Einzelbild herunterladen
 

Abendausgabe

Nr. 10742. Jahrgang Ausgabe B Nr. 53

Bezugsbedingungen und Anzeigenpreife Find in der Morgenausgabe angegeben Redaktion: Sm. 68, Lindenstraße 3 Fernfprecher: Dönhof 292-295 Tel- Adresse: Sozialdemokrat Berlin  

Vorwärts

Berliner Volksblatt

5 Pfennig

Mittwoch

4. März 1925

Berlag und Anzeigenabteilung Gefchäftszeit 9-5 Ubr

Berleger: Borwärts- Berlag GmbH. Berlin   Sm. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 2508-250%

Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Im Geiste Friedrich Eberts  .

Der Kampf um den Nachfolger.

Auch heute, wo der tote Reichspräsident die Fahrt zur letzten Ruhestätte antritt, ist es erlaubt und notwendig, an den großen Kampf zu denken, der über seinem Grabe entbrennen wird. Denn schon drei Wochen nach dem nächsten Sonntag wird das Bolt zu einer Entscheidung an­treten, wie sie in Deutschland   noch nicht erlebt worden ist: ade erwachsenen Männer und Frauen werden berufen sein, an die Urne zu treten, um den zu wählen, der für die nächsten Sieben Jahre das Oberhaupt unseres Staatswesens mer­den soll.

Wenn der 29. März noch feine Entscheidung bringt, so wird vier Wochen später die zweite endgültige Wahl vorgenommen, bei der dann jener Kandidat durchs Ziel geht, der mit seiner Stimmenzahl die Spize hält.

Die Wahl des Reichspräsidenten durch das ganze Bolt ift etwas ganz Reues; bei ihrer Borbereitung und Durchführung stehen uns feine Erfahrungen zur Seite. Mit bem amerikanischen   Borbild fönnen wir nichts anfangen, denn in den Bereinigten Staaten werden Wahlmänner, Elettoren, gemählt, die die Wahl vorzunehmen haben, ein zmeiter Wahlgang in der Volkswahl findet nicht statt. Außer bem hotte Amerika   bisher immer nur zwei Parteien, die als ernste Wettbewerber in Betracht famen, und so war man von vornherein sicher, daß nur ein Republikaner oder ein Demo­frat gewählt werden konnte. Bei unserer Parteizerfplitterung aber liegt alles im Ungewissen.

In den Zeitungen ist viel die Rede davon, daß die mon­archistische Rechte und die republitanische Linke, Schwarz­weißrote und Schwarzrotgoldene einander schon im ersten Wahlgang geschlossen, jede mit einem gemeinsamen Kandi­daten, gegenübertreten würden. Zu einer Berwirklichung diefes Planes ist es aber noch nicht gekommen, sie wird auch zweifellos auf beiden Seiten großen Schwierigkeiten be­gegnen.

Reden wir zunächst von der Deutsch   nationalen Bartei Sie ist die weitaus stärkste Partei der Rechten und ist mit ungeheurem Selbstbewußtsein und gewaltigen An­sprüchen aufgetreten. Sie zerfällt aber innerlich in zwei Richtungen, von denen die eine für eine weitgehende Koalition mit der bürgerlichen Mitte, die andere für unverföhnliche Opposition gegen den gegenwärtigen Staat eintritt. Burzeit überwiegt die erste Richtung, sie ist aber zu dauernden zu geständnissen an die zweite genötigt. Nun genügt es aber nicht, wenn sich diese beiden Richtungen auf einen gemein­famen Randidaten einigen; jebe Aussicht auf Erfolg schwindet, menn nicht auch die Parteileitungen der Bölkischen. der Wirt­schaftspartei, der Deutschen   und der Bayerischen   Boltspartei ihre Zustimmung geben und wenn nicht der aufgestellte Ran didat auf die Massen zugträftig wirft. Es wird also nicht so leicht sein, einen geeigneten Mann zu finden. Dabei darf man nicht vergessen, daß die Rechtsporteien auch vereint noch lange nicht über die Mehrheit des Boltes verfügen, daß fie also feine Aussicht haben, im ersten Bahl­gang, wo die abfolute Mehrheit aller abgegebener Stimmen um Sieg notwendig ist, den entscheidenden Erfolg zu erringen. Shre Hoffnung fann nur darauf gestellt sein. daß sich ihre Gegner im zweiten Bahlgang zerinlittern werden, und daß es ihnen fo gelingen fönnte, dann die Spitze der Stimmen ahlen und damit den Sieg zu gewinnen.

Seit Jahr und Tag hat die Rechte nach der Bahl des Reichspräsidenten durch das Bolt geschrieen, sie hat es aber frets als ein ängftfiches Geheimnis gehütei. menn fie fandi­dieren würde, und dieses Geheimnis befteht bis auf den heuti­gen Tag. In früheren Jahren hätten udendorff oder Rahr Ansicht gehabt, zwar nicht gemählt, aber doch präfen­fiert zu merden, hente spricht aber von ihnen fein Mensch mehr. Die Rechte schreit aus ihrem antidemo ratifchen Herzen mmer rach dem Diflator, dem Einen, dem Großen, den erfen Mann, der alles fann. Ihn zu zeigen, hat fie bisher aber nicht vermocht, und jeder Verfuch, aus einen ihrer vielen Meinen Sterblichen fünftlich einen Unsterblichen zu fabrizieren, nete mit einem poffenhaft mirfenden Mißerfolg.

Die Republikaner   haben es meniger eifig gehabt, ur Reichspräsidentenwahl zu fommen, fie hohen feine Neigung ur Diktatur und brauchen daher auch feinen Diktator zu suchen. In ihren Reihen gibt es mehr als einen Mann, von dem zu erwarten ist, daß er das hobe 2mt mit Würde und Taft und politischem Berstand führen würde und selbstverständlich muß es ihr gemeinfames Ziel sein, die Schmach und die ungeheure Gefahr zu verhindern, die darin läge, wenn Deutschland   für die nächsten sieben Jahre eine Republik   mit einem Monarchisten an der Spike merden würde.

Der gemählte Bräsident muß vor seinem Amtsantritt schwören, daß er die republikanische Bertaffung schützen werde. In welche Situation time ein Mann der Rechten, wenn er diesen Eid ablegen follte, nachdem er von monarchistischen, verfassungsfeindlichen Barteien als ihr Mann zum Reichspräsidenten gewählt worden wäre! Der neue Reichspräsident würde sein Amt mit einer Handlung beginnen, die er selbst, die das Volk und die ganze Welt als nicht ernst gemeint, ja als geradezu unehrlich empfinden würde. Während

seiner Amtszeit würde das ganze republikanische Deutschland  ständig auf der Wacht sein, den Tag erwartend, an dem das Staatsoberhaupt seinen Eid bricht. Kann ein ehrlicher Mann, sich zu einem solchen Spiel überhaupt hergeben? Kann ein erflärter Monarchist ,. der von Monarchisten auf den Schild gehoben worden ist, das Amt eines Präsidenten der Republik   erstreben, ohne im Fall seiner Wahl in die schlimm­sten Gewissenskonflikte zu geraten? Borausgesezt natürlich, daß das dazu nötige Objekt überhaupt vorhanden ist? Bon welcher Seite immer man die Frage betrachtet, immer wieder ergibt sich also, daß es das Hauptziel der Republikaner  sein muß, die Wahl eines Monarchisten, eines Mannes der Rechten, unmöglich zu machen. Gäbe es in Deutschland   nur Republikaner, so würde unter diesen der Kampf um den Würdigsten bis in die letzten Konsequenzen ausgefochten werden müssen. So aber gilt es vor allem, den Unwürdigsten auszu­schalten und den Bod aus dem Garten hinauszujagen, in dem er sich als Gärtner aufspielen will.

Das alles sind Dinge, über die es kaum eine Meinungs­verschiedenheit geben fann. Alles andere ist eine Frage der Tatfit, die in den nächsten Tagen entschieden werden wird. Besondere Bedeutung wird dabei den Beratungen der Sozialdemokratischen Parteiförperschaften zukommen. Denn die deutsche Republik ruht auf den Schultern der Arbeiter. Die Sozialdemo fratie war es, die die deutsche Republik   be= gründete, erfämpfte, nach allen Seiten hin verteidigte. Die Sozialdemokratie mares, die diefer Republit ihren ersten Präsi denten stellte, den heute, nach seinem all. aufrühen Hinicheiden die Welt als einen Großen ehrt. Die Sozialdemokratie ist aber auch die bei weitem stärkste und innerlich geschlossenste republikanische Partei. Und schließlich verfügt die Sozialdemokratie auch über Männer, die im Bolf Vertrauen genießen und es auch ver­dienen.

-

Wir senden unser fiefftes Mitgefühl und bedauern den schweren Verlust, den die deutsche Sozialdemokratie durch den unerwarteten Tod des ersten sozialistischen   Präsidenten der Republil, des hoch­geehrten Genoffen Friedrich Ebert  , erlitten hat. Prag  .

Auswärtige Delegation der russischen sozialrevolutionären Partei.

Die Steigbügelhalter.

KPD  . und Trauerkundgebung.

Den Kommunisten ist die Aufforderung der Sozialdemokratischen Partei und der Gewerkschaften an die Arbeiterschaft, sich an den Beisetzungsfeierlichkeiten für Ebert zu beteiligen, höllisch unan genehm. Rein flaffenbewußter Proletarier, ob Arbeiter, Angestell­ter oder Beamter, darf sich heute am Trauerzug für Ebert beteili een," schreibt heute die Bezirksleitung der KPD.   in einem gift geschwollenen Aufruf. Sie wagt es freilich nicht, die Berliner   Arbei. ter aufzufordern, in den Betrieben zu bleiben, denn sie weiß, daß ihre Aufforderung ungehört verhallen würde. Sie be­schränkt sich deshalb darauf, ihre Mitglieder aufzufordern, abseits vom Trauerzug, in und vor den Betrieben," schnell improviſierte Betriebsverfammlungen zu veranstalten, um auf die Republik   zu schimpfen. Offenbar nach dem schönen Rezept des wildgewordenen Spießers:

Er stellt sich wütend an die Wand

Und strampelt mit den Füßen." Die Berliner   Arbeiterschaft wird sich an diese beruflichen Schimpf. boide nicht fehren, sondern durch ihren geschlossenen Auf­marsch befunden, daß sie in ihrer großen Maffe eintritt für die Sozialdemokratie, für die Republik  .

Luther an Coolidge  .

Luthers ftrittige Amtsbezeichnung.

Als stellvertretender Reichspräsident" hat Dr. Luther an den Präsidenten der Bereinigten Staaten von Amerika   folgen­des Glückwunschtelegramm gerichief:

Aus all dem geht hervor, daß sich die Sozialdemokratische Partei   in einer ganz besonderen Lage befindet, in der sie ent­scheiden muß, was fie der Republik   und was fie fich felber schuldig ist. Aus der Tatsache, daß die Republif in ihr am Herr Präsident! Im Namen der Reichsregierung und des lebendigsten ist und wer wollte diese Tatsache bestreiten?-deutschen   Bolkes erlaube ich mir, Ihnen zum Antrit Ihrer neuen ergeben fich für sie Ansprüche, aber auch Pflichten, Amtsperiode die herzlichsten Glückwünsche auszusprechen und damit ergibt fich für sie die Notwendigkeit, würdig zu handeln als meine besten Wünsche für die Wohlfahrt des amerikanischen   Boltes die BarteiFriedrich Eberts, als die Schüzerin der Republit!

Arbeitspause am Donnerstag.

Bon 11 bis 11,15 Uhr!

zu verbinden.

Dr. Luther, Stellvertretender Reichspräsident." Der Amtsantritt des Präsidenten Coolidge   erfolgt heute, alfo an dem Tage, wo die deutsche   Republif ihren ersten Prä sidenten zu Grabe trägt. Coolidge   ist ab heute eigentlich erst Bom Bureau der Berliner   Gemertschaftstommiffion in seinem bisherigen Amt bestätigt, da er die Präsidentschaft wird uns mitgeteilt: Das Polizeipräfidium gibt in der Breffe haib bis jetzt nur vertretungsweise als Nachfolger des verstorbenen amtlich bekannt, daß auf Beranlassung der Berliner   freigewerkschaft. Präsidenten Harding besaß, deffen Amtsbauer heute abgelaufen lichen Spizenverbände der Arbeiter, Angestellten und Beamten in wäre. Die Boffische Zeitung" macht darauf aufmerksam, daß Würdigung der besonders schwierigen Berfehrsverbie Unterschrift des Herrn Luther nicht forrett formuliert ist. Luther sei nicht räsident", auch nicht stellperire ender", bältnisse eine Arbeitsruhe von fünf Minuten eintreten foll sondern Reichstanzler und nur mit der Wahrnehmung der Ge­fchäfte des Reichspräsidenten   vertretungsmeise betraut. Die Unterschrift hätte demnach Stellvertreter des Reichspräsidenten  " heißen müssen.

-

Diefe Vereinbarung gilt jedoch nur für den öffentlichen Berkehr, und zwar deshalb. um dadurch im Einverständnis mit den Diret eine tionen der Straßenbahn, Hochbahu und Autoomnibuffen- eine mirtliche Arbeitspaufe zu erzielen, die bei 15 Minuten aus technischen Gründen nicht möglich gewefen märe. Für alle anderen Betelebe bleibt die von den Bundesvorffänden angefehte Arbeitspause von 15 Minuten bestehen!

Beileid der sozialistischen Internationale. Telegramme an die deutsche Sozialdemokratie. Die spanische sozialistische Partei betrauert den Tod des Ge­noffen Ebert, des großen internationalen Demokraten.

Madrid  .

*

Binzenz Besteiro, Präsident. Saborit, Sefretär. Unsere herzlichste Kondolation anfäßlich Präsident Eberts Tod. Wir nehmen von lleftem Herzen teil an Ihrer Trauer über den Ber­luft eines der größten Genoffen in der Well.

Osla  .

Sozialdemokratische Partei Norwegens  . Magnus Nilssen.

Tief ergriffen durch Nachricht vom Tode des Präsidenten Ebert  , über fenden wir unser herzlichstes Beileid.

Warschau  . Polnische Sozialistische Partei  . Daszynski  . Anlaßlich des Ablebens des Genoffen Frih Ebert übermittelt der Soziali fisch Unitarische Jugendverband 3taliens der deut­fchen Sozialdemokratie den Ausdrud herzlichster Teilnahme zu dem Verluste, der Sie betroffen hat. Mailand  .

Italienische Sozialistische   Jugendorganisation.

"

Der verhängnisvolle Aufwertungskampf!

Teutschnationale Heuchele.

Heute und morgen berät die deutschnationale Reichstagsfraktion über die Auswertungsfrage Das haben die Millionen Wähler sich nicht träumen laffen, daß über diese Dinge in der deutschnationalen Fraktion noch eine Berotung und Abstimmung notwendig fei. Im Wahlkampf hieß es, daß die deutschnationale Fraktion geschlos sen dafür sei, den Schaden, den die jüdisch- kapitalistisch- sozialdemo­fratische Politit" angerichtet, mieder gutzumachen. Nicht nur Kauftraft, also bis zu 150 Prozent und mehr wurden verlangt. 100prozentige Aufwertung, nein sogar Aufwetung nach der inneren Jetzt werden sie die Geister nicht los, die sie gerufen haben. In der

..staatspolitischen Vereinigung der Deutschnationalen Boltspartei" jammert der Freiherr   v. Staufenberg  :

,, Die egoistischen Gegenfäße im deufchen Bolte hätten derartig zugenommen, daß, wenn sich die Dinge fo meiter entwidel ten, die größten Gefchren beständen. Der Aufmertungs. tampf zeipe so recht den Egoismus der einzelnen Intereffenten freise, und ebenso' n der Handels-, der Zoll- und der Wirtschafts­politit versuchte jeder mönlichst viel für fich herauszuholen. Die Deutschnationale Bertei fehe auf allen Gebieten der Wirtschaft und der Politit große Gefahren für das deutsche Bolb und werde mit banger Gorne erfüllt. Ueteroll im Lande erörtere man die Frage, ob die Morf ftobil bleiben würde. Er fei der Ansicht, daß augenblidlich die Währung nicht gefährdet fe, jedoch beständen auch auf diesem Gebiete große Gefahren, und man wisse nicht. was die Zukunft bringen werde."

Das ist töftlich. Wer hat denn diese egoistischen Gegen.

Die Urbeiterpartel Curemburgs befrauert den Tod des Ge- fäße" im deutschen   Bolte derartig entwickelt? Wer hat denn den noffen Ebert und spricht herzlichstes Belleld aus. Efch.

Clement.

Aufwertungskampf bis zur Siebebige getrieben, mer hat in tausend und abertausend Bersammlungen die Maffen der verzweifel.