucher wurde im Profil und en face photographiert, ohne daß er davon wußte, denn in zwei Gemälden, die an der Wand hingen, waren Deffnungen für die Linse photographischer Apparate eingeschnitteen, die Nebenzimmer aus bedient wurden. Ebenso fonnten von jedem Be fucher Fingerabdrüde hergestellt werden, ohne daß er es ahnte: der Offizier telephonierte und reichte mit der einen Hand dem Be­fucher oder der Besucherin Zigarrenschachtel oder Bonbonniere him, die unsichtbar mit Mennige bestreut waren; auch Feuerzeug und Aschenbecher  , die der Besucher zu sich heranziehen mußte, waren derart präpariert. Lehnte der Besucher sowohl Bonbons wie Zia garren ab, so ließ sich der amtierende Beamte aus dem Zimmer ab­berufen, neigte der Gast zur Spionage, so nahm er gewiß den Aft zur Hand, der auf dem Tisch vorbereitet lag und mit dem Ver­mert ,, Geheim! Für reservierte Einsichtnahme!" versehen war. Auch diefes Dokument war natürlich mit Seidenpulver bestreut. In einem Kästchen an der Wand, das man für eine Haus apotheke halben mochte, war ein Schallrohr eingebaut, das für den Stenographen im Nebenzimmer als Horchapparat dienen, aber auch den metallenen Stift in Bewegung feßen tonnte, der das Gespräch mortgetreu in eine Grammophonplatte einrigte. Jedes geheime Buch und Atten stück fonnte binnen weniger Gefunden auseinandergeheftet, an die Wand projiziert, feitenweise photographiert und wieder gebunden merden, so daß es in fürzester Zeit wie unberührt. an der Stelle war, von wo es ausgeborgt" worden. Man hatte hier 2tben und Kartothefen mit Lichtbildern, Handschriften und Ma­schinenfchriftproben aller spionageverdächtigen Personen Europas  , be­sonders der Spionagezentren in Brüssel  , Zürich   und Lausanne  ."

-

Die Unfitte der Kopfjagden finden wir überall bort, wo Malaien, Bapuas und ihre Abtömmlinge wohnen, also von Affam über die Subainfeln bis zu den Molukten und Philippinen, auf Formosa  , Neuguinea   und auf vielen Insein Ozeaniens  , ferner bei einigen Indianerstämmen Südamerikas  . Die Gründe für solche Bräuche sind, wie Bruno Bittmann im Rosmos" schreibt, meift religiöfer Natur, Auf Celebes   waren die Söhne jedes verstorbenen Häupt­lings verpflichtet, je einen Schädel zu beschaffen, che der Tote be­graben wurde, denn er brauchte die Seelen der Ermordeten im Jenseits als Diener. Zauberer verlangten diese Opfer, angeblich um die bösen Geister zu befriedigen und Mißernten, Seuchen, Erdbeben u. bal, fernzuhalten. Abgeschmitfene Röpfe galten als Dantopfer für glüdliche Beendigung eines Boot. oder Hüttenbaues. Bielfach wurden fie unter den Pfosten eines neuen Hauses eingegraben, um solcherart Schuhgelster" an die Wohnung zu bannen. Sie steigerten das Ansehen des Jägers" bei den männlichen und im erhöhten Maße bei den weiblichen Stammesgenossen. Ja, der Jüngling galt erst dann als vollwertig, als Mann, als Krieger, wenn er mit einer Schädeltrophäe heimfehrte. Die Anzahl der erbeuteten Röpfe er­höhte seinen Ruhm. Auf den Mentawei- Inseln wird die Tatu­lerung des Kriegers mit jeder neuen Trophäe reicher, bei den Naga in Assam   ist deren Zahl aus bestimmten Kleidungsstücken und Ab­zeichen ersichtlich. Die meist feindlichen Köpfe werden vor der Be­hausung on Speeren oder Standen aufgepflanzt, im Giebel auf­Getöteten geben reichen Schmuck für Lanzen, Schilder, Aerte uim.

Wenn man bedenkt, daß alle wirtschaftlich wertvollen Eigen schaften unserer Kulturpflanzen zerstreut bei verschiedenen Linen vorkommen und auf dem Wege der Kombinations treuzungen sich zu neuen Formen vereinigen lassen, so ist es auch für den, der fein Fachmann ist, flar, was für großartige Bahnen durch diese Einzucht für die moderne Landwirtschaft damit eröffnet sind. Wir können deshalb mit folgenden Worten eines ausgezeichneten deutschen Bergehängt oder in eigenen Berschlägen aufbewahrt. Die Haare der erbungsforschers schließen:

"

verwirrt und voll Unruhe und mußte nicht, mem es glauben sollte: dent Pater Loquatius oder dem Frater Porphyrius  . Und je länger fie durch die Straßen zogen, desto stärker wurde seine innere Be drängnis, daß es sich nicht zu helfen wußte und sie nicht mehr er. tragen zu fönnen vermeinde. Und da fie auf dem Plage hielten, wo der König inmitten der Großen des Reiches in all seinem Glanze faß, zupfte es dem Pater an seiner Rutte und sagte in demütigem Lone: Eröffnet mir doch, ehrwürdiger Herr, was es mit den menschlichen Dingen für eine Bemandinis hat, denn ich kenne mich nimmer aus und leide infolgebeffen bittere Not." Doch der Bater, der im Augen­blicke an alles eher dachte als an die Erörterung derartiger Fragen, auch wohl fürchten mochte, daß der König das unziemliche Betragen des Tieres bemerkte und ihm dessen schuld gebe, verfette ihm, um es zu befchwichtigen, einen heimlichen Fußtritt. Weil num das Tier durch die blauseidene Dede und seine eigene Hornhaut hindurch nichts davon verspürte, meinte es, der Pater hätte seine Bitte nicht ver nommen und, indem es das, wonach es Begehr trug, noch lauter hervorgrunzte, zupfte es ihn etwas heftiger, worauf es die nämliche Antwort empfing. Beim dritten Male aber geschah es durch die Un­geduld und Aufgeregtheit des Tieres, daß es dem Bater die Kutte gänzlich vom Leibe riß, so daß er in nichts als sein härenes Hemd gekleidet dastand. Als das Tier sah, was es angerichtet hatte, ver for es völlig die Besinnung und, einem natürlichen Drange folgend, versuchte es mit möglichster Eile zu entfliehen.

Dadurch geriet der Wagen, an den es angeschirrt war, in heftiges Schwanken und nur eine glückliche Fügung, die die Deichsel ab splittern ließ, bewahrte das Bildnis des heiligen Korbinian   vor einem Sturz in den Staub der Straße. Das Tier aber, das sich plöglich befreit fühlte, rafte mit verdoppelter Schnelligkeelt durch die laut schreienden und entsegt auseinanderstiebenden Massen der Menschen und schleifte den unglüdlichen Pater, der die Zügel um den Arm ge­widelt hatte und nicht loslassen konnte, hinter sich her. Viele er­zählten später, das Tier hätte riefengroße Schillernde Flügel entfaltet und sei durch die Luft devongefahren, es war aber wohl die Brunt decke, die sich beim Laufen biähte, welche solchen Einbrud hervor. täuschte. Auch sin feltsames Schrillen und Pfeifen, das manche ver. nommen haben wollten und der boshaften Freude des Teufels an der Störung des Festes zuschrieben, möchte vielleicht eher das Ge­flingel der vielen hundert Glöckchen gewesen sein, die auf die Dede aufgenäht waren.

Das Tier hatte indessen das freie Feld erreicht, und hielt, als es feinen Menschen mehr um sich erblickte, in feiner rasenden Flucht inne. Und erst jetzt gewahrte es den Pater Loquatius, dem bei der eiligen Reife auch das letzte Stück der Bekleidung abhanden ge­fommen war und der nackt und bloß, aber aus tausend Wunden blutend, ohne Besinnung auf der Erde lag. Da es ihn nun so armijelig Dor fich liegen fah, wurde es von einem absonderlichen Grimm und einer gar seltsamen Beschämung ergriffen und, ohne sich Zeit auch

nur zur geringsten Ueberlegung zu nehmen, schnappte es zu und, in­dem es den Pater hinunterschlang, tat es schließlich mit ihm, was jener bei ihrer ersten Begegnung ihm zu tun geheißen hatte. Raum aber hatte es den guten Bater im Magen, so fielen wie durch ein Wunder alle Zweifel und jeglicher Trug, in die es von dem liftigen Frater Porphyrius   verstrict worden war, von ihm ab und wurde es Don äußerster Zerfnirschung und Reue überwältigt. Da es denn, obgleich nur ein dummes Bieh, Mar erkannte, daß es durch seine Untat fich der Anwartschaft auf zeitliches und ewiges Heil für immer beraubt hatte. Länger als eine Stunde stand es, ohne sich zu regen cder zu bewegen, auf dem gleichen Flecke. Und wäre ihm wohl cin troftreicher Zuspruch in seiner Berlassenheit dringend vonnöten ge­wesen. Da es aber eines solchen entbehren mußte, verfehrte sich seine Berzweiflung in teuffifchen Troß. Es begann einen wilden Lanz aufzuführen, wobei ihm bas Brachtgewand schauerlich um die Glieber flog, und stieß dazu gräßliche Schreie aus, so daß den Leuten auf den Mauern und Türmen der Stadt, die von ferne zuschauten, vor Grauen, Furcht und Entsetzen die Haare büschelweise zu Berge standen. Von Stund   an aber bewies das Tier, das bisher wohl gefräßig, doch weichen Gemütes gewesen war, eine unmäßige Grau­famkeit und Mordlust. Weit und breit verheerte es das Land und fraß, als ob seine Gier sich verdoppelt hätte, jenen Menschen, dessen es habhaft werden konnte. War auch auf teine Weise dazu zu bringen, einen neuen Bertrag mit dem Könige einzugehen, wie ihn der in feiner Bedrängnis vorschlug. Doch dauerte dieser greuelvolle Zustand nicht lange. Schon nach kurzer Zeit verschwand das Tier und wurde von niemand mehr gefehen. Einige beherzte Klosterbrüder, die in den Wald zum Holzsammeln gegangen waren, fanden bald darauf im tiefften Didicht seine Leiche. Es ergab sich aber nach der Erzählung der ehrwürdigen Brüder aus der Lage der Leiche sowie aus vielen sonstigen Umständen mit voller Sicherheit, daß das Tier an nichts anderem als an Gewissensbissen zugrunde gegangen und verendet war.

An der Stelle, wo der Pater Loquatius den Märtyrertod er­litten hatte, wurde von seinem Klofter eine fleine Kapelle errichtet. Auf der Vorderseite war das Bild des Baters abgemalt, wie er das Ungetüm an einem Stride in die Stadt führt. In der Klosterchronik ist zu lesen, daß an seinem Todestage alljährlich zu Nuz und Frommen der unvernünftigen Kreatur vor der Kapelle eine Brebigt gehalten wurde, zu der sich die Tiere des Waldes zahlreich einfanden, fich auch, solange die Predigt dauerte, einander niemals etwas zuleide taten. Später scheint dieser schöne Brauch abgekommen zu fein, und auch die Stapelle ist längst verfallen, fo daß nicht einmal der Ort mit Bestimmtheit angegeben werden kann, wo sie gestanden hat. Das Gedächinis des frommen Baters aber hat sich erhalten, und er gift noch heutigentags als Schugpairan der Drachen, Lindwürmer und dergleichen Ungeheuer. Bon dem schlimmen Frater Porphyrius be­richtet die Stlosterchronif nichts, so daß wohl anzunehmen ist, daß er, feinem Berdienste gemäß, ein schmähliches Ende genommen hat.