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Nr. 99+42. Jahrgang

Zigeuner im Westen.

Bisher haben die Zigeuner eigentlich immer nur im Osten und Nordosten Berlins   ihr Standquartier aufgeschlagen. Seit einiger Zeit find fie mit ihren Wagen und dem ganzen fraufen Hausrat auch nach sind sie mit ihren Wagen und dem ganzen krausen Hausrat auch nach dem Westen gekommen und haben in ein paar westlichen Vororten festen Fuß gefaßt, wenn man das Wörtchen fest überhaupt auf dieses flüchtige Völkchen anwenden darf. Am Morgen sieht man Frauen und Kinder, ein wenig phantastisch aufgeputzt, mit großen bunten Schleifen oder Blumen im Haar, in den Geschäften. Ihr Anblick ist hier durchaus ungewohnt. Unter den Frauen und Mädchen sieht man große Schönheiten, die allerdings früh ins Uleppige sich wandeln und bald welken. Man sieht, wie diese Zigeunerinnen alle, auch, wenn sie noch halbe Kinder sind, von maßloser Rauchleidenschaft er­griffen sind. Bevor sie am Morgen in den Bäckerladen gehen, faufen fie Zigaretten. Die brennende Zigarette wandert dann von Hand zu Hand, oder besser gesagt, von Mund zu Mund.

Um die Wagen und Wohnstätten der Zigeuner hat sich stets viel neugieriges Volk versammelt. Man lacht über sie, ist sehr kritisch und dünkt sich hoch erhaben über die Zigeuner, die, unbekümmert um die Zuschauer, ihrer Beschäftigung nachgehen mit einer füdländi schen Naivität und Unbekümmertheit, als wären sie allein und ganz unter sich. Immer haben sie laut zu erzählen, und immer wandert die Zigarette reihum. Zuerst zündet sie der Mann an, dann wirft er sie in fühnem Schwung der Frau zu, die sie geschickt auffängt, und die letzten Züge tut mit großem Behagen eines der vielen Kleinen, die da herumwimmeln.

Mittags ist in diesen Tagen die Sonne schon warm und wohl­tuend. Dann ſizen sie vor ihren Wagen und lassen sich die Sonne auf Kopf und Körper brennen, starr, regungslos, als gebe es nichts anderes und nichts besseres zu tun, als sich in der Sonne zu wärmen. Und wenn sie dabei sich unterhalten, dann hat man immer den Ein­drud, als ob sie sich lustig machen über ihre Zuschauer und Kritiker. Lenau   hat einst van Zigeunern gesungen: Es haben's die drei mir gezeigt wenn es am dunkelsten nachtet wie man das Leben verraucht, verspielt und vergeigt und es dreimal verachtet!" So ist es gewiß auch heute noch.

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Die Geschichte einer Kindesausfehung!

Weil sie von allen verlassen war.

Unter der Anklage der Kindesaussetzung wurde gestern die un­verehelichte Dienstmagd Helene Lamprecht dem Schöffen­gericht Tempelhof   aus der Untersuchungshaft vorgeführt. Die Ber: handlung entrollte das Schicksal einer unverehelichten Mutter, die vom Vater ihres Kindes im Stich gelassen worden war.

Beilage des Vorwärts

Die Angeklagte war bei einem Bauern in Küriz in Stellung gewesen und hatte am 31. Oktober 1921 ein Kind geboren. Mit dem Neugeborenen war sie am 3. November nach Berlin   gefahren und hatte es in einem Hausflur in der Mariendorfer Straße aus= gefeßt. Unter Tränen gestand die Angeklagte ihre Schuld ein. Sie sei in Verzweiflung gewesen und habe nicht gewußt, wo sie mit dem Kinde hin sollte. Ihr Verführer, von dem sie schon ein Kind gehabt habe, sei, als er die weiteren Folgen sah, auf und davon gegangen und nicht mehr zu ermitteln. Die Stellung bei dem Bauern hätte sie nicht mehr aufrechterhalten können. Das erste Kind hatten ihre Eltern aufgenommen und sie habe auch, was sie von ihrem geringen Arbeitsverdienft erübrigen konnte, zur Pflege des Kindes hingegeben. Kurz vor der zweiten Entbindung habe die cutter ihr aber geschrieben, sie dürfe es nicht wagen, noch mit einem zweiten Kind ins Haus zu kommen, sonst würde der Vater sie verstoßen. Nun habe sie in den Zeitungen gelesen, daß in Berlin   manchmal Kinder ausgesetzt würden, die dann ins Waisen­haus fämen und dort gut aufgehoben würden. So habe sie es auch gemacht. Auf dem Lehrter Bahnhof   angekommen, sei fie durch die Straßen geirrt, und habe das Kind um 10 Uhr abends vor cine Haustür gelegt, und zwar so, daß es sofort entdeckt werden mußte. Am anderen Morgen habe sie sich auch nach dem Kinde erfundigt. Eine Zeugin Hoffmann bekundete, daß fie zufällig zum Fenster hinausgesehen hätte, meil sie ihre Tochter erwartete. Da habe sie das Schreien eines Kindes gehört und eine Frau meg­laufen sehen. Als das Kind weiter meinte, habe es sie hinunter gezogen und da habe sie das Kindchen entdeckt, und sofort zur Boli­et gebracht. Am anderen Abend in der Dämmerstunde sei eine Frau zu ihr gekommen, die sagte, daß sie gehört habe, es sei ein Kind gefunden worden. Das möchte sie sich gerne ansehen, da sie feine Kinder habe und gerne ein solches annehmen möchte. Das Kind fei übrigens sehr sauber gehalten und sorgfältig eingehüllt gemejen, habe auch noch in einem Frauenjadett gelegen. An­geklagte:" Ja, das bin ich gewesen. Es hat mir keine Ruhe gelassen und ich mußte erfahren, wo mein Kind geblieben ist. Ich habe dann auch später ermittelt, daß das Kind zu einer Frau in der Hussitenstraße in Waisenpflege gegeben war und da bin ich mehrmals zu Besuch gewesen. Ich habe auch Geld hingebracht. Ich bin nachher nicht mehr hingegangen, weil die Frau anzügliche Reden führte. Borsigender: Wo ist das Kind jetzt? Lebt es noch?" Angeklagte: Das weiß ich nicht." Bori.: Haben Sie nicht befürchtet, daß das Kind in der falten November­nacht zu Tode tommen fonnte?" Angefl.( weinend): Ich rechnete darauf, daß das Kind gleich gefunden werden würde." Das Gericht rechnete der Angeklagten zugute, daß sie sich in Not­lage befunden habe und durch ihre Erfundigungen am nächsten Tage dargetan habe, daß sie nicht jedes Muttergefühls bar gewesen fei. Deshalb wurde auf die gefeßlich zulässige Mindest. Strafe von sechs Monaten Gefängnis erkannt. Die Untersuchungshaft von annähernd einem Monat wurde der An­geflagten poll angerechnet und es wurde ihr für die letzten drei Monate der Strafe Bewährungsfrist zugebilligt. Die An­geklagte nahm das Urteil an, das, da der Staatsanwalt auch auf eine Berufung verzichtete, sofort rechtskräftig wurde.

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Rowdys.

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In der vergangenen Nacht wurde der 22jährige Volontär Baut Schröder aus der Innstraße zu Neukölln überfallen und schwer mißhandelt. Alls er mit einem Freunde auf dem Heimwege den Rottbuser Damm entlangging, fiel vor dem Hause 19 plöglich eine Rotte junger Burschen über ihn her und schlug auf ihn ein. Schröder wehrte sich und rief um Hilfe, wurde nun aber durch mehrere Messerstiche am Kopfe so schwer verletzt, daß er zusammenbrach. Sein Freund eilte auf die Wache des 213. Reviers. Als jedoch die Beamten ankamen, waren die Burschen bereits ver­schwunden. Der Ueberfallene wurde nach dem Krankenhaus am Urban gebracht. Geraubt wurde ihm nichts. Man vermutet, daß er das Opfer einer Verwechselung geworden ist.

Der Nachrichtendienst des Berliner   Rundfunksenders.

Man schreibt uns:

" Die Darbietungen des Berliner   Rundfunksenders follen angeb­fich keiner beſtimmten Partei dienen. In der Praris sieht es aller dings etwas anders aus. Die Presseabteilung der Funkstunde gibt ihren Hörern allabendlich die neuesten Tagesereignisse aus dem In­und Auslande bekannt. Die Schnelligkeit der Berichterstattung ist auch durchaus auf der Höhe, wenn es sich darum handelt, der er staunten Mitmelt tund zu tun, daß die Kommunisten in irgendeinem Barlament ihren üblichen Radau aufgeführt haben oder Herr Pro­

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fessor H. eine eindrucksvolle Rede gegen die Schuldlüge" gehalten hat, oder einige Dutzend Frauen unserer Großagrarier sich anläßlich der Landwirtschaftlichen Woche" in Berlin   ein Stelldichein geben. Auch war sie immer sehr gut über den Verlauf der vielen Deutschen Republikaner in Magdeburg   hat sie anscheinend nichts erfahren, Tage" usw. orientiert. Aber von der gewaltigen Kundgebung der wenigstens hat sie ihren Hörern nichts davon mitgeteilt. Oder war eine Störung am Sender" eingetreten? Vielleicht äußert sich die Direktion der Funkstunde zu dieser Angelegenheit, schon deswegen, damit nicht bei dem republikanischen Teil der Hörerschaft die Mei­nung einmurzele, daß der Nachrichtendienst des Berliner   Funksenders einseitig orientiert sei."

Die Revolution im Berliner   Fernsprechwesen.

Umbau der Selbstanschlußämter.

Selbst anschluß sind eine große Anzahl von Neubauten er­Zur Umstellung des Berliner   Fernsprechdienstes auf den forderlich, die zum größten Teil vorgeschritten sind. Man hofft mit der Indienststellung des ersten Amtes mit Selbstanschluß noch Ende dieses Jahres beginnen zu können.

Freitag, 27. Februar 1925

Arbeitsmartt; diese Anmärter werden zwar in den behördlichen Listen notiert, haben aber auf Jahre hinaus feine Borsorgungsaus­fichten. Das Referat von Sasse behandelte technische Fragen, wie Anrechnung der Kriegsdienst- und übrigen Dienstzeit, Diätar­Besoldungsgefeges. Eine Besoldungsrevision forderte der Referent, frage, Ergänzungsprüfungen und vor allem die Neuregelung des auf die Verbesserungsbedürftigfeit der Paragraphen hinweisend. Von allen Seiten müsse eine Wendersang erstrebt werden.

Verkehrsunfälle in aller Welt.

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Nach einer Meldung aus Belgrad   ereignete sich auf der Linie Bielova Agram bei 2veti Ivan ein schwerer Eisenbahnzusammenstoß. Bis jetzt wurden aus den Trümmern etwa 17 Zote und 30 Berlegte geborgen. Nähere Einzelheiten fehlen noch, doh befürchtet man, daß die Zahl der Im Lyoner Hauptbahnhof fuhr ein Schnell­Opfer noch größer iſt. zug auf einen Personenzug auf. Drei Personen wurden ge. tötet, 40 perlegt. Nach einer Meldung der Central News" ist 100 Rilometer von Indere entfernt auf dem Wege nach Bomban ein Autobus, in dem 50 Personen Platz genommen hatten, in Brand geraten. 23 ersonen sind in den Flammen umge= tommen, acht trugen schwere Brandwunden davon. deutsche   Fisch dampfer Weyhausen ist vom Sturm schwer beschädigt aus Island   in Aberdeen   eingetroffen. Ein Mann der Befagung ist von einer Welle über Bord gespült worden und er­trunken. Der deutsche Dreimaster Casimir" ist auf der Reise von Lübeck   nach Barcelona   schwer beschädigt worden.

Der

Am weitesten ist der große Bau in der Schleiermacher straße, wo nur noch der Innenbau auszuführen und die tech­nischen Einrichtungen einzubauen sind. Zurzeit gehen in Neu­tölln, in der Geisbergstraße, in der Artillerie straße usw. weitere große Neubauten ihrer Vollendung allmählich entgegen. In Dahlem   ist ein neues Amt im Rohbau beinahe voll­endet. In der Spandauer Straße zu Berlin   ist eine große Aufstockung ziemlich fertig. In diesen neuen Postgebäuden wird der Einbau des technischen Apparates sogleich nach Fertigstellung in Angriff genommen werden. In der Goethestraße in Charlottenburg  , Reinickendorf   wird voraussichtlich noch in diesem Frühjahr mit der Inangriffnahme der großen Baulichkeiten begonnen werden. Die Neubauten werden im allgemeinen 5 Stockwerke hoch sein und sind nach den modernsten Entwürfen ausgeführt. Im Anschlußisch dampfer untergegangen, deren Besatzung aber ge hieran haben sowohl die Industrie als auch die Behörden Vorberei­tungen getroffen, um den großen Schritt in dieser gewaltigen Fern fprechreform mitzumachen. In immer wachsendem Umfange führen die großen Betriebe den automatischen Verkehr ein, der für viele das Fundament einer rationellen Betriebsorganisation schon heute ge= worden ist. Im Bezirksamt Mitte   des Berliner   Magistrats wird neuerdings eine ausgedehnte Selbstanschlußanlage eingerichtet, deren Bau der Gesellschaft für automatische Telephonie" über­tragen worden ist.

Vielen Fernsprechteilnehmern find Werbeschreiben von Privat­Telephongesellschaften zugeschickt worden, die in der äußeren Form amtlicher Schreiben die Teilnehmer auffordern, bei der bevor­stehenden Einführung des Selbstanschlußbetriebes die nötigen neuen Apparate bei der werbenden Gesellschaft zu bestellen. Hierzu er= halten wir folgende Aufklärung:

Das Unwetter an der französischen   Küste. Der Sturm an der französischen   Küste und auf dem Ozean hält mit unverminderter Stärte an. Dampfer, die bereits ausgefahren waren, mußten zurückkehren. Der Wind erreichte zeit­weise eine Stundengeschwindigkeit von 100 Kilometer. Vor Bigo scheiterte ein ja panischer Dampfer. Ferner sind mehrere rettet werden konnte. Bei Tours wurde ein Flugzeug turz nach dem Aufstieg vom Wind auf den Boden niedergedrückt. Die beiden Insassen sind schwer verlegt.

Die heftigen Stürme über den Atlantischen Ozean   zwingen die Schiffe, in den Häfen Zuflucht zu suchen. Verschiedene Dampfer, die dem Sturme nicht rechtzeitig ausweichen konnten, find gestrandet. Heute nachmittag fing die drahtlose Station Lorient  ( Bretagne  ) Hilfe­rufe des italienischen Dampfers Cita d'Elena", des griechischen Dampfers" Belagia" und eines dritten Dampfers auf, dessen Name noch nicht festgestellt werden konnte. Die drei Dampfer sind auf der Höhe von Duessant gescheitert. Zwei britische Dampfer haben sich zur Hilfeleistung an Ort und Stelle begeben.

Der Ausbau des europäischen   Fernsprechnehes. In den iczien Tagen fanden Versuche statt, eine telephonische Verbindung zwischen Wien   und Paris   herzustellen. Es ist gelungen, bei einer Um­

bei Anwendung von Verstärkern ein normales Gespräch zu führen. Weitere Versuche, über Berlin   nach Malmö   und Stocholm zu telephonieren, sind gleichfalls gelungen. Die Berbindung mar ohne Verſtärker möglich. Es wird nunmehr in absehbarer Zeit der Fernsprechverkehr Wien  - Paris   über Frankfurt   a. M. und Wien  - Stockholm   sowie Wien  - Malmö   über Berlin   möglich sein.

Bei allen von der Deutschen Reichspost hergestellten Sprechleitung über Frankfurt   a. M. eine Berständigung zu erreichen, und stellen werden die Aenderungen, die durch Einführung des Selbst­anschlußbetriebes bei den Fernsprechamtern Groß- Berlins erforder­lich werden, insbesondere der Einbau der Nummernscheibe, durch die Deutsche Reichspost rechtzeitig und ohne Kosten für die Teilnehmer vorgenommen werden. Dies trifft auch für alle von der Deutschen Reichspost hergestellten Nebenstellen­anlagen zu. Auf die bevorstehende Einführung des Selbstanschluß­betriebes, der in Groß- Berlin nur nach und nach im Laufe mehrerer Jahre erfolgen kann, werden die Teilnehmer durch die Tages zeitungen und in anderer geeigneter Weise aufmerksam gemacht werden. Nähere Auskunft erteilen die zuständigen Fernsprechämter.

Ein wilder Autofahrer vor Gericht.

Ein folgenschmerer Autozufammenstoß in Weißenfee führte den Fabrifdirektor Reds ched von den Riebe- Werken vor das Weißenfeer Amtsgericht. R. ist in meiten Kreisen als einer der rücksichtslosesten Autofahrer bekannt. Er gab vor dem Gericht selbst zu, mit einer Geschwindigkeit von 35 Stundenkilometer durch die Straßen zu sausen. Diese rücksichtslose Fahrerei sollte kürzlich sein Berhängnis werden. An der Kreuzung der Berliner Allee und Franz- Joseph- Straße in Weißensee   fam es zu einem heftigen 3u sammenstoß. R. fuhr mit seinem Auto in die Flanke einer vollbesezten 3yflonette. Der Anprall war so start, daß diese sofort umgeworfen wurde. Die Jerfassen flogen im großen Bogen auf den Straßendamm. Ein Ratsbaumeister erlitt einen schweren Rippenbruch. Drei weitere Fahrgäste tamen mit mehr und minder schweren Verlegungen davon. Direktor R. und sein Auto blieben unversehrt. Bor Gericht meinte der Angeflagte, die bebaute Straßenede hätte ihm die Uebersicht genommen. Er habe die Zyklonette weder gehört noch gesehen. Vom Amtsanwalt mußte fich der Angeklagte belehren lassen, daß an unübersichtlichen Straßen­freuzungen jedes Auto besonders langsam zu fahren hätte. Das Gericht fam nach eingehender Untersuchung zu dem Ergebnis, daß der Unglücksfall nur durch das übermäßig schnelle Fahren des An­geklagten herbeigeführt worden sei. Mit Rücksicht auf die Ver= mögenslage des R.( Fabrikdirektor mit einem Monatseinkommen von 2500 M.) erfannte das Gericht wegen gefährlicher Körperver­legung auf 1200 M. Geldstrafe.

Eine saubere Firma.

polizei gegen die Firma Perig, Kurfürstendamm 16, ein. Beriz Wegen einer Unterbilanz von 70 000 m. schritt die Kriminal­sowie sein Geschäftsführer und Kompagnon Bauer sind in haft genommen worden. Aus den beschlagnahmten Büchern ist folgendes ersichtlich: Die Firma hat für rund 83 000 m. Tertilwaren gekauft. Durch den Verlauf dieser Waren wurde ein Erlös von 58 000 m. erzielt. Rund 13 000 m. hiervon wurden an die verschiedenen Lieferanten abgeführt. Es ergibt sich also eine Unterbilanz von 70000 M., für die die Firma nicht auffommen konnte. Wo die restlichen 45 000 m. aus dem Verkauf geblieben sind, geht weder aus den Büchern hervor, noch fönnen Beriz oder sein Geschäfts­führer darüber irgendwelche Angaben machen. Da die laufmännischen Kenntnisse des Periz ziemlich gering find, ist anzunehmen, daß die Buchungen nicht ganz stimmen werden. Allem Anschein nach wird die Untersuchung ergeben, daß die Unterbilang noch größer iſt. Auch der Geschäftsführer Bauer scheint eigentümliche Geschäfts praktiken zu haben. Unter dem beschlagnahmten Material fand man nämlich einen Brief von ihm, den er an einen Freund gerichtet hat und dem er darin Mitteilung macht, daß es hier in Berlin   sehr schwierig sei, Geschäfte zu machen, da die Kriminalpolizei zu sehr arbeite". Bisher haben sich etwa 20 Firmen als geschädigt an­gemeldet.

Der Reichsbund der Zivildienstberechtigten, e. V., veranstaltete im Rheingold einen Preffeabend. Schriftleiter Hosbach   sprach über die Zivilversorgung vom Standpunkt der Staatsnotwendig feit", Benn ein junger Mensch heute mit 15 Jahren in die Wehr macht eintreten will, wird er über die Zweckmäßigkeit Betrachtungen anstellen, meinte der Redner, und jeder Anreiz, volkswirtschaftlich ausgedrückt, wird fehlen, sobald beine Möglichkeiten späterer Eristenz­ficherung vorliegen. Die Unterbringung der ausscheidenden Soldaten oder Versorgungsanwärter in freien Berufen ist zu diffizil und un­gewiß; die einzige tatsächliche Existenzsicherung bleibt für sie die pensionsberechtigte Anstellung im Staatsdienst. Normalerweise er fcheinen alljährlich 12 000 Mann aus Heer und Marine auf dem

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Ein Kinderballon fliegt von Mannheim   nach Nordböhmen  . Ein fleiner bunter Kinderballon hat, wie man uns aus der Kreisstadt Böhmisch Leipa   in Nordböhmen   schreibt, eine weite Reise gemacht. Auf einem Wiesengelände bei dem Dorfe Graber fand ein Spaziergänger, der Blumen suchte, den Ballon, der am 18. Fes bruar, 8 1hr 20 Minuten abends in Mannheim   von Mariette Rtüden, T. 6. 27, aufgelassen worden war. Die erbetene Funds verständigung ist erfolgt.

Aus der Partei.

Parteitage in den baltischen Ländern.

Für den Monat April haben die sozialdemokratischen Parteien der baltischen Staaten ihre Parteitage einberufen. Den Anfang nacht der Kongreß der Sozialdemokratie Lettlands  , der am 4. und 5. April in Riga   stattfindet. Er ist besonders bedeutsam im Hinblick auf die jüngsten Vorstöße der Reaktion gegen die lettischen Arbeiter und die im Herbst bevorstehenden Wahlen in diesem Lande. Am 9. und 10. April findet der estnische Parteitag in Reval   statt. Er soll u. a. die endgültige Vereinigung der beiden sozialistischen   Gruppen, der Sozialdemokraten und der sogenannten Unabhängigen Sozialisten" beschließen, die praktisch nahezu voll­zogen ist. Am 17., 18. und 19. April folgt dann der littauische Parteitag, der nach Kaunas  ( Kowno  ) einberufen ist. Auch in Littauen  stehen im Herbst Parlamentswahlen bevor und der Parteitag wird sich daher mit ihrer Borbereitung beschäftigen.

Von den argentinischen Sozialisten.

Die argentinische sozialistische Partei, die erfolgreichsie Bor fämpferin des Sozialismus in Südamerika  , zählt gegenwärtig, wie aus einer Mitteilung an das Sekretariat der Sozialistischen Arbeiter. internationale hervorgeht, 10 000 Mitglieder. Sie hat 18 Abgeordnete in der Kammer, 9 in den Landesparlamenten der einzelnen Pro­vinzen und 2 Senatoren. Die Kommunisten verfügen über feine parlamentarische Vertretung.

Besonders bemerkenswert ist die erfreuliche Berbreitung der sozialistischen   Presse: die Partei verfügt über zwei Tageblätter und nicht weniger als 32 Wochenblätter, sowie eine Halbmonatsschrift. Dies stellt dem Fortschreiten der Bewegung in Argentinien   die günstigsten Aussichten.

Eine Antwort an die Kommunisten.

Zu den Wahlen des engeren Stadtrats in 3ürich haben die Kommunisten der Sozialdemokratischen Partei ein Wahlbündnis an gcboten. Der Vorstand der Sozialdemokratischen Partei hat diesen Vorschlag einstimmig abgelehnt und seine Entscheidung in einem Offenen Antwortschreiben" begründet, in dem es heißt: Hätten die Kommunisten nicht in der politischen Organisation des zürcherischen Proletariats Spaltungen bewirkt, ja bis zum heutigen Tag in der zürcherischen Arbeiterbewegung durch Berleum­dungen und Berunglimpfungen Uneinigkeit und Mißtrauen ver breitet, so bestünde die beste politische Einheitsfront der arbeitenden Volksmassen noch heute, nämlich eine unzerspaltene, kraftvolle Sozial demokratische Partei, die nach der Lage der Dinge seit dem Jahre 1919 sich auf eine Mehrheit der städtischen Bevölkerung und eine Mehrheit der Mitglieder des Großen Stadtrates stüßen könnte. Die Grundlage jeder Gemeinsamkeit des Kampfes und der Waffenbrüderschaft heißt Bertrauen, Aufrichtigkeit und gegenseitige Achtuna. Wie kann die Kommunistische Bartei heute Anspruch erheben auf Vertrauen und Achtung, fie, die nichts zu tun weiß, als Mißtrauen zu verbreiten und Migachtung und Berachtung der sozialdemokratischen Partei zu predigen?... Schon in der Tatsache, daß sie einer Partei von Verrätern", wie sie die sozialdemokratische Partei immer wieder beschimpft haben, heute eine ulianz anbieten, enthüllt doch die ganze innere unwahrheit und Heuchelei dieses Anerbietens der Kommunisten."

Diese Antwort ist umso bemerkenswerter, als, wie bekannt, die Schweizer   Sozialdemokratie ftets zu den radikalsten Parteien der sozialistischen   Bewegung gehört hat.