Ehren- Gobert als Kronzeuge. Sozialdemokratie und Reichspräsidentenwahl.
Aus der Haft vorgeführt.
B. S. Magdeburg , den 18. März 1925. Nach Beginn der heuti gen Berhandlung des Rothardt- Prozesses verlas der Vorsitzende zunächst ein Schreiben des Oberregierungsrats Dr. Henniger, in dem er mitteilt, daß er offenbar falsch verstanden worden sei, als er über die drohende Einziehung des damaligen Abgeordneten Ebert aus: fagte. Die Einziehung sei nicht nach dem Streit, sondern bereits
Diel früher erwogen worher Dann wurde der
In Reinidendorf- Off
Jn Schöneberg
Die geftrigen großen Bolfsverfammlungen, die| brud, so daß auf jede Aussprache verzichtet wurde. Mi unter dem Motto: Sozialdemokratie und Reichspräsidentenwahl" einem hoch auf die Sozialdemokratie schloß der Leiter die sehr gut überall in Groß- Berlin statifanden, waren alle überfüllt, alle zeiligten verlaufene Versammiung. einen glänzenden Erfolg. Das ist ein erfreuliches Borzeichen für die aussichten des Wahlkampfes, der in diesen Tagen mit aller Macht eingesetzt hat. Abermals wird von erbitterten Gegnern auf der radikalen Rechten und auf der radikalen Linken mit von niedrigem Zeuge Paul Gobert aus der Haft vorgeführt Haß genährter Berleumdung gearbeitet werden, abermals werden Dieser erklärt: Während des Kriegs sei er bis 1915 eingezogen und alle Gemüter aufgerüttelt, doch das Gute, in diesem Fall ein Prazeitweise in einer Nervenheilanstalt in Gent inter- fident, der ehrlicher Diener der Republik und somit auch des ganzen niert gewesen, nachdem er 1915 verschüttet worden war. Er wurde Bolkes ist, wird sich dennoch Bahn brechen. Wir tragen noch die Bedann entlassen, später aber auf Grund des Hilfsdienstgesetzes wieder richte über folgende Bersammlungen nach: eingezogen und fam in die Reichswerte nach Spandau , wo er bis zum Ausbruch der Revolution tätig war. Vorf.: In welchem Werf waren Sie tätig? Zeuge: Herr Vorsitzender, das weiß ich nicht mehr, denn ich wurde viel umhergeschicht. Bors.: Haben Sie bamals auch gestreift? Jeuge: Nein, zur Versammlung in Treptow ging ich aber doch, weil ich Nachtschicht hatte. Borf: Bei welcher Bartei waren Sie organisiert? Zeuge: Bei gar feiner, meine Gesinnung ist trotzdem national. Daraus mache ich keinen Hehl. Borf.: Streiften denn alle Arbeiter? 3enge: Nein, die, die nationale Gesinnung hatten, arbeiteten. Am 31. Januar 1918 fuhren wir, vier bis fünf Mann, nach Treptow , da bekannt gegeben war, daß Ebert sprechen follte. Vors.: Bußten Sie nicht, daß anderswo auch sozialistische Abgeordnete fprechen würden? Zeuge: Das weiß ich nicht mehr. In Treptow fprach zuerst Herr Ebert. Biele Menschen waren nicht ba, ich habe etma 100-150 gerechnet. An einer Böschung stand Herr Ebert. Ich war etwa 15-20 meter entfernt. Dorf. : Was haben Ele denn gehört? Zevge: Bon Genossen in Rußland nicht im
Stich laffen oder so. Wir wollten aber was von Gestellungsbefehlen hören. Deshalb schrieb ich einen Zettel, ob mir uns stellen follten. Ebert hat mir geantwortet, daß Gestellungs. befehle night befolgt werden follen, wir sollten uns an die Partei menden. Vorf.: Das haben andere nicht gehört. 3euge: Die baben feinen Mut, das zu sagen. Sie sollen nur der Wahrheit die Ehre geben. Vorf.: Haben Sie das vielleicht auch anderswo gehört, daß man Stellungsbefehlen nicht Folge leisten folle? Zeuge: Das habe ich auch schon im Betriebe gehört. Der Vorsitzende fragt ben Beugen, was auf dem Better it and, den er Ebert gegeben habe. Gobert erwidert, er beziehe fich auf den Zettel, den er im ersten Prozeß nach der Erinnerung gefchrieben habe. Er habe geschrieben:
„ Was denkt Herr Ebert vom Streit?"
Borf.: Sie haben auf dem Zettel nach Ihrer ersten Aussage gefchrieben: Wie follen wir uns zu den Gestellungsbefehlen Derhalten?" hat denn Herr Ebert nicht vielmehr gesagt,
„ Gestellungsbefehlen ist Folge zu leiffen?" Zeuge: Das ist ausgeschlossen, es fanu ja sein, daß er das gesagt hai, aber ich habe das so aufgefaßt. Borj.: Da widersprechen Sie sich doch in einem Sah."
3euge: Ebert fagte: Stellungsbefehlen ft teine Folge zu leiften. Vorf.: Haben Sie sich später wegen Unterstüßung an den Reichspräsidenten gewandt? Zeuge: Ich habe Berfufte im besetzten Gebiet gehabt, und da ich von der Fürsorge nichts Fetommen habe, so wandte ich mich an ihn. Borf.: Waren Sie damals schon in Untersuchungshaft? 3euge: Als ich aus der Haft heraus war. Dorf: Da muß doch gegen Sie etwas vorgelegen haben, wenn die Fürsorge Ihnen die Bezine fperrte? 3eug': Ich hin megen einer nationalen Tat mit 15 Monaten bestraft. Borf.: Sie find
bestraft wegen Fälschung von Sammellisten und Unterschlagung gefammelter Gelder.
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Zeuge: Ich nehme es auf meinen Eid, daß ich nicht einen Pfennig für mich behalten habe. Die Fälschungen gebe ich zu. Fors: Sie sind noch öfter bestraft worden, so wegen Betruges zu 12 Monaten Gefängnis im Jahre 1914. Zeuge: Ich habe immer rersucht, den Kerl, der den Finger hochgehoben hat, wegen Mein eides zu fassen. Borf.: In Hamburg sind Sie wegen Betruges 34 6 Wodjen verurteilt worden. Jeuge: Das habe ich zugegeben, da bin ich mit 6 Wochen davongekommen. Borf.: Na und in Dortmund ?- Jeuge: Da habe ich auch Pech gehabt, denn da hob ein Weib die Hand hoch. Ich bin ehrlich, Herr Gerichtshof, ich habe in Spandau dem Staatsanwalt gesagt, daß im Juliusturm 20 Millionen Lei liegen. Ich habe meine Finger reingehalten. Borf: In Charlottenburg find Sie auch wegen Betruges verurteilt?-3euge( meinend): Ein Juftiz verbrechen ist an mir verübt. Da haben mich die Berwandten meiner Frau reingeritten. Borf.: Von der Bereidigung des Zeugen mollen wir vorläufig Abftand nehmen. Jeuge: Nachdem ich vom Reichspräsidenten teine Unterstügung bekommen habe, bin ich zu einer alten Dame in der Klopstockstraße gegangen. Die fagte zu mir, ich folle mich schämen, daß ich mich als nationaler Mann an den Sozialdemokraten Ebert gewandt habe. Da habe ich gefagt, sie Dame folle fich schämen, fie fei ja viel zu alt Borf.: Das mar aber höchst ungezogen von Ihnen. Jeuge: Warun gibt mir der Staat nicht das, was ich brauche, dann brauchte ich nicht zu betteln. Heute bin ich ein armer Mann, der Geld und Ansehen verloren
Der folgende Seuge
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Oberregierungsfefretär Paul Ben im Bureau des Reichs präsidenten jertigte die Personen ab, die sich wegen Unterstützung an den Reichspräsidenten wandten. Gobert hatte sich im März vorigen Jahres an das Bureau gewandt. Die Zentralftelle für Flüchtlingsfürjorge macnte vor den Mann. Gobert erschien dann selbst im Bureau und machte einen start angetrunkenen Eindrud. Gobert brauste auf, als er hörte, daß er nichts befomme, verlangte dann wenigstens 10 M., um nach Dortmund zu fahren. Am selben Tage traf ich ihn in dem Jug zum Rennen nach Hoppegarten .
Der folgende Zeuge, Elettromonteur Froese, arbeitete während des Krieges bei der Firma Goerz in Friedenau. 3ch gehörte leiner politischen Partei an, befam aber einen Handzettel der Revolutio nären Obleute", in dem zum Streit aufgefordert wurde. Borf.: Weshalb streiften Sie benn? Jeuge: Wir hatten mächtigen Hunger und wollten mehr Eisen haben. Der Beuge schildert dann, daß er die Versammlung in Treptow besucht habe. In Trepiow feien 30 000 bis 40 000 mann gewesen. Bors.: Warum gingen Sie gerade nach Treptow ?- Jeuge: Weil uns gefagt wor den war, daß wir in Treptow über den Streif näheren Bescheib bekommen sollten. In Treptow hörte ich Herrn Ebert, den ich aus Bezirksversammlungen der GẞD. fannte. Ebert sprad) ziemlic leife und machte uns
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Bormürfe, daß wir leichtfertigerweise in den Streit gegangen jeien. Die Arbeiter der feindlichen Länder arbeiteten jede Stunde, während wir das Baterland in Gefahr brächten. Dann wurde Ebert ein Bettel zugereicht, den er in die Tasche steckte. Dann rief ihm jemand zu: Bie ist das mit den Bestellungsbefehlen?" Ebert ant. mortete:„ Gestellungsbefehlen müßt ihr natürlich Folge leiften. Wir werden von der Partei aus nach Möglichkeit für Rückgängigmachung forgen. Darauf wurde geschrien: Berräter, Bremjer ujw." Vork: Haben Sie gehört, daß Herr Ebert fagte:„ Eure Forderungen find gerecht"?- 3euge: Zeuge: Er jagte, daß er unsere Forderungen für berechtigt halte. Borf.: Sagte er, haltet ruhig aus? Jeuge: Nein,
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er meinte, daß wir unsere Cage noch einige Zeit ertragen müßten. Bulegt waren Eberts Ausführungen nicht mehr zu verstehen, weil der Radau zu groß mar
sprach Genosse Franz Künstler. Er führte aus, daß Deutschland das einzige Land in der Welt jei, daß sein Boltsoberhaupt durch eine Bolkswahl erfüre. Das deutsche Volk müsse zeigen, daß es reif fet, einen Mann an die Spize des Staates zu stellen, der mirklich die Intereffen des Staates und der Allgemeinheit vertreten tann. Der Kandidat des Rechtsblods, oder wie er sich schamhafterweise nenne: Reichsblod", jei nichts weiter als der Blaghalter für die Monarchie. Und was die Monarchen selbst wert seien, das belegte Genoffe Künstler an hand zahlreicher Bitate, aus Aeußerungen und Büchern vor dem Kriege. Der Geist, der in diesem Rechtsblod herrsche, werde gekennzeichnet durch die Unterschriften, die unter dem Aufruf für Jarres stehen. So befinden sich darunter der Führer der Mörderorganisation, Rillinger, der berüchtigte Führer der Baltikumer, v. b. Gplz u. a. Jarres selbst sei bekannt als Bertreter jener Politif, die nach der Liquidation des Ruhrabenteuers die Rheinlande den Feinden ohne weiteres preisgeben wollen. Wenn die Republit, mie fie jest ist, auch noch nicht das beal für uns Sozialdemokraten barstellt, so ist sie doch eine geeignete Grundlage für unser soziales Ideal, und deswegen darf bei der Reichspräsidentenwahl nur ein zuverlässiger republikanischer Kandidat gewählt werden. Die einzige wirtlich zuverlässige republikanische Partei aber sei die sozialdemokratische. Ihr Kandidat tto Braun ift ebenso wie Genosse Ebert, dessen Wirken als Reichspräsident im In- und Auslande ihm die denkbar größte Anerkennung eingetragen hat, aus dem Volke hervorgegangen. Genoffe Braun ist ein auf rechter Charatter, gegen den selbst von den Gegnern nichts einge mendet werden könne. Genosse Braun hat aber auch, wie von feinen Mitarbeitern im Preußenfabinett anerkannt worden sei, staatsmännische Fähigkeiten feltener Art bewiesen, und deswegen gibt es für die Masse der Hand- und Kopfarbeiter in dieser Präfidentenwahl nur einen Kandidaten, den Kandidaten der Sozialbemo fratie. Otto Braun . führungen madjien auf die Bersammlung den denkbar besten EinDie sehr temperamentvoll vorgetragenen Aus
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Zum 18. März.
Eingebettet in Eis und Schnee liegen im Friedrichshain die Toten zmeier Revolutionen. Berwitterte Steine laften auf den Gräbern der Märzgefallenen des Jahres 1848, die als Borfämpfer für die bürgerliche Freiheit starben. Jahr um Jahr ehrt das Proletariat diefe Toten, die den Mut hatten, für eine Idee, bie Jbee des freien, bemokratischen Staates, ihr Leben einzufezen. Langsam nur schreitet die Geschichte, viel zu langsam für ben unruhigen Geift vorwärts strebender, furzlebiger Menschen.
Erst drei Bierteljahrhunderte nach der bürgerlichen Revolution von 1848 murde die demokratische Republif zur Wirklichkeit. Ar beiter waren es, die sie schufen aus grenzenlosem Zusammenbruch. Arbeiter vor allem sind es, bie sie stüßen und bewußt für fie eintreten. Sie allein find berechtigt, das Andenken dieser Toten zu ehren, deren Idee sie verwirklichen durften. Immer waren fie innerlich verbunden mit diesen Rämpfern, die von den Epigonen des Bürgertums von 1848 stets gemieten wurden, die nicht den Mut fanden, sich zu ihnen zu bekennen. Noch heute im freien Boltsstaat fehlt den„ Demokraten des Berliner Rathauses dieser Bekennermut, der allein Achtung und Respekt der Gegner zu erringen vermag. Dieser Friedhof, der in der Republit wie ein toftbares heilig. tum gehütet werden müßte, liegt verftedt und verlassen im Fried richtshain. Keine Tafel meist zu thm, tein Ehrenmal ziert ihn. Als vor zwei Jahren die 75jährige Wiederkehr der Kampftage von 1848 jene Ereigniffe in allen ehrlichen Republikanern mit größerer Wucht als fonft lebendig merden ließ und die Forderung nach würdigerer Gestaltung dieses stillen Friedhofs erhoben wurde, fehlte den Demotraten des Berliner Rathauses der Mut, diefer an sich selbst. verständlichen Forderung zu entsprechen. So bleibt der Friedhof der Märzgefallenen bestehen als eine bittere Anflage gegen jene Repu blikaner ", denen der feste Wille fehlt, das Wert dieser Toten mit aufrechtem Befennermut zu schützen und auszugestalten.
Auf dem Friedhof!
Hier ist es in frühen Morgenstunden noch recht ruhig. Der Friedhof selbst hat durch das Bezirksamt Friedrichshain einfachen, aber würdigen Schmud erhalten. So stehen am Eingang zwei schlichte Tannenobelisten, die Wege sind sauber. Dann und wann nahen Kranzdeputationen. Bereinzelt find die Gräber gefchmückt. Die Kommunisten legen ihre Kränze auf die Gräber der November gefallenen von 1918 nieber, zu den Märzgefallenen von 1848 finden fie den Weg nicht. Verlag und Redaktion des Borwärts" legten einen Kranz nieder, der folgenden Spruch trug: Unser Gedenken Euch nie verläßt!
Was Ihr erftrebtet, mir halten's feft!
Wofür Ihr starbet, in uns lebi's und sprieẞt's, Märztagehelden, feib uns gegrüßt.
Der Bezirksverband Berlin der Sozialbemo ratifchen Bartei Deutschlands fchidte einen Kranz mit folgendem Spruch:
Willst für die Freiheit Du tapfer Dich schlagen, Zuerst dann mit deinlichem Borurteil brich, Frage nicht viel, was die Gegner fagen, Und, menn fie Dich loben, dann schäme Dich! Inzwischen ist die Abordnung des Reichsbanners Schwarz Rot Gold, Gau Berlin- Brandenburg, erschienen. Hier weift die Kransschleife, die in den Reichsfarben gehalten ist, den Spruch auf:
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Baterland, mir schmören,
Lester Tropfen Blut foll Dir gehören! Der zweite Teil der Schleife trägt die Borte: Den Borfämpfern für Freiheit und Recht! Ferner ist der Friedensbund der Kriegsteilnehmer vertreten. Kurze und doch inhaltsreiche Worte zieren bie Schleife:
In Eurem Gelfte raftlos meiterzufämpfen Für Menschlichfeit, Gerechtigkeit, Bahrhaftigkeit Geloben mir!
Durch einen Sturz vom Straßenbahnwagen getötet. Die fechzig jährige Frau Wilhelmine des Postaffiftenten a. D. Laubst ein aus der Harzer Straße 38 fiel, wahrscheinlich Infolge eines Schwindel. anfalles, in der Elsenstraße von der vorderen Plattform eines Wa gens der Linie 11 auf das Pflaster und zog sich so schwere Berlegungen zu, daß fie im Krantenhause starb, ohne bas Bewußtsein wiedererlangt zu haben.
Der
sprach vor einer sehr gut besuchten Wählerversammlung in d Schloßbrauerei Genosse Crispien. Der Redner ging von der fran zösischen Revolution aus, zog treffende Bergleiche mit dem damaligen preußischen Staat, sprach von den Stein- Hardenbergschen Reformen die man dem Volfe geben wollte. Doch wo blieben diese Ver Sprechungen? Die brutale Herrschaft der ostelbischen Adligen und unter sorgte dafür, daß der Bevölkerung feine Zugeständnisse gemacht wurden. Nach dem gewonnenen Krieg und der Niederwerfung des Militärdiktators Napoleon 1813/15 hoffte das Boik nun endlich, auch die vom König gegebenen Versprechungen eingelöst zu sehen. Doch nichts geschah. Erinnert sei an die Burschenschaften von damals und an die bürgerliche Jugend, die sich überheute aber im Lager der Realtion figen und ihr zeugt der revolutionären Bewegung anschlossen, Kriegsgefchrei gegen alles Revolutionäre ertönen lassen. 18. März 1848 nahte. Auf den Barrikaden hatte das Volk durch ahlreiche blutige Opfer den Sieg errungen, bie errichaft aber frat bie Reaktion an. Erreicht waren einige bescheidene Bolfsrechte. Inmitten der bürgerlichen Revolutionen des 19. und zu Anfang des 20. Jahrhunderts wuchs die proletarische Bewegung. Reif wurde die Republit eigentlich erst 1918 für das Proletariat. Die Macht, die bisher in den Händen Wil helm II. gelegen hatte, der über Krieg und Frieden, über Leben und Tod seiner Untertanen bestimmte, war gebrochen. Wieder ist die Unsere Aufs Reaktion jezt an der Arbeit, unser Werk zu zerstören gabe ist es, der Republik einen sozialen Inhalt zu geben, mit dem wir uns abfinden können. Die wahre Volksrepublik zu fchaffen und die Beseitigung der Klaffen, das ist unsere weitere große Aufgabe. Unser Kandidat zur bevorstehenden Reichsprästdentenwahl ist Otto Braun . Schart alles um uns und helft, bamit wir ben Rampf ehrenvoll bestehen. Terror und Blutherrfchaft, wie sie in der Sowjetunion bestehen, lehnen wir ab. Wir wollen eine flaffenfreie Gesellschaft, denn dann erst ist der Aufstieg gegeben. Nicht umsonst sollen die Bielen ihr Leben für die Revolution gelaffen haben. Es wird und muß uns gelingen, den revolutionären Gedanken in alle Länder zu tragen, um unsere Fahnen auf den kapitalistischen 3wingburgen aufzupflanzen. Arbeitergesangverein Freundschaft" und der Sprechchor der SAJ. brachten vollendete Darbietungen. Ein Hoch auf die SPD. und die Internationale, die von den Anwesenden stehend gesungen wurde, beendete die machtvolle Bersammlung. Mitglieder des Reichsbanners gen fam. hatten den Saalschuh übernommen, so daß es nicht zu Störun
Gefängnis im Stechenhau.
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Der
Der Gefangenenmärfer als Mädchen für alles. Die geradezu unhaltbaren Zustände im Potsdamer Boli gefängnis wurden in einer Sigung vor dem Botsdamer Amtsgeric recht grell beleuchtet. Wegen fahrläffiger Gefangenenentweichung war der Polizeigefängnisoberwachtmeister& üttous angeflagt. Am 25. Februar gelang es einem Polen , der sich in dem Gefängnis in Schuzhaft befand, auszubrechen. Besonders schwer ist ihm die Flucht nicht gemacht worden, wenn man hört, daß sich das Ge fängnis im alten Stechenhaus befindet, die Fensterrahmen und Traillen mit Kalt eingelassen sind und der Angeflagte 24 Stun ben Dienst mit vierstündiger Nadhiruhe abmachen muß, wenn das Gefängnis belegt ist. Nur einmal in der Woche und allen zweiten Sonntag tommt eine Vertretung. Er ist sozusagen das Mädchen für alles". Ohne Werkzeug, nur mit der Hand war es dem Gefangenen gelungen, die Sicherungen vor dem Fenster, welches bequem über der Beffentür liegt, zu entfernen. Als der Borsitzende den Angeklagten fragt, wann er eigentlich schlafe, da er doch nachts um 2 und um 5 Uhr revidieren muß, meinte diefer: Herr Rat nur so mischendurch schlafe ich; ich bin doch immer in Alarmbereitschaft. Wie baufällig dieses Gefängnis ist. fann man daraus ersehen, daß furz vorher ein anderer Gefangener ohne Schwierigkeiten die Mauersteine entfernen fonnte und das Weite suchte. Das Primitivste, mas es gibt, ist dieses Potsdamer Polizeigefängnis," meinte der Verteidiger Justizrat Josefsohn und Stadtverordnete von Potsdam . Nur eine Belle im Gefängnis ist dem Freiheitsdrang widerstandsfähig. Das Gericht erfannte anstelle einer vermirtten Gefängnisstrafe von drei Wochen auf 63 m. Geld strafe. Dem Angeklagten wird nachgelaffen, in Anbetracht feiner fchlechten Besoldung er erhält nur 180 mt. und feine freie Dienst. mohnung die Strafe in Raten abzahlen zu dürfen. Der Ange flagte will gegen das rteil Berufung einfegen.
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Kleider und Menschen.
Draußen liegt Schnee, und die Natur sieht alles anders, mur nicht frühlingsmäßig bunt und bewegt aus. Das alles fümmert die Mode und die Modengeschäfte nicht. Jezt hat 2. Wertheim die neuesten Frühjahrsticider gezeigt und, um die Vorführung stimmungsvoller zu gestalten, haben geschickte Detorateure den Saal, in dem die Modenschau vor sich geht, geschmackvoll eingeteilt und eine runde Bühne mit hochgebauten Wandelgängen geschaffen. Und da vor und ringsherum fißt das interessierte Publifum. Wer etwa mit dabei war und nicht andere Sorgen hatte als auf die Segnungen der neuesten Mode zu achten, der fonnte mit Erstaunen wahr. nehmen, daß die Mode von heute einen durchaus männlichen Cha tafter hat. Die Damenmäntel sehen genau so aus wie die Herrenmäntel, und auch die Jacketts zeigen einen ausgesprochenen männ lichen Schnitt. Damit hält die Hutmode gleichen Schritt. Auch die Hüte richten sich in der Form nach den Herrenhüten. Wenn die elegante Dame dermaßen tostümiert sich auf den Straßen sehen. läßt, wird das wie ein einziges großes Preisrätsel sein: Frau oder Mann! Nun, dazu kann man nur mit dem unmodernen Friz Reuter sagen: Ber's mag, der mag's, und wer's nicht mag, der wird es wohl nicht mögen!"
Im Palais de Danse zeigte das bekannte Modellhaus Mar Beder, Elfaffer Straße 53, feine neuesten Modelle: Morgen und Abend, Sport und Sommertleider, Nachmittagsfomplets, Garconne- Kostüme und Mäntel. Sämtliche Kleider und Kostüme waren aparte Schöpfungen von erlesenem Geschmad, im arcßen und ganzen die Note vornehmer Einfachheit betonend. Elsa Herzog hatte die modische Leitung übernommen, so daß alles tadel los flappte. Mar Hansen vom Metropol- Theater fonferierte, glo. ferte amüsant, während Ellen Stawrides und Anita Dickstein voll Grazie einen Wiener Walzer tanzten.
Die Stadtverordnetenverfammlung hat in diefer Woche eine Sigung am Donnerstag um 35 Uhr. Das vorgelegte Arbeitspenium ist wieder recht reichlich, weil immer wieder viele Refte aus früheren Sigungen übernommen werden müssen. Der neuen Haushaltplan fann der Magistrat erst nach Beginn des neuen Geschäftsjahres zur Beratung vorlegen, so das jetzt ein Beschluß über vorläufige Megelung der Haushaltwirt fchait nötig wird.
Petroleum umsonst gab es heute morgen plöglich und uner. martet in der Winterfeldtstraße. Dort war ein großer Wagen der Deutsch- Amerikanischen Petroleum- Aft.- Ges. von einem Automobil angefahren worden, so daß er led wurde. Die Anwohner, vor allem Frauen, eilten mit Eimern, Konservenbüchsen und allen möglichen Schöpfgegenständen herbei, um das Petroleum aufzufangen. Als das Betroleumfieber am höchsten gestiegen war und jogar Kinder mit Milchtöpfen auf der Bildfläche erschienen, war ein Baffin herbeigeschafft worden, das die übriggebliebene Flüssigkeit in sicheren Gemahrjam nahm.