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Nr. 13042. Jahrgang Ausgabe A nr. 66

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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands  

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Mittwoch, den 18. März 1925

Jarres und die Beamten.

Der Vater des Neunstundentages.

Was piele im Laufe eines Jahres vergessen haben, ist wert, in die Erinnerung gerufen zu werden. Herr Jarres, der jezt von den jungen Leuten der Schwerindustrie und von Killinger als Mann des sozialen Fortschritts" gepriesen wird, ist der Vater des Neunstundentages für die Reichsbeamten. Jarres hat den 2 cht stundentag im Reich abgeschafft und gleichzeitig die Gehälter herabgefekt Bis heute ist seine Verordnung über die Einführung des Neunstundentages für die Reichsbeamten auf rechterhalten, während in Preußen nach wie vor der Acht­shundentag feine Geltung hat.

In Preußen hat ein wirklicher Mann des sozialen Fortschrifts 31 Jahre lang das Staatsschiff gelenkt, und dieser Mann heißt Otto Braun  . Als er von Jarres   auf gefordert wurde, ebenfalls sozialen Rüdschritt statt Fortschritt zu begehen, hat er sich mit aller Entschiedenheit gewehrt und seine Bedenten in einem Schreiben vom 31. De­zember 1923 als preußischer Ministerpräsident niedergelegt. Diefes Schreiben ist wert, heute in Erinnerung gebracht zu werden. In ihm heißt es:

Ich gehe mit der Reichsregierung darin einig, daß die furcht. bare Not unserer Zeit die völlige Ausschöpfung der Arbeitskraft der im Dienste des Staates stehenden Beamten und Angestellten erheischt. Ich bezweifle aber, daß das eine schematische Berlängerung der täglichen Dienstzeit der Beamten bedingt. Worauf es antommt, tit, durch verwaltungsorganisatorische Maßnahmen die Intensität der Diensttätigkeit der Beamten und Angestellten bis zur hochsten Stufe zu steigern und den Leerlauf auf das geringste Ausmaß herabzudrücken. Das fann

niemals durch eine schablonenhafte Feftfehung der Dienstzeit erreicht werden, die die Verschiedenartigkeit der Anforderungen naturgemäß nicht berücksichtigen kann, der mannigfaltige Dienst in der Staatsverwaltung, sei es im inneren Dienst, sei es in der Recht sprechung oder gar im Forschungs- und Unterrichtsbetrieb, an die geistige und physische Kraft der einzelnen stellt.

Ich befürchte daher, daß die Durchführung der Richtlinien der Reichsregierung in der durch die unzulängliche Besoldung

mörder Erzbergers, Schulz und Tillessen  , unter it finger tätig gewesen seien und die Organisation Consul   die Atmosphäre geschaffen habe, aus der die Mordtat erwachsen sei. Brodauf fragte die Reichsregierung, ob v. killinger etwa die im Oftober verhängte Strafe noch gar nicht angetreten habe, ob etwa r. Killinger gar Bewährungsfrist gewährt worden sei? Reichsjuftizminister Frenten antwortete, daß tatsächlich v. Killinger seine Strafe noch nicht angetreten habe. Es liege ein Gnadengesuch für ihn vor und die Strafvollstreckung ruhe, bis die Entscheidung über das Gnadengejuch getroffen sei. So habe man auch in zahlreichen anderen Fällen gehandelt.

Dadurch wird also zugegeben, daß der Rillinger einen Aufruf für Jarres   unterzeichnet, von dem er hofft, daß er Reichspräsident werde und dann ihm, dem Geheimbündler und Mörderfreund, die Begnadigung verschaffe! Eine Hand wäscht die andere, denkt Killinger. Denft auch Jarres so, daß er einen Mörderfreund begnadigen würde, der für ihn einen Wahlaufruf unterzeichnet hat?

Jarres- Mannen.

,, Baterländische" und Wiking- Bund  .

Die Bereinigten Baterländischen Verbände Deutschlands   nahmen in einer Bertretertagung einstimmig für die Kandidatur Jarres  Stellung. Nachdem Freiherr von Bietinghoff- Scheel gegen den Sicherheitspaft gesprochen und Dr. Otto Kriegt vom Reichsblock, somie Professor Freiherr von Freytagh- Lorringhoven sich eingehend über die bevorstehende Präsidentenwahl verbreitet hatten, fonnte General Graf von der Golz nach furzer Debatte feststellen, daß fämtliche auf der Tagung vertretenen angeschloffenen und befreun beten Baterländischen Berbände einstimmig bereit sind, fich für die Kandidatur Jarres in nachdrücklichster Weise einzusetzen. Im weiteren Verlauf der Tagung wurde mitgeteilt, daß der Bund Wiring seinen Anschluß an die Bereinigten Baterländischen Ver­bände vollzogen hat. Als Vertreter des Bundes wurde Rapitän leutnant von Rillinger in das Präsidium gewählt.

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Sicherheitspakt im Völkerbund.

Von Rudolf Breitscheid  .

Die Einstellung Deutschlands   zum Völkerbund hat, seit­dem sein während der Friedensverhandlungen erhobenes Ber­langen nach unmittelbarer Zulassung von den Siegerstaaten abgelehnt worden war, verschiedene Phasen durchlaufen. Zunächst die der fast unbedingten Ableh­nung. Sie war psychologisch durchaus verständlich. Der Völkerbundspakt war sozusagen organisch mit dem Versailler Diktat verbunden, und der ganze Groll gegen die uns auf­erlegten Friedensbedingungen übertrug sich auf den neuge­fchaffenen Verband, in dem man eine Organisation der ehe­maligen Kriegsgegner zur dauernden Unterdrückung der Be­fiegten erblickte. Die Entscheidungen, die dann in den nächsten Jahren gefällt wurden( Saar  , Eupen- Malmedy  , Ober­ schlesien   usw.) trugen, mochten sie auch form al unangreifbar fein, nicht dazu bei, die deutsche öffentliche Meinung umzu­stimmen. Sie war bestenfalls steptisch, in der Hauptsache aber direkt feindlich, und als dann der Rapallo- Vertrag abge­schlossen war, wurden die Notwendigkeit der Rücksichtnahme auf das befreundete Rußland und die vielfach gehegte Hoff­nung auf ein politisch- militärisches Zusammengehen der beiden Mächte gegen den Westen weitere Argumente gegen den Anschluß.

Erst ganz allmählich brach sich eine andere Auffassung Bahn. Man begann die Nachteile des Draußen­stehens zu erkennen, und insbesondere die Linke beschäftigte sich mit der Frage, ob nicht manche Dinge eine bessere Wen­dung für Deutschland   nehmen würden, wenn es in ständiger und enger Berührung mit den übrigen europäischen   Mächten stehe und als Mitglied der Völkerbundversammlung und eventuell des Bölkerbundrates seine Wünsche und Beschwerden unmittelbar vor den Ohren der anderen geltend machen könne. war die Organisation wirklich antideutsch, so war das beste Mittel, eine für Deutschland   günstige Wendung herbeizuführen, daß man eintrat und mitarbeitete.

Boraussetzung blieb allerdings, daß die anderen uns haben wollten. Aber darüber konnte seit der letzten Völker­bundstagung im September 1924 fein 3weifel mehr bestehen. Die Einladung Macdonalds war nicht nur deutlich, sondern geradezu freundschaftlich, und wenn die Franzosen auch einen etwas fühleren Ton anschlugen, so ließen doch auch

chnehin stark beunruhigten Beamten- und Angeftelt. Der geleimte und zersprungene Rechtsblock. ihre Borte den Bunsch nach einer baldigen Beſegung des

tenschaft neue Mißstimmung auslösen wird, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung ihrer Dienstfreudigkeit führen muß, was leicht eine Verminderung der Arbeitsleistung zur Folge hat, zumindest teine Erhöhung aufkommen läßt. Denn lezten Endes ist doch für das Maß der Arbeitsleistung der Beamten und Angestellten ihre Dienst- und Arbeitsfreudigkeit und ihre durch die Höhe der Besoldung nicht unerheblich beeinflußte geistige und förperliche Leistungsfähigkeit entscheidend. Können Reich und Länder infolge ihrer schwierigen Finanzlage ihren Beamten vorüber gehend eine ausreichende Besoldung nicht gewähren, so müssen sic um so mehr darauf Bedacht nehmen, alles zu unterlaffen, was ge­eignet ist, die Dienst- und Arbeitsfreudigkeit der schwer unler der materiellen Not leidenden Beamten- und Angestelltenschaft noch mehr zu beeinträchtigen. Das scheint mir beim Erlaß der Reichsregierung über die Dienstzeit der Beamten nicht hinreichend berücksichtigt zu fein...

Auf den jetzigen Präsidentschaftskandidaten der Rechts­parteien, Jarres, ist dieser Brief ohne jeden Eindrud geblieben. Er hat den Neunstundentag im Reich auf rechterhalten und ein gemisses Mißverhältnis zwischen den Reichs- und preußischen Staatsbeamten trotz der ernstesten Bedenken bestehen lassen.

Jarres   wählen heißt deshalb jenes System anerken­nen, das er als Reichsminister des Innern vertreten und teil­weise durchgesetzt hat: Sinnlose Ausbeutung der Beamtenschaft ohne entsprechende Gehälter, sozialer Rüd­ichritt auf der ganzen Linie!

Das Gegenteil trifft auf den Kandidaten der Sozialdemo­fratie Otto Braun   zu Der am Silvesterabend 1923 geschriebene Brief Brauns spricht für das innere Emp­finden dieses Mannes, der unter Pflichterfüllung nicht Ausbeutung versteht und der jedes Pflichtbewußt fein im Interesse des Staates auch anerkannt wissen will. Jeder fortschrittliche Beamte wählt deshalb nicht den Kandi­daten des Bürgerblocks, sondern tritt ein für die Kandidatur Otto Braun  !

Killinger auf freiem Fuß!

Der Mörderfreund wartet auf Jarres' Gnadenakt! Am Schluffe der Dienstagsigung des Reichstages trug der Demokratische Abg. Brod auf folgendes vor:

Nach einer Meldung Berliner   Blätter fei der Aufruf des sogenannten Reichsblocks zur Präsidentschaftsfandidatur des Herrn Jarres auch von dem Kapitänleutnant v. Rillinger, dem Führer des Wifinger- Bundes, unterschrieben. Dieser v. Killinger kei im Geheimbundprozeß Conful am 25. Oftober 1925 zu 8 Monaten Gefängnis verurteilt worden. Das Gericht babe festgestellt, daß die

Nachdem die Bayerische Volkspartei   und die Deutschhannove­raner aus der Front der Einheitskandidatur ausgebrochen sind, hat jetzt die Wirtschaftspartei durch ihren Reichsausschuß mit Tränen über das Mißlingen der Geßler- Kandidatur beschlossen, ihren Wählern zwar die Unterstützung Jarres' zu empfehlen, aber fich für den zweiten Wahlgang alles weitere vorzubehalten! Dafür aber hat Jarres den Trost, daß sich der Jungdo, die Gemeinschaft der Sechzehnjährigen, für ihn ausgesprochen hat, nachdem Seedt ihn abblitzen ließ!

Keine Regierungserklärung.

Marg berät mit seiner Partei. Der Amtliche Preußische Pressedienst teilt mit: ,, Auf Grund der in den letzten Tagen mit allem Nachdruck fortgesetzten Unterhandlungen, die sowohl mit den Parteien mie auch mit einzelnen für die Kabinettsbildung in Betracht kommenden Persönlichkeiten geführt worden waren, bestand große Wahrscheinlichkeit dafür, daß Ministerpräsident Marr am Mittwoch nachmittag imftande sein merde, dem Landtag ein Kabinett vorzustellen, das alle Aussicht hatte, die Billi gung der Mehrheit des Hauses zu finden. Ministerpräsident Marr hatte die Parteiführer auf Dienstag vormittag zu eingehenden Besprechungen eingeladen, um ihnen über den Erfolg seiner bisherigen Bemühungen zu be­richten. Gleich zu Beginn dieser Berhandlungen schufen die Oppositionsparteien plöglich eine neue Situation, indem sie erklärten, sie fönnten mit einem Ministerpräsidenten, der gleichzeitig Kandidat für die Reichspräsidenten­fchaft fei, nicht mehr verhandeln, infolgedessen mußte der Ministerpräsident Marr zunächst von seinem Plan absehen, am anderen Tag dem Landtag sein Kabinett vorzustellen." Die Rechtsparteien, als deren Sprecher der deutsch­nationale Abgeordnete Windler auftrat, wollen also abermals das Zustandekommen einer arbeitsfähigen Regierung verhin­dern. Der Hinweis auf die Kandidatur Dr. Marr für den Posten des Reichspräsidenten   ist natürlich ein neuer Er­preffungsversuch gegen das Zentrum, das mit allen Mitteln mürbe gemacht werden soll. Die Wirkung dieser Taftit tann freilich nur die gegenteilige sein. Die Rechte wird höchstens das eine erreichen, daß nach der Reichspräsidentenwahl auch in Preußen neugewählt und die Säule des Rechtsblocks, die KPD.  , dabei zertrümmert wird. Die Rechte möge fich nicht einbilden, daß ihre Obstruktion taktisch auf irgend femand Ein­druck macht. Je mehr diese Gesellschaft versucht, Preußens Ent widlung zu schädigen, um so fester wird sich im Bolte die Ueberzeugung durchfeßen, daß diejen Herrschaften das Hand mert gelegt werden muß. Schon die Reichspräsidentenwahl wird zeigen, wie die Mehrheit des Bolles über sie denti.

leeren Plages" erkennen. Wir erinnern uns der merkwürdigen Konfusion, die in jenen Tagen in Berlin   herrschte. Das Kabinett fand sich der geöffneten Tür gegenüber nicht ohne weiteres zurecht, und die Unsicherheit wurde durch die tragi­tomischen Mißverständnisse gesteigert, die sich aus der Zu­sammenkunft zwischen den deutschen   Regierungsvertretern und dem englischen Völkerbundsminister Lord Parmoor während der Londoner Konferenz ergeben hatten. Aber am Ende faßte man sich, und das Ergebnis war jenes Memo­randum, in dem die deutsche Regierung ihre Voraussetzungen für den Eintritt zusammenfaßte. Bier Fragen wurden formuliert. Die erste war die, ob Deutschland   sofort einen ständigen Sitz im Rat erhalten werde, die zweite bezog sich auf Borbehalte bezüglich der aus dem Artikel 16 des Pattes fließenden Verpflichtungen, die dritte wollte wissen, ob mit der Anerkennung der bestehenden Verträge ein ausdrückliches Be­fenntnis der Schuld am Kriege verbunden sei, und die letzte erstreckte sich auf die Beteiligung Deutschlands   an der Ver­waltung der kolonialen Mandate.

Das Hauptgewicht lag auf den Fragen eins und zwei. Die Ratsmächte, an die das Memorandum gerichtet war, ficherten alle den ständigen Siz im Rate zu, aber was den artifel 16 betraf, stellten sie sich auf den Standpunkt, daß für Deutschland   keine Ausnahme gemacht werden könne, und so waren die Verhandlungen wieder an einem toten Punkte angelangt, bis sie jetzt durch die in diesen Tagen ein­gelaufene Note des in Genf   versammelten Rates aufs neue in Gang gebracht worden sind.

Was befagt der Artikel 16? Er verpflichtet die Bundesmitglieder mit dem Staat, der vom Völkerbund als Friedensbrecher angesehen wird, unverzüglich alle Han­dels und finanziellen Beziehungen abzu­brechen, ihren Staatsangehörigen jeden Verkehr mit den Angehörigen des vertragsbrüchigen Staates zu verbieten und alle finanziellen Handels- oder persönlichen Verbindungen zwischen den Angehörigen dieses Staates und den Ange­hörigen jedes anderen Staates abzubrechen". Des weiteren verpflichtet er den Rat, den verschiedenen beteiligten Staaten vorzuschlagen, mit welchen Streitkräften die Mit­glieder des Bundes zu der bewaffneten Macht beizutragen haben, die zur Wahrung der Bundespflichten bestimmt ist. Mit anderen Worten, er fordert die Beteiligung an der wirt­schaftlichen Blockade und in einem näher festzusetzenden Um­fang die Teilnahme an bewaffneten Handlungen.

Demgegenüber verweist die deutsche Regierung auf die Entwaffnung ihres Landes, in deren Folge fie großen Ge­fahren von feiten des Friedensbrechers" ausgesetzt werden fönnen, wenn fie irgendwelche Maßregeln gegen ihn ergreife. Sie spricht es nicht offiziell aus, aber jeder versteht es, daß