Abendausgabe
Nr. 111+ 42. Jahrgang Ausgabe B Nr. 55
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Vorwärts
Berliner Volksblatt
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Freitag
6. März 1925
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Die Rechtsparteien auf der Suche.
Der sozialdemokratische Parteiausius fritt morgen zusammen, um über die Stellung der Partei zur Präsidentenwahl zu entscheiden.
Das Zentrum diskutiert Mary. Das 3entrum hält mit seiner Entscheidung zurück, bis die Entscheidung der Sozialdemokratischen Partei gefallen ist. Es ist jedoch sicher, daß der Kandidat des Zentrums Herr Dr. Marr sein wird. Die„ Germania " schreibt unter der Ueberschrift Was düntt euch von Marg?":
Unter den Kandidaten, die in der Deffentlichkeit noch genannt werden, steht der ehemalige Reichstanzler Marg in borderster Linie. Er hat sich noch nicht barüber geäußert, of er eine ihm etwa angetragene Randidatur annehmen wird, nichts. bestoweniger widmet sich die Breffe feiner Berson im Augenbiid mit größter Aufmerksamkeit."
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SP
Sie zitiert zwei Breßftimmen, die eine rechts vom Zentrum und die andere links vom Zentrum. Bon rechts die lugs burger Postzeitung", ein Organ der Bayerischen Bolts. partei. Dort wird dem Zentrum nahegelegt, die Bezeichnung ber Kandidatur Marg als die Kandidatur der Verfassungs parteien fallen zu lassen. Dann, so läßt die Bostzeitung" burchblicken, fönnte die Bayerische Boltspartei für Marg eintreten, menn er außerdem: 1. christlich. 2. national, 8. föderalistisch, 4. tein ausgesprochener Re publikaner fei. Bon links Ausführungen von Geheimrat Sänger im„ 8- llhr- Abendblatt", der Marty ben relatip ehrlichsten Willen zur sozialen Gerechtigteit nachrühmt.
Demokraten Petersen, Dr. Hellpach?
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In der Presse wird persichert, daß die Demofraten felbständig vorgehen wollen, wenn vor dem ersten Wahlgang fein gemeinsamer Kandidat der Linten aufgestellt wird für bielen Fall merden die Namen Petersen- ber frühere demokratische Reichstagsabgeordnete, jest erfter Bürgermeister non Hamburg - und Dr. Hellpach, der badische Staats präfident, genannt
Die Rechtsparteien beim Sieben.
Die Rechtsparteien verhandeln schon über einen gemein. famen Kandidaten. Diese Verhandlungen gehen der Na= tionalpost", dem offiziellen Organ der Deutschnationalen, nicht rasch genug. Sie teilt lafonisch mit, daß noch eine Bersonenfragen erörtert morden feien und freibt die Unterhändler, die beteiligten Herren", in unmirschen, ja groben Zönen zur Eüe an.
Der Rückzug der Regierung.
Sie dementiert sich selbst. Nachdem gestern im Reichsrat der Vertreter der Reichsregierung auf das Pofitipste zum Ausdrud gebracht hat, daß der Reichstag fich bis nach der Präsidentenwahl vertagen werde, und nachdem diese positive mit teilung am Abend durch das Wolfffche Telegraphen bureau verbreitet murde, läßt heute die Reichsregierung durch das Wolff- Bureau folgende Meldung meitergeben:
Die Meldung eines Korrespondenzbureaus, monach in der Boll. higung des Reichsrats am Donnerstag abend mitgeteilt murde, baß der Reichstag Ende nächster Woche sich vertagen mürbe, um erst nach der Wiedermahl bes neuen Reichspräsidenten zu fammenzutreten, ist irreführend. Es handelt sich nicht um eine Ertlärung der Reichsregierung, vielmehr haben unter den Reichsratsmitgliedern lediglich unverbindliche Er örterungen über diese Frage stattgefunden, da bei einem event tuellen Beschluß des Reichstags sich zu vertagen, die Reichsregierung über das Arbeitsprogramm ihrer gefeggeberischen Borlagen fich Ichlüffig machen müßte. Selbstverständlich steht die Entscheidung darüber, ob und wann etma gegebenenfalls der Reichstag feine Sigungen vertagt, allein ihm zu.
Die Kreise in der Reichsregierung, die im Reichsrat einen Borstoß unternommen haben, freten nunmehr den Rüdzug an. Auch diese Erklärung der Regierung fann das Mis trauen nicht beseitigen, daß es fich um den Wunsch mindestens eines Zeiles der Reichsregie rung, den Reichstag auszuschaften, gehandelt hat. Man kann doch schwerlich annehmen, daß ein Bertreter der Reichsregierung im Reichsrat ein joldhes Maß non Unfähigkeit befizen follte, daß er die Tragweite seiner pofitiv porgebrachten Mitteilungen im Reichsrat nicht ermeffen
tönnte.
Dies Mißtrauen wird weiter genährt durch folgende Aeußerung bereit", des Organs des Reichsaußenministers Stresemann:
Was die Tagung des Reichstages betrifft, fo scheint in manchen Kreisen die Neigung zu beftehen, den Reichstag 3u pertagen, in der Annahme, daß die Agitation für die Neuwahl des Reichspräsidenten alle parlamentarischen Kräfte in Anspruch nimmt, Es wäre bedquerlich, wenn diese Auffassung sich durchsehen sollte. Der Reichstag hat außer dem Etat eine Reihe ron wichtigen und dringenden Aufgaben zu erledigen. Es geh: night an, daß er sich ihnen entzieht, und daß man bie ganze parlamentarische Arbeit aus Rücksicht auf die Präsiden tenneumohl gelegt."
Die Sicherheitsfrage.
Der deutsche Vorschlag und seine Gegner, Der Auswärtige Ausschuß des Reichstags wird sich am nächsten Mittwoch mit der Sicherheitsfrage und mit den deutsch - französischen Handelsvertragsverhandlungen befchäftigen. Seine Berhandlungen smp vertraulich. Die Deffentirgendwie bemerkbar machen muß, große Aufmerksamkeit fchenken. Bei der außerordentlichen Bedeutung dieser AngeLegenheit wäre ihre Erörterung auch in öffentlicher Reichstags. figung sehr erwünscht. Ein Grund mehr, einer allzu langen Ausschaltung des Reichstags wegen der Reichspräsidentenwahl zu widersprechen.
Im gewissen Gegensah dazu versichert die„ 3eit": Was die Bartelen regis nom 3entrum anfangt, jo wird es hier aller Wahrscheinlichkeit nach zu einer gemeinschaftlichkeit wird aber der Auswirkung dieser Debatte, die sich ja lichen Ranbidatur tommen. Es besteht auch Aussicht, daß bie Entscheidung hierüber schon in den nächsten Tagen fält. Innerhalb eines Ausschusses, der die Entscheibung vorzuberei. ten hat, ist bereits eine engere Wahl getroffen, so daß es sich mur noch um die Entscheidung zwischen vier Ber ( önligteiten handelt. Unter ihnen befindet sich bisher Reichskanzler Dr. Luther nicht, der auch persönlich kaum die
Neigung befizen dürfte, sich für den Poften des Reichspräsidenten zur Berfügung zu stellen. Die Personenfrage scheint im Rah men dieser Barteigemeinschaft teine Schmierigteiten mehr au bereiten."
3mischen dieser Bersicherung und der Mitteilung der worden seien, besteht ein Widerspruch. Es muß doch nicht Rationalpo ft", daß Bersonenfragen noch nicht erörtert foganz einfach fein, den großen Mann der Rechten ausfindig zu machen. Das Schweigen über die Namen der vier vor der Tür stehenden Prominenten, die zur engeren Wahl gestellt sind, sagt genug. Wer mag es sein? Der Botal Anzeiger" läßt durchblicken, daß Herr Jarres der eine von ihnen fei. Herr Jarres . ehemaliger Reichsminister des Innern.
litiker, die nicht zur engeren Wahl gestellt sind. Die Liste Beredt ist die Rechtspreffe nur über die Namen der Bober im groben Sieb Berbliebenen sieht nach dem Tag" fp aus:
Dr. Edener, General von Winterfeld, Dr. Geßler. Generaldirettor Cuno, Großadmiral von Tirpis. Heinze. Rarborff und verschiedere Personen des Wirtschafts. lebens, die ohne ihr Zutun öffentlich als Kandidaten genannt waren."
Men werden fie präsentieren? Bis zur Mitte der nächsten Woche pollen fie fich flar darüber werden, ob eine gemeinsame Kandidatur der Rechtsparteien möglich ist. In mischen tommt der Wahlkampf zwischen den großen gegen fäglichen Parteien in Gang auch ohne Kandidaten.
Die bayerischen Parteien zur Reichspräsidentenwahl.
München . 6. März.( T11) Außer dem Landesausschus der Bayerischen Boltspartei ist auch der Parteivorstand der Deuticnationalen Boltspartei in Bayern zum 14. März nach München einberufen worden, um zur Reichs präsidentenwahl Stellung zu nehmen.
Der Wunsch der Bertagung war bisher nicht auf der Seite des Reichstages, sondern auf der Seite der Herren aus der Regierung, die den Bertreter im Reichsrat inspiriert haben. Herr Stresemann polemisiert also gegen Ministerkollegen, deren Abfichten er misbilligt. Bir fragen: wer ist für den Borstoß im Reichsrat perantmortlich?
Wie steht es in einer Reichsregierung aus, in der ein Mit glied öffentlich gegen andere Mitglieder polemisieren muß?!
Die Regelung der Arbeitszeit. Borverhandlungen im März.
Das Reichsarbeitsministerium, das mit den Borarbeiten für eine gefebliche Neuregelung der Arbeitsseit beschäftigt ist, beabsichtigt, die maßgeblichen Verbände der Arbeitgeber und Arbeitnehmer der wichtigsten Industrie3meige schon zu der Borbereitung der Entwürfe für die fünftige Arbeitszeitregelung heranzuziehen. Junächst wird ein paritätischer Ausschuß aus je 6 Bertretern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer noch im März über die Arbeitszeitregelung in der Großeisen induftrie beraten.
Die Teilnahme in Heidelberg . Heidelberg , 6. März.( Eigener Drahtbericht.) Der auswärtige Besuch in Heidelberg aus Anlaß der Beiseßung des Reichspräsidenten dürfte eine halbe million betragen haben. Biele hundert ränze murden im Verlauf des Nachmittags noch an dem Grabe des Reichspräsidenten niedergelegt. Die Reichsregierung und die zu dem Trauergejolge gehörenden Reichstagsabgeordneten haben am Donnerstag abend Heidelberg mit einem Sonderzug wieder verlassen. Sie treffen heute morgen um 8% Uhr in Berlin ein. Frau Ebert ist mit ihren Kindern nach in Heidelberg geblieben. Sie wird in den nächsten Tagen nach einem fuzzen Aufenthalt nach Freudenstadt gehen, um sich dort von den Anstrengungen und Aufregungen der letzten Zeit zu erholen.
Börse und Eisenbahnerstreik. Die Haltung" ist schwächer.
Im englischen Unterhaus hat gestern der Außenminister Chamberlain auf die große Bedeutung des deutschen Vorschlags hingewiesen, aber vorsichtig hinzugefügt, daß es zu früh fei zu sagen, ob er zu einer wirklichen Erholung der europäischen Lage führen werde oder nicht. Diese Vorsicht ist angesichts der Widerstände, die sich gegen Seiten erheben, leider sehr berechtigt. den Borschlag der deutschen Regierung auf den verschiedensten
Breffe, die gegen diesen Vorschlag die schärfsten Töne anIn Frankreich ist es die der Regierung Herriot feindliche schlägt. Sie versucht, hinter ihm machiavellistische Pläne zu entdecken und wittert die Absicht, einen Konflikt im Osten zu entzünden, der dann auch auf den Besten übertragen werden folle. Diese Deutung des deutschen Borschlags entspringt ameifellos der eigenen Geistesverfassung der französischen dem Nachbar, sondern in Bündnissen im Rückendes Rechtspresse, die Frankreichs Sicherheit nicht in Verträgen mit Nachbars sucht man sieht deutlich, daß sich hier die Wege scheiden. Denn nur eine Politik, die mit dem Nachbar selbst Berständigung fucht, ist Frieben s politit, eine Politik aber, Die mit den anderen Nachbarn des Nachbars Verständigung - für den gegebenen Fall gegen ihn fucht, ift, sei es auch auf lange und längste Sicht, am Ende doch wieder Kriegs politit.
Es sei in diesem Zusammenhang, ohne die Kriegsschuldfrage im ganzen aufzurollen, baran erinnert, welche ver härgnisvolle Rolle in der europäischen Bolitik das franzöfifch russische Bündnis gespielt hat. Sie hat in Deutschland ftändig das Gefühl der Bedrohung von zwei Seiten aufrechtSommers 1914 entladen hat. erhalten, das sich dann in den Taten und Stimmungen des
Die Haltung der französischen Rechtspresse verfolgt den offensichtlichen 3wed, die öftlichen Nachbarn Deutschlands auf uputschen, einen Sicherungsvertrag zwischen Deutschland und Frankreich zu verhindern und den Wagen der französischen Bolitik in den ausgefahrenen Gleisen einer gegen Deutschland gerichteten Bündnispolitik festzuhalten. Diese Absicht ist äußerst unheilvoll denn Berständigung und gesicherter Frieden zwischen Deutschland und Frank reich sind eine Lebensnotwendigkeit für beide Länder und für ganz Europa .
Während es in Frankreich die regierungs feindliche Breffe ist, die gegen den deutschen Sicherheitsvorschlag Sturm läuft, ist es in Deutschland bemerkenswerterweise ein Teil der Regierungspreffe selbst. Zu den bereits zitierten Stimmen aus den deutschnationalen Zeitungen trit heute bie ber parteinffiziösen Nationalpost". Dieses Blatt der heute entscheidenden Partei tommt nach längeren Erwägungen zu, diesem zusammenfassenden Urteil:
Ueber Wert oder Unwert des Weges, den die Reichsregierung eingeschlagen hat, wird Abschließendes erst zu sagen sein, menu Herr Dr. Stresemann als mutmaßlicher Urheber den genauen Inhalt des deutschen Sicherheitsplanes mitgeteilt und iber feine Beweggründe Rechenschaft abgelegt hat. Immerhin muß man schon heute aussprechen: Der deutsche Entwurf in der aus fronzösischer Quelle stammenden Jassung würde eine Anerken nung unserer Westgrenze bedeuten, wie sie der von uns nur unter unabwendbarem 3wange und unter schärfster Berwahrung angenommene Bersailler Bertrag gezogen hat, die Gufheißung der Abtrennung Elsaß- Cothringens und des Gebietes von Eupen und Malmedy . Bei der gegenwärtigen Kräfteverteilung in Europa läuft der Abschluß von Schiedsgerichtsverträgen mit Bolen und der Tichechoslovafei prattisch auch auf nichts anderes hin. aus, als daß wir uns bei der gegenwärtigen Grenzziehung beruhigen. Auf furze Sicht wäre ein ber ariiger Blan der Erörterung nur wert, wenn uns als Gegenleistung die unverzügliche Räumung des gesamten Rheinlandes und der Bersicht auf die Entmilitarisierung des linken Rheinufers zugesichert würde. Im Hinblick auf die Geiftesverfassung unserer französischen Stachbarn erscheint schon diese Erwägung einigermaßen tühn. Auf Lange Sicht ist eine Anerkennung der durch den Versailler Schandfrieden gezogenen Grenzen ein Frevel gegen die unveräußerlichen Rechte, gegen die Zukunft der deutschen Nation. Selbst wenn bei dem deutschen Anerbieten niemals daran gedacht worden fein sollte, daß diefes die Gestalt eines verbindlichen BorSchlages annehmen könnte, darf man sich der Besorgnis nicht ver fchließen, daß die Reichsregierung fich wenn auch in bester Ab ficht und aus wohlerwogenen Gründen zu einem gefährlichen Spiel hat verleiten laffen. Jeder Baterlandsfreund muß mit ern fteftem Bedenten und mißtrauischer Wachsamfeit ten weiteren Berlauf der Angelegenheit betrachten, bei der es um Wohl und Wehe der deutschen Nation geht.
Dis heutige Borfe eröffnete miederum in schmacher Haftung, dach fetzten sich die gestrigen starten Abschwächungen nur vereinzeli fort, weil den Berkaufsaufträgen von außerhalb Dedungsfäufe der Epekulation teilmeise gegenüberstanden. Man befürchtet eine Ausdehnung des sächsischen und Elberfelder Eisenbahnarbeiter. Es ist also so weit, daß das offizielle Organ der Deutsch ftreite und hieronn eine& a hmlegung des Bertebrs. I nationalen die Berantwortung für einen bedeutungsvolles