Abendausgabe
Nr. 12942. Jahrgang Ausgabe B Nr. 64
Bezugsbedingungen und Anzeigensreife find in ber Morgenausgabe angegeben Redattion: Sw. 68, Cindenstraße 3 Zerafprecher: Dönhoff 282-295 Tel- breffe: Sozialdemokrat Berlia
Vorwärts
Berliner Volksblatt
5 Pfennig
Dienstag
17. März 1925
Berlee und Angetgenabteilungs. Gefchäftszett 9-5 Uhr
Berleger: Borwärts- Berlag GmbH. Berlin S. 68, Cindenstraße& Fernsprecher: Dönhoff 2508-250%
Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands
Der Kuhhandel mit Jarres.
Unliebenswürdiges aus der„ Nationalpost".
In der offiziellen Tageszeitung der Deutschnationalen , Und wieder ein paar Zeilen weiter: der Nationalpost", veröffentlicht Herr v. Freytagh Loringhoven einen Aufsatz mit der Ueberschrift: Warum Jarres?" Wir nehmen an, daß die ,, Nationalpoft heute früh rasenden Abfaz gefunden hat, denn die Ueberschrift ist spannend. Jeder Mensch fragt heute: Warm Jarres? Rein Mensch meiß es, und jeder möchte es doch gern wissen. Also Herr v. Freytagh versucht, das Geheimnis zu ergründen, warum der Loebell- Ausschuß gerade auf Herrn Jarres verfallen ist, und so beginnt er:
Nein. bleiben wir ruhig bei Jarres. Ift er tein Titan, fo ift er, wie jeder weiß, der ihn fennt und beobachtet hat, ein durch und durch anständiger Mensch...
H
Der tiefere Sinn des Gleichnisses vom Kuhhandel wird durch diese Häufung von Ausdrücken der Enttäuschung klar. Es ist schon mancher einen Bullen suchen gegangen und mit einer Ruh nach Hause gefomme
Betrachtungen eines Juristen.
In der Deutschen Juristenzeitung" behandelt Reichsminifter a. D. Schiffer Friedrich Eberts Berhältnis 8um Recht. Er sagt von ihm, daß er nach dem Zusammen bruch der Monarchie unter den unfäglichsten Mühen und Gefahren die Ueberwindung des rechtslosen Zustandes erreicht hat, und daß es zum wesentlichsten Teile ihm zu verdanten sei, wenn es überhaupt erreicht wurde. Zusammen. faffend urteilt Schiffer über die Berdienste Friedrich Eberts
um den Rechtsstaat:
Chne weiteres ist zuzugeben, daß die Berhandlungen der Barteien und Berbände über den gemeinsam aufzustellenden Wahlbewerber fein ercuidliches Bild boten. Es ist deshalb auch voll. kommen begreiflich, wenn laut gemurrt und über Kuhhandel gesprochen wurde. Un'ercifcits gibt es nun einmal Barieren und gibt es Verbande die untereinander ebensowenig einig sind, wie jene. Folglich muß, will man eine Einigung erzielen, verhandelt werden. Und da gibt es unvermeidlich ein gewisses Hin und her. Das könnte mir anders sein, wenn wir den einen großen, alles überragenden Mann häffen, dem wir alle ganz selbstverständlich das höchste Amt im Reich übertragen wollten. Aber wenn wir In diesen Borgängen ist enthalten, was man die geschichtliche den hätten, brauchten wir überhaupt keinen Präsidenten zu wählen. Rolle Eberts im deutschen Rechtsleben nennen tann. Sie ragt Er wäre ohne jede Wahl unser Oberhaupt geworden. Da wir ih gerade dadurch zu einem neuen Beweis dafür, daß das Recht in weit über das rein Juristische hinaus, wird aber aber, Gott set's getlagt, nicht haben, ist der Kuhhandel, oder was man so nennt, unvermeidlich. Das muß einmal mit aller Deutlich feinem juristischen Stand nicht aufgeht, vielmehr eine unendlich be feit gesagt werden, weil sich vielfach Spuren einer mehr beutungsvolle Seite des Bolts- und Staatslebens überhaupt darbilligen als edlen Entrüstung bemerkbar machen, einer ftellt. Indem Friedrich Ebert sich als Hüter und Wiederherstelle: Entrüftung, die bei besonders reizbaren Leuten dazu führen kann, des Rechts befannte und betätigte, suchte und fand er den Weg, daß sie am 29. März zu Hause bleiben, anstatt tbreder nicht bloß dem deutschen Recht, sondern dem froatsbürgerliche Pflicht zu tun. deutschen Bolle not tat
Das Bild von dem Kuhhandel tehrt in dieser Darstellung zweimal wieder, und man muß zugeben, daß es angesichts des start agrarischen Einschlags im Loebell- Ausschuß gut ge wählt ist. Man sieht sie geradezu, die stämmigen Figuren und die geröteten Gefichter, wie sie mit sachverständigen Mienen bie csgestellten Raufobjekte betrachten. Und doch Kuh handel um alles in der Welt, wo ist die Ruh? er ist die Kuh?
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Reine Antwort auf diefe Frage! Aber wiederholt wird das feuszende Bekenntnis, daß man das Gesuchte nicht gefunden hat. Ein paar Abfäße weiter unten:
In diefen Worten liegt das Eingeständnis, daß Friedrich Ebert das Hauptverdienst zufällt, wenn es gelang, aus der Ronfursmaffe des Raiserreichs in furzer Zeit ein gesundes Staatsmefen zu schaffen, und daß der Beg, den er dabei beschritt, der richtige war. Der Rechtsblod, der sich zu Lebzeiten Eberts nicht genug in Beschimpfungen und Berdächtigungen des ersten Reichspräsidenten tun fonnte, he müht sich jest um sein Erbe. Auch darin liegt eine Unerfennung dafür, was Friedrich Ebert , und mit ihm die Eo zialdemokratie, geschaffen hat. Aber es ist vorauszusehen, mohin der Weg führt, wenn ein Repräsentant jener Kreise, die bisher ein offenes Befenntnis zur Republif verweigerten, der Präsident der Republik wird. Nur ein Mann, der
Gemiß, Jarres ist nicht der große, gewaltige Mann der Republik mit freudigem Herzen dient, verdient Eberts beffen Rommen wir alle erfehnen und erhoffen
Kundgebung der Gewerkschaften. Für gerechte Sozialpolitik und Steuerpolitik. Die Bundesausschüsse des Allgemeinen Deutschen Gewertschaftsbundes, des Af- Bundes und des Allge meinen Deutschen Beamtenbundes ftreten morgen, Mittwoch, den 18. März, vormittags 10 Uhr, im Plenarjaal des Reichswirtschaftsrates zu einer öffentlichen undgebung zufair men.
Sie werden zu vier umstrittenen Fragen die einmüfige Stellung Sie werden zu vier umftrittenen Fragen die einmütige Stellung nahme der Gewertschaften zum Ausdrud bringen: 1. Die Stellung der Gewerkschaften zur Wohnungswirtschaft, 2. Die Jorde rungen der Gewerkschaften zur Arbeitslosenversicherung. 3. Die Steuervorlagen der Regierung, 4. Die Ratifizierung des Washingtoner Abkommens über den 2 chistundentag
Zum ersten Punft der Tagesordnung wird Baurat Dr. Martin Wagner, zum zweiten der Sekretär des Bundesvorstandes Fran Spliedt, zum dritten der Vorsitzende des Holzarbeiterverbandes Frih Tarnow und zum vierten der Borsigende des Ufu- Bundes S. Aufhäuser fprechen.
Die Bertreter der Behörden und der Presse sind zu dieser Kundgebung geladen worden.
Ein Kabinettsrat.
Um den Eintritt in den Völkerbund. Die Frage des Eintritts Deutschlands in den Bölkerbund foll morgen in einem Rabinettsrat zur Erörterung gelangen. Man muß den lebhaften Wunsch hegen, daß die Entscheidung im Sinne der politischen Bernunft fallen möge. Mit welchen Widerständen die gegenwärtige Reichsregierung dabei zu fämpfen haben wird, zeigen die Stimmen auch ihrem eigenen Lager. Nach dem bekannten Aufruf der Aldeutschen sind es jezt die rechtsgerichteten Hamburger Nachrichten", die über die Militärkontrolle durch den Böllerbund folgendes schreiben:
Man fonnte sich auf allerlei gefaßt machen, aber daß die Ghamlojigteit und gewiffenlose Gehässigkeit tiefer angeblichen Förderer der Weltrerföhnung und Hüter des Friedens so weit gehen würden, müßte selbst die blinden Friedensphantasten bei uns stutig machen Die Hand, die das Versailler Diftat unterschrieben hat, ist nicht verdorrt, doch die Erzeug nis eines perversen Satismus, schmugiger Ge finnung und treulojen Rechtsbruches zur Birtjam teit fommen zu fcffen, ta'u tanu tein Deutscher, teine deutsche Regierung, lein Reichstag feine Hand bieten.
Nachfolger zu werden.
Und wer
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Die Rechtsblock- Interessenten.
Sie stellen sich selbst vor.
Herr Jarres ist der Mann, von dem piele etwas ermarten nicht für die deutsche Zukunft, sondern für die eigenen Interessen, seien sie nun politischer oder wirtschaftlicher Art. Diese Interessen laufen zusammen im Rechtsblod, der sich verschämt den Namen Reichsblod" gegeben hat. Dieser Block ist eine offene Gesellschaft von Interessenten. Ihr Zweck ist, Deutschland der Reaktion auszuliefern. Im Wahlaufruf des Rechtsblocks stellen sich die Geschäftsführer der Jarres- Gesellschaft der Deffentlichkeit vor. Thre Namen ersehen ein Programm. Jedermann meiß, um men und um welche Absichten es sich handelt,
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An der Spizze steht der
föniglich- preußische Staatsminister a. D. v. Coebell, der Präsident des Reichsbürgerrats. Ihn fennzeichnet sowohl räterischer Brief an ihn gerichtet war, wie die Organisation, seine Freundschaft mit dem I anuschauer, dessen landesver die er vertritt. Der Reichsbürgerrat will die bürgerlichen Elemente im Gegensatz zur Arbeiterschaft sammeln. Programm heißt: Liquidierung der Republik und der De mokratie. Der Name Loebell fennzeichnet deshalb die allgemeine Linie der Kandidatur Jarres.
Sein
Neben Herrn von Loebell steht der Name des unfähigsten Reichskanzlers, den die Welt je gesehen hat, des Gesundbeters Michaelis,
der nach seinen eigenen Worten ,, neben dem Wagen der Weltgeschichte herlief" und der es innerhalb der wenigen Wochen densmöglichkeit so gründlich zu zerstören, daß auf den Schlachtfeiner Kanzlerschaft fertig brachte, eine viel versprechende Frie feldern weitere Hunderttausende von Deutschen hingeopfert merden mußten, die sonst heute noch leben würden. Durch die herein als der Kandidat ber politisch Unfähigen Emp ehlung des Herrn Michaelis ist Herr Jarres von vorn kompromittiert.
für Herrn Jarres ein, Herr Aber nicht nur Herr Michaelis, auch Herr Wallraf feßt sich
Wallraf,
der die beste Probe seines staatsmännischen Talentes dadurch ablegte, daß er den Berliner Munitionsarbeiterstreit im Jas nuar 1918 bewußt verschärfte, indem er es ablehnte, mit Arbeitern über dessen Beilegung zu verhandeln. Als Präsi dent des voriezten Reichstages hat Herr Wallraf eine tlägliche Gastrolle absolviert. Seine mit schreiender Parteilichkeit gestäblich arbeitsunfähig wurde und den verdienten Spignamen paarte Hilflosigkeit führte bald dazu, daß das Parlament buch eines Wallraffentheaters erwarb. Herr Jarres, durch Wallraf empfohlen, ist der Kandidat derer, die es ablehnen, mit Arbeitern als vollwertigen Menschen zu verhandeln! Aber in dieser Hinsicht steht Wallrafs Name nicht allein unter dem Jarres- Aufruf: die Herren
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terlande aufrütteln, er wird sie zu der Frage veranlassen: mer war es, ber uns in diese Lage gebracht hat, mütigung und Erniedrigung angefonnen werden kann. der es durch seine Politik ermöglicht hat, daß uns auch diese De fich ehrlich prüft, wird bekennen müffen, daß es allein die im Juni verförpern noch viel beffer das industrielle ScarfBögler und Borsig Erfüllungspoliti!" war, die allein die Schuld trägt. 1919 begonnene und je länger um so hartnäckiger durchgeführte ma chertum. Herr Vögler ist obendrein einer derjenigen, die den 700 millionen Fischzug der Ruhrindustrie Amtlich ist bisher nichts darüber bekannt, daß die Re- auf Kosten der Steuerzahler und hinter dem Rüden des Parla dierung Luther Schiele Stresemann die Erments geschoben haben. Herr Jarres ist somit der Kandifüllungspolitit" aufzugeben beabsichtigt. Es ist im Gegenteil bat des 700 millionen Panamas , bes größten befannt geworden, daß sie nach der finanziellen Dames. Korruptionsstandals der Weltgeschichte Er Regelung, der auch der größte Teil der Rechten zugestimmt ist der Kandidat der 3 wolfstundenschichten und der bat- bie territorialen Regelungen des Vertrags von Ber Hungerlöhne. failles im Besten für alle Zeit garantieren, auch im Osten auf daß sie Deutschlands Eintritt in den Bölferbund fede friegerische Neuregelung ausdrücklich verzichten will und los ist auch sie zum mindesten als ein sehr ernſtes politi so schamsches Problem betrachtet.
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vertragsverhandlungen.
Paris , 17. März.( Eigener Drabibericht.) Die seit drei Wochen unterbrechenen deutsch französischen Handels. bertragsverhandlungen find am Montag in Paris wieder aufgenommen worden. Nach der Ende Februar zustande gelommenen Vereinbarung über das Maß der fünitigen Zolltarife beider Länder festzulegen. Die Bei bandlungen darüber, die vor wiegend technischer Natur sind, werden in Vertretung des ertranften Staatesekretärs Trendelen burg von dem Ministeriol direktor Boise geführt, der am Montagnachmittag die erste Unterredung mit dem französischen Lelegationschef Handel: minister Raynaldi gehabt hat.
treten durch Herrn Auch der preußische Haus- und Grundbesigerverein, ver durfte in solcher Gesellschaft nicht fehlen. Herr Jarres lit der Ladendorff Kandidat derer, die ohne Rücksicht auf soziale Not die Gold. mieten der Friedenszeit unverzüglich wieder einführen mollen oder sogar darüber hinaus die deutsche Mieterschaft ichuzlos der Hausbesitzerwillfür ausliefern wollen.
Selbstverständlich figuriert auch der Reichslandbund, vertreten durch seinen volksparteilichen Borsitzenden
Hepp,
auf der Liste, um zu befunden, daß Herr Jarres der Kandidat der Aushungerung des deutschen Bolles durch Schutzölle ist, daß er die gegenwärtige Bodenverteilung für gerecht hält, jede Siedlungspolitit auf Kosten der Großagrarier Sabotiert und die Landarbeiterbevölkerung in die frühere politische, wirtschaftliche und geistige Knechtschaft zurückwerfen möchte. Durch den Reichslandbund empfohlen, ist Herr Jarres in der Tat der gegebene Gegenkandidat gegen
Daß die antisemitischen Korpsstudenten des Hochschulringes deutscher Art zu dieser feinen Gesellschaft gehören mußten, war unvermeidlich. Herr Jarres will zwar durch ein Sicherheitsangebot Elsaß- Lothringen aus eigner Initintive endgültig preisgeben, aber er ist zugleich der Kandidat der trintfesten Couleurbrüder, die unter Führung des c teutonischen
Dr. de la Chevallerie
Drumond bleibt Generalsekretär. Köln , 17. März.( Mtb.) Zu den Mitteilungen tschechischer und schwierischer Blätter, daß der Generalsekretär des, Bölkerbundes Drumond, in nächster 3 it zurüftreten und Benesch Blaß machen werde wird tem Genfer Berichterstatter der Kölnischen itung" von einer dezu ermächtigten Stelle des Völkerbunds. fefretoriots erflärt, daß es sich hi'r um eine bereits wiederholt in Siegreich wollen wir Frankreich schlagen!" brüllen. dr Breffe aufgetauchte bloße Vermutung bandle, die auf einer Grundlage beruhe. Der Generalf tre är des Böfferbundes trage sich Der völkische Deutsche Offiziersbund, dem an mit fo'nerlei Rüdiritis cband n. Auch in tschechischen Streljen mirbaugehören fogar bie in diefer Hinsicht font fehr liberalen hertarauf hingewiesen, daß Benesch nicht daran bente, aus der altioen darauf hingewissen, daß Benesch nicht daran tente, aus der attiven ren Geßler und Seedt den Reichswehroffizieren verboten haben, tritt natürlich gleich alls für Herrn Jarres ein, desgleichen der
Nur ein Gutes tann ber Beschluß und feine jezige Beröffent fichung haben: er muß auch die Baueften, Gleichgül tigsten und Bertrauensseligen im beutschen Be- Politit feines Landes ausquidbeider