Einzelbild herunterladen
 

Abendausgabe

Nr. 109 42. Jahrgang Ausgabe B Nr. 54

Bezugsbedingungen und Anzeigenpreite Find in der Morgenausgabe angegeben Redaktion: SW. 68, Cindeaftraße 3 Fernsprecher: Douhoff 292-295 Tel- Adresse: Sozialdemokrat Berlin

Vorwärts

Berliner Volksblatt

5 Pfennig

Donnerstag

5. März 1925

Berlag und Anzeigenabtettung: Gefchäftszeit 9-5 Uhr

Berleger: Borwärts- Berlag GmbH. Berlin SW. 68, Lindenstraße 3 Ferafprecher: Dönhoff 2506-2507

Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Eberts Heimkehr.

Heidelberg begräbt seinen großen Sohn. seinen großen Sohn. Nächtliche Trauerfahrt durch Deutschland .

Millionen haben gestern dem toten Führer des Boltes die legie Ehre erwiesen. Auch während der nächt lichen Fahrt des Totenzuges waren an allen Halte­punkten Laufende von nah und fern herbelgeeilt, um auch im Lande zu beweisen, daß der Name und das wirken Friedrich Eberts un auslöschlich im Herzen des Boltes eingegraben ist. Es gab fast feine Station, die der Totenzug in seiner nächtlichen Fahrt passierte, an der nicht die Bevölkerung dem Berstorbenen letzte Grüße gebracht hätte. So gestaltete sich noch die Totenfahrt zum wahren Betenntnis des

republikanischen Gedankens, dem der Verstorbene gelebt hatte und der unzerstörbare Wurzeln im Volke ge­schlagen hat.

persönlichen Opfern maren die Reichsbannerleute teilweise zu Fuß oder mit den letzten Abendzügen gekommen. Sie mußten noch stundenlang auf die Frühzüge warten, die sie wieder zurückbrachten. Andere Gruppen zogen es vor, wieder abzumarschieren. Die Um gebung des Ortes Kreiensen ist durchaus ländlich bzw. fleinstädtisch. Auch das Volk dieser Gegend hat begriffen, daß ein großer Zoter zu Grabe getragen wird.

Heidelberg in Erwartung des Toten.

Die liebe alte Stadt, die fast ein jeder in Deutschland schon

wird, gerne hier verwellen. Aber diesmal ist es anders.

Die

einmal besucht hat und an die ihn immer die Erinnerung an etwas Lichtes und Sonniges bindet. rüstet sich zu einer großen Feier Das tat sie schon oft, zu Kongreffen, Tagungen und zum Besuche großer Persönlichkeiten, die alle, menn Süddeutschland berührt Feier geschieht im Zeichen von Schwarz, thre Musik trägt den Und dieser Lote ist des Deutschen Reiches höchstgestellte Persön lichkeit, der Reichspräsident. Ihm gelten die großen Vorbereitungen, ihm die Fahnen und Standarten, die halbmast flattern.

ernften Charakter angenommen. Bor dem Bahnhof hielt der Bei henwagen, hunderte Studenten mit ihren Bannern und in Wichs, viele hunderte Bereine mit ihren Fahnen um dem Staatsoberhaupt die letzte Ehre zu erweisen. Die Häuser aus dem ganzen badischen Lande fäumten die Straße, waren bis auf die Dächer mit Menschen besetzt. Den größten Teil des Weges bis zum Friedhof bildete das Reichsbanner Spalier, eine stumme gemaltige Demonstration für die Repu blit, die manchem in Herz und Sinn gedrungen sein mag, der cis Monarchist im Trauerzuge marschierte. Schwarzrotgoldener

Flaggenschmuck fast an jedem Hause, fast an jedem enfter. Immer dichter werden die Menschenmaiſen bis zum ter ist das Grab Friedrich Eberts gerüstet. Es beginnen Friedhof. An cinem Bergabhang zu haupten seiner Mut­die Trauerreden. Sie sind von einer Wärme, die die Her=

Um 6 Uhr 30 Minuten setzte sich der Zug in Bewegung. Der lette Abschied, dem das Volk von Berlin dem Reichspräsidenten Friedrich Ebert entbietet, ist still aber ergreifend: Dichte dunklen Mollton der Trauer. Es gilt einen Toten zu empfangen. Fudierte Ansprache im Präsidentenhaus zu Berlin . Zuerst spricht Menschenmengen füllen die Bahnsteige der Vorortbahnhöfe und brängen sich an die Umzäunung des Bahnsteiges heran.

Fahrt durch Potsdam .

Der Trauerzug paffierte 7 Uhr abends in ganz langfamer Durchfahrt Botsbam. Trotz ursprünglichen Verbots des Sta. tionsvorstehers hatte sich das Reichsbanner, die Sozial. demokratische Bartet und die Demokratische Partei mit gefentien Fahnen in Reth und Glied aufgestellt. Trommelmirbel erschallte beim Nahen des Zuges, und als der offene Leichenwagen an der falutierenden Front der Reichs. bannerleute vorüberrollte, widmete der Führer Dr. Mischler einen Abschiedsgruß.

Heute Donnerstag abend findet auf dem Hauptplatz Bots. homs eine feierliche Trauerfunbgebung mit Fadel. 3ug statt. Das Potsdamer Infanterieregiment Nr. 9 hat es ab. gelehnt, für diesen angeblich politischen" 3wed eine Mufiffapelle abzugeben.

Auch in Brandenburg a. d. H. steht, namentlich das Landvolt, in dichten Scharen auf dem Bahnsteig, lodernde Bechfackeln beleuch ten die Farben der Republit. Groß- Wusterwitz, Genthin , Burg, das: jelbe feierliche, ernste Bild.

In Magdeburg .

Magdeburg . 5. März.( Eigener Drahtbericht.) Die Republi­faner Magdeburgs nahmen am Mittmoch abend Abschied vom toten Reichspräsidenten, dessen Leiche bei der Ueberführung 9 Uhr 82 Minuten abends Magdeburg passierte. Das ganze Reichs. banner mar, 9000 Mann start, auf dem Bahnhofsvorplatz in der Kölner Straße angetreten. Eine Hundertschaft der Schutzpolizei und eine Hundertschaft des Reichsbanners nahmen Aufstellung auf dem Bahnstelg. Pünktlich fuhr der Zug ein. Genau vor der Fahnen abteilung des Reichsbanners hielt der Wagen mit der Leiche Friedrich Eberts . Von dem Augenblid des Sichtbarwerdens und der Lichier des langsam einfahrenden Zuges bis zum Halten desselben schlugen gedämpfte Trommel einen Wirbel Als der Zug hielt, Senften sich die Fahnen. Acht Minuten stand alles in feierlicher Stille. Kurz vor der Abfahrt des Zuges ertönten von der zwei hundert Mann ftarten Reichsbannerfapelle, die auf dem gegenüber liegenden Vorplaz stand, das mit gedämpften Trommeln begleitete Lied Ich hatt' einen Rameraden".

Als der Zug abfuhr, verftummte die Melodie auf dem Borplatz Die Trommeln auf dem Bahnsteig wirbelten dumpf, bis der letzte agen in der Dunkelheit verschwand. Taufende marschterien in langem Zuge, von Reichsbannerabteilungen begleitet, von dem Bahn hof wieder ab. Alle Bahnübergänge und sonstigen Punkte, an denen man den vorbeifahrenden Zug sehen konnte, waren dicht um­fäumt von riesigen Menschenmengen.

Ein schlichter Kranz wurde dem demokratischen Abgeordneten Hummel Heidelberg bei der Gedenffeier auf dem Domplatz von einem älteren Arbeiter übergeben mit der Bitte, ihn auf das Grab feines Landsmannes und Arbeitskameraden Frizz Ebert in ihrer beider Heimat niederzulegen, weil er selbst fein Geld habe, dorthin zu fahren. Dieser wurde dem Zuge übergeben, während die ge­tragenen Klänge des Liedes ertönten.

Kreienfen, 5. März.( Eigener Drahtbericht.) Der Bahnhof Greiensen, sonst nur besucht von Durchreisenden, war diese Nacht das 3tel vieler mitternächtlicher Wanderer. Zu Fuß und mit Gespann aller Art tamen sie und harrten, um dem toten ersten Bräsidenten der Republif einen legten Gruß zuzurufen. Mehr als tausend Menschen standen schweigend auf bem Bahnsteig, als der Grirazug pünktlich 1 Uhr 10 minuten ein traf. Die Reichsbannerortsgruppenber nahen und ent fernteren Orte maren mit mehr als 300 Mann aufmarschiert. 230 Sadeln erhellten bie buntle Regt unter großen

Unser Herz, das Herz der Sozialisten, erwartet mehr, friz

Cbert, uale in Ebert . Die Stimme, die voll Biobe diesen Namen ( pricht, wird in diesen Tagen zum Sünder alles dessen, was in diesem Toten sich vereinigt findet. Die Augen, die in diesen Tagen voll Trauer find, schauen über die Berge hinweg, die Eberts Heimat find, und sehen den wehmütigen Schleier, der über ihnen liegt. Die traute Landschaft, von allen, die hier Heimatrecht haben, geliebt und nie vergessen, wenn auch das Leben sie hinwegführte von den alten Häusern am Neckarstrand, scheint uns zuzurufen: Run tommt er heim...

Er fehrt helm, Friz Ebert, der von hier ausgezogen mar in die Welt und nach vielen Kämpfen sich niederließ auf dem Stuhl des Bräsidenten der Republit. Nun hat er diesen Blaz verlassen, der manchmal ein Folterstuhl gewesen sein mag. Er befindet sich auf der letzten Fahrt, seiner süddeutschen Heimat entgegen. Diese rüstet ich würdig zum Empfang. Der wenig repräsentativ wirkende Bahnhof, viel zu klein für den Fremdenverkehr der Stadt und beson ders für die der Feier zuströmenden Menschenmassen, ist mit Tannenreifig und schwarzem Trauerflor, umtleidet. Auf dem Bahnhofsplay find hohe Säulen errichtet, auf denen offene Bechfeuer brennen werden. Die Straße zum Friedhof trägt eben­falls Tannengrün und ist mit Flor behängt.

Ebert auf den letzten Weg mitgegeben werden sollen. Ihre Schleifen Die Blumen werden bereits zum Kranz gebunden, die Fritz tragen gewichtige Namen: Internationaler Gewerk. fchaftsbund, Sozialdemokratie Schwedens , Uni­persität Heidelberg usw., eine knappe Ahnung des Umkreises, in dem der Name dieses Toten einen Inhalt hatte. Und die Sänger probten zum letzten Lied für ihn. Der schöne Bergfriedhof mit seinen alten dunklen Bäumen schaut noch still ins Land. Wohl fiingt Hammern und Klopfen, geschäftige Schritte eilen hin und her, die lezten Vorbereitungen zu treffen. Den Friedhofseingang und das Krematorium flankieren hohe Säulen, auf denen ebenfalls Flammen zum Himmel lobern werden, wenn der Erwartete eintreten wird.

Still it's noch auf diesem wunderschönen Blaz, von dem aus man die Stadt unter sich liegen steht. So hat sich wohl Friz Ebert das Ende immer gedacht: Heidelberg unten zu Füßen, wenn er oben auf dem Berg ruht, nachdem er die Welt hinter sich gelaffen. Und heute zieht er in dieses Tuskulum der Ruhe und der reinen Schön­heit ein. Heidelberg , feine Stadt, Baben, sein Land, wir, fein Bolf, warten auf ihn.

Das Grab der Mutter Eberts, bas in der Nähe liegt, ist auch festlich hergerichtet zum Empfang des großen Sohnes.

Ankunft und Bestattung.

Heidelberg , 5. März.( Eigener Drahtbericht.). Die letzte Fahrt Friedrich Eberts war ein einziger Triumphzug. An allen größeren Stationen standen im Badelschein die Reichsbannerleute und hielten die Ehrenwacht. In Potsdam begann dieser Auf. marsch, in Magdeburg standen 9000 Angehörige des Reichsbanners vor und auf dem Bahnhof und harrten des Trauerzuges und nah. men von ihrem treuesten und obersten Kameraben Abschied. In Göttingen waren die Studenten zusammen mit dem Reichs. banner aufgestellt. In Bebra waren die Reichsbannerleute zu. fammengeströmt, die die Nacht opferten, für diesen einen Augenblid dem toten Reichspräsidenten das Ehrengeleit zu geben. In Hanau , in Offenbach , in rantfurt, in Darmstadt , in beim, überall Reichsbannerleute und Arbeiter in blauen Kitteln, die mit entblößtem Haupt den toten Reichspräsidenten grüßten.

ein.

In Heidelberg war ber Empfang von einer tiefen 3nnig tett Der Bahnhofsoorplat hatte als Trauerfchmud einen sehr

zen entzündet. Ganz anders als des Kanzlers falte ein­Erinnerung an jenen Novembertag, als alle Berufensten flüchteten der badische Staatspräsident Hellpach . Er beginnt gleich mit der und die Bewährtesten die Arme sinten ließen. Damals jubelten biele Ebert zu, die ihn fpäter wieder verließen.

tes, der nunmehr in has Land seiner Heimat zurückkehrt. Er jot

Der bemokratische Staatspräsident feiert den Sohn des Bol.

folger, aber auch ein Menetekel für diejenigen, die andere Bege gehen wollen. Der Oberbürgermeister Heidelbergs sprach von dem Stolz der Heimat für den großen Sohn. Der badische Landtagspräsident feierte den großen Sohn Badens, der unsterblich in der deutschen Geschichte leben werde.

ein Führer von Gottes Gnaden gewesen, ein Segen für seinen Nach

Hermann Müller sprach dem Parteigenossen und Freunde ben lezten Abschied zu. Hätte er nur ein wenig von dem gesehen, was sich ihm in der vergangenen Macht auf der letzten Fahrt von Berlin nach Heidelberg an Liebe offenbarte, so würden die Schmähungen unseren Friedrich Ebert weniger hart getroffen haben. Die Partei ist stolz darauf, daß Friedrich Ebert aus unserer Welt hervorgegangen ist. Er wird unserer Ju­gend immer ein Beispiel sein in seinem gewaltigen Aufstieg. Für die freien Gewerkschaften sprach Leipart Worte herzlichen Gedenkens und der Bewunderung für den Toten.

Nach dem Liede Ein Sohn des Volles", vorgetragen von hunderten badischer Sänger, hielt ein evangelischer Pfarrer als Stadtpfarrer von Heidelberg eine Ansprache voII Mensch­stiegen ist. Dann senkte sich der Sarg. Viele Männer und Frauen lichkeit. Er feierte den Toten als einen milden Mann, einen Führer voll Kraft und Güte, der aus Nacht zum Licht ge­fchluchzten auf. Die Baterlandshymne tlang ins Rheintal, Glodengeläute schwang sich zu den Bergen empor, an deren Abhang die ersten Bäume in Blüte stehen. Unfer Reichspräsident ist zur Ruhe gegangen. Ebert hat seine Heimat gefunden. Der erste Eine

allfahrt von Zehntausenden geht heute schon

an feinem Grabe vorüber, das eine Stätte bes Gedentens und der Erhebung für alle deutschen Republikaner werden wird.

begann feine Grabrede mit folgendem Gedicht Gichendorffs: Der badische Staatspräsident Hellpach begann feine Grabrede mit folgendem Gedicht Eichendorffs Wer auf den Bogen schliefe ein fanft gewiegtes Kind, tennt nicht des Lebens Tiefe, von füßen Träumen blind. Doch wen die Stürme fassen Zu wildem Tanz und Fest, wen hoch auf dunklen Straßen bie falsche Welt verläßt: Der lernt fich wader rühren! Durch Nacht und Klippen hin bernt er das Steuer führen mit treuem ernsten Sinn; Er ist von echtem Kerne, erprobt zu Luft und Bein, glaubt er an Gott und Sterne er foll mein Schiffmann sein!" Trauernd Bersammelte fann nicht auch dieser Zuruf des Dichters unseren Tagen gelten Dem deutschen Volfe gelten, bas des Lebens Licfen zu fennen verlernt hatte, weil es. von einer Belle allzu raschen materiellen Wohlstandes emporgetragen, auf den Bogen der politischen Brandung schlafen zu dürfen wähnte, gleich einem gewegten Kind? Bind geworden in den füßen Träumen eines Zeilal'ers, das den Schein an die Selle des Wesens, die Bose an die Stelle der Haltung, die Phrase an die Stelle der Bildung gefeht hatte? Dies Bolt faßten die Stürme son Krieg, Bu

-